Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen vierzehn Tagen die mit 366,36 EUR (darin 61,06 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger parkte üblicherweise einen in seinem Eigentum stehenden PKW an der Grenze zu einer seiner Mutter gehörigen Liegenschaft in Graz. Am 1. 11. 1996 wurden dort die Kennzeichentafeln abgenommen und eingezogen. Am 15. 11. 1996 verständigte die Bundespolizeidirektion Graz die beklagte Partei davon, dass dieses Fahrzeug ohne Kennzeichen geparkt sei. Auf Grund eines Abschleppauftrags wurde der PKW am 16. 11. 1996 von der Nebenintervenientin auf deren Betriebsgelände gebracht. Unmittelbar danach wurde die Polizei davon verständigt. Der Kläger bemerkte noch am selben Tag vormittags, dass sein Fahrzeug abgeschleppt worden war, und erfuhr von der Polizei, wohin das Fahrzeug abgeschleppt worden war. Er fuhr sogleich zum Gelände der Nebenintervenientin und teilte dort deren Mitarbeiter mit, dass er die Absicht habe, das Fahrzeug bei ihr einzustellen, doch wurde eine Vereinbarung über eine solche Einstellung nicht getroffen. Es wurde ihm mitgeteilt, dass der PKW im Auftrag der beklagten Partei abgeschleppt worden sei und dass die Abschleppkosten entweder bar an die Nebenintervenientin gezahlt werden müssten oder die Möglichkeit bestehe, sich diese Kosten mittels Bescheids vorschreiben zu lassen. Der Kläger entschied sich für Letzteres.
Am 18. 11. 1996 verfasste ein Bediensteter der beklagten Partei eine öffentliche Bekanntmachung, die an der Amtstafel des Rathauses angeschlagen wurde und in der das abgeschleppte Fahrzeug nach Marke, Type und Farbe näher bezeichnet war. Zugleich wurde die Bundespolizeidirektion Villach schriftlich um Bekanntgabe des Eigentümers des Fahrzeugs mit dem in der Anfrage angeführten Kennzeichen ersucht. Diesem Ersuchen kam die Bundespolizeidirektion Villach am 22. 11. 1996 nach. Daraufhin machte die beklagte Partei den Kläger mit Schreiben vom 2. 12. 1996 darauf aufmerksam, dass das Eigentum am PKW nach Ablauf einer Frist an sie übergehen werde. Am 27. 1. 1997 wurde ein Mandatsbescheid erlassen, der schließlich bei einem Wiener Postamt am 19. 2. 1997 hinterlegt wurde. Weder das Schreiben vom 2. 12. 1996 noch der Mandatsbescheid vom 27. 1. 1997 sind dem Kläger zugekommen. Er war zu keiner Zeit an der Wiener Anschrift, an die der Mandatsbescheid gerichtet worden war, gemeldet.
Der Kläger erschien nach dem 16. 11. 1996 noch zwei- oder dreimal auf dem Gelände der Nebenintervenientin, um den PKW zu starten. Die beklagte Partei wurde davon von der Nebenintervenientin nicht verständigt. Im Herbst 1997 wurde das Fahrzeug versteigert und am 16. 10. 1997 vom neuen Eigentümer vom Gelände der Nebenintervenientin abgeholt.
Der Kläger begehrte aus dem Titel der Amtshaftung S 90.000. Die beklagte Partei habe das in seinem Eigentum stehende Fahrzeug rechtswidrig und schuldhaft durch Versteigerung zu ihren Gunsten verwertet. Das Eigentum an diesem Fahrzeug sei wegen schwerer Verstöße der beklagten Partei gegen § 89a Abs 5 StVO nicht übergegangen. Er sei nie vom drohenden Eigentumsübergang verständigt worden; er habe bereits am 16. 11. 1996 eine Einstellvereinbarung mit der Nebenintervenientin getroffen.
Die beklagte Partei wendete ein, sie habe gegen keine Verfahrensvorschrift verstoßen. Aus den ihr bekannten Umständen sei kein Schluss auf die Identität des Fahrzeugeigentümers zu ziehen gewesen. Die Übernahmsanordnung habe § 89a Abs 5 StVO entsprochen. Die Abholfrist sei ungenützt verstrichen, die beklagte Partei habe daher rechtmäßig das Eigentum am Fahrzeug erworben. Bereits unmittelbar nach der Abschleppung und auch in der Folgezeit wäre es dem Kläger jederzeit möglich gewesen, das Fahrzeug wieder an sich zu bringen, er habe aber die ihm zumutbaren Maßnahmen unterlassen, weshalb ihn das alleinige Verschulden am Verlust des Eigentums am PKW treffe.
Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil zu Recht, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht bestehe. Die beklagte Partei habe es verabsäumt, den Eigentümer auszuforschen, sodass die Zustellung der Übernahmsaufforderung mittels Anschlags an der Amtstafel und der Eigentumsübergang nicht rechtmäßig gewesen seien. Dieses schuldhaft rechtswidrige Verhalten der beklagten Partei begründe den Amtshaftungsanspruch des Klägers. Eine Verletzung der Rettungspflicht gemäß § 2 Abs 2 AHG liege mangels möglichen Verwaltungsrechtszugs nicht vor. Der Kläger habe aber ein Mitverschulden zu verantworten, weil er sich äußerst interesselos und nachlässig verhalten habe, was ihm als Sorglosigkeit gegenüber seinen eigenen Gütern vorwerfbar sei. Die Verbringung des Fahrzeugs und deren Auftraggeber seien ihm bereits unmittelbar nach der Abschleppung bekannt geworden; die Nebenintervenientin habe ihm auch mitgeteilt, dass ihm ein Bescheid der beklagten Partei über die Abschleppkosten zugehen werde. Er habe keinesfalls auf das Zustandekommen eines Vertrags zwischen ihm und der Nebenintervenientin vertrauen dürfen, vielmehr hätte er selbst nachfragen müssen, weil sich weder die beklagte Partei noch die Nebenintervenientin in der Folge mit ihm in Verbindung gesetzt hätten.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands S 52.000, nicht aber S 260.000 übersteige; die ordentliche Revision wurde letztlich für zulässig erklärt. Die beklagte Partei habe es verabsäumt, über die am Fahrzeug angebrachte Begutachtungsplakette den Kläger unverzüglich auszuforschen. Durch ein Vorgehen gemäß § 89a StVO werde massiv in Eigentumsrechte dritter Personen eingegriffen, weshalb an die zu erwartende Vorgangsweise ein hoher Sorgfaltsmaßstab anzulegen sei. Der Anschlag an der Amtstafel wäre nur dann ein rechtmäßiger Zustellvorgang gewesen, wenn zuvor alle zumutbarerweise anzuwendenden Mittel zur Feststellung des Eigentümers ausgeschöpft worden wären. Der beklagten Partei sei demnach ein Verstoß gegen § 89a Abs 5 StVO anzulasten. Das - im Revisionsverfahren allein zu erörternde - Mitverschulden des Klägers könne auch im Amtshaftungsverfahren eingewendet werden; ein solches sei anzunehmen, wenn dem Kläger eine für den Schadenseintritt kausale Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern, die auch in vorwerfbarer Untätigkeit liegen könne, anzulasten sei. Das Verhalten des Geschädigten sei als anspruchsmindernd zu beurteilen, wenn er es unterlassen habe, den Schaden abzuwenden bzw die Höhe oder den Umfang des entstandenen Schadens gering zu halten. Der Kläger sei bereits am Tag der Abschleppung vormittags vom Verbleib seines Fahrzeugs informiert worden. Die Nebenintervenientin habe ihm mitgeteilt, dass der PKW im Auftrag der beklagten Partei abgeschleppt worden sei. Dennoch habe er sich mit dieser nicht in Verbindung gesetzt. Er habe nicht damit rechnen können, dass er der beklagten Partei als Fahrzeugeigentümer bekannt sei. Er habe mit der Nebenintervenientin keinen Verwahrungsvertrag geschlossen, sondern das Fahrzeug, obwohl er gewusst habe, dass Abschleppkosten zu entrichten seien, einfach auf dem Gelände der Nebenintervenientin zurückgelassen. Obgleich ihm keine Rechnung und auch keine Mitteilung der beklagten Partei zugekommen seien, habe er keine Erkundigungen angestellt. Von einem "Maßmenschen" wäre zu erwarten gewesen, dass er mit der Nebenintervenientin einen Vertrag über die Verwahrung des Fahrzeugs geschlossen oder die Übernahme des Fahrzeugs erwirkt hätte. Die Untätigkeit des Klägers sei für den Schadenseintritt kausal gewesen, weil es bei entsprechender Aktivität zu keiner Versteigerung des Fahrzeugs gekommen wäre. Die (Fehl-)Verhaltensweisen der Parteien seien gleich zu gewichten.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist unzulässig.
Eine die Amtshaftung begründende Vorgangsweise der beklagten Partei dahin, dass sie den Vorgaben des § 89a Abs 5 StVO zuwider gehandelt und nicht die nötigen Schritte zur Ausforschung des Klägers eingeleitet hat, ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig. Zu beantworten ist nur mehr die Frage, ob und allenfalls, in welchem Ausmaß den Kläger ein Mitverschulden am Eintritt des von ihm behaupteten Schadens trifft. Dazu ist auszuführen:
Da die Grundsätze des bürgerlichen Rechts auch im Amtshaftungsrecht zu gelten haben, stehen dem haftungspflichtigen Rechtsträger alle Einwendungen zu, die nach bürgerlichem Recht dem Anspruch des Klägers entgegengehalten werden können. Insbesondere kann ein Mitverschulden des Geschädigten geltend gemacht werden (JBl 2000, 732; SZ 70/95; 1 Ob 37/93; ZVR 1992/57; SZ 64/126; Schragel AHG2 Rz 155; Mader in Schwimann ABGB2 Rz 69 zu § 1 AHG). Der Mitverschuldenseinwand ist allgemein und nicht nur bei "verfahrensfreien Verwaltungsakten" zulässig. In der Entscheidung SZ 64/126 und von Schragel (aaO) wird zwar die Ansicht vertreten, dass ein Mitverschuldenseinwand in der Regel nur bei verfahrensfreien Verwaltungsakten zum Tragen kommen werde, weil stets zu berücksichtigen sei, dass Organe der Rechtsträger ohne Rücksicht auf das Verhalten der Parteien und Beteiligten verpflichtet seien, sich an das Gesetz zu halten, doch führt der genannte Autor im Anschluss an diese von der Entscheidung SZ 64/126 wiedergegebene Ansicht aus, "auch das Erkennen oder Erkennenkönnen von Fehlern einer Behörde oder eines Organs" könne die Einwendung des Mitverschuldens rechtfertigen. Im vorliegenden Fall war der Fehler der Behörde für den Kläger ohne weiteres erkennbar, durfte er doch nicht annehmen, dass diese die Abschlepp- und Verwahrungskosten aus eigenen Mitteln tragen werde, sondern musste davon ausgehen, dass die beklagte Partei eine ihr unschwer mögliche Kontaktaufnahme mit ihm in fehlerhafter gesetzlicher Vorgangsweise unterlassen habe. Der Mitverschuldenseinwand der beklagten Partei ist daher im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zulässig.
Der Oberste Gerichtshof erörterte auch schon im Amtshaftungsverfahren die Folgen des Verstoßes einer Behörde gegen § 89a Abs 5 StVO: In der Entscheidung SZ 70/95 wurde ein solcher Verstoß festgestellt und deshalb der Amtshaftungsanspruch bejaht. Schon dort wurde ausdrücklich festgehalten, dass der Rechtsträger ein Mitverschulden des Geschädigten hätte einwenden können; mangels eines derartigen Einwands sei auf die Frage, ob tatsächlich konkret ein Mitverschulden vorgelegen sei, nicht weiter einzugehen.
Die Vorinstanzen haben die Frage, ob dem Kläger ein Verschulden anzulasten ist, zutreffend gelöst. Das Mitverschulden im Sinne des § 1304 ABGB hat kein Verschulden im technischen Sinn zur Voraussetzung. Nicht einmal Rechtswidrigkeit des Verhaltens ist nötig, sondern nur eine für den Schadenseintritt kausale Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern. Eine solche kausale Sorglosigkeit kann auch in vorwerfbarer Untätigkeit liegen. Der Geschädigte verletzt seine Schadensminderungspflicht, wenn er schuldhaft Handlungen unterlässt, die von einem verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt worden und geeignet wären, den Schaden abzuwehren oder zu verringern. Was zugemutet werden kann, bestimmt sich nach den Interessen beider Teile im Einzelfall und nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs. Maßgeblich ist, ob der Geschädigte jene Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Teilnehmer in seiner Lage angewandt hätte, um eine Schädigung nach Möglichkeit abzuwenden. Für die Aufteilung des Verschuldens sind vor allem die Größe und die Wahrscheinlichkeit der schuldhaft herbeigeführten Gefahr, die Bedeutung der verletzten Vorschrift und der Grad der Fahrlässigkeit von Bedeutung (JBl 2000, 732; SZ 70/95; SZ 70/108; ZVR 1992/57; SZ 64/126; Schragel aaO; Mader aaO; Harrer in Schwimann aaO Rz 27 und 40 zu § 1304). Das Verhalten des Klägers, der es trotz der ihm zugekommenen Informationen unterließ, sein Fahrzeug wieder an sich zu bringen oder Kontakt mit der beklagten Partei aufzunehmen bzw einen Verwahrungsvertrag mit der Nebenintervenientin abzuschließen und das Fahrzeug auf seine Kosten bei dieser zu belassen, ist als sorglos gegenüber seinem eigenen Gut zu qualifizieren, insbesondere wenn die Dauer der ihm anzulastenden Untätigkeit - von der Abschleppung bis zur Versteigerung verstrich fast ein Jahr - in Rechnung stellt.
Aber auch die gleichteilige Verschuldensteilung begegnet keinen Bedenken. Die Bewertung des Mitverschuldens erfolgt stets einzelfallbezogen; dem wurde von den Vorinstanzen Rechnung getragen. Wenn auch der geschädigte Kläger grundsätzlich darauf vertrauen durfte, dass die Gesetze korrekt vollzogen werden (Schragel aaO), darf doch nicht übersehen werden, dass er - wie schon ausgeführt - die fehlerhafte Vorgangsweise der Behörde hätte erkennen müssen und dennoch lange Zeit untätig blieb, obwohl ein Durchschnittsmensch zur ordnungsgemäßen Wahrung seines Eigentums ehestens danach getrachtet hätte, dieses wieder an sich zu bringen. Diese Untätigkeit rechtfertigt die Schadensteilung im Verhältnis 1 : 1 (vgl JBl 2000, 732; siehe Schragel aaO). Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers haben sowohl er wie auch die beklagte Partei grob fahrlässig gehandelt, sodass die Verantwortung des Schädigers nicht überwiegt (vgl Harrer aaO Rz 42 zu § 1304).
Der Kläger zeigte keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung auf - und es liegen solche auch nicht vor -, weshalb die Revision zurückzuweisen ist. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a ZPO nicht gebunden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Zur Höhe der Kosten ist auszuführen, dass dem Revisionsverfahren nur mehr ein Streitgegenstand von S 45.000 zugrunde lag, blieb doch der Ausspruch, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht bestehe, seitens der beklagten Partei unangefochten.
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