OGH 1Ob188/03h

OGH1Ob188/03h2.9.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth P*****, vormals K*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar und Mag. Norbert Marschall, Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei Zoltán K*****, vertreten durch Dr. Hilbert Aubauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 19. März 2002, GZ 42 R 152/02t-41, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 21. Oktober 2001, GZ 5 C 176/00y-28, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten, dem diese Entscheidung am 24. 10. 2001 zugestellt wurde. Mit Schriftsatz vom 12. 11. 2001 erhob der Beklagte dagegen "Einspruch"; dieser Schriftsatz wurde ihm mit dem Auftrag zurückgestellt, ihn binnen drei Wochen, entweder mittels Unterfertigung durch einen frei gewählten Rechtsanwalt oder durch einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang unter Anschluss eines vollständig und richtig ausgefüllten Vermögensbekenntnisses zu verbessern. Nach der Aktenlage erfolgte die Zustellung dieses Verbesserungsauftrags am 19. 11. 2001.

Außerhalb der ihm gesetzten Verbesserungsfrist, nämlich am 11. 12. 2001, beantragte der Beklagte die Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang, also auch die Beigebung eines Verfahrenshelfers (ON 31). Das Erstgericht gab diesem Antrag statt (ON 32), und der nunmehrige Beklagtenvertreter wurde zum Verfahrenshelfer bestellt (ON 33). Zugleich mit der Zustellung des Bestellungsbeschlusses wurde dem Verfahrenshelfer eine Ausfertigung des Ersturteils - am 3. 1. 2002 - übermittelt. Am 23. 1. 2002 erhob der Beklagte, vertreten durch seinen Verfahrenshelfer, Berufung gegen das Ersturteil (ON 36).

Das Berufungsgericht wies diese Berufung zurück und sprach aus, dass der "ordentliche Revisionsrekurs" nicht zulässig sei. Die Berufung sei verspätet. Sie sei nicht innerhalb der Berufungsfrist erhoben und auch der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe sei weder innerhalb der Berufungs- noch der Verbesserungsfrist gestellt worden. Damit sei das angefochtene Ersturteil bereits vor der Einbringung des Antrags auf Bewilligung der Verfahrenshilfe in Rechtskraft erwachsen.

Gegen diese Entscheidung erhob der Beklagte einen entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, an die der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässigen (2 Ob 331/00s; EFSlg 91.062 uva) Rekurs, mit dem er einen subsidiär zu behandelnden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verband (ON 45). In diesem Rekurs macht er einen ungesetzlichen Vorgang bei der Zustellung des Verbesserungsauftrags an ihn geltend, denn er habe seinen Aufenthalt nicht an der Zustellanschrift gehabt und erst am 10. 12. 2001 zufällig vom Verbesserungsauftrag Kenntnis erlangt (S 5 des Rekurses).

Rechtliche Beurteilung

Mit diesem Vorbringen behauptet der Beklagte das Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes, dass ihm nämlich durch einen ungesetzlichen Zustellvorgang die Möglichkeit entzogen worden sei, seinen als Berufung zu wertenden "Einspruch" (ON 29) fristgerecht zu verbessern und sohin "vor Gericht zu verhandeln" (§ 477 Abs 1 Z 4 ZPO). Das Erstgericht hat - über Anregung des Berufungsgerichts (ON 49) - Erhebungen über die ordnungsgemäße Zustellung des Verbesserungsauftrags angestellt, insbesondere den Zusteller und den Beklagten hiezu vernommen. Damit hat es der Vorschrift des im Rekursverfahren sinngemäß anzuwendenden § 509 Abs 3 ZPO aber nur zum Teil Rechnung getragen. Den Erhebungen oder Beweisaufnahmen, die zur Feststellung der im § 503 Z 1 und 2 ZPO angeführten Revisionsgründe notwendig sind, sind nämlich nach dem letzten Satz des § 509 Abs 3 ZPO stets die Parteien zuzuziehen.

Das Erstgericht wird demnach vor neuerlicher Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof die notwendigen Erhebungen bzw Beweisaufnahmen zur behaupteten gesetzwidrigen Zustellung unter Zuziehung der Parteien vornehmen müssen.

Aus diesen Überlegungen ist der Akt dem Erstgericht zurückzustellen.

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