Spruch:
1. Die Bezeichnung der klagenden Partei wird auf „Verlassenschaft nach O***** S*****“ berichtigt.
2. Aus Anlass des Rekurses der zweitbeklagten Partei wird das gegen die zweitbeklagte Partei geführte Verfahren einschließlich der dieser gegenüber ergangenen Entscheidungen für nichtig erklärt. Die Klage wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 14.922,88 EUR (darin 5.188 EUR Barauslagen und 1.622,48 EUR USt) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
3. Der außerordentlichen Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen über das gegen die erstbeklagte Partei erhobene Klagebegehren werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung
Der 1979 geborene Sohn der ursprünglichen Klägerin (in der Folge weiterhin nur „Klägerin“) leidet an (frühkindlichem) Autismus, der mit selbst‑ und fremdaggressiven Handlungen verbunden ist. Er bedarf aufgrund dieser Erkrankung ständiger Betreuung. Mit Bescheid der Landesregierung der erstbeklagten Partei vom 21. 5. 2008 wurde ihm nach dem Oö BhG ab 1. 2. 2008 Hilfe durch Beschäftigung in Verbindung mit einer externen Unterbringung in einer Förderwerkstätte der zweitbeklagten Partei gewährt, wofür er zur Leistung eines Kostenbeitrags nach der Kostenbeitragsverordnung von (ursprünglich) monatlich 444,70 EUR verpflichtet wurde. Die Beaufsichtigung und Betreuung erfolgte in der Weise, dass er sich tagsüber in der „Kleinwerkstätte Holz“ der zweitbeklagten Partei befand und dort von einem Einzelbetreuer betreut wurde, wobei auch das regelmäßige Erledigen von Besorgungen und Einkäufen zum üblichen Tagesablauf gehörte. In der übrigen Zeit betreute die Klägerin ihren Sohn zuhause. Erste nennenswerte Aggressionshandlungen des Sohnes während der Betreuung bei der Zweitbeklagten sind für den 25. 8. 2008 dokumentiert. Es kam zu Sachschäden sowie körperlichen Attacken gegen zwei Betreuer, und zwar im Abstand von rund einem Monat. Im Rahmen einer Analyse der Situation wurde erörtert, dass eine Zwangseinweisung bei extremer Selbst‑ und Fremdgefährdung eine reale Möglichkeit sein könne. Die Klägerin hat immer wieder angeboten, im Falle einer Eskalation oder Krise ihren Sohn (vorzeitig) abzuholen. Nach einer Weihnachtsfeier in der Autistenberatungsstelle am 17. 12. 2008, an der sowohl der Sohn mit seinem Betreuer als auch die Klägerin teilgenommen hatten, stieß der Sohn seine Mutter in einem unbeobachteten Moment zu Boden und schlug auf sie mit den Fäusten ein, wodurch sie schwer verletzt wurde.
Die Klägerin begehrte nun Schadenersatz sowie die Feststellung der Haftung der beiden beklagten Parteien für zukünftige Unfallsfolgen. Ihr Sohn sei von seinem Betreuer am Tag des Vorfalls einer erkennbar übermäßigen Reizüberflutung durch Einkäufe, den Weihnachtsrummel in einem Kaufhaus sowie die Teilnahme an der Weihnachtsfeier ausgesetzt worden, was die späteren Aggressionshandlungen bewirkt habe. Sie sei auch nicht ausreichend über die in den letzten Monaten gestiegene Aggressivität sowie den bisherigen Tagesablauf ihres Sohnes informiert worden und sei deshalb vom Angriff überrascht worden. Sie habe die Weihnachtsfeier der Autistenhilfe als deren Vorstandsmitglied aufgesucht und habe mit der Anwesenheit ihres Sohnes nicht gerechnet. Dem Pfleger sei der psychische Ausnahmezustand des Sohnes zum damaligen Zeitpunkt bekannt gewesen. Es sei für ihn auch vorhersehbar gewesen, dass er gegen die eigene Mutter gewalttätig werden könnte. Nachdem ihr Sohn bei der Weihnachtsfeier letzten Endes völlig die Nerven verloren habe, habe sein Betreuer entschieden, mit ihm die Weihnachtsfeier zu verlassen. Die Klägerin habe sich entschlossen, die beiden zu begleiten. Trotz des Ausnahmezustands des Sohnes habe der Betreuer die Klägerin mit ihrem Sohn allein gelassen, um seine Schuhe zu holen, sodass ihr Sohn in dieser Phase unbeaufsichtigt geblieben sei. Sollte der Betreuer darauf vertraut haben, dass sich ein derartiger Wutausbruch nicht ereignen würde, wäre eine solche Einschätzung geradezu grob fahrlässig gewesen.
Die erstbeklagte Partei habe für die von der Klägerin erlittenen Nachteile aus dem Titel der Amtshaftung einzustehen. Die behördliche Anordnung der Gewährung einer Maßnahme nach dem Oö BhG unter gleichzeitiger Benennung der Einrichtung zur Vollziehung der Maßnahme und Festsetzung einer Kostenbeitragspflicht sei dem Hoheitsbereich der staatlichen Verwaltung zuzuordnen. Sämtliche von den betroffenen Ärzten und Pflegern in diesem Zusammenhang gesetzten Handlungen und Unterlassungen seien hoheitlich in Vollziehung der Gesetze erfolgt. Auch der Pfleger der zweitbeklagten Partei sei als Organ des erstbeklagten Landes tätig geworden. Im Rahmen dieses hoheitlichen Handelns wäre dafür zu sorgen gewesen, dass die soziale Umwelt bzw die den behinderten Menschen betreuenden Personen nicht aufgrund seiner Behinderung geschädigt werden. Die Klägerin habe somit darauf vertrauen dürfen, dass dem Sohn eine entsprechend adäquate Betreuung zur Verfügung gestellt wird. Sie habe darauf vertrauen dürfen, dass ihr Sohn aufgrund der Betreuung „einen seiner Erkrankung entsprechenden physischen und psychischen Zustand“ aufweise. Gerade derartige Vorfälle wie jener vom 17. 12. 2008 sollten durch die Maßnahmen gemäß dem Oö BhG hintangehalten werden. Damit sei die Klägerin auch vom gesetzlichen Schutzzweck erfasst. Darüber hinaus wäre die erstbeklagte Partei verpflichtet gewesen, die Eignung der zweitbeklagten Partei als Betreuungseinrichtung für ihren Sohn zu überprüfen und diesen allenfalls in einer anderen Einrichtung unterzubringen. Obwohl offenkundig geworden sei, dass in der Einrichtung der zweitbeklagten Partei keine adäquate Versorgung gewährleistet werden könne, habe die erstbeklagte Partei den Betroffenen in dieser Einrichtung belassen.
Ginge man davon aus, dass keine Amtshaftung der erstbeklagten Partei vorliege, sondern ein privater Behandlungsvertrag mit der zweitbeklagten Partei abgeschlossen worden sei, ergebe sich aus diesem deren Haftung gegenüber der Klägerin, die in den Schutzbereich eines solchen Vertrags falle. Eine entgeltliche Vertragsbeziehung zwischen ihrem Sohn und der zweitbeklagten Partei ergebe sich erst recht, wenn man ferner unterstelle, dass der Betroffene die Beitragskosten aufgrund des abgeschlossenen privaten Aufnahme‑ und Behandlungsvertrags zu bezahlen habe. Die zweitbeklagte Partei hafte auch für schuldhaftes Fehlverhalten ihrer Mitarbeiter.
Die erstbeklagte Partei bestritt das Vorliegen hoheitlichen Handelns. Der Schutzzweck der Behindertenhilfe erfasse nicht die Klägerin. Es liege ein privatrechtlicher Vertrag zwischen dem Hilfeempfänger und der Betreuungseinrichtung vor. Die zweitbeklagte Partei bestritt das Vorliegen eines solchen Vertragsverhältnisses. Sie hebe die Beiträge der Betreuten nur für die erstbeklagte Partei ein. Beide beklagte Parteien bestritten darüber hinaus ein Fehlverhalten bei der Aufsicht und Betreuung. Die Klägerin habe ihren Sohn, den sie auch sonst betreue, selbst am besten einschätzen können. Der Gewaltausbruch gegen seine Mutter sei nicht vorhersehbar gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren gegen beide beklagte Parteien ab. Der Betreuer des Sohnes habe unzweifelhaft nicht als Organ hoheitlich gehandelt. Allein daraus, dass die Beschäftigung in Verbindung mit der externen Unterbringung mit Bescheid gewährt wurde, ergebe sich noch nicht, dass auch die Betreuung an sich hoheitlich wäre. Ein Amtshaftungsanspruch ließe sich nur im Zusammenhang mit der Bescheiderlassung selbst begründen; die Betreuung sei jedoch im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung erfolgt. Der erstbeklagten Partei könne auch nicht vorgeworfen werden, gegenüber der zweitbeklagten Partei bestehende Aufsichtspflichten verletzt zu haben. Bei der Sozialabteilung des Landes habe man von der zunehmenden Aggressivität festgestelltermaßen nicht Kenntnis erlangt. Es würde eine Überspannung der Verpflichtungen der erstbeklagten Partei bedeuten, ohne besondere Hinweise von sich aus zu überprüfen, ob die Unterbringung noch immer adäquat ist. Eine Haftung der zweitbeklagten Partei scheitere daran, dass eine Vertragsbeziehung zwischen dieser und dem Behinderten nicht bestanden habe. Eine solche Vertragsbeziehung gebe es nur zwischen den beiden beklagten Parteien.
Das Berufungsgericht bestätigte die Klageabweisung gegenüber der erstbeklagten Partei und hob das Urteil im Umfang der Klageabweisung gegen die zweitbeklagte Partei auf, wobei es den Rekurs an den Obersten Gerichtshof im Gegensatz zur ordentlichen Revision für zulässig erklärte. Daraus, dass das Rechtsverhältnis zwischen Sozialhilfeempfänger und Sozialhilfeträger dem öffentlichen Recht unterstehe, könne nicht der Schluss gezogen werden, dass auch das Rechtsverhältnis zwischen dem Sozialhilfeempfänger, der sich freiwillig in eine Krankenanstalt begibt, und dem öffentlichen Krankenhausträger ebenfalls dem öffentlichen Recht zuzuordnen wäre. Da es im freien Willensentschluss des Sozialhilfeempfängers stehe, ob er die bewilligte Behandlung und Pflege in einer Krankenanstalt oder die Unterbringung in einer Anstalt oder in einem Heim auch tatsächlich in Anspruch nimmt, sei es gerechtfertigt, nicht nur bei Einweisung eines Kranken durch den gesetzlichen Krankenversicherer, sondern auch bei inhaltsgleichen Leistungen des Sozialhilfeträgers den Abschluss eines privaten Aufnahme‑ und Behandlungsvertrags zwischen dem Sozialhilfeempfänger und der öffentlichen Krankenanstalt anzunehmen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass in der bescheidmäßigen Bewilligung der Sozialhilfe die Betreuung in einer bestimmten Anstalt stattzufinden gehabt habe. Da somit der Betreuer nicht in Ausübung der Gesetze gehandelt habe, schieden Amtshaftungsansprüche gegen die erstbeklagte Partei aus. Hingegen entfalte der zwischen dem Sohn und der zweitbeklagten Partei bestehende Aufnahme- und Behandlungsvertrag Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter, wobei kein Zweifel daran bestehen könne, dass die Klägerin zum Kreis der geschützten Personen gehört habe. Aufgrund einer abweichenden Rechtsansicht habe das Erstgericht eine Erörterung der sich aus diesem Vertrag zu Gunsten der Klägerin ergebenden Schutz‑ und Sorgfaltspflichten unterlassen und auch keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen getroffen, was im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen sein werde. Der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss sei zulässig, weil zur Frage des Bestehens eines Vertragsverhältnisses zwischen Pflegling und Betreuungseinrichtung uneinheitliche höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege. Die Revision sei hingegen nicht zulässig, weil im Hinblick auf die Klageabweisung gegenüber der erstbeklagten Partei von der gesicherten Rechtsprechung nicht abgewichen worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem für den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Unzulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts ist (auch) die Revision der Klägerin zulässig und im Sinne ihres Aufhebungsantrags auch berechtigt. Aus Anlass des Rekurses der zweitbeklagten Partei ist ein Prozesshindernis wahrzunehmen, das einer Klageführung gegen diese entgegensteht.
1. Aufgrund der Mitteilungen des Klagevertreters und der Erstbeklagten wurde erhoben, dass die Klägerin am 9. 2. 2013 verstorben ist (5 A 182/13y des BG Urfahr). Die Bezeichnung der klagenden Partei ist daher entsprechend zu berichtigten.
2. Ob eine Haftung der erstbeklagten Partei nach den Grundsätzen des AHG in Betracht kommt, hängt entscheidend davon ab, ob die Betreuung des Sohnes der Klägerin in (hoheitlicher) Vollziehung der Gesetze im Sinne des § 1 Abs 1 AHG erfolgt ist. Für die Abgrenzung zwischen Hoheitsverwaltung und Privatwirtschaftsverwaltung kommt es unter anderem darauf an, ob mit dem zu beurteilenden Handeln staatlicher Verwaltungseinrichtungen typisch staatliche Aufgaben erfüllt werden, und ob dieses Verwaltungshandeln rechtstechnisch auf hoheitlicher Grundlage (Verordnung, Bescheid) beruht (s dazu nur Schragel 3 § 1 AHG Rz 72 f, 75 f). Dabei sind insbesondere auch die dem Verwaltungshandeln zugrunde liegenden konkreten Rechtsvorschriften und die mit diesen verfolgten Ziele zu beachten.
Im vorliegenden Fall beruhten sowohl der Bescheid der Landesregierung der erstbeklagten Partei als auch die auf diesem beruhende Betreuung (vorerst) auf dem Oö BhG 1991, das in seinem § 1 unter Hinweis auf eine entsprechende Norm in der Landesverfassung als Regelungsziel ausweist, behinderten Menschen Hilfe zu leisten. Nach § 5 Abs 1 leg cit ist es Zweck der Eingliederungshilfe ‑ die auch in Form von Sachleistungen gewährt werden kann (§ 3 Abs 2 Oö BhG) ‑ den behinderten Menschen zu befähigen, in die soziale Umwelt oder das Erwerbsleben eingegliedert zu werden oder seine Stellung in der sozialen Umwelt oder im Erwerbsleben zu erleichtern, zu erhalten oder zu festigen, wobei auf die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen dieser Hilfe gemäß § 5 Abs 2 Oö BhG ein Rechtsanspruch besteht, nicht aber auf eine bestimmte Maßnahme der Eingliederungshilfe. Im vorliegenden Fall wurde mit dem erlassenen Bescheid zum Ausdruck gebracht, dass für den Sohn der Klägerin als Maßnahme der Eingliederungshilfe die „Hilfe durch Beschäftigung“ gemäß § 12 leg cit die geeignete Maßnahme ist. Diese Hilfe umfasst gemäß § 12 Abs 1 Oö BhG alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um einem behinderten Menschen Mittel oder Einrichtungen zur Erhaltung und Weiterentwicklung der vorhandenen Fähigkeiten sowie zur Eingliederung in die Familie und die weitere soziale Umwelt zur Verfügung zu stellen, wobei nach Abs 2 die durch die Behinderung bedingten Kosten vom Land getragen werden; der behinderte Mensch hat allerdings nach § 43 Abs 1 Oö BhG einen Kostenbeitrag zu leisten, der im vorliegenden Bescheid ebenfalls festgesetzt wurde. Für die Maßnahmen der Eingliederungshilfe dürfen nur solche Einrichtungen in Anspruch genommen werden, die von der Landesregierung als dem Bedarf und dem Zweck entsprechend mit Bescheid anerkannt sind (§ 15 Abs 1 leg cit). Sofern solche Einrichtungen nicht zur Verfügung stehen und sofern auch gleichartige Einrichtungen in anderen Bundesländern nicht in Anspruch genommen werden können, hat das Land nach Bedarf den Bestand solcher Einrichtungen sicherzustellen (§ 16 leg cit). Einrichtungen der Eingliederungshilfe unterliegen der Aufsicht durch die Landesregierung (§ 17 Abs 1 Oö BhG). Die Gewährung von Leistungen nach dem Oö BhG setzt grundsätzlich einen Antrag voraus (§ 48 Abs 1 Oö BhG), über den gemäß Abs 6 Z 4 die Landesregierung zu entscheiden hat, wenn es um die Gewährung einer Maßnahme zur Beschäftigung nach § 12 Oö BhG in Verbindung mit einer Unterbringung geht.
Berücksichtigt man insbesondere ‑ worauf die Klägerin zu Recht hinwies ‑, dass sich ihr Sohn die Betreuungseinrichtung nicht selbst aussuchen konnte, sondern diese vielmehr in Form einer Sachleistung zur Verfügung gestellt wurde, deren Kosten ‑ mit Ausnahme des vorgeschriebenen Kostenbeitrags ‑ das Land zu tragen hatte (§ 12 Abs 2, § 42 Abs 1 Oö BhG), erweist sich die Förderung und Betreuung des Sohnes der Klägerin ‑ ähnlich wie Ausbildung und Betreuung im Bereich des Schulunterrichts (dazu RIS‑Justiz RS0049933) ‑ als hoheitliche Maßnahme. Dafür spricht auch die Aufsicht der Landesregierung über die in Betracht kommenden Einrichtungen der Eingliederungshilfe, die auch mit Bescheid anzuerkennen sind (§ 15 Abs 1 Oö BhG) oder denen gegebenenfalls die Anerkennung mit Bescheid zu entziehen ist (§ 17 Abs 4 leg cit). Auch die Beziehungen zwischen dem Land und den Betreuungseinrichtungen sind somit in hoheitlicher Form als öffentlich‑rechtliches Verhältnis konzipiert (vgl dazu auch Schmaranzer , Entscheidungsanmerkung, JBl 2007, 389; Lachmayer , JRP 2003, 268 ff bei FN 101 sieht ein öffentlich‑rechtliches Rechtsverhältnis auch durch § 15 Abs 6 Oö BhG indiziert, der eine jährliche Neufestsetzung der ‑ der jeweiligen Einrichtung zustehenden ‑ Pflegegebühren durch die Landesregierung vorsieht). Sollten entsprechende Einrichtungen nicht (ausreichend) zur Verfügung stehen, trifft sogar das Land selbst die Verpflichtung, für den Bestand solcher Einrichtungen zu sorgen (§ 16 leg cit). Auch damit wird zum Ausdruck gebracht, dass der Förderung und Betreuung von Behinderten eine hoheitliche Zielsetzung zugrunde liegt. Dass die tatsächliche Durchführung der in Betracht kommenden Maßnahmen ebenfalls der (hoheitlichen) Vollziehung der Gesetze zuzuordnen ist, kann jedenfalls in den Fällen nicht zweifelhaft sein, in denen die Betreuung als konkrete Sachleistung zur Verfügung gestellt wird, sei es durch den Rechtsträger selbst oder im Wege einer von diesem bescheidmäßig anerkannten Einrichtung.
Daran hat sich auch durch das Inkrafttreten des Oö ChG (LGBl 2008/41) am 1. 9. 2008 nichts geändert, das dem gemäß Art III Abs 1 Satz 2 Oö ChG gleichzeitig außer Kraft getretenen Oö BhG inhaltlich weitgehend entspricht. Insbesondere gelten nach § 51 Abs 1 Oö ChG Bescheide, mit denen Leistungen und Maßnahmen nach dem Oö BhG 1991 zuerkannt wurden, im Rahmen ihres Umfangs und ihrer allfälligen Befristung als Bescheide nach dem (neuen) Oö ChG. Auch für die Betreuung des Sohnes der Klägerin ab dem 1. 9. 2008, die nunmehr unter dem Regime des Oö ChG ‑ nach dessen § 11 Abs 1 und Abs 2 Z 3 ‑ erfolgt ist, ist somit ‑ wie bereits zum Oö BhG ausgeführt ‑ von hoheitlichem Handeln der bescheidmäßig zugewiesenen Betreuungseinrichtung auszugehen. Dafür sprechen (auch) nach der neuen Rechtslage nicht nur der öffentlich‑rechtliche Charakter des der bescheidmäßig anzuordnenden Förderungsmaßnahme zugrunde liegenden Verfahrens (§§ 21, 24, 49 Oö ChG), sondern ebenso die Vorsorgepflicht des Landes nach § 26 leg cit, die Beschränkung der tatsächlichen Leistungserbringung auf bescheidmäßig anerkannte Einrichtungen, die bestimmten gesetzlich vorgegebenen Kriterien entsprechen müssen (§§ 27, 30 leg cit) und der Kontrolle der Landesregierung unterliegen (§ 29 leg cit).
Richtig verweist die Revisionswerberin auch darauf, dass hoheitliches Handeln grundsätzlich so auszuüben ist, dass dabei, soweit vermeidbar, auch Personen nicht zu Schaden kommen, die mit dessen Auswirkungen in Berührung kommen (vgl nur RIS‑Justiz RS0050143 [Dienstfahrt], RS0103859 [Bundesheereinsatz]; 1 Ob 176/08a = SZ 2009/30 [Seuchenteppich]). In § 1 Abs 1 Oö ChG wird als Gesetzesziel unter anderem genannt, Menschen mit Beeinträchtigung eine umfassende Eingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen. Soll nun insbesondere die ‑ regelmäßig ohnehin oft nur begrenzt mögliche ‑ Eingliederung in die Gesellschaft gefördert werden, liegt es nahe, dass jedenfalls die hauptsächlichen Bezugspersonen des Behinderten auch von den gewährten Hilfsmaßnahmen profitieren sollen. Ihnen wird einerseits die Last der persönlichen Betreuung teilweise abgenommen, andererseits sollen die Maßnahmen auch dazu führen, dass ein Zusammenleben mit den Behinderten ‑ soweit möglich ‑ einfacher wird. Gerade bei der (hier behaupteten) Verletzung von Betreuungs‑ und Aufsichtspflichten, die zu einer (sonst vermeidbaren) Schädigung eines nahen Familienangehörigen führen, kommt eine Haftung des Rechtsträgers nach den Regeln des Amtshaftungsrechts durchaus in Betracht.
Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang insbesondere die Vorwürfe erhoben, sie sei über die Steigerung der Aggressivität ihres Sohnes in den letzten Monaten nicht ausreichend informiert worden, sein Betreuer habe ihn durch eine unzweckmäßige Tagesgestaltung einer unangebrachten Reizüberflutung ausgesetzt und dadurch einen heftigen Aggressionsschub bewirkt, und der Betreuer habe den Behinderten mit der Klägerin allein gelassen, obwohl er dessen gefährlichen Zustand erkannt hat. Ausgehend von ihrer Rechtsauffassung, eine Haftung der erstbeklagten Partei nach den Regeln des AHG käme im vorliegenden Fall nicht in Betracht, haben sich die Vorinstanzen mit diesen Klagebehauptungen nicht näher auseinandergesetzt und dazu keine Feststellungen getroffen. Dies wird im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein. Auf der Basis der dann getroffenen Feststellungen wird insbesondere zu beurteilen sein, ob ein schuldhaftes Fehlverhalten des Betreuers vorliegt, dessen Unterlassung die Verletzung der Klägerin verhindert hätte. Dann hätte die erstbeklagte Partei für das Verhalten des Betreuers als ihres Organs im Sinne des § 1 Abs 2 AHG einzustehen.
Der Kostenvorbehalt im Verfahren gegen die erstbeklagte Partei beruht auf § 52 ZPO.
3. War nun die Betreuung und Beaufsichtigung des Sohnes der Klägerin in der Einrichtung der zweitbeklagten Partei als hoheitliche Tätigkeit zu qualifizieren, die zu Ersatzansprüchen nach dem AHG führen kann, erweist sich die Klageführung gegen die zweitbeklagte Partei als unzulässig, was aus Anlass ihres Rekurses wahrzunehmen ist und zur Nichtigerklärung des gegen sie geführten Verfahrens sowie zur Klagezurückweisung führen muss (vgl nur 1 Ob 296/03s = SZ 2004/145; weiters RIS‑Justiz RS0037787 [T1 und T2]). Nach der (jüngeren) Judikatur des erkennenden Senats zu § 9 Abs 5 AHG ist der Rechtsweg nicht nur dann unzulässig, wenn die beklagte physische Person als Organ des betreffenden Rechtsträgers tätig geworden ist. Vielmehr fallen auch juristische Personen unter den Organbegriff, soweit diesen ‑ wie hier ‑ die Durchführung hoheitlicher Maßnahmen übertragen wurde (vgl nur 1 Ob 176/08a = SZ 2009/30; RIS‑Justiz RS0124590).
Die Kostenersatzpflicht der Klägerin gegenüber der zweitbeklagten Partei beruht auf § 51 Abs 1 ZPO. Da sie selbst die Auffassung vertritt, die ‑ ihrer Ansicht nach unsachgemäße ‑ Betreuung ihres Sohnes sei im Rahmen der Hoheitsverwaltung der erstbeklagten Partei erfolgt, ist es ihr als Verschulden anzurechnen, ungeachtet der Unzulässigkeit der Prozessführung nach § 9 Abs 5 AHG Ansprüche auch gegen die zweitbeklagte Partei erhoben zu haben.
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