OGH 3Ob781/53

OGH3Ob781/5314.4.1954

SZ 27/103

Normen

ABGB §1301
ABGB §1302
ABGB §1325
ABGB §1380
Reichsversicherungsordnung §1542
Strafgesetz §157
ZPO §268
ZPO §395
ABGB §1301
ABGB §1302
ABGB §1325
ABGB §1380
Reichsversicherungsordnung §1542
Strafgesetz §157
ZPO §268
ZPO §395

 

Spruch:

Alle strafrechtlich nach § 157 Abs. 2 StG. verurteilten Täter haften für den dem Beschädigten entstandenen Schaden solidarisch, ohne daß der Beschädigte die Beteiligung eines jeden einzelnen Täters an der Beschädigung nachweisen braucht.

Ein Anerkenntnis des Schädigers hinsichtlich eines Anspruches nach § 1325 ABGB. zieht keinerlei Wirkungen bezüglich des Regreßanspruches des Sozialversicherungsträgers nach sich.

Entscheidung vom 14. April 1954, 3 Ob 781/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Eibiswald; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Die Beklagten hatten Stefan S. bei einem Raufhandel schwer verletzt und waren deshalb nach § 157 Abs. 2, zweiter Fall StG. rechtskräftig verurteilt worden. Im Strafurteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, 5 E Vr 3673/55, wurde festgestellt, daß Stefan S. unter Beteiligung der Beklagten niedergeschlagen und mit Füßen getreten wurde, so daß er durch das Zusammenwirken der Beklagten Körperverletzungen erlitten hatte, ohne daß sich erweisen ließ, welcher von den Beklagten die schweren Verletzungen zugefügt hatte. Die gleichen Feststellungen wurden bezüglich des Beklagten Rupert L. außerdem in dem gegen diesen erflossenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffensenat, 2 Vr 3647/50, getroffen. Stefan S. begehrte zu 11 Cg 321/51 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz Schadenersatz von den Beklagten. In diesem Verfahren wurde ein Vergleich geschlossen, in welchem sich alle Beklagten verpflichteten, zur Abfindung sämtlicher Ansprüche des Stefan S. einen Betrag von je 1000 S zu bezahlen. Mit der vorliegenden Klage begehrte die klägerische Gebietskrankenkasse von den Beklagten die zur Wiederherstellung der Gesundheit des Stefan S. aufgewendeten Heilungskosten in der Höhe von 1306.57 S auf Grund der Legalzession des § 1542 RVO.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es hielt sich an die verurteilenden Erkenntnisse des Strafgerichtes in der Annahme des Verschuldens der Beklagten gebunden. Eine Befreiung von der Schuld durch den getroffenen Vergleich wurde nicht angenommen, weil die Beklagten wußten, daß der Verletzte sozialversichert ist, vor allem auch, weil sich der Vergleich nur auf die in diesem Verfahren geltend gemachten Ansprüche bezogen hatte, der klagsgegenständliche aber vom Verletzten nicht geltend gemacht worden war. Die Einwendung der Beklagten, daß die Klage nicht schlüssig wäre, weil nicht behauptet wurde, welche Verletzungen im einzelnen jeder der Beklagten dem Stefan S. zugefügt hatte, wurde unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 1302 ABGB. abgetan.

Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Es stimmte dem Erstgericht bei, daß die Beklagten schon aus der Klage zu 11 Cg 301/51 unzweifelhaft erkennen konnten, daß Stefan S. sozialversichert war. Daß die Ansprüche infolge Legalzession auf die Klägerin übergegangen waren, mußten die Beklagten aber nicht wissen, weil gesetzliche Bestimmungen ohne Rücksicht auf die Kenntnis der Betroffenen anzuwenden seien (§ 2 ABGB.). Das Berufungsgericht hielt aber die Klage für nicht schlüssig, weil keine Behauptungen über den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Handanlegung der Beklagten und der eingetretenen Verletzung des Stefan S. aufgestellt worden waren. § 1302 ABGB. könne nur dann angewendet werden, wenn die Tatsache der Beschädigung durch jeden einzelnen der Beklagten erwiesen sei. Lasse sich nicht feststellen, wer von ihnen den Schaden herbeigeführt hat, so bestehe überhaupt keine Haftung. An das Strafurteil sei der Erstrichter nur insoweit gebunden, als festgestellt worden war, daß die Beklagten an Stefan S. Hand angelegt haben.

Der Oberste Gerichtshof stellte das Urteil des Prozeßgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist begrundet.

Zunächst ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, daß sich die Beklagten nicht mit Erfolg auf den zu 11 Cg 301/51 geschlossenen Vergleich berufen konnten. Es kann diesmal dahingestellt bleiben, ob es überhaupt rechtlich bedeutungsvoll ist, ob die Beklagten von der Sozialversicherungspflicht des Stefan S. Kenntnis hatten. Denn es wurde jedenfalls richtig ausgeführt, daß sie von der Sozialversicherungspflicht des Stefan S. Kenntnis haben mußten. Es kam sodann aber nicht mehr darauf an, daß der Übergang der Ansprüche den Beklagten auch bewußt gewesen sein mußte, sondern lediglich darauf, ob sie die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Versicherungsanspruches und damit des Rechtsüberganges kannten. Diese Frage wurde vom Berufungsgericht daher richtig gelöst. Die Beklagten sind durch den Vergleich von der klagsgegenständlichen Forderung nicht befreit worden. Die klagende Partei kann sich aber andererseits nicht darauf berufen, daß die Beklagten durch den Vergleich auch die gegenständliche Forderung dem Gründe nach bereits anerkannt hätten. Die Klägerin begrundet dies damit, daß die Schadenersatzansprüche des Verletzten im Sinne des § 1325 ABGB. ein unteilbares Ganzes bilden. Dagegen ist aber zu sagen, daß der Regreßanspruch bereits im Unfallzeitpunkt entsteht und sich sein Schicksal unabhängig von den übrigen Ansprüchen des Verletzten erfüllt. Beide Ansprüche können verschieden entschieden werden, es liegt weder Identität des Begehrens, noch der Parteien, noch des Rechtsgrundes vor (2 Ob 439/53). Es kann daher auch ein Anerkenntnis bezüglich des einen Anspruches keine Wirkung für den anderen Anspruch nach sich ziehen.

Unrichtig ist aber die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß es bei einer strafgerichtlichen Verurteilung nach § 157 Abs. 2 zweiter Fall StG. des Beweises der Beteiligung eines jeden einzelnen Verurteilten an der Beschädigung bedürfe. Die Ansicht des Berufungsgerichtes stützt sich auf die Meinung Wolffs (Klang-Kommentar, 2. Aufl. zu § 1302, VI. Band, S. 56), die aber mit Ausnahme Stubenrauchs (II 655) von allen Rechtslehrern abgelehnt wird (Krasnopolski III 174, Mayr II 93). Zeiller (Kommentar zu § 1302 ABGB.) erwähnt ausdrücklich, daß bei der Beteiligung mehrerer alle solidarisch haften, wenn sich nicht bestimmen läßt, welche einzelnen die Beschädigung herbeigeführt haben. Ehrenzweig (§ 303 II) läßt solidarisch nach § 1302 ABGB. haften, wenn sich nicht feststellen läßt, welche von mehreren widerrechtlichen Handlungen den Schaden herbeigeführt haben. Er bedient sich dabei des Schlusses vom größeren auf das kleinere in Bezug auf die ausdrückliche Bestimmung des § 157 StG. Der Oberste Gerichtshof hat allerdings in der Entscheidung GlUNF. 6380 den vom Berufungsgericht bezogenen Standpunkt vertreten. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall war B. nach § 157 Abs. 2 zweiter Fall StG. verurteilt worden, weil er bei einer zwischen mehreren Leuten entstandenen Schlägerei an A. Hand angelegt hatte, wodurch eine schwere Verletzung des A. entstanden war. Die Bindung an das strafgerichtliche Erkenntnis wird dabei nur so weit angenommen, als festgestellt erscheint, daß A. Hand angelegt hatte. Da aber der Kausalnexus zwischen der Tat des B. und der Beschädigung des A. nicht festgestellt worden war, müßte nach Ansicht dieser Entscheidung ein Beweis darüber erst im Zivilprozeß erbracht werden. Der vorliegende Fall ist insofern von dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall verschieden, als dort eine Schlägerei zwischen mehreren Personen auf beiden Seiten vor sich ging, während im vorliegenden Fall die Beklagten den Stefan S., also eine Einzelperson, umringt, zu Boden geworfen und getreten haben, aus welchem Zusammenwirken (wörtliche Feststellung des StrafgerichtesÜ) Stefan S. die schweren körperlichen Verletzungen erlitten hatte, ohne daß sich allerdings erweisen ließ, wer die schwere Verletzung (Rippenbrüche) zugefügt hatte. Nach § 268 ZPO. ist der Zivilrichter an diese Beweisergebnisse und an die Zurechnung der strafbaren Handlung gebunden. Dadurch ist aber bereits die Haftung der Beklagten nach §§ 1301, 1302 ABGB. gegeben, ohne daß von der Klägerin noch ein weiterer Beweis in der Richtung hätte geführt werden müssen, inwieweit die Beklagten den eingetretenen Schaden jeder für sich verursacht hatten. Bei dem Überfall haben die Beklagten gemeinschaftlich zu dem rechtswidrigen Erfolg beigetragen. Durch das Strafurteil ist die Rechtswidrigkeit ihrer Handlungsweise festgestellt, die zu dem rechtswidrigen Erfolg geführt hat. In einem solchen Fall der vorsätzlichen Schadenzufügung tritt nach § 1302 ABGB. auf jeden Fall die Solidarhaftung ein, gleichgültig, ob sich der Anteil des einzelnen Beschädigers am Erfolg bestimmen läßt oder nicht. Ein Beweis darüber war daher entbehrlich. Die Schadenersatzpflicht aller Beteiligten ergab sich aus der Gemeinschaftlichkeit des Handelns, aus dem gemeinsamen widerrechtlichen Angriff, so daß jeder einzelne den ganzen Erfolg zu vertreten hatte. Der Kausalnexus ist daher gegeben. Den gleichen Standpunkt hat der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen SSt. XIV/25 und SSt. VIII/5 sowie in den in der letzteren Entscheidung angeführten Entscheidungen 1 Ob 45/32 und 2 Ob 1208/33 vertreten. Eine andere Auffassung würde der Bestimmung des § 1301 ABGB. widersprechen, die zwar keine Haftung für fremdes Verschulden als Ausnahme von der Bestimmung des § 1313 ABGB. bedeutet, aber eine Mithaftung aller am widerrechtlichen Erfolg auf irgend eine Art Beteiligten (die dazu "beigetragen" haben) eintreten läßt. Eine solche Haftung ist daher im Falle einer Verurteilung nach § 157 Abs. 2 StG. bereits bindend festgestellt, weil das widerrechtliche "Handanlegen" im Raufhandel als Beitrag zu dem dabei eingetretenen widerrechtlichen Erfolg der schweren Körperverletzung angesehen werden muß.

Aus diesen Erwägungen war der Revision Folge zu geben und das Urteil der ersten Instanz wieder herauszustellen.

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