Normen
ABGB §1295 Abs2
Wiener Pensionsordnung LGBl 1967/19 §19 Abs7
ABGB §1295 Abs2
Wiener Pensionsordnung LGBl 1967/19 §19 Abs7
Spruch:
Die Geltendmachung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches ist auch dann nicht schikanös, wenn die Unterhaltsbeiträge - hier nach § 19 Abs 7 WrpensionsO LGBl 1967/19 - auf einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsbezug des Unterhaltsberechtigten (Witwenpension) anzurechnen sind und daher im Ergebnis nicht dem Unterhaltsberechtigten zugute kommen
Beweispflichtig dafür, daß der Rechtsausübende kein anderes Interesse hatte als zu schaden, ist der Schikane behauptende Kläger
OGH 9. 6. 1971, 3 Ob 30/71 (LG f ZRS Wien 46 R 567/70; Exekutionsgericht Wien 7 C 18/69)
Text
Auf Antrag der Beklagten als betreibender Gläubigerin wurde gegen die Klägerin als Verpflichtete auf Grund des Vergleiches des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 12. 12. 1960 (27 C 260/60) zur Hereinbringung einer in der Zeit von Februar 1968 bis einschließlich Oktober 1969 aufgelaufenen Unterhaltsforderung von S 57.750.- die Fahrnisexekution bewilligt.
Gegen diesen im Exekutionswege geltend gemachten Anspruch erhebt die Klägerin Einwendungen nach § 35 EO. Sie behauptet, die Beklagte habe auf ihren Unterhaltsanspruch zur Gänze oder zumindest für den im Exekutionsantrag angeführten Zeitraum verzichtet, die Geltendmachung der Forderung widerspreche dem Schikaneverbot bzw es sei ihre Geltendmachung als schikanöse Rechtsausübung zu beurteilen; schließlich sei der Anspruch der Beklagten nicht fällig. Die Klägerin beantragt daher, den Anspruch der Beklagten aus dem oben angeführten Vergleich vom 12. 12. 1960 für erloschen zu erklären und die zur Hereinbringung bewilligte Exekution aufzuheben.
Die Beklagte bestritt sowohl den Verzicht als auch eine schikanöse Rechtsausübung.
Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab.
Er traf folgende Feststellungen:
Nach Scheidung seiner Ehe mit der Beklagten hatte sich Prof Dr R B verpflichtet, der Beklagten einen monatlichen Unterhalt von S 3750.- und im Falle seines Ablebens in der Höhe von S 2750.- wertgesichert zu bezahlen, wobei der Übergang der Leistungspflicht auf die Erben entsprechend dem § 78 EheG ausdrücklich vereinbart war. Prof Dr B ist am 7. 1. 1968 gestorben; erbserklärte Erbin ist die zweite Frau des Verstorbenen, Editha B. Am 17. 1. 1968 beantragte Gertrude B bei der Abteilung 2 des Magistrates der Stadt Wien die Gewährung eines Witwenversorgungsgenusses als frühere Ehefrau des Verstorbenen. Sie wies den Unterhaltsvergleich vor und erklärte, nicht zu wissen, ob die Erben ihres geschiedenen Mannes verpflichtet seien, ihr Unterhaltsleistungen zu erbringen. Die Beklagte wurde darüber belehrt, daß nach § 19 Abs 7 WrPensionsO, LGBl 1967/19, von den Erben des Verstorbenen auf Grund gesetzlicher Verpflichtung erbrachte Unterhaltsleistungen auf den Versorgungsbezug anzurechnen sind, daß also neben diesen Unterhaltsleistungen nicht der ungeschmälerte Versorgungsbezug zustehe. Da Editha B vor der Magistratsabteilung 2 erklärte, daß sie nach dem Tode des Prof B keine Zahlungen an die Beklagte geleistet oder veranlaßt habe, erhielt sie den ungeschmälerten Versorgungsbezug von ungefähr S 5000.- monatlich. Im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens nach Prof Dr R B meldete die Beklagte ihre Forderung aus dem Vergleich gegenüber der Verlassenschaft an; auf Grund der Indexzahlen wurde die Höhe der grundbücherlich sichergestellten Unterhaltsansprüche errechnet. Im November 1968 betraute die Beklagte ihren nunmehrigen Vertreter mit der Verfolgung ihrer Unterhaltsansprüche, der diesbezüglich an den Gerichtskommissär und an den Vertreter der klagenden Partei schrieb.
Rechtlich führte der Erstrichter aus, daß die Beklagte auf den ihr gegen die Klägerin zustehenden Unterhaltsanspruch nicht verzichtet habe; er verneinte das Vorliegen einer schikanösen Rechtsausübung der Beklagten.
Die von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobene Berufung hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht verneinte die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens, übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstrichters als unbedenklich und billigte im wesentlichen die Rechtsausführungen des Erstrichters.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision ist nicht begrundet.
Die Klägerin wiederholt ihren Rechtsstandpunkt, die Beklagte habe, sei es für immer, sei es für die Dauer des Bezuges der Witwenpension, auf den ihr vergleichsweise zugesicherten Unterhalt verzichtet, weil sie sich für die Witwenpension entschieden habe. Die Klägerin behauptet demnach einen konkludenten Unterhaltsverzicht.
Nach § 863 ABGB können Schlüsse auf den Willen einer Person aus ihren konkludenten Handlungen nur gezogen werden, wenn mit Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln bestehen bleibt. Daraus ergibt sich, daß bei Beurteilung konkludenter Handlungen ein strenger Maßstab anzulegen ist. Der Verzicht auf einen Anspruch kann immer nur dann angenommen werden, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, daß er ernstlich gewollt war (EvBl 1960/178, EvBl 1957/253 ua). Wohl hatte sich die Beklagte entschlossen, um die Gewährung eines Witwenversorgungsgenusses anzusuchen, sie hat diesen bezogen, obgleich sie wußte, daß von den Erben auf Grund gesetzlicher Verpflichtungen erbrachte Unterhaltsleistungen auf diesen Versorgungsbezug anzurechnen sind. Die Revision verweist daher mit Recht darauf, die Beklagte habe wissen müssen, daß sie nicht die Witwenpension und den verglichenen Unterhaltsbetrag beziehen könne. Unzutreffend ist jedoch der daraus gezogene Schluß der Klägerin, die Beklagte habe hiedurch auf den ihr aus dem Vergleich zustehenden Unterhalt verzichtet. Da das Verhalten der Beklagten als Ganzes zu werten ist, muß nämlich auch berücksichtigt werden, daß die Beklagte im Verlassenschaftsverfahren ihre Forderungen aus dem Vergleich gegenüber der Verlassenschaft anmeldete, daß sie im November 1968 einen Anwalt mit der Wahrung ihrer Unterhaltsansprüche betraute, der sodann auch gegenüber dem Vertreter der Erbin seine Ansprüche geltend machte. Ein derartiges Verhalten kann nicht als ernstlich gewollter Verzicht auf den verglichenen Unterhaltsanspruch, sei es für immer, sei es für die Dauer des Bezuges der Witwenpension gewertet werden. Da ein konkludenter Verzicht nicht vorliegt, ist darauf nicht einzugehen, ob ein als Verzicht zu wertendes Verhalten dem Leistungspflichtigen gegenüber gesetzt bzw. für ihn bestimmt sein muß.
Es kann der Klägerin auch darin nicht gefolgt werden, daß das Vorgehen der Beklagten gegen das Schikaneverbot verstoße.
Von einer gegen die guten Sitten verstoßenden mißbräuchlichen Rechtsausübung kann nur gesprochen werden, wenn demjenigen, der sein Recht ausübt, jedes andere Interesse abgesprochen werden muß, als eben das Interesse, einem anderen Schaden zuzufügen. Besteht ein begrundetes Interesse des Rechtsausübenden, einen seinem Recht entsprechenden Zustand herzustellen, wird die Rechtsausübung nicht schon dadurch mißbräuchlich, daß der sein Recht Ausübende ua auch die Absicht verfolgt, mit der Rechtsausübung dem anderen Schaden zuzufügen (SZ 28/133, 151, JBl 1970, 371 ua). Beweispflichtig dafür, daß die Beklagte kein anderes Interesse hatte, als der Klägerin zu schaden, ist die Klägerin (RZ 1966, 68).
Die Klägerin sieht die schikanöse Rechtsausübung darin, daß die Beklagte die Hereinbringung des Unterhaltsrückstandes im Exekutionswege durchsetzen will, obgleich ihr bewußt sein muß, daß sie eingehende Unterhaltsbeträge nicht für sich selbst behalten kann, sondern dem Magistrat der Stadt Wien abführen muß.
Die Beklagte ist nach der Wiener Pensionsordnung zwar nicht verpflichtet, den ihr nach dem Gesetze zustehenden (hier: verglichenen) Unterhaltsanspruch geltend zu machen; daraus allein, daß sie dies tut, kann jedoch nicht geschlossen werden, daß sie in sittenwidriger Weise ausschließlich deshalb von ihrem Anspruch Gebrauch macht, um der Klägerin Schaden zuzufügen. Die Voraussetzung der schikanösen Rechtsausübung ist nicht - wie die Revision meint - schon dadurch erfüllt, daß die Geltendmachung des Unterhaltsanspruches nicht den Interessen der Beklagten, sondern jenen des Magistrates der Stadt Wien dient, weil sich daraus nicht der Schluß ableiten läßt, für die Geltendmachung des Anspruches sei ausschließlich die Absicht, die Klägerin zu schädigen, bestimmend gewesen. Im übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen. Die Behauptung der Revision, die Beklagte wolle "etwas zweimal haben, worauf sie nur einmal Anspruch" habe, ist nicht verständlich. Abgesehen davon, daß nicht feststeht, daß die Beklagte gegen die Vorschrift der Wiener Pensionsordnung von der Klägerin geleistete Unterhaltszahlungen für sich behalten oder dem Magistrat verschweigen würde, behauptet die Klägerin ja selbst, daß die Beklagte etwas verlange, was sie nicht behalten könne, sondern abzuführen habe. Daß die Klägerin durch Erfüllung der Alimentationsverpflichtungen einen Nachteil erleidet, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)