OGH 1Ob182/16w

OGH1Ob182/16w23.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin A***** S*****, vertreten durch die Stolz Rechtsanwalts‑GmbH, Radstadt, gegen den Antragsgegner Dr. R***** W*****, vertreten durch Dr. Ingrid Stöger und Dr. Roger Reyman, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen nachehelicher Vermögensaufteilung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 11. August 2016, GZ 21 R 206/16i‑70, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 26. April 2016, GZ 31 Fam 2/15m‑64, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00182.16W.1123.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Im Revisionsrekursverfahren sind lediglich die Fragen der Ausgleichszahlung sowie einer allfälligen Löschung des ob einer Liegenschaft der Antragstellerin einverleibten Belastungs‑ und Veräußerungsverbots zugunsten des Antragsgegners strittig.

Das Rekursgericht trug der Antragstellerin eine Ausgleichszahlung von 50.000 EUR zuzüglich 4 % Zinsen auf und lehnte die von der Antragstellerin in ihrem Rekurs begehrte Löschung des erwähnten Verbots ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, da keine qualifizierte Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG vorliege.

Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Unzulässigkeitsausspruch zulässig, weil das Belastungs‑ und Veräußerungsverbot zu Unrecht aufrechterhalten wurde. Er ist auch im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

Zur Vermeidung von dem Verständnis nicht förderlichen Weitwendigkeiten beschränkt sich die Begründung im Folgenden auf jene Umstände, die für die Erledigung des Revisionsrekurses relevant sind, wogegen unstrittige Sachverhalts‑ und Entscheidungsdetails nicht genauer wiedergegeben werden.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Antragsgegner hatte während der Ehe zwei (später zusammengelegte) Liegenschaften erworben, die insgesamt einen Wert von rund 3.228.000 S repräsentierten. Er musste dafür allerdings nur 400.000 S aufwenden, weil sein Vater ihm im Übrigen die eine Liegenschaft ohne Gegenleistung überließ. Vor allem aus steuerlichen Gründen kamen die Ehegatten, die auf dieser Liegenschaft sowohl ein Wohnhaus für die Familie als auch eine Zahnarztpraxis für den Antragsgegner errichten wollten, schließlich zu folgender Lösung: Die Liegenschaft wurde geteilt, auf dem größeren Teil das Wohnhaus errichtet und allein vom Antragsgegner (überwiegend mit Bankkrediten) finanziert. Die andere Liegenschaft schenkte der Antragsgegner der Antragstellerin, wobei ein Belastungs‑ und Veräußerungsverbot zu seinen Gunsten intabuliert wurde. Vereinbarungsgemäß finanzierte die Antragstellerin die Errichtung des Gebäudes auf dieser Liegenschaft und vermietete es dem Antragsteller zur Ausübung seines Berufs. Übereinstimmend beantragten die Streitteile schließlich, dass jedem die ihm gehörende Liegenschaft verbleiben solle. Jeder vermeinte allerdings, Anspruch auf eine Ausgleichszahlung zu haben.

Wenn die Revisionsrekurswerberin weiterhin meint, ihre Liegenschaft sei deshalb gemäß § 82 Abs 1 Z 3 EheG der Aufteilung entzogen, weil sie einem Unternehmen, nämlich jenem des Antragsgegners, gewidmet ist, kann auf die zutreffenden gegenteiligen Ausführungen des Rekursgerichts verwiesen werden. Dieses hat insbesondere richtig darauf verwiesen, dass die Liegenschaft im Eigentum der Frau steht und diese eben kein Unternehmen betreibt; dass ihr Mieter zugleich ihr Ehemann ist, ändere nichts daran, dass die Liegenschaft nicht unter den genannten Ausnahmetatbestand fällt. Dem vermag die Revisionsrekurswerberin nichts Überzeugendes entgegenzusetzen. Der bloße Hinweis darauf, dass zu dieser besonderen Konstellation Rechtsprechung fehlt, kann eine sachliche Argumentation nicht ersetzen.

2. Beide Ehegatten haben zur Finanzierung der Bauwerke auf ihren jeweiligen Liegenschaften Fremdwährungskredite in Anspruch genommen, die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz einen erheblich höheren Negativsaldo in Euro aufwiesen als zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft. Das Rekursgericht ist mit der herrschenden Judikatur davon ausgegangen, dass der Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft dafür maßgeblich ist, welche Gegenstände der Aufteilung unterliegen, wogegen deren Bewertung zum spätestmöglichen Zeitpunkt, also zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz vorzunehmen ist (vgl dazu nur RIS‑Justiz RS0057644 [T4]), was auch für die Bewertung von Verbindlichkeiten gilt. Im vorliegenden Fall haben sich die offenen Kreditsalden in Schweizer Franken im genannten Zeitraum auch gar nicht geändert, weil es sich um endfällige Kredite handelt, für die laufend nur Zinsen zu zahlen waren. Die Erhöhung des Negativsaldos in Euro beruht lediglich auf der ungünstigen Veränderung des Wechselkurses.

Die Revisionsrekurswerberin steht nun auf dem Standpunkt, dass die Umrechnung für die Bewertung im Rahmen der Aufteilung nicht zum aktuellen Wechselkurs, sondern zu den seinerzeitigen „Einstiegskursen“ bzw mit einem Mittelwert zu berechnen wäre, vermag dies aber nicht nachvollziehbar zu begründen, sondern beruft sich lediglich auf Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu „anderen Rechtsmaterien“, die ihrer Ansicht nach auf die hier vorliegende Frage übertragen werden solle. Abgesehen davon, dass sachliche Argumente für ihre Rechtsauffassung nicht zu erkennen sind, übersieht sie offenbar auch, dass auch die (unvermeidbare) Bewertung zum Zeitpunkt der Entscheidung in erster Instanz letztlich bloß einen Näherungswert bildet, weil sich bis zum tatsächlichen Rückzahlungszeitpunkt der Kurs durchaus erheblich verändern kann. Ihr Argument, eine solche Änderung könnte zugunsten der Kreditnehmer ausfallen, womit der Antragsgegner, dessen offener Kreditbetrag höher ist, zum Zeitpunkt der Endfälligkeit einen nicht unbeträchtlichen Vorteil ziehen würde, negiert aber vor allem, dass sich der Kurs auch weiter verschlechtern kann, was dann zu Lasten des Antragsgegners ausfiele. Eine unrichtige Rechtsanwendung durch das Rekursgericht ist auch in diesem Punkt nicht zu erkennen.

3. Weitgehend unverständlich sind die Revisionsrekursausführungen unter dem Titel „Verstoß gegen den Aufteilungsgrundsatz von geschenktem Vermögen“.

Das Rekursgericht ist in diesem Zusammenhang zutreffend davon ausgegangen, dass die Liegenschaften rechnerisch nur insoweit der Aufteilung unterliegen, als in ihnen „eheliches Vermögen“ fortwirkt, wogegen der „Schenkungsteil“ allein dem Antragsgegner zugute kommen soll, dem das ihm von einem Dritten geschenkte Vermögen (wertmäßig) allein zuzukommen habe, und zwar unabhängig davon, dass er es (teilweise) an die Ehegattin weitergeschenkt hat (vgl nur RIS‑Justiz RS0113358; zuletzt 1 Ob 5/14p).

Es hat – im Hinblick auf den reinen Bodenwert der Liegenschaften – angenommen, dass dem Antragsgegner 13/15 davon als Schenkungsanteil zuzukommen haben und die Liegenschaften daher lediglich mit 2/15 des Bodenwerts rechnerisch in die Aufteilungsmasse fallen. Erhält oder behält ein Ehegatte im Rahmen der nachehelichen Aufteilung mehr als ihm nach den dargelegten Regeln zuzukommen hätte, hat er eine entsprechende Ausgleichszahlung zu leisten.

Dem hält die Revisionsrekurswerberin lediglich entgegen, dass Schenkungen zwischen Ehegatten nach ständiger Rechtsprechung der Aufteilung unterlägen, wobei sie aber die dargestellte Judikatur zur Schenkung von Vermögenswerten, die gemäß § 82 Abs 1 Z 1 EheG an sich von der Aufteilung ausgenommen sind, negiert. Auch hier entspricht die Rechtsauffassung des Rekursgerichts der ständigen Judikatur des erkennenden Senats.

4. Übrig bleibt die von der Revisionsrekurswerberin relevierte Rechtsfrage, ob das auf ihrer Liegenschaft einverleibte Belastungs‑ und Veräußerungsverbot zugunsten des Antragsgegners Bestand haben soll oder zu löschen ist. Das Rekursgericht hat ihrem Begehren, das Verbot zu löschen, entgegengehalten, dass ein solches Verbot nach ständiger Rechtsprechung allein durch die Ehescheidung seine Rechtswirkung nicht verliere. Ein Vorbringen zu den Zwecken des Verbots habe die Antragstellerin nicht erstattet. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage scheitere hier – infolge des mit einem solchen Verbot regelmäßig verbundenen Zwecks der Erhaltung des Familienbesitzes – jedenfalls daran, dass die Parteien zwei gemeinsame Kinder haben. Es bestehe daher kein Einwand dagegen, das Verbot zugunsten des Antragsgegners, aus dessen Familie die Liegenschaft stammt und an den diese für den Betrieb seiner Ordination auch vermietet ist, bestehen zu lassen.

Dem hält die Revisionsrekurswerberin im Wesentlichen entgegen, das Bestehenlassen des Verbots stelle einen Eingriff in ihre Eigentumsfreiheit dar. Sie könne über ihre Liegenschaft nicht verfügen, weshalb sie immer von den betrieblichen Überlegungen des Antragstellers (richtig Antragsgegners) abhängig sei; wenn die Liegenschaft schon der Aufteilung unterliegen sollte, müsste sie unbelastet in ihrem Eigentum verbleiben. Damit macht sie in der Sache geltend, dass ihr bei Aufrechterhaltung des Verbots im Rahmen der Vermögensaufteilung ein geringerer Wert zukomme, als der im Verfahren ermittelte Verkehrswert, bei dem das Bestehen des Verbots nicht berücksichtigt wurde. Diesem Argument kommt letztlich Berechtigung zu.

Vorauszuschicken ist, dass der Umstand, dass die Antragstellerin im Verfahren erster Instanz eine Beseitigung des Verbots nicht ausdrücklich beantragt hat, nicht schaden kann, weil die gerichtliche Rechtsgestaltung durch die Aufteilungsentscheidung in verschiedener Weise erfolgen kann, die letztlich nur zu einer den jeweiligen Beiträgen der Ehegatten entsprechenden Aufteilung führen muss. Es wäre daher durchaus möglich, das Verbot aufrecht zu erhalten und gleichzeitig den Wert der der Antragstellerin verbleibenden Liegenschaft niedriger anzusetzen, was zugleich zu einer geringeren Ausgleichszahlung führen würde. Hier haben die Vorinstanzen aber der Aufteilung den allgemeinen Verkehrswert zugrunde gelegt, ohne einen Abschlag für die fehlende Verkehrsfähigkeit aufgrund des bestehenden Belastungs‑ und Veräußerungsverbots zu machen. Sie wären durchaus berechtigt gewesen, die Aufhebung des Verbots von Amts wegen anzuordnen, und zwar auch noch im Rechtsmittelverfahren (vgl nur 1 Ob 33/10z = SZ 2010/37).

Auch wenn ein zugunsten eines der Ehegatten bestehendes Belastungs‑ und Veräußerungsverbot auf einer Liegenschaft oder einem Liegenschaftsanteil des anderen im Rahmen der nachehelichen Vermögensaufteilung regelmäßig zu beseitigen ist, damit eine endgültige und abschließende Verteilung der Vermögenswerte erreicht werden kann (5 Ob 109/11g), könnte einer solchen gerichtlichen Anordnung im Einzelfall der Zweck des Verbots entgegenstehen. Wenn das Rekursgericht und der Revisionsrekursgegner darauf hinweisen, dass die Scheidung allein bei Vorhandensein gemeinsamer Kinder nicht schon für sich allein den Wegfall des mit einem Belastungs ‑ und Veräußerungsverbot zwischen den Ehegatten in der Regel verbundenen Zwecks der Erhaltung des Familienbesitzes bedeute, mag dies zwar in manchen Fällen zutreffen. Im vorliegenden Fall soll aber – wie unter 3. ausgeführt wurde – im Rahmen der Aufteilungsentscheidung die seinerzeitige Schenkung des Antragsgegners an die Antragstellerin wirtschaftlich rückgängig gemacht und dem Antragsgegner der Wert des geschenkten Liegenschaftsanteils – auch durch die Auferlegung der Ausgleichszahlung – zur Gänze rückerstattet werden. Unter diesen Umständen ist eine (wirtschaftliche) Rechtfertigung für eine Aufrechterhaltung des Verbots nicht ohne weiteres zu erkennen, soll der Antragsgegner nach Auffassung des Rekursgerichts im Rahmen der Aufteilung doch ohnehin den dem „Schenkungsanteil“ der Liegenschaft entsprechenden Bodenwert vergütet erhalten und stünde er damit letztlich nicht anders dar, als hätte ihm die Antragstellerin diesen Teil der Liegenschaft abgekauft.

Ohne konkrete Erörterung mit den Parteien kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass sie bei Begründung des Belastungs‑ und Veräußerungsverbots einen besonderen Zweck verfolgt haben, der ein Aufrechterhalten der Eigentumsbeschränkung rechtfertigen würde, auch wenn der Revisionsrekursgegner zugesteht, dass er durch den bestehenden Mietvertrag in der Nutzung seiner Ordinationsräumlichkeiten abgesichert ist. Erst nach entsprechender Verfahrensergänzung wird beurteilt werden können, ob ein gerechtfertigtes Interesse des Antragsgegners am Aufrechtbleiben des Verbots besteht. Dann wäre allerdings bei der Bemessung einer Ausgleichszahlung zu berücksichtigen, inwieweit der Wert der der Antragstellerin verbleibenden Liegenschaft dadurch gemindert wird, sofern die Parteien nicht etwa übereinstimmend die Übertragung des Eigentums an den Mann beantragen. Die unter 1. bis 3. behandelten Fragen sind endgültig erledigt und bei der Entscheidung im zweiten Rechtsgang nicht neuerlich zu prüfen.

Eine inhaltliche Kostenentscheidung hat schon deshalb zu unterbleiben, weil auch die Vorinstanzen davon gemäß § 78 Abs 2 letzter HS AußStrG Abstand genommen haben. Das Erstgericht wird über die Verfahrenskosten aller drei Instanzen abzusprechen haben.

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