OGH 1Ob297/02m

OGH1Ob297/02m24.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** m. b. H., *****, vertreten durch Dr. Veronika Cortolezis, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Peter Weikl, Unternehmer, Salzburg, Siezenheimerstraße 5, vertreten durch Dr. Roman Moser, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Herausgabe (Streitwert 4.200,49 EUR) infolge ordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 11. September 2002, GZ 22 R 180/02b-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 28. März 2002, GZ 32 C 1204/01h-9, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 399,74 EUR (darin 66,62 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Die klagende Partei verkaufte und übergab einer Dritten, die ein Unternehmen zur digitalen Bearbeitung von Filmen betrieb, einen Computer mit Software, Scanner, Mischpult, zwei Boxen und Erweiterungskomponenten um den Preis von 684.480 S unter Eigentumsvorbehalt. Der Kaufpreis war in Raten zu zahlen. Die Käuferin zahlte insgesamt 270.000 S. Mit rechtskräftigem Versäumungsurteil vom 11. 10. 2000 wurde sie schuldig erkannt, der klagenden Partei den Rest von 414.480 S zu zahlen. Die Käuferin erzählte dem Beklagten, sie werde ihre unternehmerische Tätigkeit beenden. Der Beklagte, der sich als Unternehmer selbstständig machen wollte und deshalb eine solche Computeranlage benötigte, einigte sich mit der Dritten, deren Anlage um 170.000 S zuzüglich 20 % Umsatzsteuer zu kaufen. Er hielt die Dritte für die Eigentümerin des ihm übergebenen Kaufobjekts und zahlte den vereinbarten Preis am 3. 1. 2001. Überdies schloss er mit der Dritten einen Untermietvertrag über Räume ab, in denen diese ihr Unternehmen betrieben hatte. Der Beklagte, der schon damals über einen Gewerbeschein verfügte, hatte die Dritte nicht gefragt, ob sie Eigentümerin des Kaufobjekts sei. Er forderte sie daher auch nicht auf, ihr Eigentum durch Urkunden (Rechnungen, Zahlungsbelege) nachzuweisen. Die einzelnen Geräte der Computeranlage wurden im Zuge der gegen die Dritte geführten Exekutionsverfahren am 15. 3. und 24. 7. 2000 gepfändet. Da es dem Beklagten nicht gelungen war, alle betreibenden Gläubiger zu Einstellungsanträgen zu bewegen, er jedoch mit Hilfe der Computeranlage gerade an der Erfüllung eines Rechtsgeschäfts mit einer Auftragssumme von etwa 500.000 S arbeitete, trat er im Versteigerungsverfahren selbst als Kaufinteressent auf. Die Computeranlage wurde sodann ihm als Erwerber um das Meistbot von 56.750 S zugeschlagen. Ob er in diesem Zeitpunkt noch immer keine Bedenken am (seinerzeitigen) Eigentum der Dritten an der Computeranlage hatte, ist nicht feststellbar. Eine solche Anlage wird - auch im gebrauchten Zustand - üblicherweise unter Eigentumsvorbehalt verkauft.

Die klagende Partei begehrte die Herausgabe der Computeranlage und behauptete, deren Eigentümerin zu sein.

Der Beklagte wendete ein, an der Cumputeranlage gutgläubig Eigentum

erworben zu haben.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige, und ließ die ordentliche Revision zu. Nach dessen Ansicht betrieb die Dritte "ein Dienstleistungsunternehmen iSd § 1 Abs 2 Z 2 HGB". Sie habe die Computeranlage im Betrieb ihres Handelsgewerbes anlässlich der Geschäftsliquidation verkauft. Ein gutgläubiger Erwerb des Eigentums durch den Beklagten komme nur unter den Voraussetzungen des § 366 Abs 1 HGB in Betracht. Der Erwerber von Waren, die üblicherweise unter Eigentumsvorbehalt verkauft würden, handle grob fahrlässig, wenn er keine Nachforschungen über die Verfügungsbefugnis des Verkäufers anstelle. Der Beklagte hätte nach den ihm bekannten Umständen die Eigentümerstellung bzw Verfügungsbefugnis der Dritten als Verkäuferin von Betriebsanlagevermögen durch Nachforschungen klären müssen. Deren Unterbleiben sei ihm als grobe Fahrlässigkeit anzulasten. Der Beklagte habe das Eigentum an der Computeranlage aber auch nicht im Zwangsversteigerungsverfahren gutgläubig erworben. Ihm habe damals klar sein müssen, dass die Verpflichtete über die erworbenen Sachen nicht verfügungsbefugt gewesen sei. Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, den Meistbietenden als gutgläubigen Erwerber auch dann schützen zu wollen, "wenn ein vorangehender rechtsgeschäftlicher Erwerb vom (späteren) Verpflichteten an grober Fahrlässigkeit des Erwerbers gescheitert" sei. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil es "zum Sorgfaltsmaßstab beim Erwerb einer gebrauchten, gewerblich genutzten Computeranlage sowie weiterer technischer Gerätschaften aus einem Filmstudio" an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs mangle. Bislang sei ferner noch nie entschieden worden, was zu gelten habe, wenn "ein rechtsgeschäftlicher Erwerber von Fahrnissen diese dann auch noch im Zuge eines Exekutionsverfahrens gegen den seinerzeitigen Veräußerer als Verpflichteten" ersteigere.

Die Revision ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Wer Sachen erwirbt, die üblicherweise unter Eigentumsvorbehalt verkauft und gekauft werden, darf sich - als Kaufmann (1 Ob 349/99a; SZ 68/196) oder als Privater (SZ 60/120 ["Privatgeschäft"]) - nicht allein mit der Erklärung des Veräußerers begnügen, Sacheigentümer zu sein oder über die Sache verfügen zu können, sondern er muss zur Überprüfung derartiger Angaben die Vorlage von Urkunden verlangen. Die Unterlassung einer solchen Nachforschung ist als grobe Fahrlässigkeit iSd § 366 Abs 1 HGB zu werten (1 Ob 349/99a; SZ 68/196 je mwN). Der Umfang der Nachforschungspflicht ist im jeweiligen Einzelfall nicht unter Bedachtnahme auf die persönliche Meinung des Erwerbers zu beurteilen; maßgeblich ist vielmehr, ob der Erwerb objektiv verdächtig erscheint. Beim bloßen Vertrauen auf die Verfügungsbefugnis des Verkäufers unterliegt die Annahme der Gutgläubigkeit hohen Anforderungen (3 Ob 303/00f = ecolex 2002, 245). Anders ist die Rechtslage bei der Weiterveräußerung von Waren im ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb eines Kaufmanns an Letztabnehmer. Es ist dabei verkehrsüblich, dass der Vorbehaltsverkäufer den Vorbehaltskäufer, der die Ware zum Zweck der Weiterveräußerung erwarb, zur Veräußerung der Vorbehaltsware im ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb ermächtigt, soll doch der Vorbehaltskäufer dadurch in die Lage versetzt werden, sich die Mittel zur Befriedigung des Vorbehaltsverkäufers zu beschaffen. Wurde die Verkaufsermächtigung ausnahmsweise nicht erteilt oder hat sich der Vorbehaltskäufer nicht an den Umfang seiner Verfügungsbefugnis gehalten, so greift der Gutglaubensschutz des § 366 Abs 1 HGB ein. Demgemäß folgt aus der bloßen Kenntnis eines Eigentumsvorbehalts noch nicht, dass der Erwerber die Verfügungsermächtigung nicht ohne einer ihm anzulastende grobe Fahrlässigkeit annehmen durfte. Erwarb dagegen der Verkäufer die Ware erkennbar nicht zum Zwecke der Weiterveräußerung, sondern für seinen eigenen Bedarf als Letztabnehmer - etwa als Anlagegut -, so besteht für den Lieferanten keine Veranlassung, dem Käufer die Ermächtigung zur Weiterveräußerung zu erteilen (JBl 1993, 183; SZ 60/120). Dann sind die eingangs erläuterten allgemeinen Grundsätze maßgebend.

2. Im Anlassfall befasste sich die Dritte im Rahmen ihres ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs nicht mit dem Erwerb und der Weiterveräußerung von Computeranlagen zur Bearbeitung von Filmen. Das Kaufobjekt war vielmehr betriebliches Anlagegut, das als solches - auch gebraucht - üblicherweise unter Eigentumsvorbehalt veräußert wird. Der Beklagte bezeichnet letztere Tatsache zwar als unrichtig, nicht gerügt wurde jedoch, dass das Berufungsgericht zu dieser Annahme aufgrund eines mangelhaften Verfahrens gelangt wäre. Der Oberste Gerichtshof hat daher der Nachprüfung des angefochtenen Urteils auch diese Tatsache zugrunde zu legen. Im Übrigen steht fest, dass der Beklagte, der die Computeranlage ebenso als Betriebsanlage erwarb, die Dritte nicht einmal fragte, ob sie Eigentümerin des Kaufobjekts sei. Er forderte sie daher auch nicht auf, ihr Eigentum durch Urkunden (Rechnungen, Zahlungsbelege) nachzuweisen. Soweit die Vorinstanzen dem Beklagten angesichts solcher Tatsachen iVm allen weiteren Begleitumstände auf dem Boden der unter 1. referierten Rechtslage vorwarfen, er habe die Erkundung des mangelnden Eigentumsrechts der Dritten am Kaufobjekt grob fahrlässig unterlassen, so ist darin zumindest keine gravierende Fehlbeurteilung als Voraussetzung für die Zulässigkeit der ordentlichen Revision zu erblicken. Handelte aber der Beklagte schon beim ersten Erwerb grob fahrlässig, so kann für den zweiten Erwerb als Meistbietender im Zwangsversteigerungsverfahren nichts anderes gelten, hatte doch der Verdacht, dass die Verpflichtete nicht Eigentümerin des Versteigerungsobjektes sei, nach der Auflösung deren Geschäfts und angesichts der jetzt zusätzlich bekannten Tatsache einer größeren Zahl andrängender Gläubiger an Aktualität nichts eingebüßt.

3. Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden. Nach den voranstehenden Erwägungen hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO ab. Die Revision ist somit zurückzuweisen. Der Oberste Gerichtshof kann sich dabei gemäß § 510 Abs 3 ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die klagende Partei wies auf die Unzulässigkeit der Revision hin. Ihr sind deshalb die Kosten der Revisionsbeantwortung als Maßnahme einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung zuzuerkennen.

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