Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen deren mit 836,28 EUR (darin enthalten 139,38 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Begründung
Der Kläger ist Mieter einer in einem Wohnhaus der Beklagten gelegenen Wohnung, die Beklagte Vermieterin. Im Mietvertrag wurde festgehalten, dass es sich um eine behindertengerecht ausgestattete Wohnung handle - der Kläger ist querschnittgelähmt. Am 24. 8. 2001 öffnete der im Rollstuhl sitzende Kläger die Hauseingangstür, um zu seiner Wohnung zu gelangen. Beim Öffnen des Gehflügels spürte er einen größeren Widerstand als sonst üblich. Die Ursache hiefür lag darin, dass entweder von einem Hausbewohner die Einstellung des Türschließers verändert worden war, oder dass beim Öffnen der Tür durch ein offenes Fenster im Stiegenhaus oder die offene Kellertür ein Luftzug entstand. Nachdem der Kläger die Haustür schon geöffnet hatte, fiel er infolge der beim Hineinziehen des Rollstuhls und gleichzeitig zum Aufdrücken der Tür aufgewendeten Kraft mit dem Oberkörper nach vor aus dem Rollstuhl auf den Boden und fügte sich dadurch eine Splitterfraktur des rechten Knies sowie einen Bruch des linken Oberschenkels und des linken Wadenbeins zu. Wenn in der Vergangenheit der Türschließer verstellt worden war, hatte der Hausbesorger jeweils versucht, dies wieder rückgängig zu machen. Von der Beklagten war auch mehrmals ein Schlosser beauftragt worden, den Türschließer neu einzustellen.
Der Kläger begehrte von der Beklagten 10.000 EUR Schmerzengeld und die Feststellung, dass die Beklagte für jegliche Schäden aus dem Vorfall vom 24. 8. 2001 hafte. Das Verschulden an diesem Vorfall treffe die Beklagte als Bestandgeberin, da sie es verabsäumt habe, die Eingangstür derart behindertengerecht zu gestalten, dass sie für behinderte Personen problemlos und ohne größere Kraftanstrengung zu öffnen sei. Die Beklagte habe es auch verabsäumt, den vorhandenen Türschließer ausreichend zu warten und für eine gleich bleibende Einstellung zu sorgen, damit der erforderliche Kraftaufwand zum Öffnen der Tür in einem gewissen Rahmen bleibe. Da die Beklagte die Wohnung unter dem Gesichtspunkt eines „behördlich genehmigten Behindertenhauses" vermietet habe, treffe sie eine wesentlich höhere Sorgfaltspflicht für die Funktionalität sämtlicher Bestandteile des Hauses als bei anderen Häusern, welche nur von nicht behinderten Personen benützt werden.
Die Beklagte wendete ein, dass eine mietvertragliche Nebenpflicht des Vermieters, für eine konstante Schließkraft des Türschließers des Haustors zu sorgen, auch für Häuser, in denen behinderte Personen wohnen, nicht existiere. Der Kläger dürfe auch als Rollstuhlfahrer nicht damit rechnen, dass sich jede Tür immer mit demselben Kraftaufwand öffnen lasse, und es sei seine Sache, den Kraftaufwand zum Öffnen einer Tür so zu dosieren, dass er nicht durch seine eigene Körperkraft zu Sturz komme.
Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren dem Grunde nach statt. Wenngleich nicht feststellbar sei, ob der Umstand, dass die Eingangstür zum Unfallszeitpunkt schwerer zu öffnen war als sonst, auf eine Änderung der Einstellung des Türschließers oder aber auf Zugluft durch ein offenes Fenster im Stiegenhaus bzw die offene Kellertür zurückzuführen gewesen sei, sei dieser Umstand jedenfalls der Beklagten anzulasten. Hätte sie nämlich bereits vor dem Unfall eine Abdeckung des Türschließers und einen Griff am Stehflügel anbringen lassen, wäre einerseits eine Änderung der Einstellung des Türschließers verhindert worden, und andererseits hätte der Kläger die zum Hineinziehen des Rollstuhls notwendige Kraft auch bei Zugluft leichter aufwenden und besser dosieren können. Die Beklagte habe daher die in § 106a Abs 4 letzter Satz der Bauordnung für Wien enthaltene Bestimmung, wonach Eingangstore stets händisch leicht zu öffnen sein müssen, nicht beachtet. Wenngleich bei Errichtung des Hauses die geltenden Bauvorschriften eingehalten worden seien, sei die Beklagte als Vermieterin verpflichtet, während des aufrechten Bestandverhältnisses Anpassungen vorzunehmen, wenn die bestehenden Einrichtungen für die im Haus lebenden Mieter offenkundig nicht mehr den Erfordernissen entsprächen. Aus der nach Erteilung der Baubewilligung erfolgten Änderung der Bauordnung für Wien und der ÖNORM B 1600, die eine Gestaltung des Eingangsbereichs des Hauses in der gegebenen Form nicht mehr zulassen würden, hätten sich erhöhte Anforderungen für die barrierefreie Benützbarkeit von Gebäuden ergeben. Der Beklagten wäre es zumutbar und möglich gewesen, einen zusätzlichen Griff beim Stehflügel der Eingangstür anzubringen, um einem Rollstuhlfahrer, der den Niveauunterschied zwischen dem Vorplatz und dem Gehsteig mit großer Kraftanstrengung überwinden müsse, den Zugang in das Haus zu erleichtern. Diese Maßnahme sei nur wenige Wochen nach dem Unfall des Klägers ergriffen worden. Weiters sei der Türschließer danach so eingestellt worden, dass die Tür leichter zu öffnen sei, und eine Abdeckung angebracht worden, die ein neuerliches Verstellen des Türschließers verhindere. Da die Beklagte diese zumutbaren und möglichen Maßnahmen vor dem Unfall des Klägers unterlassen habe, hafte sie dem Grunde nach ex contractu für die Folgen dieses Unfalls.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies die Klage ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und dass die Revision zulässig sei. Die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB betreffe nur das Verschulden, nicht aber die Kausalität; letztere sei vom Geschädigten zu beweisen. Im Hinblick auf die mangelnde Feststellbarkeit einer Manipulation am Türschließer was zu Lasten des Klägers gehe, komme es schon nicht mehr darauf an, dass das „widmungswidrige" Anbringen einer weiteren Abdeckung über die schon vorhandene entfernbare Abdeckung des Türschließers ohnehin vom Liegenschaftseigentümer nicht zu verlangen sei. Das Ummanteln eines handelsüblichen Türschließers, um das an sich bestimmungsgemäße Verstellen (Verminderung der Öffnungsdämpfung und Verstärkung des Endanschlags bei kalter Witterung) schwieriger zu gestalten, sei kontraproduktiv. Es liege auf der Hand, dass der Beklagten die vom Erstgericht als mögliche alternative Ursache für die Schwergängigkeit der Tür angeführte Zugluft nicht als rechtswidriges Verhalten zum Vorwurf gemacht werden könne. Der nunmehr am Stehflügel der Tür angebrachte Griff würde dem Kläger zwar das Öffnen der Tür erleichtern, allerdings sei dieser nicht vorgeschrieben und hätte zum Unfallszeitpunkt nicht dem Stand der Technik entsprochen. Nicht jede von der Beklagten unterlassene Maßnahme, die rückblickend betrachtet den Unfall hätte verhindern können, könne eine Haftung für die dem Kläger entstandenen Schäden begründen. Aus den von der Beklagten nach dem Unfall ergriffenen Maßnahmen könne nicht abgeleitet werden, dass sie diese bis dahin rechtswidrig und schuldhaft unterlassen habe, auch wenn die Mietwohnung in einem behindertengerechten Haus angeboten gewesen sei. Eine Nachbesserung der Baulichkeit - sofern technisch überhaupt möglich - durch Vergrößerung der ebenen Fläche(n) vor der Tür, wie dies für Neubauten nun vorgesehen sei, könne nicht verlangt werden. Die Revision sei zuzulassen, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, ob ein Bestandgeber, der eine Wohnung in einem „behindertengerechten" Haus vermietet habe, in Erfüllung nebenvertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten besondere, sich mit dem Stand der Technik laufend weiterentwickelnde bauliche Vorkehrungen treffen müsse, um Unfälle eines Mieters - etwa beim Öffnen der Eingangstür - zu vermeiden.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Kläger gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist entgegen dem gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
1. Das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen einen Schadenseintritt sowie der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht bzw wann die Grenze der Zumutbarkeit weiterer oder erhöhter Verkehrssicherungspflichten erreicht oder überschritten ist, richtet sich generell nach den Umständen des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0029874; RS0110202; RS0111380).
2. Bei der Auslegung von Verträgen ist grundsätzlich nur auf die Umstände im Zeitpunkt der Vertragserklärung abzustellen, sodass zukünftige Änderungen der Verkehrsauffassung oder auch der Rechtslage im Allgemeinen nicht in die Erhaltungspflicht einfließen. Der Vermieter ist im Allgemeinen nicht zur laufenden Anpassung bzw Modernisierung des Bestandobjekts verpflichtet, sofern nicht gesetzliche oder vertragliche Mindeststandards unterschritten werden (Riss in WBFÖ 2007 H 1, 8; derselbe in Die Erhaltungspflicht des Vermieters [2005], 138 f).
Bei der Abgrenzung der aus einer vertraglichen Sonderverbindung entspringenden Schutz- und Sorgfaltspflichten sind die einschlägigen öffentlich‑rechtlichen Vorschriften und die von den Verwaltungsbehörden erteilten Bewilligungen bedeutsam. Durch diese werden im Einzelfall die Grenzen der verkehrsüblichen und vom Erwartungshorizont der Beteiligtenkreise als zumutbar umfassten Anforderungen aber nicht schlechthin abgesteckt, sondern wird vielmehr lediglich der Mindeststandard der dem Verantwortlichen obliegenden Sicherheitsvorkehrungen umrissen. Dabei kann den Hauseigentümer eine einmal erteilte Benützungsbewilligung nicht für allemal entschuldigen, sondern hat er die bauliche Sicherheit laufend zu überprüfen und die Baulichkeiten dem Ergebnis der Kontrolle entsprechend einwandfrei instandzusetzen und ganz allgemein den für die körperliche Sicherheit der Gäste - bzw Bewohner - maßgeblichen, nach einschlägigen Gesetzen und anderen Vorschriften, aber auch nach dem jeweiligen Stand der Technik geltenden Mindeststandard durch ihm zumutbare Verbesserungsarbeiten einzuhalten. Dieser Mindeststandard ist herzustellen, soferne die Vorschriften die Sicherheitsanforderungen verschärfen (2 Ob 216/01f mwN). Die mietvertragliche Nebenleistungsverpflichtung des Hauseigentümers besteht darin, den Zugang zu einem vermieteten Objekt während der gesamten Bestandzeit in sicherem Zustand zu erhalten. Erleidet der Mieter durch die mangelhafte Beschaffenheit des Zugangs zum vermieteten Objekt einen Schaden, ist ihm der Vermieter ersatzpflichtig, sofern er nicht nachweisen kann, dass ihn an der Nichterfüllung seiner Erhaltungspflicht kein Verschulden trifft (RIS‑Justiz RS0104241).
3. Im vorliegenden Fall war nach den Feststellungen des Erstgerichts nicht so sehr die bauliche Gegebenheit des Eingangsbereichs, sondern vor allem die schwer (er als sonst) zu öffnende Eingangstür für den Unfall ursächlich. Abgesehen davon, dass eine Manipulation am Türschließer nicht feststellbar war - was zu Lasten des hiefür beweispflichtigen Klägers geht -, würde es die Erhaltungspflicht des Vermieters überspannen, wollte man ihn zur lückenlosen Überwachung der Einstellung eines Türschließers verpflichten. Dem Kläger ist es aber auch nicht gelungen, nachzuweisen, dass eine Unterschreitung gesetzlich oder vertraglich geforderter Mindeststandards für den Unfall kausal gewesen wäre. Insbesondere lag im Fehlen einer weiteren Abdeckplatte am Türschließer und eines Haltegriffs am Stehflügel der Tür - mangels Aufzeigens von solchen Maßnahmen vorschreibenden Normen - keine Unterschreitung von Mindeststandards eines „behindertengerechten" Hauses.
In der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach der Beklagten keine Verletzung ihrer Erhaltungs- bzw Schutz- und Sorgfaltspflicht anzulasten sei, liegt jedenfalls keine auffallende Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wäre. Rechtsfragen von erheblicher - über die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls hinausreichender - Bedeutung wurden vom Kläger in dessen Revision nicht aufgezeigt. Die Revision ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 50 und 41 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers hingewiesen.
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