Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 23.512,51 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 3.918,76 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Widerruf der Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied der beiden beklagten Aktiengesellschaften am 21.April 1994. Zu diesem Zeitpunkt hielt der Konsum Österreich reg.Genossenschaft mbH (im folgenden „Konsum“) 99,9997 % der Aktien der erstbeklagten Partei und 19,9984 % der Aktien der zweitbeklagten Partei, 80 % der Aktien der zweitbeklagten Partei waren im Besitz der erstbeklagten Partei; die restlichen Aktien der beklagten Parteien besaß ein Revisionsverband. Aufgrund dieser Eigentümerstruktur bestanden eigenwirtschaftliche Verflechtungen zwischen den beklagten Parteien und dem „Konsum“. Die Eröffnung des Ausgleichs über das Vermögen des „Konsums“ hatte daher gravierende Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Fortbestand zumindest der erstbeklagten Partei. Die beklagten Parteien befinden sich bereits seit 1983 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten („schreiben seit diesem Jahr Verluste“); der Verlust im Jahre 1983 (etwa 30 Mio S) war der geringste Jahresverlust; seitdem erhöhten sich die jährlichen Verluste bis zuletzt ständig.
Beide beklagten Parteien haben einen mehrgliedrigen Vorstand. Der Kläger wurde von den Aufsichtsräten der beklagten Parteien je mit Beschluß vom 2.Juni 1993 jeweils einstimmig mit sofortiger Wirkung bis 19.Dezember 1996 zum Vorstandsmitglied bestellt. Nach der jeweils am selben Tag beschlossenen Ressortverteilung war der Kläger für Finanz- und Rechnungswesen, EDV, Logistik, Bauwesen, Rechtswesen und „Expansion“ zuständig.
Auf der Tagesordnung der außerordentlichen Hauptversammlungen der beklagten Parteien vom 21.April 1995 standen Ergänzungswahlen in den Aufsichtsrat. An den außerordentlichen Hauptversammlungen nahmen Dipl.Ing.Hans Georg T***** als neuer Vorstandvorsitzender des im Ausgleich befindlichen „Konsum“ und neuer Aufsichtsratsvorsitzender der beklagten Parteien (im folgenden nur Aufsichtsratsvorsitzender) und Dkfm.Manfred L***** als rechtsgeschäftlicher Vertreter der drei Aktionäre teil. Letzterer beantragte, die Tagesordnung wie folgt festzulegen: 1. Ergänzungswahlen in den Aufsichtsrat, 2. Anzeige des Vorstands gemäß § 83 AktG. In den beiden zeitlich hintereinander stattfindenden Hauptversammlungen hatte der Kläger gemäß § 83 AktG den Aktionären zur Kenntnis zu bringen, daß laut vorläufigem Jahresabschluß zum 31.Dezember 1994 ein Verlust bestehe, der höher sei als das halbe Grundkapital. Die Begründung für die nunmehrige Mitteilung liege in den Ausgleichsfolgen des „Konsum“. So habe die bestehende Bemessungsvereinbarung um rund 392 Mio S berichtigt werden müssen. Nach dieser Anzeige in den beiden Hauptversammlungen erklärte der Aktionärsvertreter jeweils, daß die Hauptversammlung den beiden Vorstandsmitgliedern und damit auch dem Kläger wegen „nachhaltiger Erfolglosigkeit“ das Vertrauen entziehe. In den beiden daran anschließenden Aufsichtsratssitzungen der beklagten Parteien beschlossen deren Aufsichtsräte - ua - jeweils einstimmig die auf das vorangegangene Mißtrauensvotum der Aktionäre gestützte Abberufung des Klägers als Vorstandsmitglied der beklagten Parteien. Der Aufsichtsratsvorsitzende teilte dies dem Kläger unmittelbar nach den Aufsichtsratssitzungen mündlich und mit Schreiben vom 28.April 1995, dem Kläger zugestellt am 2.Mai 1995, und vom 19.Mai 1995 mit; dem letztgenannten Schreiben lagen auf schriftlichem Weg eingeholte einstimmige Beschlüsse der Aufsichtsräte der beiden beklagten Parteien zugrunde, die sich ebenfalls (nur) auf das Mißtrauensvotum der Hauptversammlungen beider Aktiengesellschaften vom 21.April 1995 stützten. Der Abberufung des Klägers gingen keine entsprechenden Gespräche mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden voraus.
Der Kläger begehrte, den am 21.April 1995 mündlich erklärten und mit Schreiben vom 28.April 1995 und 19.Mai 1995 wiederholten Widerruf seiner Bestellung zum Vorstandsmitglied der beklagten Parteien für rechtsunwirksam zu erklären. Dazu brachte er im wesentlichen vor, ein wichtiger Grund zum Widerruf sei nicht vorgelegen, der Vertrauensentzug sei aus offenbar unsachlichen Gründen erfolgt. Die Probleme der G*****-Gruppe resultierten nicht aus dem in seinen Verantwortungsbereich fallenden Finanz- oder Rechnungswesen, sondern ausschließlich aus der katastrophalen Umsatz- und Ertragssituation. Es habe keine Meinungsverschiedenheiten über die Art der Geschäftsführung gegeben.
Die beklagten Parteien wendeten, soweit hier relevant, ein, den Kläger treffe dafür der Beweis, daß der Vertrauensentzug aus offenbar unsachlichen Gründen erfolgt sei. Den Protokollen der Aufsichtsratssitzungen der erstbeklagten Partei für den Zeitraum vom Oktober 1993 bis Feber 1995 sei eine Reihe von im einzelnen ausgeführten Meinungsverschiedenheiten zu entnehmen, die die Tatsachenwidrigkeit der Behauptung des Klägers, er sei ein unumstrittenes und erfolgreich agierendes Vorstandsmitglied gewesen, erkennen lasse. Es sei auf die Tatsache der Erfolglosigkeit des früheren Vorstands in seiner Gesamtheit abzustellen, weswegen in Verbindung mit der Insolvenz des „Konsum“ aufgrund der eigenen jahrelangen Managementfehler der G*****-Gruppe das Mißtrauensvotum sachlich gerechtfertigt gewesen sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und traf noch folgende Feststellungen:
Der Kläger sei seit 1.September 1986 beim „Konsum“ beschäftigt gewesen, ab 19.Dezember 1991 Geschäftsführer eines „Tochterunternehmens“ der G*****-Gruppe geworden und in der Folge bei den beklagten Parteien sowie weiteren Tochtergesellschaften mit der Prokura betraut worden. Er sei Anfang Juni 1993 zum Vorstandsmitglied der beklagten Parteien bestellt worden, habe aber von Anfang an klar gemacht, daß er kein Warenfachmann sei. Aufgabe des Klägers als Vorstandsmitglied sei es gewesen, gemeinsam mit einem von ihm rekrutierten Team von Fachleuten die finanzielle Situation zu durchleuchten, die Strategie für eine Sanierung festzulegen und diese so vorzubereiten, daß sie rasch umgesetzt werden konnte. Zu diesem Zeitpunkt lediglich eine Studie vorgelegen, die eine reine Warenstrategie zum Inhalt gehabt, jedoch keine Sanierungsgrundlage für die beklagten Parteien gebildet habe. Tatsächlich habe sich gezeigt, daß das Hauptproblem der beklagten Parteien im Warengeschäft, in der Warenpräsentation und in der Warenwerbung sowie im Layout gelegen sei; diese Aufgaben seien nicht in den Zuständigkeitsbereich des Klägers gefallen. Hauptaufgabe des Klägers sei es gewesen, das Finanz- und Rechnungswesen durch die Bestellung eines näher bezeichneten Prokuristen in Ordnung zu bringen sowie die „Finanzierung“ der beklagten Parteien sicherzustellen. Bei Beginn der Vorstandstätigkeit des Klägers seien die beklagten Parteien in ungeregelter, das heißt „blinder“ Überziehung gestanden. Die beklagten Parteien hätten daher zuerst „festes Zahlenmaterial“ benötigt, was zur Rekrutierung des Prokuristen geführt und so gut funktioniert habe, daß die Überziehung 1994 erstmals auf Basis eines „gefestigten Zahlenmaterials“ und aufgrund eines eingeräumten Konsortial-Zusatzkredits habe erfolgen können; ohne diesen Kredit wären die beklagten Parteien Ende 1994/Anfang 1995 illiquid gewesen. Weiters sei der Kläger bestrebt gewesen, die Unternehmen der beklagten Parteien zu sanieren, was jedoch nur über eine Entlastung des Finanzergebnisses, der Ausschaltung von Verlustquellen, der Schließung von Betriebsstätten und der Veräußerung von Grundstücken möglich gewesen wäre. Für die zuletzt genannten - der Genehmigung durch den Aufsichtsrat bedürftigen - Vorhaben sei jedoch keine Zustimmung vorgelegen. So sei auch ein bereits vom Kläger und dem Prokuristen „verhandeltes Veräußerungsprojekt“ zu Fall gekommen. Letztlich seien die Aktionäre und der Aufsichtsrat nur an einer Veräußerung der gesamten G*****-Gruppe interessiert gewesen. Sei vom damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden (und Vorstandsvorsitzenden des „Konsum“) am Vorstand der beklagten Parteien Kritik erhoben worden, „so wurde diese Kritik aufgrund der Gesamtverantwortlichkeit des Vorstands vorgetragen“. Der damalige Aufsichtsratsvorsitzende habe sie jedoch so geäußert, daß die einzelnen Vorstandsmitglieder genau gewußt hätten, auf wen die Kritik gemünzt gewesen sei. Dabei sei mit Ausnahme eines einzigen Falls, der zwischen dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden und dem Kläger auch „besprochen und ausgeräumt“ worden sei, an der Tätigkeit des Klägers als Vorstandsmitglied keine Kritik geübt worden.
Im Anschluß an die beiden Aufsichtsratssitzungen vom 21.April 1995 habe der Aufsichtsratsvorsitzende dem Kläger in einem Vieraugengespräch erklärt, es sei eine große Leistung gewesen, daß „im Rahmen von 25 bis 27“ in die Insolvenz geschlitterten „Konsum“-Unternehmen „die G*****-Gruppe trotz schwierigster Bedingungen habe herausgehalten werden können“, und ferner noch, die Abberufung des Klägers sei nur darauf zurückzuführen, daß er Mitglied des „Teams 1“, des erweiterten Vorstands des „Konsum Österreich“ gewesen sei, in dem neben den drei „Konsum“-Vorstandsmitgliedern fünf weitere Personen, darunter der Kläger ausschließlich in seiner Funktion als G*****-Vorstandmitglied, ständig vertreten gewesen seien.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht im wesentlichen die Auffassung, im Anfechtungsprozeß seien nur die Abberufungsgründe zu berücksichtigen, von denen der Aufsichtsrat bei seinem Widerrufsbeschluß ausgegangen sei. Der Aufsichtsrat habe es unterlassen, die Entschließung der Hauptversammlung, also die sachlichen Gründe der Abberufung des Klägers, zu überprüfen. Dem Kläger sei der Nachweis gelungen, daß ihm das Vertrauen offenbar aus unsachlichen Gründen entzogen worden sei, weil ihm anhaltende Erfolglosigkeit nicht vorgeworfen werden könne. Es habe nicht festgestellt werden können, daß den beklagten Parteien durch das Verhalten des Klägers während seiner Zeit als Vorstandsmitglied ein Nachteil erwachsen sei oder ihnen der Kläger Schaden zugefügt habe. Vielmehr sei es dem Kläger gelungen, durch seine Tätigkeit die beklagten Parteien trotz der „Konsum“-Insolvenz, die sich negativ auf die beklagten Parteien ausgewirkt habe, wirtschaftlich am Leben zu erhalten.
Das Berufungsgericht wies in Abänderung des Ersturteils das Klagebegehren schon aus rechtlichen Erwägungen ab. Einerseits sei die Abberufung des Klägers wegen Vertrauensverlusts der Hauptversammlung(en) nicht aus offenbar unsachlichen Gründen erfolgt, andererseits sei dem Kläger eine (wenn auch nach den Feststellungen des Erstgerichts möglicherweise unverschuldete) nachhaltige Erfolglosigkeit bei der Sanierung der G*****-Gruppe vorzuwerfen. Denn die jährlichen Verluste hätten sich bis zuletzt stetig erhöht. Die Verantwortlichkeit des Klägers erstrecke sich nicht nur auf den Bereich des Finanz- und Rechnungswesens, sondern auf die Sanierung der Gruppe in ihrer Gesamtheit. Die Gründe der Erfolglosigkeit des Klägers in der Sanierung - Verringerung der Verluste - seien aber für das Mißtrauensvotum der Anteilseigner unmaßgeblich. Es komme auf dem Kläger ad personam anzulastende Gründe nicht an. Er habe anläßlich seiner Bestellung zum Vorstandsmitglied (aufgrund seiner Tätigkeit in der „Konsum“-Gruppe seit 1986) die angespannte finanzielle Situation der G*****-Gruppe gekannt und eine Strategie für eine Sanierung festlegen und diese so vorbereiten sollen, daß sie rasch umgesetzt werden könne. Möge ihm das auch angesichts der Haltung des Aufsichtsrats nicht gelungen sein, so bleibe er dennoch für die Nichtverwirklichung der geforderten Sanierung verantwortlich, auch wenn der Aufsichtsrat mitverantwortlich gewesen sein könnte, was letztlich auch zu dessen Abberufung geführt habe. Der neu bestellte Aufsichtsrat habe daher einen wichtigen, nicht offenbar unsachlichen Grund gehabt. Bei Abwägung der Interessen nach Bestellung des neuen Aufsichtsratsvorsitzenden sei den Gesellschaften die Fortsetzung des Organverhältnisses mit dem Kläger nicht mehr zumutbar gewesen. Es müsse den Eigentümern bei Verlust des Vertrauens in die Fähigkeit des Klägers, die Sanierung durchzuführen, die Möglichkeit gegeben sein, ein Mißtrauensvotum abzugeben. Der Kläger sei angetreten, eine Sanierung durchzuführen, und daran bis zu seiner Abberufung gescheitert. Er habe auch nicht bewiesen, daß er nach dem Scheitern der von ihm unternommenen Sanierungsversuche noch Pläne gehabt habe, um die erforderliche Sanierung zu erreichen. In den Bemühungen, die G***** durch die Gewährung eines weiteren Kredits vor der Insolvenz zu bewahren, könne keine „Sanierung“ des Unternehmens gesehen werden. Es seien daher die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über die Bemühungen des Klägers nicht geeignet, darzulegen, welche Sanierung der Kläger erreicht haben solle. Er habe daher im Rahmen seiner Gesamtverantwortlichkeit auch das Scheitern seiner Bemühungen zu verantworten; ihm seien entsprechende Bezüge zugebilligt worden, sodaß er auch daran „sein Ausmaß an Bemühungen messen lassen“ müsse, und sei daher nach dem Grundsatz „mitgefangen-mitgehangen“ dafür mitverantwortlich, daß es während seiner Vorstandstätigkeit zu keiner raschen Sanierung der G*****-Gruppe gekommen sei. Das sei unter dem ihm vom Aufsichtsrat mitgeteilten Grund der „nachhaltigen Erfolglosigkeit“ zu verstehen. Bei der Beurteilung der für eine solche „Nachhaltigkeit“ erforderlichen Zeitdauer dürfe die Lage - verzweifelte Notsituation kurz vor einem drohenden Insolvenzverfahren - nicht außer acht gelassen werden. Auch in § 16 Abs 2 GmbHG finde sich die Möglichkeit der Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers aus „wichtigem Grund“. Die Rspr verstehe unter wichtigen Gründen auch alle bedeutsamen Umstände, die der Gesellschaft mbH die Beibehaltung des Geschäftsführers unzumutbar machen. Insoweit sei dies mit dem in § 75 AktG genannten Voraussetzungen vergleichbar, weil in beiden Fällen vermieden werden solle, das Vermögen der Gesellschafter durch eine Person zu vermindern, die aus nachvollziehbaren, wenn auch nicht notwendig zu teilenden Erwägungen nicht mehr deren Vertrauen genieße. Auf die persönliche Eignung des Klägers als Finanzmanager komme es demnach hier gar nicht an.
Rechtliche Beurteilung
Die von der zweiten Instanz zugelassene Revision der klagenden Partei ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.
Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof prüfte, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Gemäß § 75 Abs 1 erster Satz AktG bestellt der Aufsichtsrat Vorstandsmitglieder auf höchstens fünf Jahre. Nach Abs 4 - für den deutschen Rechtsbereich inhaltlich gleichlautend § 84 Abs 3 dAktG - kann der Aufsichtsrat die Bestellung zum Vorstandsmitglied widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher Grund ist namentlich grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder Entziehung des Vertrauens durch die Hauptversammlung, es sei denn, daß das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden ist. Was ein wichtiger Grund iSd Gesetzes ist, wird im Aktiengesetz somit an Hand von drei Tatbeständen, die (arg. „namentlich“) als Beispiele zur Erläuterung der Generalklausel des „wichtigen Grundes“ zu verstehen sind, klargestellt. Der Katalog der Abberufungsgründe in § 75 AktG ist somit nur demonstrativ (6 Ob 517/95 = SZ 68/98 = EvBl 1995/182 = RdW 1995, 342 = WBl 1995, 423 = ecolex 1995, 725 [Elsner] = GesRZ 1996, 112 mit dem Schwergewicht auf der Unzulässigkeit des „Nachschiebens“ von Abberufungsgründen; Strasser in Schiemer/Jabornegg/Strasser, AktG3 §§ 75, 76 Rz 40; Mertens in Kölner KommAktG2, § 84 Rz 103; Hefermehl in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, § 84 AktG Rz 69; vgl die Beispielskataloge wichtiger Gründe bei Hefermehl aaO Rz 70, Hüffer, Aktiengesetz2, § 84 AktG Rz 28, und Meyer-Landrut, GroßkommAktG3, § 84 Anm 32, je mwN). Daß Vorstandsmitglieder, die ihre Obliegenheiten gröblich mißachten oder wegen Unfähigkeit zur Geschäftsführung nicht erfüllen können, für die Gesellschaft untragbar sind, hätte das Gesetz nicht besonders hervorheben müssen (Schiemer, Handkommentar zum AktG2 § 75 Anm 7.2). Anläßlich der Austrifizierung des deutschen Aktiengesetzes 1937 wurden die namentlich bezeichneten Abberufungsgründe um die - hier allein relevante - Entziehung des Vertrauens durch die Hauptversammlung erweitert. In der amtlichen Begründung hieß es dazu, daß der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung „selbstverständlich stets ein wichtiger Grund“ sei. Die Rspr des BGH lehnte sich daran an, schloß jedoch völlig unsachliche Gründe aus (BGHZ 13, 188 ff = NJW 1954, 998; Meyer-Landrut aaO Anm 33 mwN aus der Rspr des BGH). Das deutsche Aktiengesetz 1965 hat diese Rspr übernommen.
Der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung muß nicht mit konkreten Umständen begründet sein; für die Wirksamkeit des Widerrufs aus dem Grunde des Vertrauensentzugs reicht es aus, daß die Hauptversammlung dies beschließt und damit dokumentiert, das Vertrauen zu dem Vorstandsmitglied verloren zu haben (Schiemer aaO Anm 7.2; Strasser, Die Ernennung [der Widerruf der Ernennung] eines Vorsitzenden des Vorstandes nach Aktienrecht und Arbeitsverfassungsrecht in FS-Schwind [1978] 311 ff, 312 f und in AktG3 §§ 75, 75 Rz 42; Kastner/Doralt/Novotny, Gesellschaftsrecht5 226; Mertens aaO Rz 105). Erst in einem allfälligen Rechtsstreit muß die beklagte Gesellschaft die konkreten Gründe für den Vertrauensverlust offenlegen (Strasser aaO und in AktG3 §§ 75, 76 Rz 48), damit nachprüfbar bleibt, ob der Entscheidung der Hauptversammlung über das Mißtrauensvotum vertretbare, jedenfalls nicht offenbar unsachliche Gesichtspunkte zugrunde lagen (vgl Mertens aaO Rz 105).
Der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung bewirkt aber nicht schon eo ipso die Abberufung des Vorstandsmitglieds durch den Aufsichtsrat; vielmehr steht es im verantwortlichen Ermessen des Aufsichtsrats, darauf die Abberufung auszusprechen (SZ 68/98; Schiemer aaO Anm 7.2; Strasser aaO 312 und AktG3 §§ 75, 76 Rz 43; Mertens aaO Rz 107; Hefermehl aaO Rz 73). Widerruft der Aufsichtsrat auf Grund des Beschlusses der Hauptversammlung die Ernennung, so liegt dessen rechtliche Begründung im Hauptversammlungsbeschluß; der Aufsichtsrat selbst muß außer dem Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung keine besonderen Gründe, namentlich keine zusätzliche Begründung für den Widerruf besitzen oder angeben (Schiemer aaO Anm 7.2; Strasser aaO 312; Mertens aaO Rz 105; Hüffer aaO Rz 29). In der Regel wird der Aufsichtsrat dem Willen der Aktionäre zu entsprechen haben, sofern sich diese nicht erkennbar von völlig sachfremden Erwägungen bestimmen ließen (BGHZ 13, 188).
Der vom Aufsichtsrat (gültig) beschlossene Widerruf zum Vorstandsmitglied führt ohne Rücksicht auf dessen Berechtigung zum Funktionsverlust, der bereits mit der Verständigung des betroffenen Funktionärs von dieser Entscheidung eintritt (vgl 9 ObA 254/88; RIS-Justiz RS0049407; Schiemer aaO Anm 9.1; Strasser aaO 312 mwN in FN 7; Hefermehl aaO Rz 74; Mertens aaO Rz 96 f; Hüffer aaO § 84 Rz 25, 31), ist doch die Abberufung aus dem Vorstand ebenso wie die Bestellung zum Vorstandsmitglied ein einseitiger körperschaftsrechtlicher Akt, der nicht von der Annahme durch die betroffene Person abhängig ist (9 ObA 254/88; RIS-Justiz RS0049381; Strasser in AktG3 §§ 75, 76 Rz 47).
Dem abberufenen Vorstandsmitglied bleibt es dann überlassen, den Widerruf seiner Bestellung mit rechtsgestaltender Anfechtungsklage zu bekämpfen. Ziel der Klage ist es, die Abberufung und den damit verbundenen Funktionsverlust rückwirkend zu beseitigen. Das einem solchen Rechtsgestaltungsbegehren stattgebende Urteil wirkt ex tunc. Mit Eintritt der Rechtskraft eines solchen Urteils erlangt der Kläger mit als ununterbrochen geltender Amtszeit wieder die Position, die er im Zeitpunkt seiner Abberufung hatte (Schiemer aaO Anm 9.2; Mertens aaO Rz 116, 123; Hefermehl aaO Rz 77; Krejci, Zur Entmachtung des Vorstandsmitgliedes einer Aktiengesellschaft in FS Wagner [1987] 249 ff, 250, 256; vgl auch Fasching, Lehrbuch2 Rz 1111, 1113). Nach Ablauf der Amtsperiode ist Gegenstand der Klage zwar nur noch die Feststellung, die Abberufung sei nicht rechtmäßig gewesen (Mertens aaO Rz 116), doch muß dieser Fall hier nicht untersucht werden, weil der Schluß der mündlichen erster Instanz vor Ablauf der Funktionsperiode lag.
Der Erfolg der Anfechtungsklage hängt von dem der klagenden Partei obliegenden Beweis (arg „...es sei denn ...“ in § 75 Abs 4 zweiter Satz AktG) ab, daß für die Abberufung kein wichtiger Grund vorliegt (Schiemer aaO Anm 9.2; Strasser aaO 312 f; Kastner/Doralt/Novotny aaO; Runggaldier/G.Schima, Die Rechtsstellung von Führungskräften [1991] 176 f; Säcker in Festschrift G.Müller [1981] 748). Die Tatsache, daß das Gericht einen solchen sachlichen Grund für das Mißtrauensvotum nicht feststellen kann, ersetzt nicht die vom Kläger zu beweisende notwendige Feststellung eines offenbar unsachlichen Grundes für das Mißtrauensvotum (BGH in DB 1975, 1548 = AG 1975, 242). Ob die Abberufung begründet ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (Schiemer aaO Anm 7.2; Hefermehl aaO Rz 69). Dabei gibt das Interesse der Gesellschaft an einer den Grundsätzen des § 70 Abs 1 AktG entsprechenden Unternehmensleitung in erster Linie den Ausschlag. Daß der Vorstand an seinem Erfolg, somit an der Erzielung von Gewinn und der für den Anleger maßgeblichen Rentabilität von dessen eingesetztem Kapital gemessen wird, entspricht der herrschenden Wirtschaftsform und dem Wesen der Aktiengesellschaft. Der Widerrufsgrund des Vertrauensverlusts zeigt die Rücksichtnahme des Gesetzes auf den Umstand, daß der Vorstand einer Aktiengesellschaft fremdes Vermögen verwaltet und daß es sich um Fremd- bzw Drittorganschaft handelt (Strasser in AktG3 §§ 75, 76 Rz 42). Die Begründung für diesen Abberufungsgrund ist, daß die eigenverantwortliche Stellung eines Vorstandsmitglieds eben nur solange ihre Berechtigung hat, als sie vom Vertrauen der Hauptversammlung getragen ist (Hefermehl aaO Rz 72). Der wichtige Grund des Vertrauensentzugs durch die Hauptversammlung muß nicht auf einem schuldhaften Verhalten des Vorstandsmitglieds beruhen (Schiemer aaO Anm 7.2; Strasser aaO 312; Hefermehl aaO Rz 69).
Der Anfechtungsklage des Vorstandsmitglieds kann nur dann Erfolg beschieden sein, wenn festgestellt wird, daß für die Hauptversammlung bei deren Beschlußfassung über den Vertrauensentzug Gründe maßgebend waren, die „offenbar“, somit, ohne daß dies einer näheren Untersuchung bedürfte, unsachlich waren. Der Ausdruck „offenbar“ bedeutet dabei soviel wie „offensichtlich“, sodaß die Unsachlichkeit der Gründe für jeden verständigen Dritten einsichtig sein muß, und ist nicht, wie die Revisionsschrift vermeint, faktisch wegzuinterpretieren. Unsachlich ist der Vertrauensentzug dann, wenn er nur ein Vorwand für die willkürliche Zurücksetzung des Vorstandsmitglieds ist, dessen Geschäftsführung so geartet ist, daß die Hauptversammlung ihr Vertrauen zu ihm in Wahrheit gar nicht verloren haben konnte, oder wenn der Vertrauensentzug nur zum Vorwand der Abberufung dient oder willkürlich, haltlos oder wegen der damit verfolgten Zwecke sittenwidrig oder sonstwie, etwa wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben, rechtswidrig ist (DB 1975, 1549; Strasser aaO 312 f; Meyer-Landrut aaO Anm 34 mwN; Godin/Wilhelmi, AktG3 § 84 dAktG Anm 12). Unanfechtbar ist demnach auch ein Vertrauensentzug, der seiner sachlichen Berechtigung nach zweifelhaft ist; er darf nur nicht willkürlich sein (Mertens aaO Rz 105 mwN aus der Rspr des BGH). Als solcher unsachlicher Grund wurden etwa der Umstand angesehen, daß sich das Vorstandsmitglied dem die Belange der Gesellschaft schädigenden Verhalten eines Großaktionärs widersetzte (BGHZ 13, 188; Hefermehl aaO Rz 73), daß es rechtswidrigen Weisungen der Hauptversammlung keine Folge leistete (Mertens aaO Rz 105) oder daß das Mißtrauensvotum auf Gründe gestützt wird, in deren Kenntnis dem Vorstand zuvor die Entlastung erteilt wurde (Mertens aaO Rz 105). Für den Vertrauensentzug ist aber nicht erforderlich, daß begründete Zweifel an der ordnungsgemäßen Geschäftsführung bestehen (Hefermehl aaO Rz 73 unter Hinweis auf die Rspr des BGH). Er ist auch nicht unsachlich, wenn das abberufene Vorstandsmitglied bei Meinungsverschiedenheiten über wesentliche Unternehmensentscheidungen sogar objektiv im Recht sein mag (Hüffer aaO Rz 29 unter Hinweis auf BGH NJW 1975, 1657 uwN).
Legt man diese Maßstäbe auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt an, so zeigt sich, daß die Abberufung des Klägers nicht als offenbar unsachlich beurteilt werden kann. Im vorliegenden Fall hat die Hauptversammlung zwei Vorstandsmitgliedern, darunter dem Kläger, wegen „nachhaltiger Erfolglosigkeit“ das Vertrauen entzogen, nachdem dieser in der außerordentlichen Hauptversammlung vom 21.April 1994 die Aktionäre davon in Kenntnis gesetzt hatte, daß die Schulden das halbe Grundkapital überstiegen. Nach den Bekundungen des Aktionärsvertreters und des Aufsichtsratsvorsitzenden (und Vorstandsvorsitzenden der Hauptaktionärinnen) war dies indes nicht der Grund für den Vertrauenswiderruf. Mit dem Anwurf der „nachhaltigen Erfolglosigkeit“ machte es die Hauptversammlung dem Kläger in nachvollziehbarer Weise zum Vorwurf, es sei ihm nicht gelungen, die finanziellen Verhältnisse der beiden Unternehmen nachhaltig zu verbessern. Zu Recht hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang angenommen, der Kläger sei an der ihm übertragenen Aufgabe, das Unternehmen zu sanieren, gescheitert, haben sich doch die jährlichen Verluste der beklagten Parteien seit zumindest 12 Jahren ständig erhöht. Die Umstände, auf die der Kläger verweist, machen bei dieser Sachlage den Widerruf der Vorstandbestellung nicht offenkundig unsachlich. Die Aufnahme eines Konsortialkredits brachte noch keineswegs eine Verminderung des Schuldenstands der beiden Gesellschaften mit sich. Auf die Aussage des Aufsichtratsvorsitzenden, die Gläubigerbank habe an der Kreditgewährung ein massives Eigeninteresse gehabt, da sie eine (sofortige) Insolvenz vermeiden wollte, weil ihre Pfänder erst im nächsten Jahr anfechtungsfest geworden wären, kommt es dabei nicht mehr an. Auch der vom Kläger ins Treffen geführte Umstand, er sei „mehr an die Zahlen herangekommen“, kann bestenfalls als Teilerfolg gewertet werden, abgesehen davon, daß der Vorwurf der „nachhaltigen Erfolglosigkeit“ an der Tätigkeit des Klägers als Mitglied eines mehrgliedrigen Vorstands und nicht etwa an jener als Buchhalter zu messen ist. Der Kläger hätte konkret behaupten und beweisen müssen, daß seine Abberufung ungeachtet des auch in seiner Funktionsperiode weiter angestiegenen Schuldenstands der beiden Gesellschaften nur ein Vorwand gewesen wäre, wobei offen bleiben muß, wofür dieser Vorwand gedient haben sollte.
Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis werden durch den hier allein zu beurteilenden Widerruf nicht berührt, wird doch nach herrschender Auffassung zwischen der körperschafts- und der vertragsrechtlichen Beziehung des Vorstandsmitglieds zur Gesellschaft streng unterschieden SZ 48/97; 9 ObA 254/88). Deshalb kann auch nicht der in der Revision unter Hinweis auf die Entscheidung Arb 10.771 vertretenen Auffassung beigetreten werden, es sei in Analogie zu § 105 ArbVG eine Abwägung der Eigentümerinteressen mit jenen des Vorstands vorzunehmen. Ob eine solche Interessenabwägung selbst bei groben Pflichtverletzungen am Platz sei, muß im vorliegenden Fall nicht geprüft werden: Da das Gesetz ausdrücklich anordnet, daß der Widerrufsgrund des Vertrauensverlusts der Hauptversammlung nur dann zu verneinen sei, wenn er auf unsachlichen Motiven beruhe, ist insofern ein strenger Maßstab anzulegen und die Interessenabwägung - sofern sie überhaupt gerechtfertigt wäre - innerhalb dieser (eng gesetzten) Grenzen vorzunehmen.
Der Vorstand ist ein Kollegialorgan. Für alle Geschäftsvorgänge, die trotz einer Geschäftsverteilung aus welchem Grund immer in die Gesamtzuständigkeit des Vorstands fallen, bleibt es auch bei der Gesamtverantwortung (Strasser in AktG3, § 70 Rz 42). Daß der Abbau des Schuldenstands dazu gehört, bedarf ebensowenig einer weiteren Erörterung wie die Tatsache, daß dazu eben nicht nur finanztechnische Operationen (Kreditaufnahme etc) gehören.
Auf sonstige Abberufungsgründe kommt es damit nicht mehr an, im besondern, ob dem Kläger die für die Leitung des Finanzressorts derartiger Gesellschaften erforderlichen Fähigkeiten und Qualifikationen fehlten, wie die beklagten Partei vortrugen. Demnach kann der Revision kein Erfolg beschieden sein.
Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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