Spruch:
Für die vermögensrechtlichen Nachteile des Medieninhabers aus einer aufgehobenen Beschlagnahme, der keine Einziehung gefolgt ist, haftet der Bund unabhängig von einem Verschulden seiner Organe auch dann, wenn der Beschlagnahme eine die Verbreitung der beschlagnahmten Druckschrift untersagende einstweilige Verfügung vorangegangen war
Hat ein Schädiger durch Erwirkung eines bloßen Verbotes (zB einstweiligen Verfügung) weder in das Eigentum noch in die tatsächliche Verfügungsmöglichkeit des Geschädigten eingegriffen, haftet ein weiterer Schädiger, der dann auch die Verfügungsmöglichkeit (zB durch eine Beschlagnahme) beseitigte, für den eingetretenen Schaden zumindest wie bei kumulativer Kausalität
OGH 14. 3. 1984, 1 Ob 40/83 (OLG Wien 14 R 104/83; LGZ Wien 40a Cg 1/83)
Text
Die klagende Partei ist Medieninhaber der in Wien erscheinenden Tageszeitung "Neue Kronen-Zeitung". Bis Ende April 1981 war die Samstagausgabe der "Neuen Kronen-Zeitung" in einen Farbumschlag eingelegt, ab Mai 1981 sollte sie mit einer Farbbeilage mit dem Titel "Bunte Krone" erscheinen, was in Prospekten angekundigt worden war. Die Ausgabe der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 2. 5. 1981 enthielt erstmals eine solche Farbbeilage. Wegen der Ankündigung der Farbbeilage "Bunte Krone" begehrten die B GesmbH und der Verleger Dr. Franz B, beide Offenburg, BRD, in der am 27. 4. 1981 zu 19 Cg 39/81 des Handelsgerichtes Wien erhobenen Klage die D und F GesmbH & Co. KG, die persönlich haftende Gesellschafterin D und F GesmbH und den Geschäftsführer Hans D schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes zu unterlassen, periodische Druckschriften oder Bestandteile derselben, insbesondere auch Beilagen der "Neuen Kronen-Zeitung", mit dem Signet "Bunte Krone" in jedweder Größe zu bezeichnen; die dortigen klagenden Parteien beantragten die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gleichen Inhalts. Das Handelsgericht Wien erließ am 28. 4. 1981 die beantragte einstweilige Verfügung, die den dort beklagten Parteien am 30. 4. 1981 zugestellt wurde.
Am 29. 4. 1981 erhoben die B GesmbH und Dr. Franz B zu 6 b E Vr 4621/81 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gegen Hans D und Dkfm. Peter M als Geschäftsführer der Firma D und F GesmbH und damit auch der D und F GesmbH & Co. Privatanklage gemäß §§ 51, 52 MSchG 1970, sie hätten durch Feilhalten der von ihnen herausgegebenen Zeitschrift "Bunte Krone" die registrierte (internationale) Marke "Bunte" oder zumindest ein dieser Marke ähnliches Zeichen zur Kennzeichnung von Waren (Zeitschriften), für die die Marke eingetragen ist, unbefugt gebraucht und hiedurch das Vergehen gemäß § 51 MSchG begangen, in eventu, sie hätten durch Feilhalten der von ihnen herausgegebenen Zeitschrift "Bunte Krone" in einer Weise, die geeignet ist, im geschäftlichen Verkehr Verwechslungen hervorzurufen, die besondere Bezeichnung des Unternehmens der Privatankläger oder ein dieser Bezeichnung ähnliches Zeichen zur Kennzeichnung ihrer Waren unbefugt gebraucht und hiedurch das Vergehen gemäß § 52 MSchG begangen. Die Privatankläger stellten den Antrag, die gemäß § 26 StGB der Einziehung unterliegenden, mit dem Signet "Bunte Krone" versehenen, bereits zur Auslieferung zum Vertrieb lagernden Ausgaben der Zeitschrift "Bunte Krone" so rechtzeitig in gerichtliche Verwahrung zu nehmen (zu beschlagnahmen), daß die vermutlich für den 30. 4. 1981 abends geplante Auslieferung dieser Zeitschrift unterbunden werde. Am 1. 5. 1981 wurde die Beschlagnahme der der periodischen Druckschrift "Neue Kronen-Zeitung" Nr. 7 519 vom 2. 5. 1981 beiliegenden Druckschrift "Bunte Krone" im gesamten Bundesgebiet verfügt.
Das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht gab mit Beschluß vom 15. 7. 1981, 3 R 108/81, dem gegen die einstweilige Verfügung gerichteten Rekurs der beklagten Parteien Folge und änderte den Beschluß des Handelsgerichtes Wien dahin ab, daß es den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abwies. Diese Entscheidung wurde mit Beschluß des OGH vom 20. 10. 1981, 4 Ob 390/81-11, bestätigt; im Hinblick auf diese Entscheidung trat im Prozeß ewiges Ruhen ein.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. 12. 1981, 6 b E Vr 4621/81, wurden die Beschuldigten von der gegen sie erhobenen Privatanklage freigesprochen. Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 14. 9. 1982, 23 Bs 257/82, nicht Folge. Über Beschwerde der Beschuldigten hob die Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mit Beschluß vom 11. 8. 1982 die verfügte Beschlagnahme der Nummer 7 519 der Zeitung "Neue Kronen-Zeitung" vom 2. 5. 1981 und der ihr beiliegenden Druckschrift "Bunte Krone" auf. Das Oberlandesgericht Wien wies die gegen diesen Beschluß erhobene Beschwerde der Privatanklägerin B GesmbH mit Beschluß vom 3. 9. 1982, 27 Bs 380/82, als unzulässig zurück. Die beschlagnahmte Beilage der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 2. 5. 1981 umfaßte 40 Seiten, davon 14 Seiten mit ganzseitigen Inseraten.
Die klagende Partei begehrte den Zuspruch des Betrages von 2 233 558.35 S sA und führte zur Begründung aus, die beklagte Republik Österreich hafte gemäß § 39 MedienG für die vermögensrechtlichen Nachteile, die ihr durch die in der Folge aufgehobene gerichtliche Beschlagnahme erwachsen seien. Durch die Beschlagnahme sei der klagenden Partei der Erlös der 14 ganzseitigen Inserate in der Höhe von 1 937 958.35 S entgangen. Darüber hinaus habe sie den Titel der bereits fertiggestellten Samstagbeilage vom 9. 5. 1981 ändern müssen, weil der Beschlagnahmebefehl zur Folge gehabt habe, daß die Weiterverbreitung des Druckwerks unter dem Titel "Bunte Krone" verboten gewesen sei. Dadurch sei ihr ein weiterer Schaden von 295 600 S erwachsen. Daß von der gesamten Auflage von 900 000 Exemplaren nur zwei Drittel beschlagnahmt worden seien, ändere nichts an der Schadenersatzpflicht der beklagten Partei, weil sich der Inseratenpreis nach der durchschnittlichen Verkaufsauflage der Zeitung, im vorliegenden Fall 900 000 Exemplare, richte. Wenn nur ein Drittel der vorgesehenen Auflage verbreitet werde, könne das vereinbarte Entgelt vom Inserenten, der das Inserat nur wegen der hohen Auflage der "Neuen Kronen-Zeitung" in dieser plaziere, nicht gefordert werden.
Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Im Zeitpunkt der Erlassung der Beschlagnahmeverfügung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien sei die einstweilige Verfügung des Handelsgerichtes Wien bereits zugestellt und damit rechtswirksam gewesen. Auf Grund dieser einstweiligen Verfügung habe die klagende Partei die dann beschlagnahmte "Bunte Krone" nicht mehr in Verkehr bringen dürfen, sodaß der Schaden bereits durch die einstweilige Verfügung eingetreten sei. Der klagenden Partei stehe demgemäß nur ein Ersatzanspruch gemäß § 394 EO, nicht aber ein Anspruch nach § 39 MedienG zu. Die Beschlagnahme habe auch von der Gesamtauflage von 900 000 Exemplaren nur 597 018 Exemplare erfaßt; rund 300 000 Exemplare seien nicht beschlagnahmt, sondern in Verkehr gebracht worden. Die klagende Partei sei durch Herstellung, teilweise Auslieferung und teilweise Bereitstellung zum Verkauf ihrer vertraglichen Verpflichtung gegenüber den Inserenten nachgekommen; sie hafte den Inserenten nicht dafür, daß die gedruckten Exemplare auch verkauft würden. Der klagenden Partei stehe demnach ein Anspruch auf Leistung des vollen Entgelts zu, sodaß ihr ein Schaden durch die Beschlagnahme nicht erwachsen sei. Die Mehrkosten für die Ausgabe vom 9. 5. 1981 stunden in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Beschlagnahmeverfügung, sondern seien bloß eine vorsorgliche Maßnahme der klagenden Partei gewesen, um der Gefahr einer neuerlichen Beschlagnahme zu entgehen; ein Schadenersatzbegehren könne hieraus nicht abgeleitet werden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die vom Handelsgericht Wien erlassene einstweilige Verfügung sei mit Zustellung an die dort beklagten Parteien rechtswirksam und vollstreckbar gewesen. Nach ihrem Inhalt hätte die Farbbeilage "Bunte Krone" am 2. 5. 1981 nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen. Hätte die beklagte Partei die einstweilige Verfügung befolgt, ließe sich der Beschlagnahmeakt wegdenken, ohne daß sich irgend etwas am Eintritt jenes Erfolges geändert hätte, der nunmehr dem Klagsanspruch zugrunde liege; bereits die Einhaltung der einstweiligen Verfügung hätte den behaupteten Vermögensschaden verursacht. Unter den gegebenen Bedingungen sei zwar der Beschlagnahmeakt eine notwendige Voraussetzung des behaupteten Schadens gewesen, jedoch lediglich als Reaktion auf ein bewußt rechtswidriges und ebenso schadensursächliches Verhalten der klagenden Partei zu werten. Die Zurechnung einer Schadensfolge sei jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn sie auf einem selbständigen, durch den haftungsbegrundenden Vorgang nicht herausgeforderten Entschluß des Verletzten selbst beruhe.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Ein Entschädigungsanspruch wegen ungerechtfertigter Beschlagnahme nach § 39 Abs. 1 MedienG sei weder vom Nachweis des Verschuldens noch von der Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme abhängig. Da es sich aber um einen Schadenersatzanspruch handle, müßten die sonstigen Voraussetzungen für einen solchen, insbesondere die Kausalität des schadensstiftenden Verhaltens, gegeben sein. Zweck der Bestimmung des § 39 Abs. 1 MedienG sei es zweifellos, daß die mit einer nicht durch ein Einziehungserkenntnis gedeckten Beschlagnahme verbundenen vermögensrechtlichen Nachteile nicht den Medieninhaber treffen sollen; diesem soll auch nicht das Risiko einer Vorausklage gegen den Antragsteller der Beschlagnahmeverfügung aufgebürdet werden. Die Überwälzung des mit einer nicht durch das Einziehungserkenntnis gedeckten Beschlagnahme verbundenen vermögensrechtlichen Risikos auf den Bund gehe somit sehr weit und entlaste den Medieninhaber von den Folgen einer derartigen Beschlagnahme im weitesten Ausmaß. Eine sinnvolle Abwägung der berechtigten Interessen des Medieninhabers und jener des Bundes gebiete jedoch eine Einschränkung der Haftung des Bundes jedenfalls in der Richtung, daß eine Haftung dann nicht mehr Platz zu greifen habe, wenn der Medieninhaber nicht als schutzbedürftig angesehen werden könne, weil er bereits auf Grund eines anderen Sachverhalts als der Beschlagnahme gegen die aus der Beschlagnahme resultierenden vermögensrechtlichen Nachteile abgesichert sei. Im vorliegenden Fall sei dem Beschlagnahmeakt des Strafgerichtes eine einstweilige Verfügung des Zivilrichters vorgelagert gewesen, womit der klagenden Partei verboten worden war, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes periodische Druckschriften, insbesondere Beilagen der "Neuen Kronen-Zeitung", mit dem Signet "Bunte Krone" zu bezeichnen. Die klagende Partei habe zwar dieser einstweiligen Verfügung zuwidergehandelt, wodurch sie ihren Anspruch auf Entschädigung gemäß § 394 Abs. 1 EO verloren habe; sie habe damit aber ohne Not den Ersatzanspruch, der ihr gemäß § 394 Abs. 1 EO zugestanden wäre, fahren gelassen. Bei einer derartigen Sachlage müsse dem Medieninhaber ein schutzwürdiges Interesse abgesprochen werden, weil die klagende Partei bei Befolgung der einstweiligen Verfügung einen vermögensrechtlichen Nachteil nicht zu befürchten gehabt hätte.
Über Revision der klagenden Partei hob der Oberste Gerichtshof die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach der Bestimmung des § 39 Abs. 1 MedienG, die gemäß Art. VI Abs. 7 MedienG auf den vorliegenden Fall anzuwenden ist, hat der Bund dem Medieninhaber (Verleger) auf Verlangen die durch die Beschlagnahme und das Verbreitungsverbot entstandenen vermögensrechtlichen Nachteile in Geld zu ersetzen, wenn die Beschlagnahme vom Gericht aufgehoben wird, ohne daß auf Einziehung erkannt wird. Der Entschädigungsanspruch nach § 39 MedienG wegen ungerechtfertigter Beschlagnahme setzt nur voraus, daß es nicht zu einem Einziehungserkenntnis gekommen ist. Ob der Verdacht eines Medieninhaltsdelikts entkräftet wurde, ist ebensowenig von Belang wie die Frage der Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme; der Anspruch ist auch vom Nachweis eines Verschuldens unabhängig (Hartmann-Rieder, Mediengesetz 101 Anm. 1). Es ist unbestritten, daß die vom Landesgericht für Strafsachen Wien über Antrag der Privatankläger erlassene Beschlagnahmeverfügung vom 1. 5. 1981 mit der Entscheidung der Ratskammer dieses Gerichtshofes vom 11. 8. 1982 aufgehoben wurde, ohne daß es zu einer Einziehung gekommen ist.
Da nach § 39 Abs. 1 MedienG der Bund dem Medieninhaber nur die durch die Beschlagnahme entstandenen vermögensrechtlichen Nachteile zu ersetzen hat, ist der Entschädigungsanspruch davon abhängig, daß die Beschlagnahme für den eingetretenen vermögensrechtlichen Nachteil kausal war. Im vorliegenden Fall sind für den eingetretenen Schaden zwei Ursachen in Betracht zu ziehen, die vom Handelsgericht Wien erlassene einstweilige Verfügung, womit der klagenden Partei die Verbreitung der in Rede stehenden Beilage verboten wurde, und die Beschlagnahmeverfügung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien. Von der beklagten Partei wird die Kausalität der Beschlagnahmeverfügung für den eingetretenen Schaden bestritten, weil dieser bereits zufolge der einstweiligen Verfügung eingetreten war.
Für einen eingetretenen Schaden können grundsätzlich mehrere Ursachen in Betracht kommen. Kann nicht festgestellt werden, welches von mehreren potentiell schadensträchtigen Ereignissen Ursache ist, so wird in analoger Anwendung der Regelung des § 1302 ABGB solidarische Haftung der mehreren rechtswidrig und schuldhaft Handelnden angenommen (sogenannte alternative Kausalität; SZ 54/63; SZ 27/103; GlUNF 4329; Bydlinski, JBl. 1959, 1 ff.; Koziol-Welser, Grundriß[6] I 349). Ist der Schadenseintritt auf das gleichzeitige Zusammenwirken mehrerer schädigender Ereignisse zurückzuführen, von denen jedes für sich allein den Schaden herbeigeführt hätte (kumulative Kausalität), so müßte bei strenger Anwendung der Lehre von der conditio sine qua non die Haftung verneint werden, weil der Schaden stets auch durch das andere Ereignis verursacht worden wäre. Bei Handeln mehrerer Täter könnte jeder darauf verweisen, daß der Schaden allein schon durch die Handlungen des anderen verursacht worden wäre, sodaß der Schadenersatzanspruch gegen den Mitschädiger am Fehlen der Verursachung scheitern müßte. Die Rechtsprechung hat in solchen Fällen die Solidarhaftung der mehreren Schädiger angenommen, weil "schon aus Gründen der praktischen Vernunft" dann, wenn für die Verursachung eines schädigenden Erfolges mehrere, voneinander unabhängige Ursachen in Betracht kommen, dem einen Schädiger nicht erlaubt sein könne, sich darauf zu berufen, daß der Schaden auch ohne ihn eingetreten wäre; würde ihm dies gestattet sein, müßte auch dem anderen diese Einrede eingeräumt werden mit dem Ergebnis, daß keiner von beiden den Schaden zu tragen hätte (EvBl. 1959/244). Auch die Lehre nimmt die solidarische Haftung der mehreren Mitschädiger an und sieht in diesem Fall wie bei der alternativen Kausalität vom Erfordernis des Bedingungszusammenhanges ab, weil es nicht zum Nachteil des Geschädigten ausschlagen dürfe, daß mehrere Täter gleichzeitig rechtswidrig und schuldhaft Handlungen gesetzt haben, die alle geeignet waren, den Schaden herbeizuführen (Bydlinski, Probleme der Schadensverursachung 15; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht[2] I 73 ff.; Ehrenzweig, System[2] II/1, 45; Wolff in Klang Komm.[2] VI 10; Koziol-Welser aaO 350). Nach dem Grundsatz, daß rechtswidriges Verhalten eines anderen nicht entlastet, haftet jeder als Gesamtschuldner (Deutsch, Haftungsrecht I 156). Daß die Haftung jedes einzelnen Haftpflichtigen auf verschiedener rechtlicher Grundlage beruht, stunde der Annahme der Solidarhaftung nicht entgegen (SZ 52/185; JBl. 1981, 104; ZVR 1981/256; Gschnitzer in Klang aaO IV/1, 277; Gamerith in Rummel, ABGB, Rdz. 4 zu § 888). Wäre demnach im vorliegenden Fall die einstweilige Verfügung und die Beschlagnahmeverfügung gleichzeitig wirksam geworden, wäre die solidarische Haftung der beklagten Partei und desjenigen, der die einstweilige Verfügung beantragt hat (§ 394 EO), eindeutig gegeben.
Der Beschlagnahmebefehl wurde aber zeitlich nach Zustellung der einstweiligen Verfügung erlassen. Es liegt demnach ein Fall sogenannter überholender Kausalität vor, von der dann gesprochen wird, wenn ein Erstereignis einen Schaden herbeiführt, den auch ein späteres Ereignis verursacht hätte (Koziol aaO 76; Koziol-Welser aaO 350; Bydlinski aaO 26 ff.). Die "überholende Kausalität" wird auch als "zeitlich gedehnte kumulative Kausalität" aufgefaßt. Bei kumulativer Kausalität wirken die mehreren Schadensursachen gleichzeitig, bei der überholenden Kausalität wirken sie sukzessiv auf das verletzte Rechtsgut ein bzw. es wird die Einwirkung des zweiten Ereignisses überhaupt verhindert (Bydlinski aaO 97, 68). Auch bei der überholenden Kausalität stellt sich das Problem, ob derjenige, der den Erfolg real verursacht hat, sich von seiner Schadenersatzpflicht durch den Hinweis darauf befreien kann, daß ein anderes Ereignis denselben Schaden herbeigeführt hätte und seine Handlung demnach nicht kausal für den Schaden war (Koziol aaO 76). Bei strikter Anwendung der Bedingungslehre ist das erste schädigende Ereignis nicht ursächlich, weil der Schaden durch das zweite Ereignis herbeigeführt worden wäre, und umgekehrt (Koziol-Welser aaO 350). In Fällen, in denen eine Schadensanlage bereits vorhanden war, haftet der Schädiger nach Lehre und Rechtsprechung nur für die Vorverlegung des Schadens (ZVR 1979/99; ZVR 1978/165; JBl. 1974, 318; Bydlinski aaO 99; Koziol-Welser aaO 350; Koziol aaO 77). Im übrigen wurde in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß die Haftung des Erstschädigers nicht dadurch aufgehoben wird, daß nachträglich ein Ereignis eintritt, das den Schaden gleichfalls herbeigeführt hätte (SZ 39/172; EvBl. 1959/244; JBl. 1956, 503; ZBl. 1931/198; SZ 10/277). Bydlinski hat aaO 74 aufgezeigt, daß die bei der alternativen und kumulativen Kausalität zum Ausdruck kommende Wertung (Haftung trotz abgeschwächtem Kausalitätserfordernis) auch im Falle der überholenden Kausalität Beachtung zu finden hat und grundsätzlich, wie im Falle kumulativer Kausalität, die Haftung auch des Zweitschädigers für den eingetretenen Schaden rechtfertigt. Koziol aaO 81 will hingegen dem hypothetischen Schadensereignis bei Ersatz des objektiven Schadens keine Beachtlichkeit zuerkennen, weil der Schadenersatzanspruch in der Höhe des gemeinen Werts der Sache im Zeitpunkt der Schädigung entstanden, die Schadensfeststellung abgeschlossen ist und von späteren Ereignissen nicht mehr berührt werden kann. Diesen Rechtsstandpunkt nimmt wohl auch die herrschende Lehre und Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland ein (vgl. BGHZ 29, 207, 215; BGHZ 10, 6, 9, 10; Staudinger-Medicus, BGB[12] Rdz. 103, 104 zu § 249; Grunsky in Münchener Kommentar, Rdz. 81 vor § 249; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts[13] I 481). Koziol aaO 82 räumt ein, daß sich daraus eine Unbilligkeit ergebe, weil bei kumulativer Kausalität, selbst wenn nur leicht fahrlässig gehandelt wurde, beide Täter solidarisch haften, wogegen dann, wenn die Täter nicht gemeinsam gehandelt haben und ein Fall überholender Kausalität vorliegt, bei abstrakter Schadensberechnung (Ersatz des gemeinen Wertes) der gesamte objektive Schaden nur dem Ersttäter zuzurechnen ist. Ein minimaler zeitlicher Unterschied führe von der solidarischen Haftung zur alleinigen Haftung des Ersttäters. Dieser krasse Umschwung sei unbefriedigend, aber bei abstrakter Schadensberechnung - im Gegensatz zum Anspruch auf Interesseersatz - nicht zu vermeiden. Auch Bydlinksi aaO 69 weist darauf hin, daß eine unterschiedliche Lösung der Fälle wenig befriedigend sei; diesen Standpunkt vertritt auch Raber, JBl. 1977, 28.
Der von der klagenden Partei behauptete Schaden besteht im Entfall des Anspruchs auf Bezahlung der Kosten für die Einschaltung von Inseraten. Da die klagende Partei bereits einen Anspruch auf Bezahlung des Entgelts erworben hatte, liegt positiver Schaden (§ 1293 ABGB) vor. Gleiches gilt für den Aufwand, den die klagende Partei nach ihrer Behauptung tätigen mußte, um die Beilage zur "Neuen Kronen-Zeitung" vom 9. 5. 1981 in Verkehr bringen zu können (vgl. Koziol-Welser aaO 333).
Warum Koziol bei Ersatz des objektiven Schadens und bei Interesseersatz unterscheiden zu müssen meint, ergibt sich aus seinen Ausführungen zum Interesseersatz, in denen er Bydlinski, der auch im Fall überholender Kausalität die Schadenersatzpflicht des Zweitverursachers für gegeben erachtet und sich hiebei an die Adäquanztheorie anlehnt, voll beipflichtet. Bydlinski (aaO 75 FN 172) erläutert hiezu: "Hervorzuheben ist, daß die Haftung des ,hypothetischen" (zweiten) Verursachers nur in Frage kommt, wenn er wirklich schuldhaft-gefährlich gehandelt hat und nicht bloß bei Wegfall der ersten Ursache gehandelt hätte. Nur die Ursächlichkeit darf ,hypothetisch" sein, nicht die schuldhaft-rechtswidriggefährliche Handlung." Koziol (aaO 85) bezieht sich auf diese Darlegung Bydlinskis und erläutert sie sinnvoll: "Hat der reale Schädiger die Sache schon vernichtet, bevor der hypothetische Täter handelt, so ist dessen Verhalten nicht rechtswidrig, da er nicht gegen ein existentes Eigentumsrecht handelt. Rechtswidrig und konkret gefährlich kann der zweite Täter demnach nur dann handeln, wenn die Sache noch existiert und das daran bestehende Eigentumsrecht gebietet, dieses nicht zu gefährden. In jenen Fällen, wo dies nicht mehr der Fall ist, haftet nach Bydlinski der reale Verursacher allein." Das, was Koziol zum Interesseersatz sagt, läßt sich auch auf seine Ausführungen zum Ersatz des objektiven Schadens (aaO 81) anwenden: Die Haftung eines hypothetischen Schädigers muß natürlich ausscheiden, wenn der Schadenersatzanspruch "von späteren Ereignissen nicht mehr berührt werden kann". Koziol (aaO 82) beschränkt seine Thesen auch auf Sach- und Personenschäden. Die gegen die klagende Partei erlassene einstweilige Verfügung hatte aber weder in das Eigentum noch in die tatsächliche Verfügungsmöglichkeit der klagenden Partei eingegriffen; der unmittelbare Eingriff erfolgte erst durch den Vollzug der Beschlagnahme, welches spätere Ereignis also die klagende Partei sehr wohl "berührte". Die Beschlagnahme trat also in durchaus adäquater Weise, tatsächlich sogar darüber hinauswirkend durch die erstmalige Herbeiführung der physischen Unmöglichkeit, der einstweiligen Verfügung zuwiderzuhandeln, neben die einstweilige Verfügung und war daher jedenfalls Mitursache für den eingetretenen Schaden. Der minimale zeitliche Unterschied zur Zustellung der einstweiligen Verfügung kann dann nicht zur Folge haben, daß der geltend gemachte Schaden als allein von der einstweiligen Verfügung verursacht angesehen wird. Unter den konkreten Umständen des vorliegenden Falles sind vielmehr zumindest die Wirkung der kumulativen Kausalität und damit jedenfalls die Haftung der beklagten Partei anzunehmen. Eine "Bereicherung" der klagenden Partei, wie sie die beklagte Partei für möglich hält, ist so wenig zu befürchten wie sonst, wenn einem Gläubiger zwei solidarisch haftende Schuldner gegenüberstehen.
Was die Höhe des Anspruchs betrifft, ist davon auszugehen, daß der Vertrag zwischen der klagenden Partei und den Inserenten einen Werkvertrag darstellt. Für den Werkvertrag ist kennzeichnend, daß der Werkunternehmer nicht nur eine bestimmte Bemühung, sondern den bedungenen Erfolg schuldet (Adler-Höller in Klang[2] V 168; Koziol-Welser aaO 303). Es kann der Rechtsansicht der beklagten Partei, die klagende Partei habe ihrer vertraglichen Verpflichtung aus dem Werkvertrag durch Druck und Bereitstellung der Beilage zum Versand entsprochen, sie habe nicht dafür einzustehen, daß die Beilage auch versendet wird, nicht gefolgt werden. Inhalt des mit dem Inserenten abgeschlossenen Werkvertrages über die Einschaltung einer Anzeige ist zweifellos nicht nur die Herstellung, sondern auch der Vertrieb, da nur dadurch der vom Inserenten angestrebte (und vom Medieninhaber versprochene) Erfolg, die Veröffentlichung des Inserates und die damit bezweckte Werbewirkung auf potentielle Kunden, erreicht wird.
Die klagende Partei vertritt den Standpunkt, daß die nur teilweise Auslieferung der Druckschrift einer Vereitelung der Ausführung durch Umstände, die nicht auf seiten des Bestellers liegen, gleichzusetzen sei, sodaß der klagenden Partei gemäß § 1168 ABGB ein Entgeltanspruch gegen den Inserenten nicht zustehe. Da nach den im Ergebnis unwidersprochen gebliebenen Behauptungen der beklagten Partei ein nicht unwesentlicher Teil der "Bunten Krone" ungeachtet der einstweiligen Verfügung und der Beschlagnahmeverfügung zum Verkauf gelangte, käme auch ein bloßer Anspruch des Inserenten auf Entgeltminderung (§ 1167 ABGB) in Betracht. Ob der eine oder andere Anspruch gerechtfertigt ist, wird davon abhängen, ob nach der Auffassung der beteiligten Verkehrskreise, insbesondere bei Einschaltung von Großinseraten, bei nur teilweiser Auslieferung (im hier vorliegenden Ausmaß) von einer Vereitelung der Ausführung des Werkes gesprochen werden muß oder aber ob wegen der, wenn auch nur in beschränktem Umfang gegebenen Verbreitung nur ein Anspruch auf Entgeltminderung gerechtfertigt ist; dies wird im fortgesetzten Verfahren nach allfälliger Klärung, in welchen örtlichen Bereichen die Auslieferung erfolgte und in welchen sie unterblieb und inwieweit demnach der von den Inserenten angestrebte Werbezweck vereitelt war, durch Einvernahme eines Sachverständigen zu klären sein.
Entgegen der Auffassung der beklagten Partei umfaßt § 39 Abs. 1 MedienG auch den Anspruch auf die behaupteten Mehrkosten für den Druck der Ausgabe vom 9. 5. 1981. Gemäß § 38 Abs. 1 MedienG ist, solange die Beschlagnahme dauert, die weitere Verbreitung der Medienstücke in einer Form, in der der strafbare Inhalt wahrnehmbar ist, und die Neuveröffentlichung der den Verdacht einer strafbaren Handlung begrundenden Stelle oder Darbietung verboten. Zufolge der Beschlagnahme ist demnach sowohl die weitere Verbreitung als auch die neuerliche Veröffentlichung der den Verdacht der strafbaren Handlung begrundenden Stelle, worunter auch die Veröffentlichung in einer weiteren Nummer des periodischen Mediums fällt (Kunst-Böhm-Twaroch, Das neue Medienrecht, 154; vgl. auch SSt 11/83), verboten. Es war damit auch die neuerliche Verwendung eines untersagten Beilagentitels verboten. Demnach stellen auch die Kosten des Neudrucks der Ausgabe vom 9. 5. 1981 einen vermögensrechtlichen Nachteil dar, für den die beklagte Partei einzustehen hätte; ob diese Kosten tatsächlich aufgelaufen sind und in welcher Höhe dies der Fall war, wird im fortgesetzten Verfahren zu klären sein.
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