OGH 1Ob41/12d

OGH1Ob41/12d23.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ASFINAG Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs AG, Wien 1, Rotenturmstraße 5-9, vertreten durch Mag. Dr. Hans-Jörg Luhamer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** G*****, vertreten durch DDr. Katharina Müller, Rechtsanwältin in Wien, wegen Räumung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 12. Jänner 2012, GZ 18 R 215/11p-19, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 19. August 2011, GZ 9 C 99/11k-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.) Auf dem von der Klägerin auf einer Liegenschaft, an der ihr das Fruchtgenussrecht zukommt, betriebenen (überwiegend aus Parkplatzflächen bestehenden) Autobahnrastplatz wurde ein Gebäude errichtet, in dem sich ein für den Betrieb des Rastplatzes verwendeter Technikraum, Toilettenanlagen und der der Beklagten vermietete „Verkaufskiosk“ befinden. Unbedenklich ist die (einzelfallbezogene) Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass das MRG auf dieses Bestandverhältnis nicht anwendbar ist, weil sich der Mietgegenstand iSd § 1 Abs 2 Z 5 MRG in einem Gebäude mit nicht mehr als zwei selbständigen, also nach der Verkehrsauffassung selbständig vermietbaren (vgl nur RIS-Justiz RS0079850; RS0079853), Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten befindet.

2.) Ist somit das MRG nicht anwendbar, führte das passive Verhalten der Klägerin - wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat - gemäß den §§ 1114 f ABGB dazu, dass sich der ursprünglich (bis 31. 12. 2008) befristete Mietvertrag bis zum 30. 6. 2009 verlängert hat. Die von der Revisionswerberin aufgeworfenen Fragen zur Anwendbarkeit des § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG stellen sich wegen der Unanwendbarkeit dieses Gesetzes nicht.

3.) Zutreffend hat auch die Revisionswerberin keine Bedenken gegen die zeitliche Befristung des ursprünglich abgeschlossenen Mietvertrags. Sie vermeint allerdings, die (kurze) Befristung der im Juni 2009 getroffenen (Verlängerungs-)Vereinbarung sei wegen Sittenwidrigkeit unwirksam, zumal die Klägerin ihre Monopolstellung auf dem relevanten Markt in unsachlicher Weise zu Lasten der Beklagten ausgenützt habe.

Dem ist einerseits entgegenzuhalten, dass sich besondere kartellrechtliche Fragen schon deshalb nicht stellen, weil sich die Vertragsparteien zum Zeitpunkt der Vereinbarung des „Nachtrags“ in einer Situation befunden haben, die die Klägerin - ganz unabhängig von deren allfälliger Beherrschung bestimmter Märkte - notwendigerweise in die Position einer „Monopolistin“ gedrängt hat. Die Beklagte hatte als Mieterin einer Geschäftsräumlichkeit beim unmittelbar bevorstehenden Auslaufen des Mietvertrags Interesse an einer Vertragsverlängerung, um eine Amortisation ihrer Investitionen sowie das Erzielen von Geschäftsgewinnen erreichen zu können. Dazu konnte ihr ausschließlich die Klägerin als Fruchtgenussberechtigte (und Vermieterin) des Bestandobjekts verhelfen, deren primäres Interesse es war, das Objekt in Zukunft zu einem möglichst hohen Bestandzins - an wen auch immer - zu vermieten. Vor diesem Hintergrund kann dem Berufungsgericht, das eine Sittenwidrigkeit der im Nachtrag vereinbarten Befristung auf 18 Monate verneint und dabei unter anderem auch darauf hingewiesen hat, dass der Beklagten ohnehin der gesamte Mietzins für ein Kalenderjahr erlassen worden war, der Vorwurf einer unvertretbaren Rechtsansicht, die vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste, nicht gemacht werden. Der Klägerin wäre es grundsätzlich auch frei gestanden, von einer Vertragsverlängerung überhaupt Abstand zu nehmen; die Revisionsbehauptung, der Klägerin wäre wiederholt zugesagt worden, eine Vertragsverlängerung „auf die benötigte Amortisationszeit“ vorzunehmen, findet in den Feststellungen der Vorinstanzen keine Deckung. Wenn sie der Beklagten statt dessen durch ihr Einverständnis zu einer Verlängerung sogar Gelegenheit gegeben hat, nach der produktmäßigen Neuausrichtung ihre Verluste der Vergangenheit wettzumachen und Gewinne zu erzielen, kann es nicht als sittenwidrig angesehen werden, eine weitergehende Verlängerung abgelehnt zu haben, zumal durch Vermietung an einen anderen Interessenten ein höherer als der von der Beklagten zuletzt gebotene Mietzins zu erzielen war.

4.) Ob die Beklagte dazu berechtigt wäre, die Nachtragsvereinbarung wegen Irrtums anzufechten, kann schon deshalb dahingestellt bleiben, weil damit für ihren Prozessstandpunkt nichts gewonnen wäre. Ihre in diesem Zusammenhang geäußerte Annahme, es wäre ohne die Nachtragsvereinbarung (bzw bei deren Wegfall) durch die Wirkung des § 29 Abs 3 lit b MRG zu einer Befristung bis zum 31. 12. 2011 gekommen, beruht auf der - unrichtigen (vgl 1.)) - Ansicht, das MRG wäre hier anzuwenden. Hat sich aber - wie dargelegt - der ursprüngliche Vertrag (nur) bis zum 30. 6. 2009 verlängert, wäre das Räumungsbegehren auch bei erfolgreicher Anfechtung der Verlängerungsvereinbarung berechtigt.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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