Spruch:
Die Bestimmung des § 159a ABGB untersagt es, die Unehelichkeit eines Kindes, für das die Vermutung der ehelichen Geburt streitet, in einem behördlichen Verfahren als Vorfrage zu behandeln; der Rechtsstatus eines Kindes, der sich aus der Geburt während einer Ehe ergibt, kann nur über eine Bestreitungsklage angetastet werden
Daß die Unterhaltspflicht primär den ehelichen Vater trifft, schließt nicht aus, daß sich ein Dritter - insbesondere der natürliche Vater - zur Leistung des Aufwandes für den erforderlichen Unterhalt dem Unterhaltspflichtigen gegenüber verbinden kann
OGH 1. 3. 1972, 1 Ob 35/72 (LGZ Wien 44 R 440/71; BG Innere Stadt Wien 11 P 134/71)
Text
Die minderjährige Helga U wurde am 12. 2. 1969 als Tochter der Ingeborg U geboren, deren am 28. 1. 1960 mit dem nunmehrigen Revisionsrekurswerber Wolfgang U geschlossene Ehe am 9. 971 rechtskräftig geschieden wurde. Ein Rechtsstreit über die Bestreitung der ehelichen Geburt des Kindes ist anhängig, jedoch wurde über das entsprechende Klagebegehren noch nicht rechtskräftig entschieden.
Ingeborg U beantragte am 7. 6. 1971, sie für ihre Kinder, also auch die minderjährige Helga, zur Kollisionskuratorin zu bestellen und dem ehelichen Vater Wolfgang U auch die Zahlung eines monatlichen Unterhaltes für die minderjährige Helga im Ausmaß von 13% seines monatlichen Nettoeinkommens aufzuerlegen. Die Mutter gab in ihrem Antrag selbst an, die minderjährige Helga sei nicht die leibliche Tochter des Antragsgegners, wies aber darauf hin, daß sie rechtlich trotz der zwischenzeitig eingebrachten Ehelichkeitsbestreitungsklage als dessen eheliche Tochter gelte.
Das Erstgericht bestellte die Mutter zur besonderen Sachwalterin und legte Wolfgang U den beanspruchten Unterhaltsbetrag für das Kind Helga ab 8. 6. 1971 auf, da auch dieses Kind als eheliches Kind der geschiedenen Ehegatten U anzusehen sei.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes.
Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs des Wolfgang U zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Da die zweite Instanz die Entscheidung des Erstgerichtes bestätigte, kann der Revisionsrekurswerber, wie er es nach der Bezeichnung seines Rechtsmittels auch tat, nur einen sogenannten außerordentlichen Revisionsrekurs iS des § 16 Abs 1 AußStrG erheben. Er kann also nur die Anfechtungsgrunde der Nichtigkeit (Nullität), der Aktenwidrigkeit und der offenbaren Gesetzwidrigkeit geltend machen. Er legt nicht dar, welchen dieser drei Anfechtungsgrunde er heranzieht, jedoch ergibt sich aus dem Inhalt des Rechtsmittels, daß nur der Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit in Betracht kommt. Dieser liegt nur vor, wenn die zur Beurteilung gestellte Frage im Gesetz so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 39/103 uva). Nur bei Ermangelung einer konkreten Norm kann eine offenbare Gesetzwidrigkeit auch darin liegen, daß eine Entscheidung mit den Grundprinzipien des Rechtes im Widerspruch steht (SZ 23/289 u.a). Nur besonders krasse Fehler bei der materiellrechtlichen Beurteilung, nicht aber verfahrensrechtliche Unrichtigkeiten können aufgegriffen werden (EvBl 1971/168 ua).
Der Revisionsrekurswerber erachtet sich dadurch beschwert, daß ihm auch eine Unterhaltszahlung für die minderjährige Helga U auferlegt wurde, obwohl deren Mutter selbst in ihrem Antrag angegeben hat, daß er nicht der natürliche Vater des Kindes sei. Da das Kind jedoch während der Ehe des Rechtsmittelwerbers mit der Mutter des Kindes geboren wurde, spricht die gesetzliche Vermutung des § 138 Abs 1 ABGB für seine Vaterschaft. Nach § 159a ABGB kann die Unehelichkeit eines Kindes, für das die rechtliche Vermutung der ehelichen Geburt streitet, nur geltend gemacht werden, wenn sie rechtskräftig festgestellt ist. Auch der Rechtsmittelwerber selbst kann nicht behaupten, daß in dem anhängigen Ehelichkeitsbestreitungsverfahren bereits ein rechtskräftiges Urteil im erwähnten Sinn ergangen wäre. Die Bedeutung der Bestimmung des § 159a ABGB liegt aber gerade darin, daß sie es untersagt, die Unehelichkeit eines Kindes, für das die Vermutung der ehelichen Geburt streitet, in einem behördlichen Verfahren als Vorfrage zu behandeln (Wentzel - Pleßl in Klang[2] I/2, 124). Ihr Zweck ist es, das Kind in seinem Familienstand und in allen aus der Ehelichkeit sich ergebenden Rechten zu schützen, dem Wohle des Kindes zu dienen und damit insbesondere auch den laufenden Empfang des Unterhaltes zu gewährleisten (Jung in JBl 1971, 563); der Rechtsstatus des Kindes, der sich aus der Geburt während einer Ehe ergibt, soll nur über eine Bestreitungsklage angetastet werden können (Jung aaO 564). Dem Rechtsmittelwerber steht damit nicht das Recht zu, Ansprüche des Kindes mit der Begründung abzulehnen, daß es tatsächlich nicht von ihm gezeugt wurde. Auch daß das Urteil, mit dem sodann eventuell festgestellt wird, das Kind, das bisher als eheliches gegolten hat, stamme tatsächlich nicht aus der Ehe, rückwirkende Kraft hat (SZ 34/24; SZ 29/69 ua), ändert daran nichts; die sich aus der Ehelichkeitsvermutung ergebenden Rechtsfolgen treten nämlich nicht etwa deshalb ein, weil der Mann, für dessen eheliche Vaterschaft die gesetzliche Vermutung spricht, an und für sich verpflichtet wäre, bis zur Rechtskraft des Urteiles im Bestreitungsprozeß Unterhalt zu bezahlen; die Leistungen können zwar zu Unrecht erfolgen, jedoch kann dies erst mit Rechtskraft des Urteiles im Bestreitungsprozeß berücksichtigt werden; auch ein vorheriges Geständnis der Mutter ist daher nicht zu beachten; für Billigkeitsentscheidungen bietet das Gesetz keinen Raum (EFSlg 3987; in diesem Sinne auch SZ 34/24).
Es ist daher nach wie vor auch die Bestimmung des § 141 ABGB anzuwenden, wonach es vorzüglich Pflicht des ehelichen Vaters ist, für den Unterhalt seiner nicht selbsterhaltungsfähigen Kinder zu sorgen. Es kann insbesondere nicht gesagt werden, daß die Auferlegung von Unterhaltsleistungen an den Revisionsrekurswerber unter den erwähnten Umständen offenbar dem Gesetz widerspräche (JBl 1951, 135). Es ist vielmehr sogar im Interesse des Kindes notwendig, die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung des Mannes, für den die gesetzliche Vaterschaftsvermutung spricht, in Anspruch zu nehmen, da vor Rechtskraft des Bestreitungsurteiles der uneheliche Erzeuger des Kindes, selbst wenn er die Vaterschaft anerkannt hätte, nicht zur Leistung des Unterhaltes verhalten werden kann (Wentzel - Pleßl aaO), der Streit um die Vaterschaft aber nicht dazu führen darf, daß unter Umständen überhaupt kein Mann für den Unterhalt des Kindes aufkommt. Bedeutungslos ist es daher auch, daß die Minderjährige im Scheidungsvergleich zwischen dem Rechtsmittelwerber und ihrer Mutter nicht erwähnt wurde; selbst ein ausdrücklicher Unterhaltsverzicht der Mutter könnte ohne pflegschaftsbehördliche Genehmigung die Rechte des Kindes nicht berühren (JBl 1960. 124 ua). Insbesondere besteht nicht die Möglichkeit, einen Verzicht der Mutter auf Unterhalt dem Kinde gegenüber einzuwenden. Im jetzigen Verfahren ist die Mutter aber nicht im eigenen Namen, sondern im Namen des Kindes aufgetreten, für das sie vom Erstgericht unangefochten zur besonderen Sachwalterin, dh zum besonderen Kurator (Kollisionskurator) iS des § 271 ABGB, bestellt wurde.
Eine Behauptung, daß der natürliche Vater tatsächlich den vollen Unterhalt der Minderjährigen decke, wurde vom Rechtsmittelwerber in erster Instanz nicht aufgestellt. Erst im Rekurs wurde bei der Rüge angeblicher Mangelhaftigkeiten des erstgerichtlichen Verfahrens ausgeführt, es entspreche den Tatsachen, daß Alfred F, von dem die Mutter selbst angegeben habe, daß er der natürliche Vater der minderjährigen Helga U sei, für deren Lebensunterhalt voll aufkomme. Das Rekursgericht hat zu dieser Neuerung nur im Zusammenhang mit seinen Rechtsausführungen Stellung genommen und - keineswegs ganz mit den Behauptungen des Rekurswerbers, daß Alfred F der Minderjährigen voll aufkomme, übereinstimmend - ausgeführt, es sei rechtlich bedeutungslos, ob Alfred F allenfalls für den Unterhalt der Minderjährigen der Mutter bestimmte Geldbeträge zukommen lasse. Diese Abweichung wird vom Revisionsrekurs jedoch nicht gerügt, so daß hierauf nicht weiter einzugehen ist. Es soll allerdings nicht übersehen werden, daß tatsächliche Unterhaltsleistungen des natürlichen Vaters eine Rolle spielen könnten, weil trotz der gesetzlichen Vermutung der ehelichen Vaterschaft des Ehemannes die Tatsache, daß ein anderer Mann der natürliche Vater eines Kindes ist, nicht unter allen Umständen unbeachtet bleiben kann. So hat der Oberste Gerichtshof die Auffassung vertreten, daß der Anspruch dessen, der im Ehebruch ein Kind gezeugt hat, auf Ersatz des für das Kind gemachten Aufwandes gegen den Gatten der Mutter, der keine Ehelichkeitsbestreitungsklage eingebracht hat, sittenwidrig und daher unzulässig ist (SZ 15/93). Er hat aber auch erkannt, daß die Unterhaltspflicht des ehelichen Vaters nicht unter allen Umständen die primäre ist; daß die Unterhaltspflicht den ehelichen Vater trifft, schließt vielmehr nicht aus, daß sich ein Dritter zur Leistung des Aufwandes für den erforderlichen Unterhalt dem Unterhaltspflichtigen gegenüber verbinden kann; die Leistung des Unterhalts ist nämlich eine Leistung von Vermögenswerten, so daß kein Hindernis besteht, daß die Übernahme einer derartigen Verpflichtung durch einen Dritten erfolgen kann; das gilt insbesondere für den natürlichen Vater, für den es nicht sittenwidrig, sondern vielmehr sogar durchaus moralisch ist, wenn er die Deckung des Unterhaltes des von ihm gezeugten Kindes übernimmt und diese Sorge nicht unter Ausnützung gesetzlicher Fiktionen einem anderen überläßt (SZ 16/111). Es geht auch nicht an, daß für ein Kind, dessen Bedürfnisse durch Leistungen eines Dritten voll gedeckt werden, dennoch von demjenigen, für dessen Vaterschaft die gesetzliche Vermutung streitet, nochmals Leistungen aus dem Titel des gesetzlichen Unterhaltes in Anspruch genommen werden. Feststellungen darüber, daß Alfred F sich vertraglich verpflichtete, den Unterhalt des Kindes voll zu leisten, fehlen aber, ja es ist nicht einmal festgestellt, daß er den Unterhalt tatsächlich leistet. Es bedarf hiezu aber auch keiner ergänzenden Erhebungen, da die Leistung einer nicht gesetzlich obliegenden Verpflichtung keineswegs vermutet wird, die Behauptungen des Rechtsmittelwerbers aber viel zu undeutlich sind, um selbst bei Annahme ihrer Richtigkeit daraus den Schluß ziehen zu können, die Deckung der Unterhaltsbedürfnisse des Kindes wären derzeit und auch für die Zukunft auf andere Weise als durch Leistungen des gesetzlich hiezu Verpflichteten gesichert. Bei dem Hinweis auf tatsächliche Leistungen des Alfred F darf nämlich nicht übersehen werden, daß Wolfgang U derzeit für die minderjährige Helga U keinen Unterhalt leistet. Irgend jemand muß daher in der Zwischenzeit für die Bedürfnisse des Kindes aufkommen. Wenn die Mutter dann vielleicht nur unter diesen Voraussetzungen Leistungen des Alfred F entgegennimmt, ist damit noch nicht gesagt, daß es sich hiebei um Unterhaltsleistungen in Anerkennung der mit der natürlichen Vaterschaft zusammenhängenden (derzeit nur) moralischen Verpflichtungen handelt. Es widerspricht daher nicht offenbar dem Gesetz, wenn die Untergerichte, die ausschließlich auf das Wohl des Kindes Bedacht zu nehmen haben, unter diesen Umständen dem Rechtsmittelwerber Unterhaltsleistungen für die Minderjährige auferlegten und auf diese Weise die Deckung der Bedürfnisse des Kindes sicherstellten. Die Frage, ob und inwieweit Wolfgang U nach allfälliger Unehelicherklärung des Kindes sodann durchsetzbare Ansprüche gegen Alfred F nach § 1042 ABGB zustehen werden, ist in diesem Verfahren nicht zu beantworten und jedenfalls für die hier zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung.
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