OGH 1Ob205/07i

OGH1Ob205/07i3.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kyra S*****, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Erwin K*****, vertreten durch Mag. Detlev Baumgarten, Rechtsanwalt in Wien, wegen 765.000 EUR sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 6. August 2007, GZ 15 R 163/07m-26, womit der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 24. Mai 2007, GZ 22 Cg 167/06v-20, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 3.384,60 EUR (darin 564,10 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte den Klagsbetrag als Kaufpreis für 32 Geigen. Sie habe diese zum Beklagten nach Deutschland transportiert. Der Beklagte habe die Instrumente übernommen, um sie im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu verkaufen. Der vereinbarte Kaufpreis hätte nach dem Fortschritt der Verkaufsbemühungen in mehreren Teilbeträgen an die Klägerin gezahlt werden müssen, was nicht geschehen sei. Zur Zuständigkeit des angerufenen Gerichts berief sich die Klägerin auf Art 57 UN-Kaufrecht iVm Art 5 EuGVVO.

Der Beklagte erhob ua die Einrede der Unzuständigkeit.

Das Erstgericht wies die Klage wegen mangelnder inländischer Gerichtsbarkeit zurück. Gemäß Art 2 Abs 1 EuGVVO seien Personen mit Wohnsitz im Ausland vor den Gerichten des Wohnsitzstaats zu verklagen. Im Übrigen sei - da die Klägerin selbst behaupte, die Geigen dem Beklagten in Deutschland übergeben zu haben - der Erfüllungsort iSd Art 5 Nr 1 lit b EuGVVO in Deutschland gelegen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Nach Art 5 Nr 1 lit b EuGVVO bestimme sich der Erfüllungsort nach dem Ort, an den die Waren nach dem Vertrag geliefert wurden oder hätten geliefert werden müssen. Sei die Lieferung bereits erfolgt, so sei der tatsächliche Lieferort maßgebend, wenn der Käufer die Lieferung an diesem Ort als vertragsgemäß angenommen habe. Die Frage des Anwendungsvorrangs zwischen EuGVVO und UN-Kaufrecht in bezug auf den Gerichtsstand des Erfüllungsorts stelle sich schon deshalb nicht, weil Art 57 UN-Kaufrecht lediglich den rechtlichen Erfüllungsort für die Zahlung des Kaufpreises betreffe, nach Art 5 Nr 1 lit b EuGVVO diesem Erfüllungsort jedoch keine Bedeutung zukomme. Es könne höchstens überlegt werden, ob in bezug auf eine Zahlungsklage eine (ausdrückliche) Vereinbarung über den Ort der Kaufpreiszahlung auch neben der Bestimmung des Art 5 Nr 1 lit b EuGVVO maßgeblich bliebe. Auf eine solche Vereinbarung berufe sich die Klägerin aber nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Klägerin begründet die Zulässigkeit ihres außerordentlichen Rechtsmittels mit fehlender Judikatur zur internationalen Zuständigkeit bei Zahlungsklagen durch den Verkäufer in Ansehung des Art 5 EuGVVO im Verhältnis zu Art 57 Abs 1 UN-Kaufrecht. Tatsächlich hat der Oberste Gerichtshof noch nicht ausdrücklich zu diesem Spannungsverhältnis Stellung genommen, weshalb die Zulässigkeit des Revisionsrekurses zu bejahen ist.

In der Sache selbst führt die Klägerin aus, der österreichische Exporteur könne gemäß Art 57 Abs 1 UN-Kaufrecht mangels gegenteiliger Vereinbarung die Zahlungsklage beim österreichischen Gericht einbringen. Das UN-Kaufrecht stelle materielles Einheitsrecht in den Vertragsstaaten dar und gehe rein prozessualen Bestimmungen vor.

Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Der erkennende Senat führte in der Entscheidung 1 Ob 94/04m - welcher (ebenfalls) ein nach UN-Kaufrecht zu beurteilender Sachverhalt zugrunde lag - aus, dass derjenige Ort, an dem die für den Kaufvertrag charakteristische Leistung erbracht wurde oder zu erbringen gewesen wäre, Erfüllungsort im prozessualen Sinn sei. Der Ort, an dem die Sachleistung tatsächlich erbracht wurde, sei ausschlaggebendes Kriterium für die Begründung der internationalen (Wahl-)Zuständigkeit. Maßgeblich sei, dass sich der Erfüllungsort pragmatisch an Hand tatsächlicher Kriterien - also autonom - bestimme und nicht an rechtliche Kriterien anknüpfe. Soweit in der Lehre - insbesondere unter Hinweis auf den missglückten Wortlaut des Art 5 Nr 1 lit b EuGVVO - zum Teil gegenteilige Ansichten vertreten würden, könne diesen nicht beigepflichtet werden, denn eine derartige Auslegung widerspräche der Intention des Verordnungsgebers, den zuständigkeitsrelevanten Erfüllungsort ohne Rückgriff auf materiell-rechtliche innerstaatliche Regelungen autonom zu bestimmen, in krasser Weise (vgl 4 Ob 147/03a; 7 Ob 112/07g).

Der Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Auf jüngst in der Literatur - zu Fragen des Versendungskaufs - ergangene kritische Stellungnahmen (siehe etwa Ferrari in ecolex 2007, 303) ist nicht einzugehen, zumal es sich hier um keinen Versendungskauf handelt.

Wird vertragsgemäß Ware zum Wohnsitz/Sitz des Käufers geliefert, so entsteht für diesen ein forum actoris. Dies gilt auch dann, wenn der Vertrag UN-Kaufrecht untersteht (Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht2, Art 5 EuGVVO Rz 87). Auf Art 57 UN-Kaufrecht ist bei einer Kaufpreisklage nicht mehr abzustellen, da der Lieferort - solange Art 5 Nr 1 lit b EuGVVO angewendet wird, einheitlich für alle Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag maßgebend ist (Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht8, Art 5 EuGVVO Rz 49).

Dem Revisionsrekurs der Klägerin ist sohin ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 50, 41 ZPO.

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