OGH 1Ob197/01d

OGH1Ob197/01d22.10.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** reg. Genossenschaft m. b. H., ***** vertreten durch Dr. Franz Hofbauer, Rechtsanwalt in Ybbs, wider die beklagte Partei Irmgard L*****, vertreten durch Mag. Christian Kies, Rechtsanwalt in Scheibbs, wegen 157.500 S infolge ordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Juni 2000, GZ 11 R 34/00a-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 9. November 1999, GZ 2 Cg 231/98a-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Foge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 8.380 S (darin 1.395 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Scheibbs vom 19. 1. 1998 wurde die Beklagte gemäß § 273 ABGB zur Sachwalterin bestellt. Nach ihrem Aufgabenkreis hatte sie den Betroffenen vor Ämtern und Behörden zu vertreten und sein Vermögen zu verwalten. Der Betroffene hatte eine Spareinlage bei der klagenden Partei. Mit Beschluss vom 5. 3. 1998 ordnete das Sachwalterschaftsgericht an, dass "über die mit der Bezeichnung 'Mündelgeld' versehene oder zu versehende Spareinlage Nr. 80292580000, lautend auf 'Mündel' ... nur mit gerichtlicher Genehmigung verfügt werden darf". Die klagende Partei teilte dem Gericht sodann mit Schreiben vom 9. 3. 1998 mit, "das bei ihr geführte Sparbuch" sei "als 'Mündelgeld' angelegt". Dispositionen seien "nur mittels Gerichtsbeschlusses möglich".

Am 7. 7. 1998 suchte der Betroffene in Begleitung seines Sohnes eine Zweigstelle der klagenden Partei auf. Er legte das Sparbuch, das ihm die Beklagte ausgefolgt hatte, vor und verlangte unter Nennung des Losungsworts die Auszahlung eines Betrags von 315.000 S. Das Losungswort hatte die Beklagte dem Betroffenen "bereits geraume Zeit vorher mitgeteilt". Diesem Zahlungsverlangen entsprach eine Mitarbeiterin der klagenden Partei, die die gerichtliche Sperre übersehen hatte. Bemühungen der klagenden Partei und des Gerichts, den Betroffenen zur Rückzahlung der ausgezahlten Spareinlage zu bewegen, scheiterten. Daraufhin forderte der zuständige Richter den "Direktor" der klagenden Partei am 31. 7. 1998 fernmündlich auf, den abgehobenen Betrag von 315.000 S "samt den zwischenzeitlich angefallenen Zinsen" wieder "dem Mündelkonto" gutzuschreiben, was in der Folge auch geschah.

Die klagende Partei begehrte primär den Zuspruch von 157.500 S; hilfsweise strebte sie die Feststellung an, dass ihr die Beklagte wegen des aus der Übergabe des Sparbuchs an den Betroffenen künftig entstehenden Schadens "bis zur Hälfte, bis zu 157.500 S" hafte. Sie brachte vor, die Spareinlage sei dem Betroffenen aufgrund eines Mitarbeiterversehens ausgezahlt worden. Der Betroffene habe deren Rückzahlung mit der Behauptung verweigert, das Geld sei ihm gestohlen worden. Die Beklagte hafte wegen einer Verletzung ihrer Rechtspflichten als Sachwalterin nach den §§ 1299, 1300 ABGB. Sie habe auch das Vermögen des Betroffenen zu verwalten gehabt. Die Übergabe des Sparbuchs an den Betroffenen unter Nennung des Losungsworts sei keinesfalls zulässig gewesen. Der eingeklagte Schaden sei nach "Auffüllung des Sparkontos bereits eingetreten". An der begehrten Feststellung bestehe dann ein rechtliches Interesse, wenn die Gerichte zum Ergebnis gelangen sollten, ein Schaden werde erst durch die Behebung der dem Sparbuch wieder gutgeschriebenen Einlage eintreten.

Die Beklagte wendete ein, sie unterhalte mit der klagenden Partei keine Vertragsbeziehungen. Sie habe keine gesetzlichen Bestimmungen verletzt und könne nicht für das Versehen einer Mitarbeiterin der klagenden Partei zur Verantwortung gezogen werden. Sie müsse für einen reinen Vermögensschaden der klagenden Partei schon "mangels Rechtswidrigkeit" ihres Verhaltens nicht einstehen. Ein allfälliges Verschulden sei auch nicht nach dem Maßstab der §§ 1299, 1300 ABGB zu beurteilen.

Das Erstgericht wies das Hauptklagebegehren ab, gab jedoch dem hilfsweise erhobenen Feststellungsbegehren teilweise (Haftung der Beklagten "zu einem Viertel") statt und wies das Klagemehrbegehren ab. Nach dessen Ansicht ist der Betroffene durch die vom Sachwalterschaftsgericht angeordnete Sparbuchgutschrift von 315.000 S bereichert. Die klagende Partei dürfe die "Rückabwicklung der im August 1998 erfolgten Einzahlung".zumindest solange verlangen, "als nicht ein tatsächlicher Schaden im Vermögen des Betroffenen eingetreten sei. Sie habe bisher aber auch noch keinen Schaden erlitten. Demnach sei das Leistungsbegehren abzuweisen. Das Eventualbegehren sei dagegen teilweise berechtigt, weil das Feststellungsinteresse auch bei Eintritt eines künftigen Schadens zu bejahen sei. Ein solcher Schaden werde durch den Verbrauch der Spareinlage für Bedürfnisse des Betroffenen eintreten. Die Beklagte habe ihre Rechtspflichten als Sachwalterin durch die Ausfolgung des Sparbuchs an den Betroffenen unter Nennung des Losungsworts vernachlässigt. Ihr Verschulden an dem allfälligen Vermögensschaden der klagenden Partei trete jedoch hinter jenes deren Mitarbeiterin zurück, sodass sie nur für ein Viertel eine solchen Schadens hafte.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es auch das Eventualbegehren zur Gänze abwies. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 52.000 S, jedoch nicht insgesamt 260.000 S übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Mit Beschluss vom 15. 4. 2001 änderte es den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, es müsse nicht geklärt werden, ob die klagende Partei überhaupt einen Vermögensschaden erlitten habe, müssten doch für die Durchsetzung des erhobenen Ersatzanspruchs "auch die übrigen schadenersatzrechtlichen Zuordnungskriterien bejaht werden". Das Verhalten der Beklagten sei für die Auszahlung der Spareinlage an den Betroffenen kausal gewesen. Es sei auch rechtswidrig gewesen, weil sie dem Betroffenen als Verwalterin seines Vermögens weder das Sparbuch aushändigen noch das Losungswort hätte nennen dürfen. Allerdings habe die Beklagte einen allfälligen Vermögensschaden der klagenden Partei nicht adäquat verursacht, weil das Verhalten der Beklagten nur "durch ein außergewöhnliche Verkettung von Umständen eine Bedingung für den Schaden" geworden sei. Überdies erschöpfe sich der Schutzzweck der Rechtspflicht, dem Betroffenen ein Sparbuch nach einer gerichtlichen Sperre der Einlage nicht auszuhändigen, auf die Vermeidung dessen Verlusts und eines eventuellen Kraftloserklärungsverfahrens. Die Sachwalterin habe nach dem normalen Lauf der Dinge nicht annehmen müssen, dass dem Betroffenen die Abhebung eines Geldbetrags trotz der gerichtlichen Sperre der Spareinlage gelingen werde. Sie habe darauf vertrauen dürfen, dass eine Auszahlung an den Betroffenen nicht erfolgen werde. Ihr sei daher auch kein Verschulden anzulasten. Die schuldhafte "Missachtung der gerichtlichen Sperre des Sparbuchs" durch eine Angestellte der klagenden Partei schließe einen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte aus. Eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung käme nur in Betracht, wenn der Betroffene im Besitz der behobenen Spareinlage wäre. Das stehe jedoch nicht fest. Jedenfalls habe die klagende Partei aber keinen "Regressanspruch nach § 896 ABGB" gegen die Beklagte. Die ordentliche Revision sei - entgegen dem ursprünglichen Ausspruch - zulässig, weil sich das Berufungsgericht "nicht ausdrücklich mit der Frage" befasst habe, "inwieweit durch den erhöhten Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB die beklagte Sachwalterin nicht doch adäquat zur Schadensverursachung beigetragen" habe.

Die Revision ist zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Prozessuales:

1. 1. Der Ausspruch des Berufungsgerichts über die Bewertung des Entscheidungsgegenstands war entbehrlich, weil das Hauptklagebegehren einen Anspruch auf Geldleistung zum Gegenstand hat. Ein Bewertungsausspruch war auch nicht wegen des hilfsweise erhobenen Feststellungsbegehrens erforderlich. Das folgt schon daraus, dass die klagende Partei die Feststellung der Haftung der Beklagten für den Ersatz eines bestimmten Geldbetrags anstrebte. Insofern ist ein geldgleicher Anspruch Streitgegenstand; ein solcher ist nicht nach § 56 Abs 2 JN zu bewerten. Der Streitwert entspricht vielmehr dem dem Feststellungsbegehren zugrunde liegenden Geldbetrag (EvBl 2001/42 = ÖBA 2001, 556). Dieser Streitwert deckt sich mit dem zweitinstanzlichen Entscheidungsgegenstand, soweit im Berufungsverfahren noch das gesamte Feststellungsbegehren strittig ist.

1. 2. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision gemäß § 508 Abs 3 ZPO nachträglich mit der schon wiedergegebenen Begründung zu, bedachte dabei aber offenbar nicht, dass das Haupt- und das Eventualklagebegehren auch dann scheitern müssten, wenn die Beklagte den geltend gemachten Schaden zwar adäquat verursacht hätte, jedoch die Einhaltung deren Rechtspflicht zur Verwahrung des Sparbuchs, wie vom Berufungsgericht gleichfalls bejaht, nicht dem Schutz Dritter gegen den Eintritt von Vermögensschäden dienen sollte.

Die Revision ist allerdings deshalb zulässig, weil es angesichts der Regelung des § 9 Abs 5 AHG zu erörtern gilt, ob der gerichtlich bestellte Sachwalter Organ gemäß § 1 Abs 2 AHG ist, auch wenn diese Frage zwischen den Parteien keinen Streitpunkt bildet. Überdies bedürfen die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Schutzzweck der die Sachwalterschaft regelnden Normen einer Ergänzung.

3. Rechtsgrundlagen der Sachwalterschaft:

3. 1. Für die Beurteilung der Rechtsstellung der Beklagten als Sachwalterin sind noch die einschlägigen Bestimmungen des ABGB in ihrer Fassung vor dem KindRÄG 2001 BGBl I 2000/135 maßgebend.

Nach § 282 ABGB in dieser Fassung waren, soweit es an Sonderbestimmungen mangelte, die Bestimmungen über den Vormund auch für die Rechte und Pflichten des Sachwalters (Kurators) maßgebend. Gemäß dem - mittlerweile aufgehobenen - § 228 ABGB waren auf die Vermögensverwaltung durch den Sachwalter die Normen über die Verwaltung des Vermögens eines minderjährigen ehelichen Kindes durch seine Eltern anzuwenden. Somit war - und ist - das Vermögen des Betroffenen in sinngemäßer Anwendung des § 149 Abs 1 ABGB mit der Sorgfalt eines ordentlichen Sachwalters zu verwalten. Der Sachwalter hat es in seinem Bestand zu erhalten und nach Möglichkeit zu mehren und Geld nach den Vorschriften über die Anlegung von Mündelgeld - § 230 ABGB entsprechend - anzulegen. Nach § 150 ABGB ist dem Gericht über die Vermögensverwaltung unter den dort angeführten Voraussetzungen jährlich Rechnung zu legen. Diese Rechnungslegung ist in den §§ 204 ff AußStrG im Einzelnen geregelt. Das Gericht hatte gemäß § 208 AußStrG in der Fassung vor dem KindRÄG 2001 jede Rechnung des Sachwalters "genau" zu überprüfen. Verträge des Betroffenen bedürfen nach den §§ 187 ff AußStrG der gerichtlichen Genehmigung. Bei der Anlegung von Geld des Betroffenen hatte das Gericht die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften durch den Sachwalter gemäß § 193 Abs 1 AußStrG (aF) - die neue Fassung hat die Überwachungspflichten nur noch verschärft - zu überwachen und, wenn es von einer Gefährdung des Wohls des Betroffenen in Hinsicht auf die Anlegung seines Geldes Kenntnis erlangte, die gesetzmäßige Anlegung durch Aufträge an den Sachwalter sicherzustellen. Auch sonst hatte das Gericht gemäß § 193 Abs 2 AußStrG (aF) die zur Sicherung des Vermögens des Betroffenen erforderlichen Verfügungen zu treffen und im Allgemeinen anzuordnen, dass über das angelegte Vermögen nur mit gerichtlicher Genehmigung verfügt werden darf oder die dieses Vermögen betreffenden Urkunden gerichtlich zu verwahren sind. Gemäß § 254 ABGB (aF) war ein Vormund - und daher auch ein Sachwalter - von Amts wegen etwa dann zu entlassen, wenn er die Vormundschaft bzw Sachwalterschaft "pflichtwidrig verwaltet" oder "als unfähig erkannt wird". § 262 ABGB (aF) zufolge hatte ein Vormund bzw Sachwalter dem Gericht nach Beendigung der Vormundschaft eine Schlussrechnung zu übergeben, deren "Richtigkeit" gerichtlich zu überprüfen war.

3. 2. Aus den erörterten Rechtsgrundlagen erhellt, dass das Gericht nicht nur die Gesetzmäßigkeit der in Vertretung des Betroffenen getroffenen und in Aussicht genommenen Rechtshandlungen des Sachwalters zu überwachen und deren Zweckmäßigkeit zu prüfen, sondern dessen Vermögensverwaltung auch laufend sorgfältig zu überwachen und an Hand der gelegten Rechnungen deren Richtigkeit und Zweckmäßigkeit im Detail zu beurteilen hatte und - nach der neuen Rechtslage - hat (1 Ob 156/01z; RZ 1995/61). Es hatte - und hat - überdies Sicherungs- maßnahmen zu ergreifen, wenn bestimmten Verwaltungsmaßnahmen eine Gefährdung der Vermögensinteressen des Betroffenen indizieren.

4. Meinungsstand zur Rechtsstellung des Sachwalters:

4. 1. Der Oberste Gerichtshof sprach in der Entscheidung 1 Ob 68/56 (= JBl 1956, 409) aus, dass "der Vormund ... allein und ausschließlich im Interesse des Mündels bestellt und tätig" werde. Er hafte gegenüber dem Mündel für schuldhafte Pflichtverletzungen. Gegenüber Dritten habe er dagegen "keine gesetzlichen Sorgfaltspflichten". Dennoch wurde die Abweisung des gegen den Bund gerichteten Amtshaftungsklagebegehrens, das auf eine nach den Klagsbehauptungen pflichtwidrige Unterlassung eines - seinerzeit so genannten - Amtsvormunds gestützt war, nicht schon deshalb bestätigt, weil ein Vormund in Erfüllung seiner Rechtspflichten nicht hoheitlich agiere, somit nicht Organ im Sinne des § 1 Abs 2 AHG sei und sein Verhalten deshalb auch nicht die Amtshaftung eines Rechtsträgers auslösen könne, sondern letztlich deswegen, weil ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der behaupteten pflichtwidrigen Unterlassung und dem von einer Dritten - der Mutter des Mündels - geltend gemachten Vermögensschaden verneint wurde. Diese Entscheidung lässt also eine unmissverständliche Festlegung in der Frage nach der Organstellung eines Vormunds - und daher vor dem Hintergrund der Ausführungen unter 3. 1. auch eines Sachwalters nach geltendem Recht - noch vermissen.

In der Entscheidung 5 Ob 342/64 (= SZ 38/11) berief sich der Oberste Gerichtshof auf die eingangs zitierte Entscheidung und führte aus, es sei schon dort klargestellt worden, dass der Kurator und der Vormund "mangels hoheitlicher Aufgaben" keine Organe im Sinne des § 1 Abs 2 AHG seien. Das gelte auch für die durch Mitarbeiter eines Jugendamts ausgeübte Amtsvormundschaft. Der Kurator und der Vormund hafteten dem Kuranden bzw dem Mündel für schuldhafte Pflichtverletzungen persönlich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Dieses Ergebnis wurde auf die in dieser Entscheidung fortgeschriebene Erwägung gestützt, "der Kurator" werde "allein und ausschließlich im Interesse des Kuranden ebenso wie der Vormund im Interesse des Mündels bestellt". In den nachfolgenden Entscheidungen 1 Ob 233/71 (= SZ 44/139 [Abwesenheitskurator]) und 5 Ob 515/87 (Verlassenschaftskurator) wurde nur noch kurz angemerkt, Kuratoren besorgten keine hoheitlichen Aufgaben, weshalb eine Rechtsträgerhaftung nach § 1 Abs 1 AHG ausscheide. In der strafrechtlichen Entscheidung 10 Os 197/83 (= EvBl 1985/8), die das honheitliche Verhalten freilich auf die Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt einschränkt (siehe dagegen zum Stand der zivilrechtlichen Rechtsprechung JBl 2000, 179 [Kalb]), wird dagegen bei Beurteilung der Aufgaben der Amtsvormundschaft danach unterschieden, ob solche mit oder ohne "imperium" zu verrichten seien. Bei der Verwaltung von Mündelvermögen handle der Amtsvormund aber nicht hoheitlich. Deshalb sei in der Veruntreuung von Mündelgeldern nicht auch ein "in Tateinheit zusammentreffender" Missbrauch der Amtsgewalt zu erblicken.

4. 2. Im amtshaftungsrechtlichen Schrifftum wurde die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs unter Berufung auf die Entscheidungen 1 Ob 233/71 (= SZ 44/139) und 5 Ob 342/64 (= SZ 38/11) von Schragel (AHG2 § 1 Rz 41; Verbesserter Zugang zur Amtshaftung, ÖJZ 1988, 577, 584) sowie Mader in Schwimann (ABGB2 § 1 AHG Rz 10 [auch unter Zitierung der weiteren Entscheidungen 5 Ob 515/87 und EvBl 1985/8]) gebilligt. Vrba/Zechner (Kommentar zum Amtshaftungsrecht 114) hielten indes der herrschenden Auffassung entgegen, "Akte im gerichtlichen Verfahren durch gerichtlich bestellte Organe" könnten nur "Hoheitsakte" sein. Unzutreffend sei das Argument, "die Personen- und Vermögenssorge für Schutzbedürftige im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens" erfolge nur in deren privatem Interesse, indizierten doch die gerichtlichen Verfahren der Kuratel bzw Vormundschaft auch ein öffentliches Interesse am intendierten Schutz der jeweils betroffenen Person. Somit hätten aber Kuratoren und Vormünder eine Doppelfunktion, weshalb ihre "privatrechtlichen Verhaltensweisen ... für den Vertretenen auch dem Rechtsträger als hoheitliche Realakte zuzurechnen" seien. Danach seien die "gerichtlich bestellten gesetzlichen Vertreter" als Organe nach § 1 Abs 2 AHG anzusehen.

5. Beurteilung des Meinungsstands:

An der Kritik von Vrba/Zechner trifft zu, dass eine Vormundschaft bzw Sachwalterschaft nicht nur im Interesse des jeweiligen Mündels bzw Betroffenen, sondern auch im öffentlichen Interesse ausgeübt wird, ist doch der erforderliche rechtliche Schutz für Minderjährige bzw für behinderte Personen ein Anliegen des Gemeinwesens. Es nimmt daher auch der Sachwalter eine Doppelrolle wahr. Indem er die Interessen des Betroffenen wahrnimmt, handelt er auch im staatlichen Interesse an der Gewährleistung des erforderlichen rechtlichen Schutzes für eine behinderte Person. Entgegen Vrba/Zechner folgt daraus aber nicht, dass das Verhalten des Sachwalters als Vertreter des Betroffenen als hoheitlicher Realakt nach funktionellen Kriterien auch dem Bund als Rechtsträger gemäß § 1 Abs 1 AHG zuzurechnen sei, weil sich die Lehre von der "Doppelfunktion" des Verhaltens eines solchen Vertreters auf die unzutreffende Annahme stützt, ein staatlicher Rechtsträger könne ein Ziel im öffentlichen Interesse nur durch Akte hoheitlicher Vollziehung erreichen.

Ein im Kern gleicher Gedankengang bei vergleichbarer Problemlage liegt bereits der Entscheidung 1 Ob 47/00v zugrunde. Dort wurde am Beispiel einer Wassergenossenschaft als Körperschaft öffentlichen Rechts klargestellt, das das Verhalten physischer Personen in Verfolgung statutarischer Zwecke zwar im öffentlichen Recht wurzle, aber nicht jede Vollziehung öffentlichen Rechts durch solche Körperschaften der Sache nach mit Hoheitsverwaltung gleichgesetzt werden dürfe, hätten doch Genossenschaften öffentlichen Rechts nach der neueren Verwaltungsrechtslehre und der Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts keinerlei hoheitlichen Befugnisse. Dementgegen beruhe die ältere Amtshaftungsjudikatur, im Besonderen aber das amtshaftungsrechtliche Schrifttum auf einer nicht zu billigenden "generellen Gleichsetzung der Vollziehung öffentlichen Rechts mit Akten hoheitlicher Vollziehung".

Die im Anlassfall maßgebende Abgrenzungsfrage ist auf dem Boden der unter 3. 2. zusammengefassten Gerichtsaufgaben zu lösen. Danach hat das Gericht die Gesetzmäßigkeit der in Vertretung des Betroffenen vorgenommenen bzw der in Aussicht genommenen Rechtshandlungen des Sachwalters zu überwachen und deren Zweckmäßigkeit zu prüfen. Die gesamte Vermögensverwaltung ist also laufend sorgfältig zu überwachen. Ferner sind Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, wenn bestimmte Verwaltungsmaßnahmen des Sachwalters eine Gefährdung der Vermögensinteressen des Betroffenen indizieren. Das Gericht wirkt also, solange es die erörterte Vermögensverwaltung nicht durch Weisungen inhaltlich bestimmt, an den Vertretungshandlungen des Sachwalters namens des Betroffenen nicht mit, sondern beschränkt sich vielmehr auf die erforderlichen Überwachungs- und auf allfällige Sicherungsmaßnahmen. Nur diese Aufgaben - allenfalls auch in Verbindung mit Weisungen an den Sachwalter, bestimmte Vertretungshandlungen zu setzen, - sind Maßnahmen der hoheitlichen Vollziehung.

Erfüllt daher der Sachwalter anlässlich eines bestimmten Akts der Vermögensverwaltung namens des Betroffenen nur eine gerichtliche Weisung, so ist er gleichsam als "verlängerter Arm" des Richters selbst in den Aufgabenkreis hoheitlicher Vollziehung einbezogen und soweit als Organ nach § 1 Abs 2 AHG zu beurteilen (so auch Vrba/Zechner aaO). Im Falle einer Schädigung des Betroffenen oder eines Dritten käme dann nach funktionellen Kriterien nur die Amtshaftung des Bundes als Rechtsträger gemäß § 1 Abs 1 AHG in Betracht. Handelt der Sachwalter dagegen eigenverantwortlich als Vertreter des Betroffenen und verursacht er dabei einen Schaden, so hat er dafür persönlich nach den allgemeinen Bestimmungen des Schadenersatzrechts einzustehen.

Die soeben erläuterte grundsätzliche Trennlinie zwischen den durch gerichtliche Hoheitsakte einerseits und nicht hoheitliches Verhalten des Sachwalters andererseits zu vollziehenden Bereichen des Sachwalterrechts klingt auch bei Schragel (ÖJZ 1988, 584) an, soweit dieser Autor festhält, bei der Lösung der Abgrenzungsfrage komme es darauf an, "ob die bestellte Person selbst hoheitliche Aufgaben zu erfüllen hat oder aber nur unter hoheitlicher Kontrolle steht".

Der erkennende Senat gelangt daher zusammenfassend zum Ergebnis, dass der Sachwalter bei Ausübung der ihm durch die gerichtliche Bestellung anvertrauten Agenden nur soweit als Organ gemäß § 1 Abs 2 AHG zu qualifizieren ist, als er in Erfüllung einer richterlichen Weisung handelt. Andernfalls hat er für einen durch sein Verhalten als Sachwalter verursachten Schaden persönlich nach den allgemeinen Bestimmungen des Schadenersatzrechts einzustehen. Da von einem auf richterlicher Weisung beruhenden Verhalten der Sachwalterin keine Rede sein kann, bleibt Amtshaftung außer Betracht.

6. Rechtswidrigkeitszusammenhang:

6. 1. Nach der Rechtsprechung setzt die Haftung aufgrund einer Schutzgesetzverletzung voraus, dass die verletzte Norm die Verhinderung jenes Schaden anstrebte, der sich letztlich realisierte. Es wird nur für solche Schäden gehaftet, die sich als Verwirklichung derjenigen Gefahr darstellen, derentwegen der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten gefordert oder untersagt hat. Die Nichtberücksichtigung der eingrenzenden Wirkung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs hätte sonst eine uferlose Haftpflicht zur Folge. Für den Bereich - der hier nicht anwendbaren - Amtshaftung wird insoweit ausgesprochen, daraus allein, dass eine (Amts)Handlung, die dem öffentlichen Interesse diene, mittelbar auch die Interessen eines Dritten berühre, ihm zugute komme und ihm damit als Reflexwirkung pflichtgemäßen Handelns einen Vorteil verschaffe, lasse sich noch nicht auf das Vorliegen einer Amtshaftungspflicht gerade diesem gegenüber schließen. Diese Grundsätze haben auch hier zu gelten. Dabei hat das Gericht das anzuwendende Schutzgesetz teleologisch zu interpretieren, um herauszufinden, ob die jeweilige Vorschrift, die übertreten wurde, den im konkreten Fall eingetretenen Schaden verhüten wollte (1 Ob 257/00a mwN).

6. 2. Im Einklang mit den voranstehenden Erwägungen wird in der Rechtsprechung schon seit jeher die Auffassung vertreten, dass der Vormund - und daher nach den Ausführungen unter 3. 1. auch ein Sachwalter - keine gesetzlichen Sorgfaltspflichten gegenüber Dritten zu erfüllen habe (JBl 1956, 409; idS auch SZ 38/11), bezwecken doch die von einem Sachwalter zu beachtenden Verhaltenspflichten, wie die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend darlegt, tatsächlich nur den Schutz des Betroffenen vor Rechtsnachteilen als Subjekt der Sachwalterschaft, so insbesondere auch vor allfälligen Vermögensnachteilen. Deren Zweck ist es dagegen nicht, Dritte vor Vermögensschäden zu bewahren, die sie im direkten rechtlichen Verkehr mit dem Betroffenen aufgrund eigener Nachlässigkeit erleiden. Somit steht aber der von der klagenden Partei geltend gemachte Schaden nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit jenen Rechtspflichten, deren Verletzung sie der Beklagten vorwirft.

7. Ergebnis:

Wie aus den Ausführungen unter 6. 1. und 6. 2. folgt, wurde zu Recht auch das Eventualklagebegehren gänzlich abgewiesen. Nicht entscheidungswesentlich sind die in der Revision erörterten spezifischen Fragen zur Adäquanz des festgestellten Verhaltens der Beklagten für den Vermögensschaden der klagenden Partei in Verknüpfung mit dem Sorgfaltsmaßstab nach § 1299 ABGB, dem die Beklagte nach Ansicht der klagenden Partei hätte entsprechen müssen.

Die Urteile der Vorinstanzen leiden nicht an den in der Revision behaupteten Feststellungsmängeln. Das gilt auch für die Klagebehauptung, die Sachwalterin habe dem Betroffenen das Sparbuch unter Nennung des Losungsworts ausgehändigt, weil letzterer dessen Herausgabe mehrfach verlangt und dabei auch mitgeteilt habe, die Spareinlage beheben zu wollen, ist doch der Versuch der Behebung einer gerichtlich gesperrten Spareinlage bloß unter Vorweisung des Sparbuchs und Nennung des Losungsworts an sich absolut ungeeignet, das angestrebte Ergebnis zu zeitigen. Insofern tritt der erkennende Senat der Beurteilung durch das Berufungsgericht bei, dass das festgestellte Verhalten der Beklagten, selbst wenn ihr der Betroffenen noch seine Behebungsabsicht mitgeteilt hätte, nicht einmal als adäquate Schadensursache anzusehen wäre.

Der Revision ist somit nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

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