Normen
EheG §49
ZPO §240
ZPO §411
ZPO §462
ZPO §467
ZPO §477
ZPO §483
ZPO §503 Z1
ZPO §503 Z4
ZPO §510
EheG §49
ZPO §240
ZPO §411
ZPO §462
ZPO §467
ZPO §477
ZPO §483
ZPO §503 Z1
ZPO §503 Z4
ZPO §510
Spruch:
Ist das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung über die Berufungsanträge hinausgegangen, so wird hiedurch Nichtigkeit begrundet.
Entscheidung vom 29. Juni 1949, 1 Ob 241/49.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Auf Grund der auf § 49 EheG. gestützten Klage der Ehefrau M. H. hat das Erstgericht die zwischen den Parteien geschlossene Ehe aus dem Verschulden des A. H. geschieden. In der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung hat A. H. erklärt (§ 467 Z. 3 ZPO.), das Urteil "nur insoweit anzufechten, als es sein Alleinverschulden und nicht ein Mitverschulden der Ehefrau an der Zerrüttung der Ehe, und zwar das überwiegende Verschulden hieran feststelle" und hat den Antrag gestellt, das Urteil dahin abzuändern, "daß unter Aufrechterhaltung des Ausspruches über die erfolgte Scheidung ein Mitverschulden der Klägerin an der Zerrüttung der Ehe, und zwar ein überwiegendes Verschulden derselben ausgesprochen werde".
Das Berufungsgericht hat der Berufung des Beklagten Folge gegeben und das erstrichterliche Urteil dahin abgeändert, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision Folge, hob das zweitinstanzliche Urteil auf und wies die Rechtssache an das Berufungsgericht zu neuer Entscheidung zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Revision, die unter dem Gesichtspunkt des § 503 Z. 4 ZPO. geltend macht, daß das Berufungsgericht lediglich über die Frage des Verschuldens an der Zerrüttung der Ehe, nicht aber über die Scheidung als solche hätte entscheiden dürfen, ist begrundet. Der Beklagte hat in der Berufung ausdrücklich erklärt, den Ausspruch über die Scheidung der Ehe nicht anzufechten und nur eine Änderung des Ausspruches über das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe anzustreben. Infolgedessen durfte sich das Berufungsgericht, das gemäß § 462 Abs. 1 ZPO. die Entscheidung des Gerichtes erster Instanz nur innerhalb der Grenzen der Berufungsanträge zu überprüfen hat, auf die Überprüfung des bereits rechtskräftig gewordenen Ausspruches, durch den die Ehe der Streitteile geschieden wurde, nicht einlassen, sondern es hätte ausschließlich über die Frage des Verschuldens entscheiden sollen. Selbst wenn man in der im Zuge seiner Parteienvernehmung vor dem Berufungsgericht abgegebenen Erklärung des Beklagten, er habe seine Frau noch immer gern und möchte, daß die Ehe aufrecht bleibe, eine Erweiterung des Berufungsantrages im Sinne der Anfechtung des Ausspruches über die Scheidung selbst erblicken würde, hätte das Berufungsgericht auf diesen erweiterten Antrag nicht eingehen dürfen, weil die Klägerin in diese Erweiterung weder ausdrücklich noch stillschweigend eingewilligt hat (483 ZPO.). Eine ausdrückliche Einwilligung ist im Protokoll über die mündliche Berufungsverhandlung nicht beurkundet. Die ebenfalls bei der Parteienvernehmung abgegebene Erklärung der Klägerin, sie wolle nicht mehr in diese Ehe zurück, kann nicht so aufgefaßt werden, daß die Klägerin, ohne gegen die Änderung des Berufungsantrages Einspruch zu erheben, über den geänderten Antrag verhandelt und damit stillschweigend ihre Einwilligung zur Erweiterung des Antrages gegeben hat (483 Abs. 2 ZPO.). Aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils geht vielmehr hervor, daß die Klägerin in der mündlichen Berufungsverhandlung gegen die Erweiterung der Berufungserklärung die Einwendung erhoben hat, daß der Ehemann im Verfahren erster Instanz mit der Scheidung einverstanden war, daß also die Frage der Scheidung als solcher im Berufungsverfahren außer Diskussion stehe.
Das Berufungsgericht hat demnach dadurch, daß es das Urteil der ersten Instanz im Ausspruch über die Scheidung der Ehe abänderte, gegen die Vorschrift der §§ 240, 411 ZPO. verstoßen, wonach die Rechtskraft eines Urteiles jederzeit von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Es ist demzufolge nichtig (Sperl, Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege, I/3, S. 632. E. v. 7. Juni 1904, GlUNF. 2713) und war aus diesem Gründe aufzuheben. Da das Berufungsgericht von seinem unrichtigen Rechtsstandpunkt aus auf die den eigentlichen Gegenstand des Berufungsverfahrens bildende Frage des Verschuldens an der Zerrüttung der Ehe nicht eingegangen ist, mußte die Sache gemäß § 510 Abs. 1 ZPO. an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, das nunmehr die
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