European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00238.22I.1220.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
[1] Die Vorinstanzen verpflichteten die Beklagte – eine Zahnärztin – wegen einer am Kläger ohne rechtswirksame Einwilligung vorgenommenen Zahnbehandlung zur Zahlung eines Schmerzengeldes von 10.000 EUR sowie zur Rückzahlung eines Honorars von 3.438,70 EUR und stellten ihre Haftung für sämtliche zukünftige aus der Behandlung resultierenden Schäden fest.
Rechtliche Beurteilung
[2] 1. Die von der Revisionswerberin gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor:
[3] 1.1. Das Berufungsgericht hat ihr zutreffend entgegengehalten, dass die bloße Behauptung, das zugesprochene Schmerzengeld sei nicht angemessen, keine gehörig ausgeführte Rechtsrüge ist (RS0043573 [T17]). Die Beklagte hat sich in ihrer Berufung in keiner Weise mit den Erwägungen des Erstgerichts auseinandergesetzt, das die Höhe des Schmerzengeldes im Sinne einer Globalbemessung nicht nur unter Bedachtnahme auf die festgestellten Schmerzperioden, sondern insbesondere auch auf das (junge) Alter des Klägers und die dauerhafte Schädigung der Zahnsubstanz festgesetzt hat.
[4] 1.2. Die Beklagte selbst erkennt, dass nach Ausführung des Gerichtssachverständigen eine absolute Behandlungsindikation für vier weitere Zähne bloß dann bestanden hätte, wenn man die Aussage der Beklagten für wahr hielte. Dass die Tatsacheninstanzen der Beklagten insofern nicht gefolgt sind, bildet weder einen Verfahrensmangel noch eine Aktenwidrigkeit.
[5] 1.3. Ebenso wenig trifft die Behauptung der Rechtsmittelwerberin zu, das Berufungsgericht hätte ihre Beweisrüge teilweise unerledigt gelassen. Das Berufungsgericht hat lediglich darauf hingewiesen, dass die Beklagte zur Negativfeststellung, wonach nicht festgestellt werden konnte, dass sie den Kläger über ein typisches Behandlungsrisiko (Auftreten einer Kälte‑Wärme‑Empfindlichkeit bei Keramik‑Inlays) aufgeklärt hätte, keine Ersatzfeststellung beantragt hatte. Entgegen der Meinung der Beklagten prüfte das Berufungsgericht die von ihr bekämpften Feststellungen zum hypothetischen Kausalverlauf bei ordnungsgemäßer Aufklärung inhaltlich aber sehr wohl.
[6] 2. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt zeigt die Beklagte auch im Rahmen der Rechtsrüge keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:
[7] 2.1. Ihr Einwand, den Kläger treffe ein Mitverschulden, weil er während des erstinstanzlichen Verfahrens keine zahnärztliche Behandlung in Anspruch genommen habe, setzt sich nicht näher mit dem Argument der Vorinstanzen auseinander, dass dieser bis zur Gutachtenserörterung in der letzten Tagsatzung darauf vertrauen durfte, seine Schmerzen würden auch ohne Behandlung im Laufe der Zeit abnehmen. Die Behauptung, (Flour‑)Lacke oder Pasten hätten zu einer Besserung des Zustands des Klägers geführt, ignoriert die Feststellungen, dass der Kläger, obwohl ihn die Beklagte damit behandelte, weiterhin unter Schmerzen litt und von ihr Schmerzmittel verschrieben bekam.
[8] 2.2. Nach der bereits vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung steht dem behandelnden Arzt für wertlose Leistungen kein Honorar zu (RS0038663 [T21, T22]). Dazu kommt, dass der Kläger infolge fehlender Aufklärung den Behandlungen nicht wirksam zugestimmt hat, sodass er nicht nur berechtigt ist, Schmerzengeld nach § 1325 ABGB zu verlangen, sondern auch das geleistete Honorar zurückzufordern (7 Ob 137/12s; 6 Ob 558/91). Dadurch, dass die Vorinstanzen dem Kläger ohnehin nur den auf vier noch nicht unbedingt behandlungsbedürftige Zähne entfallenden Teil der geltend gemachten Behandlungskosten zuerkannt haben, ist die Beklagte jedenfalls nicht beschwert. Konkrete Umstände, die einen Vorteilsausgleich rechtfertigten, hat die Beklagte schon in erster Instanz nicht vorgebracht (RS0036710 [T4]).
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