OGH 1Ob268/01w

OGH1Ob268/01w29.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Günter A*****, vertreten durch Dr. Willibald Rath, Dr. Manfred Rath, Mag. Gerhard Stingl und Mag. Georg Dieter, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Dipl. Ing. Herbert L*****, vertreten durch Dr. Barbara Jantscher, Rechtsanwältin in Feldbach, wegen Unterlassung (Streitwert 36.336,42 Euro) infolge ordentlicher Revision (Revisionsinteresse 16.149,52 Euro) und Rekurses der klagenden Partei (Rekursinteresse 8.074,76 Euro) gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 7. Juni 2001, GZ 2 R 61/01k-45, womit infolge der Berufungen beider Streitteile das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 31. Jänner 2001, GZ 12 Cg 151/98a-38, teilweise bestätigt, abgeändert und aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision und dem Rekurs wird Folge gegeben.

Das angefochtene Teilurteil und der angefochtene Beschluss werden dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird. Dieses Urteil hat daher - unter Einschluss seines mangels Anfechtung des berufungsgerichtlichen Teilurteils in diesem Umfang bereits rechtskräftigen klageabweisenden Teils - insgesamt folgendermaßen zu lauten:

"Die beklagte Partei ist schuldig, das Befahren bzw Benützen des Grundstücks 1400 (Weg) der EZ 959 Grundbuch 62137 Mühldorf zu anderen Zwecken als der Zufahrt zum Grundstück 774/1 KG Mühldorf im Rahmen einer landwirtschaftlichen Nutzung zu unterlassen.

Dagegen wird das weitere Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, das Befahren bzw Benützen des Grundstücks 1400 (Weg) der EZ 959 Grundbuch 62137 Mühldorf als Zufahrt zum Grundstück 774/1 KG Mühldorf auch im Rahmen einer landwirtschaftlichen Nutzung zu unterlassen, abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 18.032,67 Euro (darin 2.902,37 Euro Umsatzsteuer und 618,45 Euro Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu zahlen."

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 4.547,56 Euro (darin 580,97 Euro Umsatzsteuer und 1.061,75 Euro Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei ist aufgrund des Vertrags vom 14. 6. 1994 Mieterin des Grundstücks 774/1. Sie beabsichtigt, dort eine - ab 1998 errichtete - Asphaltmischanlage zu betreiben. Der Kläger erwarb aufgrund des Kaufvertrags vom 2. 1. 1995 von einer GmbH & Co KG als Verkäuferin das Eigentumsrecht an einer Liegenschaft, zu der u.a. die Grundstücke 1400 (Weg) und 767/2 gehören. Die Verkäuferin behielt sich die "Nutzungsrechte an den Grundstücken" vor. Sie und ihre Rechtsvorgängerin betrieben bzw betreiben auf dem Grundstück 767/2 seit etwa sechzig bis siebzig Jahre ein Schotterwerk. Das Rohmaterial wurde zunächst mit einer Seilbahn von einem Steinbruch direkt zur Bergstation auf dem Grundstück 764/2, das dem Grundstück 767/2 benachbart ist, befördert. Während des Zeitraums des Seilbahnbetriebs führte ein schmaler und unbefestigter Weg, der mit Fuhrwerken befahrbar war, vom Schotterwerk nach Osten zu Grundstücken, die nunmehr einer Aktiengesellschaft (AG) als Werksgelände dienen. Der Steinbruch war nur über einen Hohlweg erreichbar, der bis 1948 über das Werksgelände der Rechtsvorgängerin der GmbH & Co KG verlief. Auf deren Antrag bewilligte die Gemeinde mit Bescheid vom 3. 11. 1948 die Verlegung des Wegs rund um das Werksgelände. Die Bescheidwerberin hatte sich auch "für ... ihre Rechtsnachfolger" verpflichtet, den "um das Werk herum verlegten Weg in Hinkunft zu erhalten". Der Abschnitt rund um das Werksgelände liegt auf dem Grundstück 1379/1. Dieses gehört der Gemeinde. Da jedoch der Weg nicht (ganz) zum Steinbruch führte und für den Schwerverkehr zu schmal war, baute ihn die Rechtsvorgängerin der GmbH & Co KG im Zuge der Einstellung des Seilbahnbetriebs in den 70iger-Jahren - nach dem Erwerb einzelner Grundstücke im Wegverlauf - für den Werksverkehr aus, um das Bruchmaterial mit LKWs vom Steinbruch zum Schotterwerk transportieren zu können. Der Weg wurde "befestigt, verbreitert, geschottert und asphaltiert". Seither wird er im Volksmund "Werkstraße" genannt. Es besteht kein öffentlicher Zweck, dem dieser Weg hätte dienen sollen. Im Bereich der Zufahrt zum Werksgelände der GmbH & Co KG befanden sich schon damals Tafeln, die auf eine "Werks- bzw Privatstraße" hinwiesen. Diese Straße wurde auch "in der Öffentlichkeit immer als Privatstraße angesehen". Deshalb bemühen sich Interessenten immer wieder um die Erlaubnis des Klägers, wenn sie die Werkstraße befahren wollen. Östlich vom Werksgelände verläuft die Werkstraße sowohl auf dem Gemeindegrundstück 1379/1 als auch auf dem Grundstück 1400 des Klägers. Der vermessene Grenzverlauf zwischen diesen beiden Grundstücken ist durch Metallschlagmarken gekennzeichnet. Eine solche Metallschlagmarke findet sich auch im Bereich der beiden Zufahrten zu dem von der beklagten Partei gemieteten Grundstück. Die Fahrbahn ist dort 5,90 m breit und beansprucht zu 3,15 m das Grundstück 1379/1 und zu 2,75 m das Grundstück 1400. Im Verlauf der Werkstraße nach Osten sind weitere Metallschlagmarken angebracht. Diese markieren jeweils andere Breitenverhältnisse der beiden in Anspruch genommenen Grundstücke. Ab der Metallschlagmarke 5 verläuft die Werkstraße nur mehr auf dem Grundstück 1400. Die Kosten der Erhaltung der Werkstraße wurden bzw werden von der GmbH & Co KG und deren Rechtsvorgängerin allein getragen. Die Gemeinde traf für die Straße vom Werksgelände zum Steinbruch keine Erhaltungsmaßnahmen. Die GmbH & Co KG "pachtete" noch das Grundstück 778/2. Sie verwendet es als Deponie für Abraummaterial. Ferner errichtete sie eine Bachbrücke, über die die Bundesstraße erreicht wird. Diese Brücke ist nur für eine Last bis zu 10 t tragfähig.

Die Werkstraße wurde bereits vor ihrem Ausbau von Landwirten, die entlang ihres Verlaufs Eigentümer von Liegenschaften waren, benützt. Ehe die beklagte Partei das Grundstück 774/1 mietete, wurde es nur landwirtschaftlich genutzt. Die Miteigentümer dieses Grundstücks benützten die Werkstraße mehr als dreißig Jahre als Zufahrt.

Die beklagte Partei betrieb von Ende 1964 bis 1967 auf dem Grundstück 778/2 eine Asphaltmischanlage. Die Zufahrt erfolgte von der Bundesstraße über die Bachbrücke und einen in südlicher Richtung verlaufenden Weg. Sie bezog den für den Anlagenbetrieb erforderlichen Schotter von der Rechtsvorgängerin der GmbH & Co KG und benützte die Werkstraße wie andere Kunden für den Schottertransport. Mitarbeiter der beklagten Partei fuhren auf der Werkstraße von 1964 bis 1967 gelegentlich auch in das in der nahen Ortschaft gelegene Büro.

Auf dem nordwestlichen Teil des Grundstücks 778/2 betreibt nunmehr eine GmbH eine Asphaltmischanlage. Diese Anlage wurde 1992 errichtet. Im Zusammenhang damit wurde der über die Bachbrücke und dann auf dem Grundstück 778/2 angelegte Weg (Industriestraße) weiter nach Osten verlegt, verbreitert, asphaltiert und begradigt. Diese Asphaltmischanlage ist auf der Industriestraße direkt erreichbar. Diese Straße dient überdies der Erschließung der angrenzenden Grundstücke. Seit ihrer Begradigung zweigt sie von der Werkstraße in nördlicher Richtung nahe der Metallschlagmarke 5 ab. Im Mündungstrichter der Kreuzung brachte der Kläger eine Fahrverbotstafel mit der Aufschrift "Privat" an. Eine weitere solche Tafel wurde westlich der Zufahrt zum Werksgelände der AG unweit der Metallschlagmarke 5 aufgestellt. Die AG ist “Pächterin" verschiedener Grundstücke. Sie errichtete dort ebenso eine Asphaltmischanlage, deren Zufahrt vor der Begradigung der Industriestraße nicht über die Werkstraße verlief. Nach dem Ausbau und der Begradigung der Industriestraße verläuft die Zufahrt im südlichen Bereich über das von der Werkstraße in Anspruch genommene Grundstück 1400. Beim Neubau der Asphaltmischanlage wurde im "Widmungsverfahren" festgehalten, die Zufahrt zum Industriegebiet solle von der Bundesstraße "über die zum Teil bestehende und noch zu errichtende Aufschließungsstraße" erfolgen. Mit der "noch zu errichtenden Aufschließungsstraße" war der Ausbau, die Verbreiterung und die Begradigung der bestehenden Straße gemeint. Die AG benützt die Werkstraße bis zur Industriestraße aufgrund einer mündlichen Vereinbarung mit dem Kläger. Im Übrigen wurde den Eigentümern der Grundstücke 772 und 767/1 das vertragliche Recht eingeräumt, die Werkstraße bis zu diesen Grundstücken zu befahren.

Schon im ersten Flächenwidmungsplan der Gemeinde im Jahr 1985 ist die Werkstraße als öffentliche Straße ausgewiesen, ebenso in den nachfolgenden Flächenwidmungsplänen. Es besteht jedoch keine "eigene Widmung" der Werkstraße als öffentliche Straße. Ein solcher Widmungsakt ist auch nicht in den "den Flächenwidmungsplänen zuzuordnenden Bescheiden" enthalten. Anlässlich einer 1994 durchgeführten Planänderung wurde auch das nunmehr von der Beklagten gemietete Grundstück in Industrie- und Gewerbegebiet umgewidmet. Dabei wurde davon ausgegangen, dass die umgewidmeten Grundstücke verkehrsmäßig gut erschlossen seien. Vor dieser Planänderung war "den Beteiligten das Problem der Zufahrt, dass diese nur über einen Privatweg möglich ist, nicht bewusst". Das Grundstück 1400 war niemals Gegenstand eines "Enteignungs- oder Ablöseverfahrens". Anlässlich der "Verhandlungen über die Baubewilligung" für die Anlage der beklagten Partei auf dem Grundstück 774/1 wurde in einem Gutachten festgehalten, die "verkehrstechnische Aufschließung" erfolge ausschließlich von der Bundesstraße über die Industriestraße; es sei auch für die Berechtigung der Benützung des Grundstücks 1400 eine privatrechtliche Vereinbarung herbeizuführen.

Die beklagte Partei benützte die Werkstraße als Mieterin des Grundstücks 774/1 ständig als Zufahrt, sodass darauf Lastkraftwagen und andere Fahrzeuge verkehrten. Sie beabsichtigt, daran festzuhalten. Deren Asphaltmischanlage wurde allerdings noch nicht in Betrieb genommen. Die beklagte Partei und andere Straßenbenützer wurden von der GmbH & Co KG und vom Kläger "schon immer" darauf hingewiesen, dass die Werkstraße eine Privatstraße sei, die nicht jeder befahren dürfe. Auf die mangelnde Zufahrt bezogene Einwendungen wurden auch "in den Behördenverfahren" der beklagten Partei erhoben. Diese Einwendungen wurden von der Gemeinde auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Der Kläger begehrte, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, "jegliches Befahren bzw Benützen" des Grundstücks 1400 zu unterlassen. Er brachte vor, die beklagte Partei benütze die Werkstraße auf dem Grundstück 1400 ohne Rechtsgrundlage als Zufahrt zum Grundstück 774/1. Mehrmalige Aufforderungen, die Benützung zu unterlassen, seien fruchtlos geblieben. Die Auskunft des Bürgermeisters über die Öffentlichkeit der Werkstraße sei unzutreffend. Das folge daraus, dass die Straße zwar zunächst teilweise auch auf Gemeindegrund, dann aber nur mehr auf dem Grundstück 1400 verlaufe. Deren unrichtige Bezeichnung im Flächenwidmungsplan sei angesichts der wahren Eigentumsverhältnisse bedeutungslos. Er - der Kläger - habe von dieser Bezeichnung erst in diesem Verfahren erfahren. Er hätte aber auch keine Möglichkeit gehabt, den Inhalt des Flächenwidmungsplans zu beeinspruchen. Die Straße sei immer als Privatstraße gekennzeichnet gewesen. Der beklagten Partei sei bewusst, dass das Grundstück 1400 im Privateigentum stehe.

Die beklagte Partei wendete ein, der Kläger sei nicht aktiv legitimiert, da die Nutzungsrechte - auch am streitverfangenen Grundstück - der GmbH & Co KG als Rechtsvorgängerin des Klägers zustünden. Er habe das Eigentumsrecht am Grundstück 1400 überdies aufgrund eines unzulässigen Insichgeschäfts erworben. Sie - die beklagte Partei - befahre seit Abschluss des Mietvertrags vom 14. 6. 1994 ständig die Werkstraße. Sie habe diese Straße überdies schon in den 60-er Jahren benützt und daher ein Geh- und Fahrrecht ersessen. Die Straße sei die einzige Zufahrt zu den nördlich und südlich ihrer Trasse gelegenen Grundstücken. Sie diene seit jeher als öffentliche Verkehrsfläche und werde daher auch von allen dort angesiedelten Unternehmen als Zufahrtsstraße verwendet. Die Werkstraße verlaufe zum überwiegenden Teil auf dem Gemeindegrundstück 1379/1. Sie sei auch im Flächenwidmungsplan der Gemeinde als öffentliche Verkehrsfläche ausgewiesen. Das Weggrundstück 1400 sei erst 1964 entstanden. Da die Weggrundstücke 1379/1 und 1400 nicht gesondert benützbar seien, sei das Grundstück 1400 als Vergrößerung der öffentlichen Verkehrsfläche anzusehen. Der Kläger sei nicht berechtigt, bestimmte Personen von der Benützung der Werkstraße auszuschließen.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, das Befahren bzw Benützen des Grundstücks 1400 "zu anderen Zwecken" als der Zufahrt zum Grundstück 774/1 "im Rahmen der Nutzung dieses Grundstücks zu landwirtschaftlichen Zwecken zu unterlassen". Das Mehrbegehren wies es ab. Nach dessen Ansicht hängt die Berechtigung des Klageanspruchs von der Klärung der verwaltungsrechtlichen Vorfrage ab, ob an der Werkstraße Gemeingebrauch bestehe. Nach § 2 Abs1 des Stmk Landes-StraßenverwaltungsG 1964 seien öffentliche Straßen solche, die entweder von den zuständigen Stellen bestimmungsgemäß dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden seien oder die in langjähriger Übung allgemein, ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen für ein dringendes Verkehrsbedürfnis benützt würden. Eine solche Widmung erfordere "einen konstitutiven, normativen Rechtsakt", mit dem der Gemeingebrauch begründet werde. Die bloße Ausweisung einer Verkehrsfläche als öffentliche Straße im Flächenwidmungsplan sei kein solcher Widmungsakt. Sie drücke vielmehr nur den Willen der Gemeinde aus, eine solche konkrete Widmung herbeizuführen. Hier scheide auch eine stillschweigende Widmung durch langjährigen Gemeingebrauch in Befriedigung eines dringenden allgemeinen Verkehrsbedürfnisses aus. Die nunmehrige Werkstraße sei immer nur von den Eigentümern der anrainenden Grundstücke befahren worden. Ein öffentliches Verkehrsbedürfnis fehle, weil ein solches nicht bloß durch die Interessen einzelner Unternehmer entstehe. Es mangle auch an einem langjährigen Gemeingebrauch. Ein derartiger Zeitraum dürfe nicht kürzer als zehn Jahre sein. Das Interesse an der Zufahrt zu Betriebsgrundstücken über die Werkstraße sei erst 1994, dem Jahr der Umwidmung bestimmter Grundflächen in Industrie- und Gewerbegebiet, entstanden. Der Kläger habe sich gegen den Gebrauch der Werkstraße durch Unbefugte immer zur Wehr gesetzt und deren Eigenschaft als Privatstraße betont. Voraussetzung der Ersitzung eines Wegerechts durch die Öffentlichkeit sei die Wegbenutzung zum offenbaren Vorteil aller Gemeindeangehörigen. Ein Weg müsse so benützt werden, als wäre er öffentlich. Ab dem Zeitpunkt, in dem das unübersehbar geworden sei, beginne die Ersitzung. Die Ersitzung eines Wegerechts durch die Gemeinde bedürfe jedoch auch der Notwendigkeit der Wegverbindung, wenngleich an diese Voraussetzung keine strengen Anforderungen zu stellen seien. Es müsse allerdings ein über bloße Bequemlichkeit oder Wegabkürzung hinausreichender Vorteil bestehen. Insofern ähnle die stillschweigende öffentlich-rechtliche Widmung der privatrechtlichen Ersitzung durch eine Gemeinde. Die Gemeinde habe hier kein Wegerecht ersessen. Die Werkstraße sei in der Öffentlichkeit immer als Privatstraße angesehen worden. Sie werde daher auch nicht so benützt, als wäre sie ein öffentlicher Weg zum Vorteil aller Gemeindeangehörigen. Überdies dürfte es an der Notwendigkeit der Straßenverwendung durch die Allgemeinheit fehlen. Die Werkstraße werde allerdings durch die Eigentümer der anrainenden, landwirtschaftlich genutzten Grundstücke schon mehr als dreißig Jahre als Zufahrt verwendet. Ein solches Recht sei daher ersessen. Das gelte auch für das von der beklagten Partei gemietete Grundstück. Die beklagte Partei sei als Mieterin berechtigt, das mit der Bestandfläche verknüpfte dingliche Recht in Anspruch zu nehmen. Das betreffe die Nutzung des Grundstücks zu landwirtschaftlichen Zwecken. Die beklagte Partei dürfe daher die Werkstraße nicht als Zufahrt für den Betrieb einer Asphaltmischanlage verwenden. Kultur- und Widmungsänderungen begründeten keinen Anspruch auf Anpassung einer Dienstbarkeit. Der Eigentümer des dienenden Guts müsse dessen Benützung für einen dienstbarkeitsfremden Zweck nicht dulden. Die Nutzung der Werkstraße als Zufahrt für den Betrieb einer Asphaltmischanlage sei eine unzulässige Erweiterung der ersessenen Dienstbarkeit. Soweit die beklagte Partei von 1964 bis 1967 auf einem anderen Grundstück eine Asphaltmischanlage betrieben habe, sei die Werkstraße gewöhnlich nur zum Abholen von Schotter als Kundin der Rechtsvorgängerin der GmbH & Co KG befahren worden. Durch die gelegentliche Benützung der Werkstraße für Fahrten in das Ortsbüro der beklagten Partei könne letztere das behauptete Recht schon deshalb nicht ersessen haben, weil der seinerzeitige dreijährige Gebrauch des Weges, der erst 27 Jahre später - 1994 - wiederaufgenommen worden sei, nicht "als Fortsetzung ihres Rechts durch die von dem Gesetze bestimmte Zeit" anzusehen sei. Der Unterlassungsklage sei somit nur teilweise stattzugeben.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil teilweise ab und hob es teilweise auf. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S (nunmehr 20.000 Euro) übersteige und die ordentliche Revision und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig seien. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, das Erstgericht habe die Tatsache, dass die Werkstraße teilweise auf öffentlichem Grund verlaufe, "nicht ausreichend berücksichtigt". Es mangle zwar an einem förmlichen Verwaltungsakt, mit dem die Werkstraße dem Gemeingebrauch gewidmet worden wäre, es sei jedoch "das Vorliegen einer früheren Widmung" schon deshalb zu unterstellen, weil das Grundstück 1379/1 als öffentliches Gut bzw Gemeindegut nicht in das Grundbuch aufgenommen worden sei. Diese Eigenschaft sei für jedermann durch Einsicht in das Verzeichnis über das öffentliche Gut erkennbar. Die Widmung der Werkstraße für den Gemeingebrauch folge überdies aus dem Bescheid vom 3. 11. 1948 über deren Verlegung. Für einen Gemeindeweg als öffentliches Gut müsse schließlich "ausnahmsweise auch ein entsprechender Flächenwidmungsplan als bestimmungsgemäße Widmung zum öffentlichen Verkehr" im Sinne des § 2 Abs 1 Stmk Landes-StraßenverwaltungsG 1964 genügen. Doch könne die festgestellte Bezeichnung des Grundstücks 1400 im Flächenwidmungsplan den Gemeingebrauch nicht begründen. Aus den Widmungsverfahren, die sich auf die von der AG und der GmbH für ihre unternehmerische Tätigkeit verwendeten Grundstücke bezogen hätten, sei für den Prozessstandpunkt der beklagten Partei gleichfalls nichts zu gewinnen, weil in diesen Verfahren in das Eigentumsrecht des Klägers nicht habe eingegriffen werden können.

Das Problem, dass die Werkstraße teilweise auf öffentlichem Gut und teilweise auf Privatgrund verlaufe, sei sinnvollerweise nach den Regeln über die Begründung von Miteigentum analog § 415 ABGB zu lösen. Auf dieser Grundlage dürfe die Straße jeder Miteigentümer, dessen eigene Gebrauchsmöglichkeit unbeschränkt sei, ohne Zustimmung des anderen benützen. Somit stehe auch der beklagten Partei ein unbeschränktes Geh- und Fahrrecht über das Grundstück 1400 zu. Die Vorstellung, der Kläger dürfe nur den Straßenteil auf dem Grundstück 1400 und die Gemeinde - und somit auch die beklagte Partei - nur den anderen Straßenteil auf dem Grundstück 1379/1 verwenden, sei absurd. Es sei jedoch kein stichhältiger Grund dafür erkennbar, dass das Grundstück 1400 über das öffentliche Gut hinaus dem Gemeingebrauch diene. Soweit die Verbreiterung einer Gemeindestraße auf Privatgrund an sich als stillschweigende Widmung dieses Grunds für den öffentlichen Verkehr anzusehen sei, scheitere eine solche Annahme hier daran, dass der Kläger und dessen Rechtsvorgänger unbefugte Wegbenutzer schon immer auf deren mangelnde Berechtigung hingewiesen hätten. Sei eine Dienstbarkeit nicht ersessen worden, so stelle sich auch nicht die Frage nach einer allfälligen Freiheitsersitzung. Fahrverbotstafeln könnten als einseitige Maßnahme das Recht der beklagten Partei, die Werkstraße bis zum Ende des Grundstücks 1379/1 zu befahren, nicht beeinträchtigen. Die beklagte Partei habe sich aber ohnehin nicht an das Fahrverbot gehalten. An einem öffentlich-rechtlichen Widmungsakt nach dem Stmk Landes-StraßenverwaltungsG 1964 fehle es. Das Erstgericht habe auch die Ersitzung eines Wegerechts durch die Öffentlichkeit zutreffend verneint. Die Industriestraße sei überhaupt erst in den 90-iger Jahren verlegt worden. Für die Annahme einer Ersitzung - den Abschnitt zwischen dem Ende des öffentlichen Guts und dem Einmündungstrichter im Kreuzungsbereich betreffend - mangle es an jeder Grundlage. Die Verkäufer hätten sich jedoch durch den Verkauf von Grundstücken zur Verbreiterung des Gemeindewegs nicht selbst vom öffentlichen Weg abschneiden wollen. Daher sei auf dem Boden einer ergänzenden Vertragsauslegung zwanglos zu folgern, dass sich die Verkäufer den unbeschränkten Zugang zum öffentlichen Weg vorbehalten hätten, sodass dessen unbeschränkte Nutzung auch nach seiner Verbreiterung als vereinbart gelte. Das gelte jedoch nicht für die Werkstraße über die östliche Grenze des Gemeindeguts hinaus. Für die Ersitzung eines solchen Wegerechts durch die beklagte Partei fehle es an tauglichen Anhaltspunkten. Im fortgesetzten Verfahren müsse exakt festgestellt werden, wo sich der Einmündungstrichter der Industriestraße befinde und wo das östliche Ende des Grundstücks 1379/1 liege. Die Behauptung der beklagten Partei, der Kläger habe das Grundstück 1400 durch ein unzulässiges Insichgeschäft erworben, sei unbeachtlich, weil durch die Unzulässigkeit eines solchen Geschäfts nur der allenfalls unwirksam Vertretene, dagegen nicht ein außenstehender Dritter geschützt werde. Der Nutzungsvorbehalt der GmbH & Co KG nehme dem Kläger nicht das Rechtsschutzinteresse an der Durchsetzung der behaupteten Unterlassungsverpflichtung. Sach- und Rechtsbesitz bestünden häufig nebeneinander. Als Ergebnis aller Erwägungen sei daher das Klagebegehren "für den Bereich des westlichen Beginns des Grundstücks 1400 (östlich des Werkes) bis zur Metallschlagmarke 5 (ca 9 m östlich der östlichen Grenze des Grundstücks 774/1)" mit Teilurteil - über den vom Erstgericht angenommenen Umfang hinaus - gänzlich abzuweisen. Es sei unstrittig, dass die Fahrbahn bis dorthin teilweise auf beiden Grundstücken verlaufe. Im Übrigen sei das Ersturteil aufzuheben, um die bezeichneten Feststellungen nachzutragen. Insofern bedürfe der Sachverhalt auch einer ergänzenden Erörterung. Die Revision und der Revisionsrekurs seien zulässig, weil der Oberste Gerichtshof über einen vergleichbaren Fall - Verbreiterung und Verlängerung eines Gemeindewegs auf Grundflächen im Privateigentum - noch nicht entschieden habe.

Die Revision und der Rekurs des Klägers sind zulässig; diese Rechtsmittel sind auch berechtigt:

Rechtliche Beurteilung

1. Mängelrüge

Die beklagte Partei behauptet in ihren Rechtsmittelbeantwortungen, die zweite Instanz habe sich mit ihrer Beweisrüge im Berufungsverfahren "nur teilweise und mangelhaft" auseinandergesetzt. Sie widmet daher viele Seiten ihrer Rechtsmittelausführungen der Wiederholung der Beweisrüge im Berufungsverfahren. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt allerdings nicht vor, was gemäß § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung bedarf. Die Beweisrüge der beklagten Partei in dritter Instanz ist unbeachtlich. Den folgenden Erwägungen werden daher die vom Berufungsgericht übernommenen erstgerichtlichen Feststellungen zugrunde gelegt.

2. Flächenwidmungsplan

2.1. Die beklagte Partei hält daran fest, dass bereits die Widmung des von der Werkstraße in Anspruch genommenen Grundes als öffentliche Verkehrsfläche im Flächenwidmungsplan der Gemeinde den Gemeingebrauch bewirke. Sie beruft sich zur Untermauerung dieses Standpunkts auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 4. 10. 1988 B 245/88. Es ist daher der Frage nachzugehen, ob der von der beklagten Partei behauptete Gemeingebrauch an der Werkstraße auf öffentlich-rechtlicher Grundlage tatsächlich bereits durch die erwähnte Bezeichnung im Flächenwidmungsplan der Gemeinde begründet wurde.

2.2. Gemäß § 22 Abs 1 Stmk ROG 1974 hat jede Gemeinde in Durchführung der Aufgaben der örtlichen Raumordnung für ihr Gemeindegebiet durch Verordnung einen Flächenwidmungsplan zu erstellen. Nach § 29 Abs 3 Stmk ROG 1974 können beim Gemeindeamt innerhalb der Auflagefrist des Entwurfs des Flächenwidmungsplans schriftlich begründete Einwendungen erhoben werden. Der Gemeinderat hat solche Einwendungen gemäß § 29 Abs 5 Stmk ROG 1974 zu beraten und in Abwägung mit den örtlichen Raumordnungsinteressen nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Gemäß § 29 Abs 8 Stmk ROG 1974 hat die Landesregierung über die Genehmigung des Flächenwidmungsplans nach Prüfung der vorgebrachten Einwendungen mit Bescheid abzusprechen. Diese Bestimmungen gelten gemäß § 31 Abs 1 Stmk ROG 1974 - abgesehen von den dort bezeichneten Ausnahmen - auch für das Verfahren zur Änderung des Flächenwidmungsplans.

2.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum Steiermärkischen Raumordnungsgesetz besteht keine Verpflichtung der Behörde, im Rahmen des Verfahrens zur Erlassung oder Änderung von Flächenwidmungsplänen über Einwendungen der betroffenen Grundeigentümer bescheidmäßig abzusprechen (VwGH 22. 1. 1998 97/06/0259; VwGH 16. 7. 1992 91/06/0237). Grundeigentümer, die gegen den kundgemachten Entwurf Einwendungen erhoben, sind daher nicht Parteien nach § 8 AVG im Verfahren zur Beschlussfassung über den Flächenwidmungsplan als genereller Verwaltungsakt. Die Einwendungsmöglichkeit ist lediglich ein besonders ausgeformtes Anhörungsrecht. Die Benachrichtigung, wieweit Einwendungen berücksichtigt wurden, ist kein Bescheid. Ein Betroffener hat ferner keinen Anspruch gegen die Landesregierung als Aufsichtsbehörde, die Genehmigung eines Flächenwidmungsplans zu versagen, weil das Genehmigungsverfahren nur das Verhältnis zwischen der Gemeinde und der Aufsichtsbehörde betrifft. Die Gesetzwidrigkeit eines genehmigten und kundgemachten Flächenwidmungsplans kann demnach, sofern eine Individualbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht in Betracht kommt, lediglich aus Anlass einer Beschwerde gegen einen in einem Bauverfahren erlassenen Bescheid geprüft werden (VwGH 16. 7. 1992 91/06/0237).

2.4. Aus der voranstehend erläuterten Rechtslage folgt, dass sich ein Grundeigentümer gegen die Ausweisung einer bestimmten Grundfläche als öffentliche Verkehrsfläche im Flächenwidmungsplan einer steiermärkischen Gemeinde nicht wirksam zur Wehr setzen kann. Dieser - nicht nur für das steiermärkische Raumordnungsrecht bedeutsame - Grundsatz wird auch durch das von der beklagten Partei für ihren Prozessstandpunkt in Anspruch genommenen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 4. 10. 1988 B 245/88 zum oberösterreichischen Raumordnungsgesetz gestützt, wonach es dem Verordnungsgeber im Rahmen seines Planungsermessens freisteht, Grundflächen als (öffentliche) Verkehrsfläche zu widmen, um damit für die geplante Errichtung einer Bundesstraße vorzusorgen. Gerade dieses Erkenntnis impliziert jedoch auch, dass die bloße Widmung bestimmter Grundstücke als öffentliche Verkehrsfläche im Flächenwidmungsplan einer Gemeinde nicht zugleich auch schon einen im öffentlichen Recht wurzelnden Gemeingebrauch an diesen Grundstücken begründen kann. Aus der Widmung bestimmter Grundstücke als öffentliche Verkehrsfläche im Flächenwidmungsplan einer Gemeinde ist somit nur ableitbar, dass diese Grundstücke im Gemeindegebiet künftig als öffentliche Verkehrsfläche Verwendung finden sollen. Diese Flächenwidmung macht jedoch die behördliche Erklärung solcher Grundstücke zur öffentlichen Straße nach Errichtung eines Verkehrswegs nicht entbehrlich. Erst ein solcher individueller Verwaltungsakt schafft - abgesehen von der noch zu erörternden langjährigen Übung - das Recht des Gemeingebrauchs auf öffentlich-rechtlicher Grundlage.

3. Öffentliche Straßen

3.1. Abgesehen von Bundesstraßen, auf die das Steiermärkische Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1964 (im Folgenden nur mehr LStVG) nicht anwendbar ist, sind gemäß § 2 Abs 1 dieses Gesetzes öffentliche Straßen alle Straßen, die entweder von den zuständigen Stellen bestimmungsgemäß dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden sind oder die in langjähriger Übung allgemein, ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen für ein dringendes Verkehrsbedürfnis benützt werden. Gemäß § 3 LStVG entscheidet die Gemeinde auf Antrag oder von Amts wegen, ob eine Straße als öffentlich anzusehen ist oder in welchem Umfang sie der allgemeinen Benützung freisteht (Gemeingebrauch). Nach § 4 Abs 3 LStVG muss der Bescheid, mit dem die Öffentlichkeit ausgesprochen wird, zum Ausdruck bringen, für welche Arten des öffentlichen Verkehrs (Fahr-, Reit-, Radfahr-, Fußgeherverkehr usw.) die Straße benützt werden kann. Nur die bestimmungsgemäße Benützung einer öffentlichen Straße zum Verkehr ist gemäß § 5 LStVG jedermann gestattet und darf von niemandem eigenmächtig behindert werden. Eine bestehende Privatstraße kann gemäß § 6 Abs 1 LStVG nur dann auf Antrag einer oder mehrerer Gemeinden oder der Landesregierung von der Bezirksverwaltungsbehörde oder, wenn sich die Straße auf mehrere politische Bezirke erstreckt, von der Landesregierung durch Enteignung als öffentlich erklärt werden, wenn sich ein dringendes bzw unabweisliches Verkehrsbedürfnis in anderer Weise ohne unverhältnismäßige Kosten nicht befriedigen lässt.

3.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs darf ein dringendes Verkehrsbedürfnis im Sinne des § 2 Abs 1 LStVG auch dann angenommen werden, wenn eine Strecke nicht die einzige Verbindung zu einem bestimmten Ort darstellt (VwGH ZfVB 1979/912; VwGH ZfVB 1978/1093). Ein solches Verkehrsbedürfnis ist auch nicht auf "Durchzugsstraßen" beschränkt (VwGH ZfVB 1986/255). Die Entscheidung nach § 3 LStVG beruht ihrem Wesen nach auf der im öffentlichen Recht wurzelnden Befugnis der Gemeinde, im Rahmen der Hoheitsverwaltung festzustellen, dass ein Grundstück, auf das die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 LStVG zutreffen, als öffentliche Straße zu gelten hat. Die Folge einer solchen Feststellung ist, dass der Eigentümer keine Handlung setzen darf, die geeignet wäre, den öffentlichen Verkehr in dem Umfang, in dem er von der Behörde festgestellt wurde, zu behindern. Der Eigentümer ist soweit in der Ausübung seines Eigentumsrechts beschränkt, das Eigentum am Grundstück bleibt im Übrigen jedoch unangetastet (VwGH ZfVB 1979/912; VwGH ZfVB 1978/1093; diese Rsp offenkundig billigend VfGH ZfVB 1979/2267; so auch Klicka in Schwimann, ABGB2 § 287 Rz 4; Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 287 Rz 4). Das Bestehen von Dienstbarkeiten nach bürgerlichem Recht ist kein Indiz für das Recht auf Gemeingebrauch (VwGH ZfVB 1986/255).

3.3. Aufgrund der öffentlich-rechtlichen Rechtslage nach dem LStVG reicht der bloße Umstand, dass eine Straße (teilweise) auch auf Gemeindegrund verläuft, - entgegen der Ansicht der beklagten Partei - nicht aus, um ihr die Rechtsnatur einer öffentlichen Straße zu verleihen. Es ist vielmehr erforderlich, dass eine bestimmte Straße von "den zuständigen Stellen bestimmungsgemäß dem öffentlichen Verkehr gewidmet" oder "in langjähriger Übung allgemein, ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen für ein dringendes Verkehrsbedürfnis benützt" wurde. Diese Voraussetzungen bestimmen die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (siehe etwa VfGH 23. 11. 1984 B 488/78 [unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des VwGH] = ZfVB 1985/1250 [Teilveröffentlichung]; vgl etwa auch VwSlg 5.857 A/1962 [zur burgenländischen Rechtslage]). Sie entsprechen ferner Grundsätzen, die sich auch in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nachweisen lassen. Danach verliert eine Privatstraße diesen Charakter jedenfalls (erst) nach einer Öffentlicherklärung bzw durch eine stillschweigende Widmung gemäß den §§ 2 bis 4 LStVG (JBl 1990,451). Selbst eine Straße, die ausschließlich oder teilweise auf Gemeindegrund verläuft, ist nicht schon allein deshalb als öffentliche Straße anzusehen. Es ist vielmehr auch die Gemeinde als Grundeigentümerin zur Errichtung einer Privatstraße auf ihrem Grund berechtigt (SZ 66/166). Soweit sich die beklagte Partei für ihren Rechtsstandpunkt auf § 287 und § 288 ABGB beruft, hebt sie selbst hervor, dass es auf den "bestimmungsgemäßen" Gebrauch ankommt. Solange es aber an einer entsprechenden Widmung im Sinne der voranstehenden Erwägungen mangelt, besteht auch an einer Straße, die (teilweise) auf Gemeindegrund verläuft, kein Gemeingebrauch (so auch Klicka in Schwimann aaO § 287 Rz 6; Spielbüchler in Rummel aaO).

3.4. Im Anlassfall steht fest, dass für die Werkstraße kein öffentlicher Zweck besteht, dem sie hätte dienen sollen. Es steht weiters fest, dass diese Straße "in der Öffentlichkeit immer als Privatstraße angesehen" wurde, sich im Bereich der Zufahrt zum Werksgelände schon bei ihrem Ausbau Tafeln befanden, die auf eine "Werks- bzw Privatstraße" hinwiesen, und sich immer wieder Personen, die die Werkstraße befahren wollen, um die Erlaubnis des Klägers bemühen. Solche Tatsachen erlauben nicht die rechtliche Schlussfolgerung, die Werkstraße sei nach § 2 Abs 1 LStVG eine öffentliche Straße, wurde doch diese Straße gerade nicht in langjähriger Übung allgemein, ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen für ein dringendes Verkehrsbedürfnis benützt.

4. Dienstbarkeit und Aktivlegitimation

Die beklagte Partei verficht auch noch in dritter Instanz den Standpunkt, die Gemeinde habe den Gemeingebrauch an der Werkstraße ersessen. Der Oberste Gerichtshof tritt jedoch insofern der gegenteiligen Beurteilung durch die Vorinstanzen bei. Die beklagte Partei hält dem nichts Stichhältiges entgegen. Das Gleiche gilt für deren substanzlosen Ausführungen, sie habe für das von ihr nunmehr gemietete Grundstück als herrschendes Gut selbst ein Wegerecht ersessen und dem Kläger mangle die Aktivlegitimation, weil er das Eigentumsrecht an dem Grundstück 1400 aufgrund eines unzulässigen Insichgeschäfts erworben habe.

5. Analogie zu § 415 ABGB:

5.1. Nach Meinung des Berufungsgerichts sind die Gemeinde und der Kläger deshalb, weil die Werkstraße innerhalb eines bestimmten Abschnitts teilweise auf einem Grundstück der Gemeinde und teilweise auf einem Grundstück des Klägers verläuft, in analoger Anwendung des § 415 ABGB wie Miteigentümer zu behandeln. Die Straße dürfe demnach von jedem der Eigentümer ohne Beschränkung benützt werden. Daraus folge, dass die beklagte Partei die Werkstraße gleichfalls benützen dürfe, weil "es sich eben teilweise um Gemeindegut" handle, das der Flächenwidmungsplan als öffentliche Verkehrsfläche ausweise.

5.2. Wie bereits unter 3.3. erörtert wurde, ist eine Straße, die teilweise auf Gemeindegrund verläuft, nicht schon deshalb als öffentliche Straße anzusehen. Nach dem unter 2.4. gezogenen Resümee kann die bloße Bezeichnung einer Straße als öffentliche Verkehrsfläche im Flächenwidmungsplan der Gemeinde den Gemeingebrauch gleichfalls nicht begründen. Somit ist der Versuch des Berufungsgerichts, den Gemeingebrauch an der Werkstraße auf dem Boden einer analogen Anwendung des § 415 ABGB unter Heranziehung der für die Rechtsbeziehung von Miteigentümern nach seiner Ansicht maßgebenden Benützungsregeln zu bejahen, schon im Ansatz verfehlt. Diesen Standpunkt macht sich in dritter Instanz explizit auch die beklagte Partei nicht zu eigen. Selbst die Behandlung der Gemeinde als "Miteigentümerin" könnte - im Lichte aller Erwägungen unter 2. und 3. - noch nicht erklären, weshalb die Werkstraße jedermann - und daher auch die beklagte Partei - benützen dürfe. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Regelung des § 415 ABGB überhaupt eine taugliche Analogiegrundlage für das vom Berufungsgericht angestrebte Ergebnis sein könnte, bestünde ein Bedürfnis hiezu. Ein solches ist jedoch nicht erkennbar, kann doch allein das Interesse eines Unternehmers bzw einiger Unternehmer, die teilweise auf dem Grund des Klägers errichtete und von einem Dritten zu erhaltende Straße kostenlos zu benützen, eine Analogie zu Lasten der Rechtsposition des Klägers nicht rechtfertigen. Es mangelt also an einer planwidrigen Gesetzeslücke, die durch die analoge Anwendung des § 415 ABGB nach den Vorstellungen des Berufungsgerichts zu schließen wäre, um damit den Gemeingebrauch an einer Privatstraße, die teilweise auch auf Gemeindegrund verläuft, zu begründen. Es mag sein, dass sich die Grundeigentümer, die seinerzeit Grundstreifen zur Ermöglichung der Verbreiterung der nunmehrigen Werkstraße verkauften, nicht selbst von der Grundstückszufahrt abschneiden wollten. Ein solcher Wille kann aber nicht die Öffentlichkeit eines Wegs bewirken. Dem Interesse der Eigentümer der an die Werkstraße anrainenden Grundstücke wird ohnehin dadurch Rechnung getragen, dass das Erstgericht eine Wegdienstbarkeit im Rahmen der seinerzeitigen Grundstücksnutzung bejahte.

6. Ergebnis

Im Lichte aller bisherigen Ausführungen verfügt die beklagte Partei über keinen Rechtstitel, die Werkstraße in dem von ihr behaupteten Umfang als Zufahrt zum Grundstück 774/1 zu benützen. Es bedarf zur Entscheidung über den in dritter Instanz noch unerledigten Teil des Unterlassungsbegehrens nicht mehr der nach Ansicht des Berufungsgerichts für eine abschließende rechtliche Beurteilung erforderlichen ergänzenden Feststellungen. Wegen Entscheidungsreife der Sache kann der Oberste Gerichtshof gemäß § 519 Abs 2 ZPO auch nach Aufhebung des Ersturteils in der Sache selbst erkennen. Das führt in Erledigung beider Rechtsmittel insgesamt zur Wiederherstellung des Ersturteils.

7. Kosten

Wegen des Erfolgs des Klägers in dritter Instanz sind ihm gemäß § 50 Abs 1 ZPO auch die Kosten der Verfahren der Vorinstanzen zuzusprechen. Das Erstgericht erkannte dem Kläger für das Verfahren erster Instanz nach § 43 Abs 2 erster Fall ZPO volle Kosten zu. Der Oberste Gerichtshof tritt den Erwägungen des Erstgerichts bei. Nicht zutreffend ist daher die Ansicht der beklagten Partei, die das Unterliegen des Klägers im Kostenrekurs mit einem Drittel gewichtete. Für das Berufungsverfahren wurde der Kostenberechnung ein Berufungsinteresse des Klägers von 25.000 S (= 1.816,82 Euro) und ein solches der beklagten Partei von 475.000 S (= 34.519,60 Euro) zugrunde gelegt. Im Berufungsverfahren sind - nach dem nunmehrigen Endergebnis - beide Parteien als unterlegen anzusehen. Der Kläger ist deshalb unterlegen, weil er sich mit seiner Ansicht, das Ersturteil beziehe sich in seinem klageabweisenden Teil auf einen nicht geltend gemachten Anspruch, nicht durchsetzte. Beiden Parteien sind demnach die Kosten ihrer Berufungsbeantwortungen zu ersetzen. Als Saldo dieser Berechnungen ergibt sich eine Differenz zugunsten des Klägers. Im Revisions- und Rekursverfahren obsiegte der Kläger zur Gänze und hat daher Anspruch auf Ersatz seiner Rechtsmittelkosten. Gegenstand des Revisionsverfahrens war aber nur mehr ein Streitwert von 34.519,60 Euro (= 475.000 S). Als Grundlage für die Berechnung der Revisionskosten ist vom Ansatz des Klägers (21.801,85 Euro = 300.000 S) auszugehen. Für die Ermittlung der Rekurskosten dienen somit 12.717,76 Euro (= 175.000 S) als Berechnungsgrundlage. Die Kostensumme ergibt sich aus dem Spruch dieser Entscheidung.

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