OGH 1Ob17/93

OGH1Ob17/9325.8.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Wolfgang F*****, 2.) Hildegard F*****,***** beide vertreten durch Dr.Wilfried Gussenbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Marktgemeinde M*****, vertreten durch Dr.Ulrich Brandstetter und Dr.Ernst Politzer, Rechtsanwälte in Wien, wegen 986.298,82 sA, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 17. März 1993, GZ 14 R 269/92-14, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 26.August 1992, GZ 31 Cg 1005/92-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 22.431,42 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 3.738,57 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Kläger beantragten bei der beklagten Marktgemeinde am 26. September 1980 den Anschluß ihrer (je im Hälfteeigentum stehenden) Liegenschaft an die gemeindeeigene Ortswasserleitung als öffentliche Wasserversorgungsanlage, deren Hauptstrang durch einen Bach und ein unbebautes Grundstück des Erstklägers von der Liegenschaft der Kläger getrennt ist. Der Bürgermeister stellte mit Bescheid vom 27.März 1981 fest, es bestehe für die Liegenschaft gemäß § 2 Abs. 1 Z 3 des Nö WasserleitungsanschlußG 1978 und § 1 Abs. 3 der VO des Bürgermeisters aus 1973 kein Anschlußzwang, weil der Hauptstrang der Ortswasserleitung mehr als 50 m von der Liegenschaft entfernt sei. Der Gemeinderat als Berufungsbehörde gab mit Bescheid vom 8.Oktober 1981 der von den Klägern am 3.April 1981 erhobenen Berufung nicht Folge. Der Landeshauptmann von Niederösterreich als Aufsichtsbehörde wies mit Bescheid vom 13.Juli 1982 die dagegen von den Klägern am 19. Oktober 1981 eingebrachte Vorstellung (Art 119a Abs. 5 B-VG) als unbegründet ab. Dagegen erhoben die Kläger am 27.Juli 1982 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der mit Erkenntnis vom 17.Jänner 1984, Zl.82/07/0159-14, die Beschwerde der Zweitklägerin zurückwies und aufgrund der Beschwerde des Erstklägers den genannten Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufhob. Der Landeshauptmann von Niederösterreich wies darauf mit Bescheid vom 13.März 1984 die Vorstellung der Kläger als unzulässig zurück, weil sowohl der erstinstanzliche Bescheid als auch der Berufungsbescheid ungeachtet der ausgewiesenen rechtsanwaltlichen Vertretung der Klägerin persönlich zugestellt worden war. Der nach ordnungsgemäßer Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an den ausgewiesenen Rechtsanwalt der Kläger erhobenen Berufung vom 1.September 1984 gab der Gemeinderat mit Bescheid vom 27.November 1984 unter Hinweis auf die von der Aufsichtsbehörde vertretene Ansicht und die für zutreffend angesehene Begründung des Bescheides des Bürgermeisters nicht Folge. Der Landeshauptmann von Niederösterreich wies mit Bescheid vom 11. Juni 1985 die dagegen neuerlich von den Klägern am 17.Dezember 1984 erhobene Vorstellung erneut ab. Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 9.Dezember 1986, Zl.85/07/0225-8, den Klägern zugestellt am 13.Februar 1987, diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, wobei er im wesentlichen ausführte, die von der beklagten Partei geltend gemachten Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Anschlußzwang lägen nicht vor, weil die Grenze der Liegenschaft der Kläger nicht mehr als 50 m vom Hauptstrang entfernt, der Anschluß aus technischen Gründen nicht unmöglich sei oder nur mit unverhältnismäßigen Kosten hergestellt werden könne. Der Landeshauptmann von Niederösterreich hob in der Folge mit Bescheid vom 2.März 1987 den Bescheid des Gemeinderates der beklagten Marktgemeinde und dieser in weiterer Folge den Bescheid des Bürgermeisters auf. Mit Bescheid vom 30.November 1987 erteilte der Bürgermeister die baubehördliche Bewilligung zur "Errichtung bzw Herstellung" der Wasserleitung und bewilligte damit (inhaltlich) den von den Klägern beantragten Wasseranschluß. Die Fertigstellung des Wasseranschlusses durch die beklagte Partei erfolgte wegen der extrem kalten Witterung erst im April 1988. Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 27.Juni 1988 als Baubehörde erster Instanz erhielten die Kläger die Benützungsbewilligung in Ansehung des Umbaues des ehemaligen Backhauses auf ihrer Liegenschaft.

Die Kläger begehren mit ihrer am 25.März 1991 erhobenen Klage von der beklagten Partei die Zahlung von 986.298,82 S sA aus dem Titel der Amtshaftung wegen Ablehnung des Anschlusses ihrer Liegenschaft an die gemeindeeigene Wasserversorgungsanlage aus unvertretbarer Rechtsansicht und verspätetem Behördenhandeln. Den Klägern seien folgende Schäden entstanden: a) "Firmenverlust" der "M***** & Co Gesellschaft mbH (im folgenden kurz "M*****"), die auf der Liegenschaft ein Kaffee-Restaurant führen sollte und deren Gesellschafter die Kläger gewesen seien; geltend gemacht werden frustrierte Investitionen infolge der mangels Wasseranschluß und den verzögerten Betriebsbeginn notwendigen Liquidierung der "M*****" Ende März 1989 von 483.833,99 S; b) Verfahrenskosten, überwiegend anwaltlicher Vertretung im Verwaltungsverfahren und vor dem Verwaltungsgerichtshof von 68.064,83 S; c) Kosten einer Bachquerung und Errichtung eines Verteilerschachtes von 2.703,53 S; d) entgangener Mietzins (monatlich 5.000 S wertgesichert) der "M*****" für die Zeit von April 1982 bis einschließlich Juni 1988 von 434.700

S.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9.Dezember 1986 sei die inhaltliche Rechtswidrigkeit der von der beklagten Partei erlassenen Bescheide festgestellt worden. Mit Zustellung dieses Erkenntnisses am 13. Februar 1987 hätten die Kläger vom schädigenden Ereignis Kenntnis erlangt, damit hätte die Verjährungsfrist zu laufen begonnen. Soweit die Schäden nicht endgültig festgestanden wären, hätten die Kläger Feststellungsklage einbringen müssen. Durch die früheren unpräzisen Aufforderungsschreiben (vom 2.Jänner 1990) sei keine Hemmung der Verjährung eingetreten, zum Zeitpunkt des ersten konkreten Aufforderungsschreibens (vom 30.Dezember 1990) sei die Forderung bereits verjährt gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es beurteilte die Verjährungsfrage zu den einzelnen, von den Klägern geltend gemachten Schäden gesondert und gelangte im wesentlichen zum Ergebnis, für Mietzinsentgang und Kosten der Liquidierung der "M*****" hätte die Verjährungsfrist bereits 1982 zu laufen begonnen, die Kosten der Bachquerung hätten die Kläger mehr als zehn Jahre vor ihrem ersten Anspruchsschreiben vom 2.Jänner 1990 aufgewendet, die zur Beseitigung der Bescheide notwendigen Vertretungskosten stellten gleichartige, im überschaubaren Zusammenhang stehende Schadensfolgen dar und seien deshalb auch schon verjährt.

Die Revision der klagenden Parteien ist nicht zulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs. 1 ZPO zur Lösung ansteht.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 6 Abs. 1 AHG verjähren Ersatzansprüche nach § 1 AHG in drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem der Schaden dem Geschädigten bekannt geworden ist, keinesfalls aber vor einem Jahr nach Rechtskraft einer rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung. Wie der erkennende Senat (zuletzt wieder in SZ 64/23 = JBl 1991, 647 und 1 Ob 18/92 unter Berufung auf Schragel AHG2 Rz 222 f) dazu ausgesprochen hat, beginnt zwar die in § 6 Abs. 1 AHG vorgesehene dreijährige Verjährung nicht vor dem tatsächlichen Schadenseintritt zu laufen, mit dessen positiver Kenntnis wird sie aber auch schon dann in Kenntnis gesetzt, wenn der Geschädigte die Schadenshöhe noch nicht beziffern kann oder ihm noch nicht alle Schadensfolgen bekannt oder diese auch noch nicht zur Gänze eingetreten sind (so auch Vrba-Zechner, Kommentar zum Amtshaftungsrecht 208 f mwN in FN 4 und 5). Auch der 9.Senat hat in seiner Entscheidung SZ 64/40 = JBl 1991, 598 = EvBl 1991/109 ausgesprochen, daß der Lauf der Verjährungsfrist nach § 6 AHG (und § 5 OrgHG) nicht erst mit Eintritt aller Schadenfolgen beginne. Entwickeln sich aus einer einzigen schädigenden Verhaltensweise fortlaufend gleichartige schädliche Folgen, die im überschaubauren Zusammenhang stehen und schon ursprünglich voraussehbar waren, so handelt es sich um einen einheitlichen Schaden, der schon durch die erste schädliche Auswirkung entstand. In solchen Fällen sind die Wirkungen des schädigenden Ereignisses bekannt, auch wenn erst ein Teil von ihnen eingetreten ist; die Verjährungsfrist beginnt daher ab Kenntnis der ersten schädigenden Auswirkung zu laufen (SZ 60/27; Vrba-Zechner, aaO 209). Der drohenden Verjährung des Ersatzanspruches auch für die künftigen, aber voraussehbaren Schäden muß der Geschädigte ebenso wie nach § 1489 erster Satz ABGB mit einer - zulässigen (JBl 1992, 253 = ecolex 1992, 158; SZ 60/27; JBl 1971, 85; Schragel aaO Rz 222; Vrba-Zechner aaO 212) - Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist begegnen. Unvorhersehbare Folgewirkungen des schädigenden Verhaltens der Organe der beklagten Partei machen die Kläger als Schäden nicht geltend. Andererseits wird zur Verjährung von Amtshaftungsansprüchen die Auffassung vertreten, der Schaden müsse unabwendbar geworden sein. Solange er iS des § 2 Abs. 2 AHG durch ein Rechtsmittel - wozu auch die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zählt - noch abgewendet werden konnte, ist der Schaden noch nicht entstanden und hat die Verjährungsfrist auch noch nicht zu laufen begonnen (SZ 64/23, SZ 60/27, SZ 57/171, je mwN ua). Maßgeblich ist die Entstehung (= Wirksamkeit) des Schadens und (bei der dreijährigen Verjährungsfrist) dessen Kenntnis (JBl 1992, 253; 1 Ob 4/90; Schragel aaO Rz 221 f).

Die Kläger leiten ihre Amtshaftungsansprüche aus verspäteten (§ 73 AVG 1950 und § 118 Abs. 2 der Nö Bauordnung) und unvertretbar unrichtigen Entscheidungen von deren Organen (Bürgermeister und Gemeinderat) der beklagten Partei ab. Das schadensauslösende Element für alle, von den Klägern hier geltend gemachten Schäden war nicht die letztlich doch erfolgte Bewilligung - noch weniger die am 27.Juni 1988 den Klägern erteilte Benützungsbewilligung -, sondern die vorherige, wenngleich nicht rechtskräftige Weigerung der Organe der beklagten Partei in ihren Bescheiden vom 27.März 1981, 8.Oktober 1981 und 27.November 1984, die Liegenschaft der Kläger an die gemeindeeigene Wasserversorgungsanlage anzuschließen. Ob die Verjährungsfrist für zumindest einen Teil der Schäden schon mit Zustellung der obgenannten drei Bescheide der beklagten Partei in Lauf gesetzt wurde, muß nicht geprüft werden. Daß diese in zwei Rechtsgängen ausgesprochene Weigerung von Organen der beklagten Partei, die klägerische Liegenschaft an die gemeindeeigene Wasserversorgungsanlage anzuschließen, rechtswidrig war, war den Klägern spätestens mit Zustellung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes am 13.Februar 1987 bekannt geworden; spätestens damit begann für sie, die neben der Kenntnis des Schädigers nun auch die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Organe der beklagten Partei kannten, die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen. Daß die Verjährungsfrist (frühestens) erst ein Jahr nach Rechtskraft der schadensverursachenden Entscheidung oder Verfügung endet (SZ 61/173 = JBl 1989, 45; SZ 60/27, jeweils mwN), ist hier unerheblich.

Die Verjährung wird durch die Aufforderung nach § 8 AHG für die dort bestimmte Frist (drei Monate), oder, wenn die Aufforderung innerhalb dieser Frist beantwortet wird, bis zur Zustellung dieser Antwort an den Geschädigten gehemmt. Ob das Schreiben der Kläger vom 2.Jänner 1990 (Einlangen bei der beklagten Partei am 5.Jänner 1990) an die beklagte Partei, worin unter Beifügung einer Schadensaufstellung von insgesamt 551.598,82 S lediglich "die Klärung verlangt wurde, inwieweit der angerichtete Schaden durch Versicherungen gedeckt, bzw ... (früherer Bürgermeister) persönlich zur Schadensabdeckung herangezogen werden kann", als ein wirksames (vgl dazu RZ 1985/78 = JBl 1986, 411 mit Anm von Schantl ua), die Verjährung hemmendes Aufforderungsschreiben angesehen werden kann, muß hier nicht untersucht werden. Die beklagte Partei lehnte mit ihrem Antwortschreiben vom 11.Mai 1990 den Anspruch der Kläger ab. Selbst bei Unterstellung einer Hemmungswirkung der bis 5.Jänner 1990 bereits zu zwei Jahren und mehr als 10 Monaten (14.Februar 1987 bis 5.Jänner 1990) abgelaufenen Verjährungsfrist durch drei Monate hindurch wäre der Anspruch bis zum Einlangen des nächsten, nun anwaltlichen Anspruchsschreibens der Kläger vom 30.Dezember 1990 bei der beklagten Partei am 3.Jänner 1991 bereits verjährt und einer neuerlichen Hemmung nicht mehr zugänglich gewesen. Die Klagseinbringung am 25. März 1991 erfolgte für eine Unterbrechung (§ 6 AHG iVm § 1497 ABGB; vgl dazu Schragel aaO Rz 227) einer noch offenen Verjährungsfrist zu spät.

Die Ansprüche der Kläger müssen damit entsprechend der herrschenden Rechtsprechung als verjährt angesehen werden. Ob diese verjährten Ansprüche Verdienstentgang, frustrierte Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Firmengründung oder Kosten auch anwaltlicher Vertretung im Verwaltungsverfahren betreffen, ist dabei unerheblich und kann die Voraussetzungen des § 502 Abs. 1 ZPO nicht erfüllen. Die Revision ist demnach zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Kläger hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte