OGH 6Ob517/95

OGH6Ob517/9518.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Schinko und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl B*****, vertreten durch Binder, Größwang & Co Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei B*****-Aktiengesellschaft in Österreich, ***** vertreten durch Dr.Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unwirksamkeitserklärung gemäß § 75 Abs.4 AktG (Streitwert S 500.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 17.Oktober 1994, AZ 6 R 542/94 (ON 31), womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 25.April 1994, GZ 31 Cg 66/94-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird stattgegeben.

Die Entscheidung der Vorinstanzen wird dahin abgeändert, daß dem Hauptbegehren der klagenden Partei stattgegeben wird:

"Der vom Aufsichtsrat der beklagten Partei am 15.11.1990 beschlossene Widerruf der Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied und der Ernennung zum Vorsitzenden des Vorstandes der beklagten Partei ist unwirksam."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 187.968,80 (darin S 28.854,80 Umsatzsteuer und S 14.840,-- Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist ferner schuldig, der klagenden Partei die mit S 33.375,-- (darin S 3.562,50 Umsatzsteuer und S 12.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die B*****gesellschaft und die B*****gesellschaft sind seit der Gründung der beklagten Aktiengesellschaft deren alleinige Aktionäre mit jeweils der Hälfte des Grundkapitals. Der Aufsichtsrat der Beklagten bestand aus fünf Mitgliedern, davon zwei vom Betriebsrat entsandten Mitgliedern.

Der Kläger war in der Zeit vom 1.10.1984 bis 30.9.1989 durch Beschluß des Aufsichtsrates bestelltes Vorstandsmitglied der Beklagten, seit Juni 1985 war er auch Vorsitzender des Vorstandes. Mit Beschluß des Aufsichtsrates in der Sitzung vom 16.6.1989 wurde die Funktionsperiode des Klägers verlängert. Der Kläger hatte mit der Beklagten auch einen Dienstvertrag abgeschlossen gehabt. Dieser Anstellungsvertrag wurde anläßlich der Verlängerung der Funktionsperiode des Klägers als Vorstandsvorsitzender ebenfalls, allerdings - in zeitlicher Abstimmung mit einer intern zwischen dem Aufsichtsrat und dem Käger abgesprochenen Funktionsdauer - auf zwei Jahre befristet (bis 30.9.1991), verlängert (Beil.7).

Seit 1990 wurde der Vorsitzende des Aufsichtsrates über Spannungen des Klägers mit Führungskräften der Beklagten informiert. Ein leitender Angestellter, den der Aufsichtsratsvorsitzende zur "Vorstandsreife" aufzubauen beabsichtigte, kündigte sein Dienstverhältnis zur Beklagten. Es kam zu Gesprächen zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten und dem Kläger. Dabei zeigten sich Auffassungsunterschiede über das Thema der Ausbildung von Nachwuchskräften. Im Oktober 1990 wurden Gespräche über eine einvernehmliche Beendigung der Vorstandsfunktion des Klägers geführt. Dieser strebte eine für ihn günstige Regelung seiner Ansprüche aufgrund des Anstellungsvertrages an, vor allem hinsichtlich der Abfertigung und der Pension. Bei einer Einigung sollte der Kläger in der Aufsichtsratssitzung am 15.11.1990 seinen Rücktritt anbieten. Am 14.11.1990 kam es zu einer weiteren Besprechung zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden, einem weiteren Mitglied des Aufsichtsrates und dem Kläger. Es wurde eine weitgehende Einigung erzielt und der Vertragstext über die Ansprüche des Klägers bei Auflösung seines Dienstverhältnisses schriftlich festgelegt. Zu einer Fertigung durch den Kläger kam es nicht. Dieser weigerte sich, vor Beginn der Aufsichtsratssitzung am 15.11.1990 die Vereinbarung zu fertigen, erklärte seine mangelnde Bereitschaft zu demissionieren und schlug eine Vertagung der Gespräche vor. Dazu war der Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten nicht bereit. Der Aufsichtsrat beschloß am 15.11.1990, daß das Vorstandsmandat des Klägers mit dem Schluß der Aufsichtsratssitzung beendet sei. Der Aufsichtsratsvorsitzende hatte die Mitglieder des Aufsichtsrates zuvor über seine Gespräche informiert, die er mit dem Kläger in den letzten Wochen geführt habe. Dabei seien erhebliche Auffassungsdifferenzen vor allem in Führungsfragen zutage gekommen, weshalb die Eigentümer (gemeint: die Aktionäre der Beklagten) die Zusammenarbeit mit dem Kläger beenden wollten (Beil.14; erstinstanzliche Feststellung S.11 f in ON 26).

Am 18.12.1990 fand eine außerordentliche Hauptversammlung der Beklagten statt. Die Aktionäre beschlossen einstimmig, "daß sie das Vertrauen in der Person des Vorsitzenden des Vorstandes Generaldirektor ***** verloren haben und dem in der Aufsichtsratssitzung vom 15.11.1990 beschlossenen Widerruf der Bestellung des Herrn Generaldirektor ***** zum Vorstandsmitglied ausdrücklich die Genehmigung erteilen" (Beil.11; S.12 in ON 26).

Mit der am 17.6.1991 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger, den vom Aufsichtsrat der Beklagten beschlossenen Widerruf der Bestellung des Klägers zum Vorsitzenden des Vorstandes der Beklagten für unwirksam zu erklären. Am 27.9.1991 modifizierte der Kläger dieses Begehren dahin, daß der Widerruf der Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied und seiner Ernennung zum Vorsitzenden des Vorstandes der Beklagten für unwirksam erklärt werde und stellte ferner das Eventualbegehren auf Feststellung, daß kein wichtiger Grund für einen Widerruf der Bestellung des Klägers zum Vorstand und seine Ernennung zum Vorsitzenden des Vorstands für die Zeit bis 30.9.1991 gegeben sei (ON 3).

Der Kläger sei am 16.6.1989 unbefristet, also für die Dauer von fünf Jahren, zum Vorstand wiederbestellt worden. Zur Unterfertigung des Nachtrages zum Dienstvertrag und der dort festgelegten Befristung des Dienstverhältnisses auf zwei Jahre sei es nur aufgrund vereinbarter Zusicherungen der Beklagten, die nicht eingehalten worden seien, gekommen. Es sei nie zu einer Vereinbarung mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Beklagten gekommen, wonach der Kläger in der Aufsichtsratssitzung vom 15.11.1990 als Vorstandsmitglied zurückzutreten hätte. Voraussetzung eines Rücktritts sei eine Einigung über die arbeitsrechtlichen Ansprüche des Klägers gewesen. Dazu sei es nicht gekommen. In der Aufsichtsratssitzung vom 15.11.1990 sei keine Rede von einer Entziehung des Vertrauens durch die Hauptversammlung gewesen. Die Beklagte habe erkannt, daß kein wichtiger Grund für den Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied und der Ernennung zum Vorsitzenden am 15.11.1990 vorgelegen sei. Deshalb habe sie eine außerordentliche Hauptversammlung vom 18.12.1990 "nachgeschoben". Nach dem Dienstvertrag des Klägers könne eine vorzeitige Beendigung seiner Vorstandsbestellung nur aus verschuldetem wichtigen Grund erfolgen. Bei der Aufsichtsratssitzung vom 15.11.1990 seien die Kapitalvertreter unter den Aufsichtsratsmitgliedern nicht als Aktionärsvertreter aufgetreten. Es habe keine "Quasihauptversammlung" stattfinden können. Wichtige Gründe für eine Abberufung des Klägers im Sinne des § 75 AktG seien nicht vorgelegen. Ein Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung gebe dem Aufsichtsrat das Recht zum Widerruf, er sei dazu aber nicht verpflichtet. Er müsse in eigener Verantwortung über den Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung als Widerrufsvoraussetzung entscheiden. Der Hauptversammlungsbeschluß müsse dem Aufsichtsratsbeschluß vorangehen. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Widerrufsgründe wegen Nichteinhaltung getroffener Vereinbarungen und wegen mangelnder Fähigkeiten des Klägers zur Personalführung lägen nicht vor. Der Kläger habe einen Führungsstil entfaltet, der sich aus dem ihm aufgetragenen Sanierungskonzept ergeben habe. Die Sanierungsmaßnahmen hätten auch einen personellen Umbau erfordert. In Beachtung des Unternehmensziels habe der Kläger fallweise auch unbequeme sachliche und personelle Entscheidungen treffen müssen. Aus diesen Gründen sei es auch erforderlich gewesen, sich von einem Mitarbeiter der Beklagten zu trennen. Eine Abberufung des Vorstandsvorsitzenden müsse im Interesse der Gesellschaft liegen. Eine Fortsetzung der Zusammenarbeit müsse für die Gesellschaft unzumutbar sein. Tatsächlich habe der Kläger sehr erfolgreich für die Gesellschaft gearbeitet. Sein Dienstverhältnis gelte für die Dauer der Bestellung zum Vorstand. Die Organstellung und das Dienstverhältnis des Klägers bestünden daher über die volle Amtsperiode bis 30.9.1994.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte die Abweisung der Klage und brachte im wesentlichen vor, daß der Kläger am 16.6.1989 nur auf die Dauer von zwei Jahren, also bis 30.9.1991, zum Vorstandsmitglied und Vorstandsvorsitzenden wiederbestellt worden sei. Am 12.10.1990 sei es zwischen dem damaligen Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Beklagten und dem Kläger zu einer Vereinbarung gekommen, wonach der Kläger in der Aufsichtsratssitzung vom 15.11.1990 von seinen Funktionen als Vorstandsmitglied und Vorstandsvorsitzender der Beklagten zurücktreten sollte. Erst unmittelbar vor der Sitzung habe der Kläger dem Aufsichtsratsvorsitzenden erklärt, er wolle noch ein Rechtsgutachten einholen. In der Nichteinhaltung der getroffenen Vereinbarung liege eine "Vertrauensunwürdigkeit" des Klägers. In der außerordentlichen Hauptversammlung der Aktionäre der Beklagten vom 18.12.1990 sei dem Kläger das Vertrauen der Aktionäre ausdrücklich entzogen und der vom Aufsichtsrat am 15.11.1990 beschlossene Widerruf der Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied ausdrücklich genehmigt worden. Aufgrund der gegebenen Beteiligungsverhältnisse und aufgrund des Umstandes, daß je ein Kapitalvertreter der beiden Aktionäre Mitglieder des Aufsichtsrats seien, sei eine Hauptversammlung schon dann anzunehmen, wenn die beiden Kapitalvertreter zusammenkämen. Dies sei bereits in der Aufsichtsratssitzung vom 15.11.1990 der Fall gewesen. Der Aufsichtsrat sei an diesem Tag zu Recht von einem Vertrauensverlust der Aktionäre ausgegangen. Die Gründe für den Widerruf der Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied lägen in der Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung und in der Entziehung des Vertrauens durch die Hauptversammlung. Der Kläger besitze die Fähigkeit zur Personalführung offenbar nur hinsichtlich eines Teils des Personals. Deshalb sei es zwischen den Aktionären der Beklagten, den Kapitalvertretern im Aufsichtsrat sowie dem Kläger zu offenbar unüberbrückbaren Auffassungsdivergenzen gekommen, die zu einer Personalfluktuation geführt hätten.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es beurteilte den festgestellten, im wesentlichen bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, daß gemäß § 75 Abs.4 AktG der Aufsichtsrat die Bestellung zum Vorstandsmitglied und die Ernennung zum Vorsitzenden des Vorstandes aus wichtigen Gründen widerrufen könne. Das Gesetz führe die grobe Pflichtverletzung, die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung und die Entziehung des Vertrauens durch die Hauptversammlung als Widerrufsgründe an. Nach der Formulierung des Aufsichtsratssitzungsprotokolls vom 15.11.1990 gehe es hier um zwei mögliche Widerrufsgründe, nämlich die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung und den Entzug des Vertrauens durch die Aktionäre. Die angesprochenen Auffassungsdifferenzen in Führungsfragen stellten keinen Widerrufsgrund dar. Es läge kein Abberufungsgrund vor, wenn sich die Vorstandsentscheidungen innerhalb der Grenzen vertretbarer Ermessensentscheidungen bewegten. Daß die Grenzen wirtschaftlich vertretbarer Ermessensentscheidungen überschritten worden wären, habe die Beklagte nicht einmal behauptet. Der Entzug des Vertrauens der Aktionäre müsse sich in einem Hauptversammlungsbeschluß äußern. Es müsse ein formeller Beschluß der Hauptversammlung vorliegen. Der Widerruf der Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied und Vorstandsvorsitzenden mit dem Beschluß des Aufsichtsrates vom 15.11.1990 habe gegen § 75 Abs.4 AktG verstoßen. Die Beklagte habe aber einen Hauptversammlungsbeschluß vom 18.12.1990 "nachgeschoben", womit dem Kläger das Vertrauen entzogen worden sei. Die Beklagte habe den Widerruf der Bestellung des Klägers nachträglich auch auf den Entzug des Vertrauens durch die Hauptversammlung stützen dürfen. Hingegen läge der geltend gemachte Widerrufsgrund der Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung nicht vor. "Auffassungsdifferenzen" bezüglich des Führungsstils reichten für eine Abberufung nicht aus. Allenfalls vorliegende, offenbar ständig wachsende "Reibereien" innerhalb des Vorstandes der Beklagten könnten ein Zusammenarbeiten im Vorstand gefährden und einen wichtigen Grund für die Abberufung bilden. Dieser Grund sei von der Beklagten aber nicht zur Stützung des Widerrufs der Bestellung des Klägers herangezogen worden.

Gegen die Entziehung des Vertrauens durch die Hauptversammlung hätte der Kläger ins Treffen führen und beweisen müssen, daß der Entzug des Vertrauens auf offenbar unsachlichen Gründen beruhe. Auf die wirtschaftlichen Erfolge des Klägers für die Gesellschaft komme es nicht an. Der Vertrauensentzug könne auch sachlich gerechtfertigt sein, wenn für die Gesellschaft kein finanzieller Schaden eingetreten sei. Es sei lediglich zu prüfen, ob der Vertrauensentzug auf unsachliche Gründe gestützt worden sei. Der Kläger habe nicht beweisen können, daß der Vertrauensentzug der Hauptversammlung nicht auf sachlichen Überlegungen und aufgrund ehrlicher Überzeugung der Teilnehmer beruht habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht statt. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen, erachtete diese als vollständig und beurteilte den Sachverhalt rechtlich dahin, daß die Bestimmung des § 75 Abs.4 AktG zwingender Natur sei. Ob für die Annahme eines wichtigen Grundes für eine Abberufung eines Vorstandsmitgliedes Verschulden erforderlich sei, richte sich unabhängig vom Anstellungsvertrag nach der Art des geltend gemachten Abberufungsgrundes.

Ein wichtiger Grund für die Abberufung sei dann gegeben, wenn aufgrund bestimmter Umstände der Gesellschaft die Beibehaltung des Vorstandsmitgliedes bis zum Ablauf seiner Amtszeit nicht mehr zugemutet werden könne. Die vom Aufsichtsrat herangezogenen erheblichen Auffassungsdifferenzen in Führungsfragen stellten einen wichtigen Grund im Sinne des § 75 Abs.4 AktG dar. Aus der Art, wie der Berufungswerber seine Führungsaufgaben wahrgenommen habe, hätten sich nicht nur Auseinandersetzungen mit dem Aufsichtsrat, sondern auch Spannungen mit Führungskräften und auch ein seit längerem andauernder Unfriede zwischen dem Berufungswerber und anderen Vorstandsmitgliedern ergeben. Diese Umstände hätten notgedrungen ein gedeihliches Zusammenwirken zum Wohl der Gesellschaft gefährdet. Die Beibehaltung des Klägers als Vorstandsmitglied sei der Beklagten aufgrund des tiefgreifenden Unfriedens zwischen den Vorstandsmitgliedern, des Vertrauensverlustes der Belegschaft und der Kündigung von für das Unternehmen wichtigen Mitarbeitern nicht mehr zumutbar. Ein "Nachschieben" des Abberufungsgrundes der Entziehung des Vertrauens durch die Hauptversammlung sei deswegen hier zulässig gewesen, weil an der Beklagten nur zwei Aktionäre beteiligt seien, welche jeweils ein Mitglied in den Aufsichtsrat entsandt hätten, sodaß den Mitgliedern des Aufsichtsrates anläßlich der Sitzung vom 15.11.1990 bereits bekannt gewesen sei, daß die Hauptversammlung beabsichtige, dem Berufungswerber das Vertrauen zu entziehen. Der Aufsichtsrat habe die Abberufung auch erkennbar auf diesen Grund gestützt und habe mit Rücksicht auf die Gesellschafterstruktur damit rechnen können, daß die Hauptversammlung dem Vorstand das Vertrauen entziehen werde. Da am 18.12.1990 die Funktionsperiode des Klägers noch nicht abgelaufen gewesen sei, sei der Hauptversammlungsbeschluß vom 18.12.1990 noch zu berücksichtigen gewesen. Es hätte keines weiteren Beschlusses des Aufsichtsrates bedurft. Wenn die Gründe, die den Vertrauensentzug rechtfertigten, noch vor Wirksamwerden der Abberufung gesetzt worden seien, so könne der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung den Kündigungsgründen "nachgeschoben" werden. Die Beklagte habe den Nachweis über das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Abberufung des Klägers erbracht. Der angenommene Entzug des Vertrauens durch die Hauptversammlung rechtfertige die Abberufung, es sei denn, er wäre auf offenbar unsachliche Gründe gestützt. Die Auffassungsdifferenzen in Führungsfragen zwischen Aufsichtsrat und Berufungswerber, die dadurch bedingten Auseinandersetzungen zwischen den Vorstandsmitgliedern und die Spannungen zwischen dem Berufungswerber und den Mitarbeitern rechtfertigten die Annahme einer sachlichen Berechtigung für den Entzug des Vertrauens.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige; es sprach weiter aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Zur Frage des "Nachschiebens" von Abberufungsgründen nach § 75 Abs.4 AktG fehle eine oberstgerichtliche Rechtsprechung.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß dem Klagebegehren, hilfsweise dem Eventualbegehren, stattgegeben werde; hilfsweise stellt der Kläger ferner einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, für den Fall der Bejahung der Zulässigkeit der Revision, dieser nicht stattzugeben.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht erkannten Grund zulässig. Sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Bestellung und die Abberufung des Vorstands einer Aktiengesellschaft obliegt dem Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat kann die Bestellung zum Vorstandsmitglied und die Ernennung zum Vorsitzenden des Vorstands widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher Grund ist namentlich grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder Entziehung des Vertrauens durch die Hauptversammlung, es sei denn, daß das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden ist. Der Widerruf ist wirksam, solange nicht über seine Unwirksamkeit rechtskräftig entschieden ist. Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag werden hiedurch nicht berührt (§ 75 Abs.4 AktG). Diese Rechtslage entspricht derjenigen in Deutschland (§ 84 dAktG), sodaß im Bedarfsfall auf die deutsche Lehre und Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann.

Die Aufzählung der Abberufungsgründe im Gesetz ist demonstrativ (arg.: namentlich). Es können auch andere wichtige Gründe eine Abberufung des Vorstandsmitglieds rechtfertigen, wenn sie in ihrer Gewichtigkeit den im Gesetz angeführten Fällen gleichkommen und es für die Aktiensgesellschaft nicht zumutbar wäre, das Vorstandsmitglied in seiner Funktion bis zum Ende der Funktionsperiode zu belassen (Mertens in Kölner Komm. dAktG2 Rz 103 zu § 84; Hefermehl in Geßler-Hefermehl dAktG Rz 69 zu § 84).

Bei der im Anfechtungsprozeß vorzunehmenden Prüfung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, dürfen grundsätzlich nur die Gründe berücksichtigt werden, von denen der Aufsichtsrat bei seinem Widerrufsbeschluß ausgegangen ist (Hefermehl aaO Rz 77). Der Aufsichtsrat hat die Abberufung des Klägers in der Sitzung vom 15.11.1990 auf "erhebliche Auffassungsdifferenzen vor allem in Führungsfragen" gestützt, womit nach den erstinstanzlichen Feststellungen erkennbar Auffassungsdifferenzen zwischen dem Aufsichtsrat (dessen Vorsitzenden) und dem Kläger gemeint waren. Derartige Auffassungsdifferenzen können zwar einen tauglichen Abberufungsgrund darstellen, dann nämlich, wenn die konkrete Auffassung des abzuberufenden Vorstandsmitglieds für das Wohl der Gesellschaft die falsche Auffassung, diejenige des Aufsichtsrats aber die richtige gewesen sein sollte. Nur bei einem die Interessen der Gesellschaft gefährdenden Arbeitsstil des Klägers in Führungsfragen könnte von einer Unzumutbarkeit der Belassung des Klägers in seiner Funktion gesprochen werden. Das Berufungsgericht hat das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Abberufung bejaht und dies damit begründet, daß aus der Art, wie der Berufungswerber seine Führungsaufgaben wahrgenommen habe, sich nicht nur Auseinandersetzungen mit dem Aufsichtsrat ergeben hätten, sondern auch Spannungen mit Führungskräften (ein für spätere Führungsaufgaben vorgesehener Mitarbeiter habe aus diesen Gründen das Unternehmen verlassen) wie auch ein seit längerem andauernder Unfriede zwischen dem Berufungswerber und anderen Vorstandsmitgliedern (S.13 in ON 31). Zutreffend rügt der Revisionswerber dazu, daß sich das Berufungsgericht mit der zitierten Beurteilung nicht auf erstinstanzliche Feststellungen stützen konnte. Das Erstgericht hat nämlich nur an den Vorsitzenden des Aufsichtsrats "herangetragene" Spannungen des Klägers mit anderen Führungskräften festgestellt (S.9 in ON 26), nicht aber, daß solche Spannungen tatsächlich bestanden haben, vor allem aber auch nicht, aus welchen konkreten Gründen allfällige Spannungen entstanden waren und ob diese den Interessen der beklagten Aktiengesellschaft derart abträglich waren, daß eine Belassung des Klägers in seiner Funktion unzumutbar gewesen wäre. Auch den vom Berufungsgericht angenommenen länger andauernden Unfrieden zwischen dem Kläger und anderen Vorstandsmitgliedern hat das Erstgericht nicht festgestellt. Weiters wurde zwar das Ausscheiden eines vom Aufsichtsratspräsidenten für künftige Führungsaufgaben vorgesehenen Mitarbeiters festgestellt ("Fall P*****"), nicht aber, daß dieses Ausscheiden für die Gesellschaft konkret nachteilig gewesen wäre. Hiefür wären konkrete Feststellungen über die Auffassung des Klägers zur Ausbildung von Nachwuchskräften, seine konkreten Differenzen mit dem ausgeschiedenen Angestellten, dessen berufliche Eignung sowie seine konkreten Gründe für sein Ausscheiden, zu treffen gewesen. Tatsächlich festgestellt wurden nur Auffassungsunterschiede zwischen dem Kläger und dem Aufsichtsratsvorsitzenden zur Frage der Ausbildung von Nachwuchskräften (S.10 in ON 26). Das Berufungsverfahren leidet daher an einem Verfahrensmangel, weil es ohne Beweisergänzung über den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt hinausging und der rechtlichen Beurteilung ergänzende Feststellungen zugrundelegte, somit gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstieß (§ 488 ZPO). Der Verfahrensmangel erfordert hier aber nicht eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Verfahrensergänzung durch Nachholung der für die Entscheidung relevanten Feststellungen nach Ergänzung des Beweisverfahrens, weil die Beklagte im Verfahren erster Instanz die Wirksamkeit des Aufsichtsratsbeschlusses gar nicht konkret auf den vom Berufungsgericht angenommenen Sachverhalt stützte. Die Beklagte hat neben dem noch zu behandelnden Abberufungsgrund der Entziehung des Vertrauens durch die Hauptversammlung den Abberufungsgrund der Unfähigkeit des Klägers zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung geltend gemacht und dies mit der Unfähigkeit des Klägers zur Personalführung und einer darauf zurückzuführenden Personalfluktuation begründet. Ein näheres Parteivorbringen über konkrete Sachverhalte erfolgte nicht, beispielsweise wurde nichts Konkretes über die Zahl der unter der Leitung des Klägers stehenden und ausgeschiedenen Angestellten der Beklagten, die fachliche Eignung dieser Arbeitskräfte und die Gründe ihres Ausscheidens und weiters nicht einmal ein unsachlicher Führungsstil des Klägers behauptet. Nur eine (nicht festgestellte) Personalfluktuation, die über das übliche Ausmaß bei vergleichbaren Unternehmen hinausginge und auf eine unsachliche Arbeitsweise des Vorstandsvorsitzenden zurückzuführen wäre, hätte dessen Abberufung durch den Aufsichtsrat rechtfertigen können. Da schon die Parteibehauptungen der Beklagten in diesem Punkt nicht ausreichend waren und die erstinstanzlichen Feststellungen eine Unfähigkeit des Klägers zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung wegen vorwerfbarer Mängel in der Personalführung nicht erkennen lassen, ist das Verfahren in diesem Punkt im Sinne des Standpunktes des Klägers spruchreif.

Die im Beschluß des Aufsichtsrates angeführten Auffassungsdifferenzen in Führungsfragen zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden und dem Kläger sind mangels sachlicher Grundlage in Form eines für die Gesellschaft nachteiligen Fehlverhaltens des Klägers kein tauglicher Abberufungsgrund.

Die Beklagte hat die Abberufung auch darauf gestützt, daß die Hauptversammlung der Aktionäre dem Kläger am 18.12.1990 das Vertrauen entzogen und die vom Aufsichtsrat am 15.11.1990 beschlossene Abberufung genehmigt habe. Das Berufungsgericht ist der Argumentation der Beklagten gefolgt und hat den der Aufsichtsratssitzung nachfolgenden Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung als sogenannten "nachgeschobenen" Abberufungsgrund für relevant erachtet. Dieser Rechtsansicht vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen.

Wohl hat der Vorsitzende des Aufsichtsrats nach dem Inhalt des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 15.11.1990 darüber berichtet, "daß die Eigentümer die Zusammenarbeit mit Herrn ***** beenden wollen" (wegen der Auffassungsdifferenzen in Führungsfragen). Damit wurde aber nichts anderes dokumentiert, als daß der Aufsichtsratsvorsitzende einen Beschluß der Hauptversammlung auf Entziehung des Vertrauens erwartete. Es kann die Auffassung des Berufungsgerichtes nicht geteilt werden, daß der Aufsichtsrat die Abberufung auch auf den künftigen Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung gestützt hätte. Daß der gesamte Aufsichtsrat einen solchen Hauptversammlungsbeschluß erwartete, wurde nicht festgestellt. Ein auf diesen Abberufungsgrund gestützter bedingter Aufsichtsratsbeschluß, der durch den entsprechenden Hauptversammlungsbeschluß saniert werden könnte, liegt gar nicht vor. Davon abgesehen wäre eine solche bedingte Abberufung schon deshalb unzulässig, weil der Widerruf der Bestellung sofort wirksam wird (§ 75 Abs.4 letzter Satz AktG). Auch die unbegründete Abberufung führt zur sofortigen Amtsenthebung (Mertens aaO Rz 97). Die sofortige Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses des Aufsichtsrats verbietet es, daß dieser einen aufschiebend bedingten Abberufungsbeschluß faßt. Eine auflösende Bedingung ist nicht denkbar, weil die Hauptversammlung nicht darüber Beschluß zu fassen hat, daß sie weiterhin das Vertrauen zum (wegen Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung) abberufenen Vorstandsmitglied hat. Schließlich ist auch an den Fall zu denken, daß die Hauptversammlung nach der bedingt erklärten Abberufung des Vorstands durch den Aufsichtsrat keinerlei Beschluß über die Entziehung des Vertrauens faßt, sodaß der bedingte Abberufungsbeschluß auf unabsehbare Zeit in Schwebe, aber in Wirksamkeit bliebe, ohne daß ihm der vom Gesetz geforderte Abberufungsgrund tatsächlich zugrunde liegt. Eine auf Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung gestützte Abberufung eines Vorstandsmitgliedes kann vom Aufsichtsrat nicht bedingt durch eine dem Aufsichtsratsbeschluß nachfolgende Beschlußfassung der Hauptversammlung ausgesprochen werden. Der Abberufungsbeschluß ist eine bedingungsfeindliche Willenserklärung des Aufsichtsrates aufgrund schon vorliegende Abberufungsgründe. Mit diesem Ergebnis stehen auch nicht die vom Berufungsgericht zur Stützung seiner Ansicht zitierten Lehrmeinungen im Widerspruch. Es trifft zwar zu, daß im Rechtsstreit über die Wirksamkeit eines Abberufungsbeschlusses des Aufsichtsrats auch Abberufungsgründe geltend gemacht werden können, die aus der Zeit der Innehabung der Vorstandsfunktion stammen und nach einer Abberufung zur Kenntnis des Aufsichtsrats gelangten (Strasser in Schiemer-Jabornegg-Strasser AktG3 Rz 46 zu §§ 75, 76). Die Zulässigkeit des "Nachschiebens" eines Abberufungsgrundes ergibt sich aus der rechtsgestaltenden Wirkung des klagsstattgebenden Anfechtungsurteils. Der Gesellschaft soll nicht ein Vorstandsmitglied aufgezwungen werden, das zwar grundlos abberufen wurde, bei dem aber in der Zwischenzeit ein neuer Abberufungsgrund eingetreten ist. Dieser kann im Anfechtungsprozeß aber immer nur dann gegen die Unwirksamkeit der Abberufung eingewendet werden, wenn der zuständige Aufsichtsrat einen auf die neue Tatsache gestützten Abberufungsbeschluß auch tatsächlich gefaßt hat (Strasser aaO Rz 43;

Hefermehl aaO Rz 77 und die dort zitierte Entscheidung des BGH;

Mertens aaO Rz 121). Ein entsprechender Aufsichtsratsbeschluß ist schon deshalb zu fordern, weil der Aufsichtsrat nicht verpflichtet ist, ein Vorstandsmitglied, dem die Hauptversammlung das Vertrauen entzogen hat, auch abzuberufen (Mertens aaO Rz 107 mwN). Er hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (Strasser aaO Rz 43), also die sachlichen Gründe für die Abberufung zu prüfen. Der Vertrauensentzug aus offenbar unsachlichen Gründen ist kein Abberufungsgrund (§ 75 Abs.4 2.Satz AktG). Die Hauptversammlung der Aktionäre ist zur Abberufung des Vorstands nicht berufen, demgemäß auch nicht zur Genehmigung einer vom Aufsichtsrat beschlossenen Abberufung des Vorstands. Sie konnte daher im vorliegenden Fall einen auf einen künftigen Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung gestützten Abberufungsbeschluß des Aufsichtsrates nicht sanieren. Dies hätte der Aufsichtsrat selbst durch Fassung eines Abberufungsbeschlusses nach dem Hauptversammlungsbeschluß über den Vertrauensentzug tun müssen.

Der in der Aufsichtsratssitzung vom 15.11.1990 behandelte Abberufungsgrund der Unfähigkeit des Klägers zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung (oder ein gleichwertiger wichtiger Grund) lag nicht vor. Eine Abberufung des Klägers durch den allein zuständigen Aufsichtsrat wegen Entziehung des Vertrauens durch die Hauptversammlung erfolgte nicht.

Es ist daher abschließend zu prüfen, wie sich diese Umstände auf das Klagebegehren auswirken, da sich die Verhältnisse während des Verfahrens insofern geändert haben, als die befristete Funktionsperiode des Klägers nach den erstinstanzlichen Feststellungen am 30.9.1991 endete (S.9 in ON 26). Eine Wiedereinsetzung des Klägers in seine Vorstandsfunktion konnte daher zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz nicht mehr erfolgen.

Der Widerruf der Bestellung eines Vorstandsmitglieds (seine Abberufung) ist wirksam, solange nicht über seine Unwirksamkeit rechtskräftig entschieden ist (§ 75 Abs.4 4.Satz AktG). Die auf Unwirksamerklärung der Abberufung gerichtete Klage ist zumindest dort eine Rechtsgestaltungsklage, wo eine Wiedereinsetzung in die Funktion noch in Frage kommt (Strasser aaO Rz 49). Wenn während des Rechtsstreits die Vorstandsfunktion abgelaufen ist, kommt eine Wiedereinsetzung nicht bzw. nur fiktiv in Betracht (Strasser aaO). Schon diese fiktive, nur deklarativ wirkende rückwirkende Wiedereinsetzung in die Funktion kann allenfalls die Aufrechterhaltung und Weiterverfolgung der Rechtsgestaltungsklage rechtfertigen. Der Kläger hat jedenfalls Anspruch auf rückwirkende Beseitigung des rechtswidrigen Aufsichtsratsbeschlusses, auch wenn er infolge des zwischenzeitig erfolgten Ablaufs seiner Funktionsperiode nicht wieder in seine Funktion mit Wirkung pro futuro eingesetzt werden kann.

Die Beklagte vertritt in ihrer Revisionsbeantwortung die Auffassung, daß der Kläger nach dem Ablauf der Funktionsperiode am 30.9.1991 sein auf Rechtsgestaltung gerichtetes Klagebegehren auf Kosten einschränken hätte müssen. Es liege kein Rechtsschutzinteresse vor. In seine Funktion könne der Kläger nicht wieder eingesetzt werden. Zu dieser Frage braucht hier abschließend nicht Stellung genommen werden. Es kann nämlich dahingestellt bleiben, ob die Ansicht der Beklagten zutreffend ist, oder aber ob nach Ablauf seiner Funktionsperiode der Anfechtungskläger sein Klagebegehren auf Feststellung umzustellen hat (diese Ansicht wird von einem Teil der deutschen Lehre vertreten: Hefermehl aaO Rz 78; Mertens aaO Rz 116). Schließlich könnte auch die Auffassung vertreten werden, daß im Rechtsgestaltungsbegehren auch ein Feststellungsbegehren enthalten ist (als sogenanntes minus). Auch dies ist hier nicht entscheidend, weil der Kläger ohnehin auch ein Feststellungsbegehren eventualiter erhoben hat (ON 3). Im vorliegenden Fall entscheidend ist aber, daß der Kläger mit dem Hauptbegehren und dem Eventualbegehren jedenfalls eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit des Widerrufs seiner Bestellung zum Vorstandsmitglied und zum Vorstandsvorsitzenden begehrt. Das Gesetz selbst gibt über den Charakter des Klagebegehrens keine Auskunft. Aus ihm geht auch nicht hervor, daß die Erhebung einer Rechtsgestaltungsklage nach Ablauf der Funktionsperiode des klagenden abberufenen Vorstandsmitglieds unzulässig wäre. Eine solche Unzulässigkeit könnte sich auch nur aus dem weggefallenen Rechtsschutzinteresse ergeben. Diesen Wegfall hätte der Prozeßgegner zu behaupten gehabt. Im Verfahren erster Instanz hat die Beklagte aber einen derartigen Einwand nicht erhoben. Sie beruft sich erstmals im Revisionsverfahren auf die Unmöglichkeit der Wiederbestellung des Klägers infolge Zeitablaufes seiner Funktionsperiode während des Prozesses.

Ein begründetes rechtliches Interesse an der rückwirkenden Beseitigung des rechtswidrigen Abberufungsbeschlusses des Aufsichtsrats der Beklagten vom 15.11.1990 kann dem Kläger jedenfalls nicht abgesprochen werden. Zwar werden Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag vom Widerruf der Vorstandsbestellung nicht berührt (§ 75 Abs.4 letzter Satz AktG), die Gehalts- und Pensionsansprüche des Anfechtungsklägers hängen jedoch untrennbar mit der Frage zusammen, wielange er wirksam zum Vorstandsmitglied bestellt war. Die Wirksamkeit der Abberufung ist entscheidende Vorfrage für die nach dem Anstellungsvertrag zustehenden finanziellen Ansprüche des Klägers. Sie begründen sein Interesse an einer Entscheidung des Gerichtes im Sinne des § 75 Abs.4 AktG. Einen allfälligen Wegfall des Rechtsschutzinteresses hätte die Beklagte im Verfahren erster Instanz behaupten und nachweisen müssen.

Die Entscheidung der Vorinstanzen war im Sinne einer Stattgebung des Hauptbegehrens des Klägers abzuändern.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, diejenige über die Kosten der Rechtsmittelverfahren auf §§ 41, 50 ZPO.

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