OGH 1Ob530/95

OGH1Ob530/9527.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Therese (Theresia) M*****, geboren am *****, vertreten durch Erika G*****, als einstweilige Sachwalterin, diese vertreten durch Dr.Rudolf Schuh, Rechtsanwalt in Linz, wegen Vermögenssicherung infolge Revisionsrekurses der Henrike M*****, vertreten durch Dr.Reinhard Wildmoser, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 8.Juni 1994, GZ R 488/94-28, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 12.April 1994, GZ 2 SW 20/93-21, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Betroffene erlitt im Jahre 1992 einen Schlaganfall. Sie ist seither halbseitig gelähmt und - bei teilweise erhalten gebliebenem Sprachverständnis - sprachgestört. Sie bedarf dauernder Pflege und ist im evangelischen Altersheim in Wels untergebracht. Das Erstgericht leitete auf Anregung ihres Sohnes das Verfahren auf Bestellung eines Sachwalters ein und berief ihre Tochter zur Verfahrenssachwalterin und zur einstweiligen Sachwalterin für die Besorgung der Vermögenssicherung, Verwaltung einer Liegenschaftshälfte, des übrigen Vermögens und des Einkommens sowie für die Vertretung vor Behörden. Am 3.Dezember 1993 verstarb der Sohn der Betroffenen. Die einstweilige Sachwalterin brachte mit Schriftsatz vom 14.Jänner 1994 vor, der Verstorbene habe für seine Mutter ein durch Losungswort gesichertes Inhabersparbuch und ein Wertpapierbuch - je vom selben Bankinstitut ausgestellt - verwaltet. Das Inhabersparbuch habe am 6.Juli 1992 einen Einlagenstand von 412.492,71 S aufgewiesen. Das Wertpapierbuch beziehe sich auf Kassenobligationen im Nominalwert von 500.000 S. Die ersparten Beträge stammten im wesentlichen aus einem Liegenschaftsverkauf. Die Witwe des Sohnes behauptete dagegen, sowohl das Inhabersparbuch als auch das Wertpapierbuch gehörten zum Nachlaß des Verstorbenen; die Betroffene habe dieses Vermögen ihrem Sohn noch zu dessen Lebzeiten geschenkt. Das Wertpapierbuch befindet sich in Verwahrung des Gerichtskommissärs. Das Guthaben aus dem Wertpapierbuch war zum 29. März 1994 endfällig und ist derzeit auf einem Bankverrechnungskonto gebucht. Über einen Antrag auf Kraftloserklärung des Inhabersparbuches wurde noch nicht entschieden. Die Spareinlage erliegt jedoch bei der Bank.

Auf Antrag der Betroffenen verfügte das Erstgericht mit Beschluß vom 17. März 1994 die Sperre des Inhabersparbuches und des Wertpapierbuches. Es nahm "die Eigentümerschaft der Betroffenen" als bescheinigt an. Die angeordnete Sperre wurde durchgeführt. Einer Vorstellung der Witwe des verstorbenen Sohnes der Betroffenen gab das Erstgericht mit Beschluß vom 12.April 1994 nicht Folge.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es vertrat im wesentlichen die Ansicht, die Bestimmungen des Vormundschaftsrechtes seien gemäß § 282 ABGB auch auf die Vermögensverwaltung durch einen Sachwalter anzuwenden. Die Pflicht, von Amts wegen das Vermögen des Betroffenen zu erforschen und zu sichern, treffe gemäß §§ 222 und 223 ABGB primär das Gericht. Das Gesetz sehe als Sicherungsmittel Sperre, Inventur und Schätzung vor. Der Sachwalter habe kraft seiner Verpflichtung zur Vermögensverwaltung selbständig "für eine richtige und vollständige Erforschung und Mitteilung (des Vermögens) an das Gericht zu sorgen". Eine Aufstellung des Vermögens des Betroffenen sei jedoch unverzüglich - also allenfalls noch vor der Bestellung eines Sachwalters - zu veranlassen. Die Normen für das Verlassenschaftsverfahren seien sinngemäß anzuwenden. In das Inventar sei auch jenes Vermögen des Betroffenen aufzunehmen, das angeblich im Eigentum Dritter stehe. Der Inventarisierung unterlägen aber auch Sachen, die sich in Händen Dritter befänden, es sei denn, diese erhöben Eigentumsansprüche. Streitigkeiten seien im Rechtsweg zu klären. Sparbücher, "deren Besitzausübung der Erblasser einem Dritter überlassen" habe, seien nach der Rechtsprechung zu § 97 AußStrG ebenso in das Inventar aufzunehmen. Nur wenn "der Besitz des Erblassers trotz Ermittlungen strittig" bleibe, sei die Aufnahme der Sache in das Inventar zu unterlassen. Der "äußere Anschein" spreche dafür, daß das Spar- und Wertpapierguthaben ein Vermögen der Betroffenen darstelle. Dieses bedürfe der gerichtlich verfügten Sicherung, wolle doch auch eine dritte Person darauf greifen. Soweit die Rekurswerberin erstmals in ihrem Rechtsmittel die Vernehmung eines weiteren Sohnes der Betroffenen beantrage, stelle das "eine Verletzung des Grundsatzes der Konzentration und Beschleunigung des Verfahrens dar" und sei daher auch durch die "Neuerungserlaubnis des § 10 AußStrG nicht gedeckt". Der beantragte Zeuge werde im übrigen offenbar nur "zur Bestätigung der Richtigkeit der Aussage" des verstorbenen Sohnes der Betroffenen geführt, diese habe jenem "die beiden Bücher geschenkt", was "allein den Anschein der Zugehörigkeit dieser Bücher zum Vermögen der Betroffenen nicht widerlegen" könne.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Wie bereits das Rekursgericht richtig darlegte, sind die Bestimmungen für den Vormund gemäß § 282 ABGB - soweit es an Sondernormen fehlt - auch für die Rechte und Pflichten des Sachwalters maßgebend. Auf die Sachwalterschaft sind dann aber - mangels spezieller Regelungen - auch jene gesetzlichen Bestimmungen anwendbar, die vom Vormundschaftsgericht zu beobachtende Rechtspflichten zum Gegenstand haben. Heranzuziehen sind demnach die Bestimmungen über die Erforschung und Sicherstellung des Vermögens gemäß den §§ 222 bis 224 ABGB (Maurer, Sachwalterrecht in der Praxis, 80). Das Vermögensverzeichnis ist auf Grundlage einer Inventur und Schätzung zu erstellen; vorzugehen ist dabei nach den §§ 93 ff AußStrG (Pichler in Rummel, ABGB2 Rz 3 zu §§ 222 bis 224). Das Rekursgericht erkannte auch richtig, daß die Pflicht, von Amts wegen das Vermögen zu erforschen und zu sichern, primär das Gericht trifft (Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht 173). In sinngemäßer Anwendung des § 97 Abs 1 AußStrG muß das Inventar ein genaues und vollständiges Verzeichnis alles beweglichen und unbeweglichen Vermögens enthalten, das sich im Besitz des Erblasser - hier der Betroffenen - befindet. Gemäß § 104 Abs 3 AußStrG sind auch Sachen, die der Betroffenen gehören, sich aber in Händen dritter Personen befinden, in das Inventar einzubeziehen; dabei ist der Grund anzugeben, warum sie sich bei einem Dritten befinden. Nur der Besitz und nicht das Eigentum der Betroffenen ist also wesentlich dafür, ob eine Sache in das Inventar aufzunehmen ist (SZ 59/9; EvBl 1967/187). Das Sachwalterschaftsgericht hat demnach nicht über das Eigentumsrecht der Betroffenen an angeblich ihr gehörenden und in das Inventar aufgenommenen Sachen abzusprechen; strittige Eigentumsfragen sind vielmehr im Prozeßweg zu klären (EvBl 1967/187; JBl 1985, 741; RZ 1986/49), und zwar ohne daß es einer besonderen Verweisung und Zuteilung von Parteirollen bedürfte (NZ 1985, 54). Auch ein anhängiger Rechtsstreit dieser Art bildet für das Sachwalterschaftsgericht kein Hindernis, eine bloß auf den Besitzstand abstellende und daher vorläufige Entscheidung über die Aufnahme einer Sache in das Inventar über das Vermögen der Betroffenen zu treffen (RZ 1988/20). Unter Besitz als Voraussetzung für die Aufnahme in das Inventar ist Sach- oder Rechtsbesitz, nicht aber auch die Innehabung zu verstehen (EvBl 1967/187). Der Besitz und die Gewahrsame an einem Sparbuch können auch an einem anderen Ort und durch eine dritte Person als Organ des Besitzers ausgeübt werden (QuHGZ 1983, 830); nichts anderes kann aber für ein Wertpapierbuch gelten. Beizupflichten ist dem Rekursgericht auch darin, daß die Sperre eines Sparbuches und eines sonstigen Bankguthabens ein taugliches Mittel zur vorläufigen Sicherung des im Besitz des Pflegebefohlenen befindlichen Vermögens bildet (QuHGZ 1983, 830; 3 Ob 606/77). Ob ein Vermögensobjekt - nach den dargestellten Kriterien - in das Inventar aufzunehmen ist, hat das Sachwalterschaftsgericht im Verfahren außer Streitsachen auch dann zu beurteilen, wenn es dazu eines förmlichen Beweisverfahrens bedarf (RZ 1989/46 mwN).

Die Witwe des verstorbenen Sohnes der Betroffenen brachte nun in ihrem Schriftsatz vom 23.Februar 1994 vor, weder das Sparbuch noch das Wertpapierbuch gehörten zum Vermögen der Betroffenen; ihr verstorbener Mann habe vielmehr stets betont, das Sparbuch und das Wertpapierbuch seien ihm "von seiner Mutter geschenkt worden" (ON 14). Die Einschreiterin behauptete also nicht, sie sei im Zeitpunkt des Ablebens ihres Gatten selbst Besitzerin der in Rede stehenden Legitimationsurkunden gewesen, sondern sie vertritt den Standpunkt, die durch jene verbrieften Rechte seien Bestandteil des Nachlasses des Erblassers. Vererblich sind im allgemeinen vermögenswerte Rechte und Pflichten. Dazu gehört auch die durch den Besitz verschaffte Rechtsposition (Koziol/Welser9 II 287, 391; Welser in Rummel, ABGB2 Rz 3 zu § 547). Vor der Einantwortung stellt aber der Nachlaß ein - nicht den mutmaßlichen Erben gehörendes - Sondervermögen dar (SZ 48/96; QuHGZ 1983, 830). Der Nachlaß selbst ist demnach Subjekt der nicht untergegangenen Rechte und Pflichten des Erblassers. Die Verlassenschaft ist bis zur Einantwortung parteifähig; nur sie kann klagen oder geklagt werden (Koziol/Welser aaO 390 f sowie Welser in Rummel aaO Rz 3 und 6 zu § 547 je mwN).

Das Rekursrecht gemäß § 9 Abs 1 AußStrG steht nur dem zu, der durch die bekämpfte Entscheidung über einen Gegenstand der Gerichtsbarkeit außer Streitsachen beschwert erscheint. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels - also auch eines Revisionsrekurses - ist demnach ein Eingriff in die Rechtssphäre des Rechtsmittelwerbers (SZ 50/41; 1 Ob 633/91). Diese Voraussetzung trifft auf die Einschreiterin nicht zu. Sie ist - ausgehend von ihren Behauptungen - weder Sach- noch Rechtsbesitzerin des Spar- und des Wertpapierbuches, die den Gegenstand des Sicherungsbeschlusses vom 17. März 1994 bilden. Selbst wenn man einem Dritten, der den Besitz an den der Sperre unterworfenen Vermögensgegenständen behauptet, ein Rechtsmittelrecht zubilligen wollte (vgl aber 1 Ob 613, 634/94), könnte dieses im vorliegenden Fall derzeit nur von der Verlassenschaft und nicht von der erbl. Witwe, deren Rechtssphäre durch den Beschluß vom 17.März 1994 unberührt blieb, wahrgenommen werden. Nichts anderes würde gelten, wäre der Einschreiterin der Nachlaß ihres Gatten als erbserklärter Erbin zur vorläufigen Besorgung und Verwaltung überlassen worden, weil diese auch in einem solchen Fall nur als Vertreterin der Verlassenschaft, mangels Einantwortung des Nachlasses dagegen noch nicht im eigenen Namen handeln könnte. Mangels Einschreitens der Verlassenschaft bedarf es somit auch keiner Erörterung der Frage, ob jene berechtigt gewesen wäre, sich am Sachwalterschaftsverfahren zu beteiligen, Anträge zu stellen und den Beschluß vom 17.März 1994 zu bekämpfen.

Der vorliegende Revisionsrekurs ist mangels Rekursrechtes der Einschreiterin als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte