Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der rekursgerichtliche Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichts, dessen Punkt 2 als nicht in Beschwerde gezogen unberührt geblieben ist, in dessen Punkt 1 wiederhergestellt wird.
Text
Begründung
Am 3.6.1994 brachte der Ehegatte der Betroffenen beim Erstgericht eine erkennbar auf § 49 EheG gestützte Scheidungsklage ein. Dieses Verfahren wurde gemäß § 6a ZPO unterbrochen, weil bei der beklagten Betroffenen Anzeichen für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 273 ABGB gegeben waren. Mit Beschluß vom 14.6.1994 wurde der nunmehrige Sachwalter zum einstweiligen Sachwalter zur Vertretung der Betroffenen gemäß § 238 Abs.1 AußStrG, insbesondere auch zum Vertreter im Scheidungsverfahren, bestellt. In der Verhandlungstagsatzung vom 14.6.1995 erklärte die Betroffene über informatives Befragen, daß sie „an sich auch die Scheidung wolle“, führte aber auch aus, daß eine einvernehmliche Scheidung für sie „an sich“ nicht günstig sei (S.2 des Protokolls vom 14.6.1995 = AS 17 in AZ 3 C 104/94 des Erstgerichtes).
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 16.1.1995 wurde Rechtsanwalt Dr.Johannes R***** gemäß § 273 ABGB zum Sachwalter der Betroffenen bestellt und ausgesprochen, daß er alle Angelegenheiten im Sinne des § 273 Abs.3 Z 3 ABGB zu besorgen habe (ON 26).
Mit Beschluß vom 21.6.1995 wurde der Sachwalter ermächtigt, im Scheidungsverfahren Gespräche mit dem Klagevertreter zwecks Vornahme einer einvernehmlichen Scheidung gemäß § 55a EheG zu führen und „in der Verhandlung allenfalls bedingt abzuschließen“, unter der Voraussetzung, daß auch gleichzeitig eine Regelung der vermögensrechtlichen Ansprüche stattfinde, wobei auch auf die pensionsrechtlichen Ansprüche der Betroffenen Bedacht zu nehmen sei (ON 40).
In der Verhandlungstagsatzung vom 30.8.1995 stellten der (dortige) Kläger und der Sachwalter namens der beklagten Betroffenen im Scheidungsverfahren den Antrag auf Scheidung der Ehe im Einvernehmen gemäß § 55a EheG. Darauf unterbrach das Prozeßgericht das streitige Verfahren gemäß § 460 Z 10 ZPO. Danach schlossen die Parteien des Scheidungsverfahrens einen Vergleich, mit dem sich der Ehegatte der Betroffenen zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 3.500,-- verpflichtete, einen unbedingten Unterhaltsverzicht erklärte, das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse aufgeteilt wurden sowie die Parteien auf Antragstellung in bezug auf eine weitergehende Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse verzichteten. Die „Gültigkeit“ des Vergleichs wurde von der sachwalterschaftsgerichtlichen Genehmigung abhängig gemacht. Nach Vernehmung der Parteien wurde das Verfahren geschlossen und die Entscheidung dahin vorbehalten, daß sie erst nach Entscheidung des Sachwalterschaftsgerichts über die Genehmigung des Vergleichs erfolgen werde (GZ 3 C 104/94-13).
Das Erstgericht versagte dem Vergleich die sachwalterschaftsgerichtliche Genehmigung (Punkt 1) und wies den Antrag der Betroffenen, ihr ihre gesamten Einkünfte zur freien Verfügung zu überlassen, ab (Punkt 2). Die Betroffene habe am 5.9.1995 erklärt, mit dem Vergleich nicht mehr einverstanden zu sein, sie wolle sich erst scheiden lassen, wenn sichergestellt sei, daß sie eine Ersatzwohnung erhalte. Der Vergleich entspreche zwar an sich den Interessen der Betroffenen, es sei aber deren Meinungsänderung dahin, nicht geschieden zu werden, zu respektieren. Bei der Ehescheidung im Einvernehmen handle es sich um ein höchstpersönliches Rechtsgeschäft, bei dem die Zustimmung des Sachwalters allein nicht genüge. Die Betroffene könne die Tragweite ihrer Handlungen nicht abschätzen, weshalb ihr die Verwaltung der Einkünfte nicht überlassen werden könne.
Das Rekursgericht hob die Entscheidung des Erstgerichtes in deren Punkt 1 auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt. Die dem Scheidungsbegehren negativ gegenüberstehende Äußerung der Betroffenen sei zu berücksichtigen, eine Auflösung der Ehe gegen ihren Willen sei „ziemlich ausgeschlossen“. Es bedürfe auch der Antrag auf einvernehmliche Scheidung einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung. Gegen sie sei aber bereits eine Klage auf Ehescheidung gemäß § 55 Abs.3 EheG eingebracht worden. § 55 Abs.3 EheG bilde einen absoluten Scheidungsgrund, die Betroffene könne sich aufgrund der auch von ihr zugestandenen langjährigen Trennung nicht gegen die Scheidung der Ehe wehren. Es fehle ihr diesem Scheidungsbegehren gegenüber jede Gestaltungsmöglichkeit, sodaß sich lediglich die Frage der vermögensrechtlichen Auswirkungen der Scheidung stelle. Die Betroffene habe bereits einen Ausspruch im Sinne des § 61 Abs.3 EheG beantragt; für den Fall, daß tatsächlich ein solcher Ausspruch erfolge, könnten die der Betroffenen zustehenden Versorgungsleistungen höher als die vergleichsweise geregelten Unterhaltsbeiträge sein. Die Prozeßaussichten der Betroffenen im Scheidungsverfahren nach § 55 EheG könnten derzeit nicht beurteilt werden. Für den Fall, daß ein Verschulden des Ehegatten nicht festzustellen sei, sei sie durch eine einvernehmliche Scheidung und einen dort vereinbarten Unterhaltsvergleich besser gestellt als in einem Verfahren nach § 55 Abs.3 EheG, sofern dort ein Ausspruch nach § 61 Abs.3 EheG nicht erfolge. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren klären müssen, ob das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe dem Ehegatten zur Last falle. Erst dann könne über die Genehmigung des Scheidungsvergleichs (und auch des Antrags auf einvernehmliche Scheidung) entschieden werden.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Sachwalters gegen diesen Aufhebungsbeschluß ist berechtigt, führt aber entgegen den Intentionen des Rechtsmittelwerbers zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.
Vorweg ist klarzustellen, daß der Ehegatte der Betroffenen sein Scheidungsbegehren auf eine von der Betroffenen verschuldete unheilbare Zerrüttung stützt, nicht aber eine Scheidung wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft gemäß § 55 Abs.3 EheG begehrt. Die diesbezüglichen Ausführungen des Rekursgerichtes sind ebenso aktenwidrig wie die Ausführungen, die Betroffene habe bereits im Scheidungsverfahren beantragt, gemäß § 61 Abs.3 EheG auszusprechen, daß das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe den Kläger treffe (siehe S.8 der Rekursentscheidung). Es gehen demnach die Überlegungen des Gerichtes zweiter Instanz, daß die Betroffene eine Scheidung nach § 55 Abs.3 EheG nicht verhindern könne, ins Leere, weil ein derartiges Scheidungsbegehren gar nicht erhoben wurde.
Das Erstgericht hat das streitige Verfahren gemäß § 460 Z 10 ZPO unterbrochen, weil ein Antrag auf Scheidung der Ehe im Einvernehmen gemäß § 55a EheG gestellt wurde. Im Rahmen dieses „einvernehmlichen Scheidungsverfahrens“, das nach den §§ 220 ff AußStrG abzuführen ist, schlossen die Ehegatten - die Betroffene durch den ihr beigegebenen Sachwalter - einen Vergleich im Sinne des § 55a Abs.2 EheG. Mit diesem Vergleich sollten die Unterhaltsansprüche sowie die sonstigen vermögensrechtlichen Ansprüche für den Fall der Scheidung geregelt werden (S.2 ff des Protokolls vom 30.8.1995, GZ 3 C 104/94-13). Die Wirksamkeit dieses Vergleichs wurde davon abhängig gemacht, daß eine Scheidung der Ehe im Einvernehmen gemäß § 55a EheG ausgesprochen wird, und damit auch davon, daß der Sachwalter berechtigt war, den Antrag auf Scheidung im Einvernehmen zu stellen. Nun hat die Betroffene in der Verhandlungstagsatzung vom 14.6.1995 nach ihrer ursprünglichen Erklärung, sie wolle „an sich“ auch die Scheidung, erklärt, eine einvernehmliche Scheidung sei für sie „an sich“ nicht günstig (GZ 3 C 104/94-7). Selbst aber, wenn man in dem Anbringen in der Verhandlungstagsatzung vom 30.8.1995, „die Parteien stellen den Antrag auf Scheidung der Ehe im Einvernehmen gemäß § 55a EheG“ (S.2 des Protokolls vom 30.8.1995 zu AZ 3 C 104/94), einen Antrag der Betroffenen, die dort anwesend war, gemäß § 55a EheG erblickte, so hat sie diesen Antrag am 5.9.1995 einseitig ausdrücklich zurückgenommen, indem sie erklärte, sie werde sich erst nach Sicherstellung einer Ersatzwohnung scheiden lassen, sie sei mit dem Vergleich nicht mehr einverstanden, sie möchte sich jetzt „so“ nicht scheiden lassen, und beantragte sie, den Antrag auf einvernehmliche Scheidung abzuweisen (siehe Protokoll vom 5.9.1995, ON 42). Eine solche Antragsrücknahme ist bis zur Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses möglich (Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 3 zu § 55a EheG). Ein Scheidungsbeschluß ist aber noch gar nicht ergangen, sodaß davon auszugehen ist, daß die Betroffene selbst ein Scheidungsbegehren gemäß § 55a EheG nicht erhoben hat. Ob man den Scheidungsantrag als vom Sachwalter selbst oder von der Betroffenen mit Zustimmung des Sachwalters gestellt ansieht, ist letztlich ohne Bedeutung: Handelte es sich dabei um eine bloße Zustimmungserklärung, so liegt kein Antrag mehr vor, hat die Betroffene doch ihren Antrag jedenfalls zurückgenommen. Unterstellt man dagegen, der Antrag sei vom Sachwalter gestellt worden, so gilt folgendes:
Gemäß § 273a ABGB kann eine behinderte Person innerhalb des Wirkungskreises des Sachwalters ohne dessen ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung rechtsgeschäftlich weder verfügen noch sich verpflichten. Im vorliegenden Fall wurde der Sachwalter gemäß § 273 Abs.3 Z 3 ABGB mit der Besorgung aller Angelegenheiten der behinderten Person betraut. Wer in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, bedarf gemäß § 3 Abs.1 EheG zur Eingehung einer Ehe - damit aber wohl auch zur Erhebung eines Scheidungsbegehrens - der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters. Unter beschränkt Geschäftsfähigen sind auch Personen zu verstehen, denen ein Sachwalter nach § 273 ABGB bestellt ist (§ 102 Abs.2 EheG), sodaß ein Scheidungsbegehren der Betroffenen jedenfalls der Zustimmung durch den Sachwalter bedürfte. Geistig behinderte Personen sind in dem Umfang, in dem ihnen einen Sachwalter zur Vertretung beigestellt wurde, prozeßunfähig. Das gilt auch für das Eheverfahren (Fasching, Lehrbuch2 Rz 349; Simotta, Die Prozeßfähigkeit in Ehesachen und sonstigen Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis, ÖJZ 1989, 321 [327, 332]; Simotta, Die Prozeßfähigkeit in (außerstreitigen) Eheangelegenheiten, ÖJZ 1989, 577 [581, 587]; Ehrenzweig/Schwind, System3 20; Steinbauer, Die Handlungsfähigkeit geistig Behinderter nach dem neuen Sachwalterrecht, ÖJZ 1985, 427 [430 f]; 742 BlgNR 15.GP 22; 78 BlgNR 16.GP 3; Fucik in Rechberger, ZPO, Rz 2 zu § 2a). Die Erklärung des Einvernehmens gemäß § 55a Abs.1 EheG ist aber die Ausübung eines höchstpersönlichen Rechtes, wofür die natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Ehegatten erforderlich ist. Fehlt diese Einsicht oder verweigert der Ehegatte das Einvernehmen, so kann letzteres weder durch einen Sachwalter noch durch das Pflegschaftsgericht ersetzt werden (Pichler aaO, Rz 2 c zu § 55a EheG; Edlbacher, MGA Verfahren außer Streitsachen2 3 Anm zu § 220; Kremzow, Sachwalterrecht 160; vgl. auch Verschraegen, Die einverständliche Scheidung in rechtsvergleichender Sicht, 523, 531). Es mag sein, daß auch die Interessen eines Behinderten für die Auflösung der Ehe sprechen können und daß unter dieser Voraussetzung die Zulässigkeit der Einbringung eines Scheidungsbegehrens, das insbesondere auf Verschulden des Ehegatten gestützt ist, durch den Sachwalter auch aus dem allgemeinen Schutzprinzip des § 21 ABGB zu bejahen sein könnte (Dullinger, Zur Prozeßfähigkeit minderjähriger und geistig behinderter Personen, RZ 1989, 6 [11 f]), bei einer Scheidung gemäß § 55a EheG ist es aber unabdingbare Voraussetzung, daß zwischen den Ehegatten das Einvernehmen über die Scheidung besteht, daß sie sich also nicht kontradiktorisch gegenüberstehen, sondern in Übereinstimmung ihrer rechtlichen Interessen gemeinsam die Auflösung der Ehe anstreben (Feil, Verfahren außer Streitsachen, 579). Ein solches Einvernehmen setzt aber einen Willensentschluß und damit die Einsichts- und Urteilsfähigkeit beider Ehegatten voraus; die Erklärung eines solchen Einvernehmens muß demnach in der Tat als höchstpersönliches Recht angesehen werden, das schon begrifflich einer Vertretung nicht zugänglich ist und deshalb weder durch einen Sachwalter noch durch das Pflegschaftsgericht wahrgenommen werden kann (Edlbacher aaO).
Ist demnach im vorliegenden Verfahren ein (wirksamer) Antrag auf Scheidung der Ehe im Einvernehmen gemäß § 55a EheG gar nicht gestellt, dann entbehrt auch jeder in einem auf einen solchen unwirksamen Antrag hin eingeleiteten Verfahren geschlossene Vergleich der Wirksamkeit, weil dem Scheidungsfolgenvergleich (§ 55a Abs 2 EheG) die Bedingung „für den Fall der rechtskräftigen Scheidung“ innewohnt (Pichler aaO Rz 10 zu § 55a EheG mwN). Er bedarf daher auch keiner Überprüfung dahin, ob das in dieser Vereinbarung Festgelegte dem Wohl der Betroffenen entspräche.
Der Sachwalter hat den Aufhebungsbeschluß des Gerichts zweiter Instanz mit Revisionsrekurs bekämpft. Die Sache erweist sich bei richtig beurteilter Rechtslage als entscheidungsreif, sodaß die Sachentscheidungsbefugnis auf den Obersten Gerichtshof übergegangen ist. Dies führt zum Ergebnis, daß der Rekurs des Sachwalters zwar berechtigt ist, aber nicht im Sinne von dessen Antrag, weil die Sache selbst durch Abweisung des Antrags auf sachwalterschaftsgerichtliche Genehmigung des Vergleichs zu entscheiden ist (Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 4 zu § 527; vgl. 1 Ob 619/95; WBl 1992, 166 ua; Kodek aaO, Rz 5 zu § 519).
Dem Rekurs ist Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes im Umfang der Anfechtung wiederherzustellen.
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