Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Gewerbebehörde erteilte dem (späteren) Gesellschafter/Geschäftsführer der letztlich eine Styropor-Recycling-Anlage betreibenden Gesellschaft mbH, der die Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb dieser Anlage begehrt hatte, mit Bescheid vom 12. 12. 1994 (unbefristete) Auflagen, nämlich die Errichtung einer bis zur Decke reichenden Brandmauer zwischen Produktions- und Lagerhalle und einer bis zur Dachhaut reichenden Brandmauer an der West- und Südseite der Betriebsräumlichkeiten, und weiters die Anbringung von Hinweisschildern mit der Aufschrift "Rauchen, Hantieren mit offenem Feuer und Licht ist verboten" in der gesamten Betriebs- und Lagerhalle und außerhalb davon auf den freien Rohstofflagern. Diese Auflagen sind nicht erfüllt worden; eine Überprüfung deren Erfüllung seitens der Gewerbebehörde unterblieb.
Am 14. 11. 1995 brach in einem Aufenthalts- und Umkleideraum der Gesellschaft infolge fehlerhaften Anschlusses eines mit Flüssiggas betriebenen Heizgeräts ein Brand aus, der nicht nur bei dieser Gesellschaft selbst, sondern auch bei anderen im selben Gebäudekomplex untergebrachten Betrieben Schäden verursachte. Für das gesamte Betriebsareal bestand eine Feuerversicherung beim klagenden Versicherer. Er hat den Schaden einer seiner Versicherungsnehmerinnen in einer den Klagsbetrag übersteigenden Höhe abgedeckt. Demnach ist er gemäß § 67 VersVG zur Erhebung des hier in Streit gezogenen Amtshaftungsanspruchs legitimiert.
Die klagende Partei begehrte von der beklagten Partei aus dem Titel der Amtshaftung 72.672,83 EUR. Das für die beklagte Partei als Gewerbebehörde tätig gewordene Organ habe es rechtswidrig und schuldhaft unterlassen, die Erfüllung der Auflagen durch den Bescheidadressaten zu überprüfen. Bei einer solchen Überprüfung wäre nämlich einerseits festgestellt worden, dass die bescheidmäßig vorgeschriebenen Brandschutzmauern nicht errichtet worden waren, andererseits aber auch der durch den Bescheid nicht gedeckte Betrieb eines Gasofens innerhalb der Betriebsräumlichkeiten aufgekommen. Die danach erforderlichen Maßnahmen hätten dazu geführt, dass der Brand auf die Betriebsräumlichkeiten der Gesellschaft beschränkt geblieben wäre. Ein haftungsbegründendes Fehlverhalten des Organs der beklagten Partei liege aber auch darin, dass nicht die auf Grund der Gestaltung der Dachkonstruktion erforderliche Errichtung einer über das Dach hinausragenden Brandmauer bzw sonstige das Übergreifen von Flammen verhindernde Schutzmaßnahmen aufgetragen worden seien.
Die beklagte Partei wendete ein, selbst bei Vorhandensein der bescheidgemäß zu errichtenden Brandmauern hätte die Ausbreitung des Brandes über die Betriebsräumlichkeiten der Gesellschaft hinaus nicht verhindert werden können. Eine Überprüfung der Erfüllung der Auflagen sei für den 4. 12. 1995 geplant gewesen. Die Nichterfüllung der Auflagen hätte keine Betriebsstilllegung, sondern nur das Setzen einer angemessenen Nachfrist zur Folge gehabt. Diesfalls wäre der Brand gleichfalls ausgebrochen. Der Eigentümer des Betriebsareals hätte für die Erfüllung der der Gesellschaft erteilten gewerbebehördlichen Auflagen sorgen müssen; insoweit müsse sich die klagende Partei dieses Mitverschulden des Eigentümers zurechnen lassen. Sofern der Brand außerhalb der zu errichtenden Brandmauern ausgebrochen sei, hafte die beklagte Partei schon mangels Rechtswidrigkeitszusammenhangs nicht, zumal die Errichtung der Brandmauern nur die Eindämmung eines innerhalb der Betriebsräumlichkeiten der Gesellschaft ausbrechenden Brandes hätte bezwecken sollen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte über den eingangs wiedergegebenen - unstrittigen - Sachverhalt hinaus fest, dass der dem gewerbebehördlichen Verfahren beigezogene technische Amtssachverständige den zwischen der Decke und der Dachhaut der Betriebshalle der Gesellschaft gelegenen Bereich nicht besichtigt und daher nicht gewusst habe, ob die an der West- und der Südseite der Betriebsräumlichkeiten der Gesellschaft existierenden Mauern lediglich bis zur Decke oder über diese hinaus bis zur Dachhaut reichten. Das die Brandursache bildende Gasheizgerät sei zum Zeitpunkt der gewerbebehördlichen Verhandlung (1. 12. 1994) nicht benutzt worden. Die Errichtung von Brandmauern bis zur Höhe der Dachhaut - wie bescheidmäßig auferlegt - hätte ebenso wie eine 15 cm über die Dacheindeckung hinausragende Brandmauer die Ausbreitung des Brandes über das Betriebsareal der Gesellschaft hinaus nicht verhindert. Es hätte einer um mehr als 1 m über das Dach hinausragenden Brandmauer bedurft, um ein solches Übergreifen der Flammen zu unterbinden bzw hätte die Dachkonstruktion in einem Bereich von 5 bis 10 m beidseits der Brandmauern mit einer nicht brennbaren Oberfläche versehen werden müssen. Nach dem Stand der Technik habe die Gewerbebehörde eine etwa 1 m über das Dach hinausragende Brandmauer nicht vorschreiben müssen. Da aber nur eine solche Maßnahme eine ausreichende Schutzwirkung entfaltet hätte, sei die von der klagenden Partei behauptete Pflichtverletzung der Organe der beklagten Partei für den eingetretenen Schaden nicht kausal.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Gewerbebehörde hätte die Erfüllung der von ihr angeordneten Auflagen überwachen müssen; insoweit liege ein rechtswidriges Organverhalten vor. Die Ausbreitung des Brandes hätte aber durch bescheidgemäß errichtete Brandmauern nicht verhindert werden können. Daher sei die beklagte Partei ihrer Haftung, soweit der Ersatzanspruch auf die rechtswidrige Unterlassung der Überwachung der Auflagen gestützt worden sei, entbunden. Dass gelegentlich der Kontrolle der Bescheidauflagen die Verwendung eines Gasheizgerätes bemerkt worden wäre, stehe nicht fest. Mehr als 1 m über das Dach hinausragende Brandmauern, die die Ausbreitung des Brandes verhindert hätten, habe die Gewerbebehörde nicht vorschreiben müssen.
Die Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Von der beklagten Partei wird nicht in Zweifel gezogen, dass die Gewerbebehörde die Befolgung der von ihr angeordneten Auflagen (im Sinne von SZ 66/130) hätte überwachen müssen. Soweit es die unterbliebene Errichtung der Brandmauern betrifft, ist den Vorinstanzen - ausgehend von dem von ihnen festgestellten Sachverhalt - dahin zu folgen, dass die Überprüfung dieser Auflage den Schaden nicht verhindert hätte, denn selbst bei bescheidgemäßer Errichtung der Brandmauern hätte der Schadenseintritt nicht vermieden werden können. Dem widerspricht auch die klagende Partei in ihrer Revision nicht.
Anders verhält es sich allerdings mit der Überprüfung der Auflage zur Anbringung von Hinweisschildern, die das Verbot des Hantierens mit offenem Feuer kundtun sollten. § 74 Abs 2 Z 1 GewO stellt gewiss ein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB dar, sollen doch das Leben oder die Gesundheit verschiedener in der genannten Gesetzesstelle angeführten Personen und auch das Eigentum des Nachbarn einer Betriebsanlage vor einer Gefährdung durch den Betrieb einer (gefährlichen) Betriebsanlage geschützt werden. Gründet die letztlich geschädigte klagende Partei ihren Anspruch auf die Verletzung eines Schutzgesetzes, dann hat sie nur den Eintritt des Schadens und die Übertretung der Norm (hier: die Unterlassung der Überprüfung der von der Gewerbebehörde verfügten Auflagen) durch Organe der beklagten Partei zu beweisen, es bedarf aber keines strikten Nachweises des Kausalzusammenhanges, weil die Pflichtwidrigkeit vermutet wird. Vielmehr hätte die beklagte Partei den Beweis zu erbringen gehabt, dass ihre Organe die erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung des Schadens getroffen haben bzw dass der Schaden auch bei Beachtung der erteilten Auflage eingetreten wäre (1 Ob 2184/96z; SZ 60/33 uva). Dieser Beweis ist der beklagten Partei nicht gelungen. Sie konnte aber auch ihre noch in der Berufungs- bzw Revisionsbeantwortung aufrecht erhaltene Behauptung, der Raum, in dem das Feuer ausgebrochen war, sei außerhalb der zu errichtenden Brandschutzmauern gelegen gewesen, nicht unter Beweis stellen, sodass - ohne dass eine Überprüfung dahin nötig wäre, ob dieser Umkleideraum nicht jedenfalls auch von den Auflagen mitumfasst sein sollte (das Vorbringen in der Berufungsbeantwortung, dieser Raum sei erst nachträglich errichtet worden, ist eine unbeachtliche Neuerung) - davon auszugehen ist, dass der Umkleideraum - wie das Erstgericht festgestellt hat (S 6 des Ersturteils) - in der Produktionshalle gelegen war und die zitierten Hinweisschilder somit auch in diesem Bereich anzubringen gewesen wären. Dass die Mitarbeiter der Gesellschaft, in deren Unternehmensbereich der Brand ausgebrochen war, dieses Hinweisschild missachtet und den Gasofen mit offener Flamme betrieben hätten, hat die beklagte Partei nicht bewiesen.
Die beklagte Partei haftet der klagenden Partei also schon mangels der Überprüfung der Einhaltung dieser Auflage, die die Anbringung der entsprechenden Hinweisschilder zum Gegenstand hatte.
Die beklagte Partei hat darüber hinaus aber auch dafür, dass die Gewerbebehörde - für deren Verhalten als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung der beklagte Rechtsträger haftet (SZ 66/130) - Auflagen erteilt hat, die dem durch § 74 Abs 2 Z 1 GewO gebotenen Schutz nicht gerecht geworden sind, einzustehen. Angesichts der bei der genehmigten Betriebsanlage vorhandenen Dachkonstruktion wäre nämlich die Errichtung weit höherer als der in den Auflagen vorgeschriebenen Brandschutzmauern erforderlich gewesen. Es hätte einer um mehr als 1 m über das Dach hinausragenden Brandmauer bedurft, um das Übergreifen der Flammen auf die Betriebsflächen der benachbarten Unternehmen zu unterbinden (S 7 des Ersturteils). Verfehlt ist die Aufassung der zweiten Instanz, dass die Gewerbebehörde unter Bedachtnahme auf § 7 Abs 2 der Oö Bautechnik-Verordnung eine solche Auflage nicht hätte erteilen müssen: Einerseits stand diese Vorschrift zum Zeitpunkt der Genehmigung noch gar nicht in Geltung, und andererseits bestimmte der praktisch gleichlautende, damals maßgebliche § 12 Abs 7 Oö BauV, dass jener Teil der Dacheindeckung, der auf Feuer- oder Brandmauern aufliegt, nicht brennbar zu betten sei; lasse dies die Dacheindeckung nicht zu oder seien wegen der jeweiligen Verwendung, der Größe, der Lage, der Art und der Umgebung der baulichen Anlage besondere Brandschutzmaßnahmen geboten - was hier unbestrittenermaßen der Fall ist, geht doch auch die beklagte Partei davon aus, dass die Verarbeitung von Styropor "unzweifelhaft ein ungewisses Brandrisiko" in sich berge (S 8 der Berufungsbeantwortung) -, so seien Feuer- und Brandmauern in einer den jeweiligen Erfordernissen entsprechenden Höhe, mindestens aber 15 cm über Dach, zu führen. Unter Bedachtnahme auf den - von dem im Bewilligungsverfahren beigezogenen Sachverständigen nicht überprüften - Zustand des Daches wären eben Brandmauern in einer 1 m übersteigenden Höhe aufzuerlegen gewesen. Eine solche Baumaßnahme hätte auch nach Ansicht der Vorinstanzen die Ausbreitung des Brandes verhindert (S 12 des Berufungsurteils). Die Unterlassung der Erteilung einer § 12 Abs 7 Oö BauV entsprechenden Auflage ist somit rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der Organe der beklagten Partei.
Die beklagte Partei hat auch die Höhe des Klagebegehrens bestritten und ein Mitverschulden der von der klagenden Partei befriedigten Versicherungsnehmerin eingewendet. Trotz der vom Erstgericht getroffenen und unbekämpft gebliebenen Feststellung, dass der am Betriebsareal eingetretene Schaden den Klagsbetrag von 1 Mio S beträchtlich übersteige (S 6 des Ersturteils), kann der Oberste Gerichtshof über die Klagsforderung noch nicht endgültig absprechen, weil einerseits über den Mitverschuldenseinwand nicht abgesprochen wurde und andererseits die beklagte Partei infolge Klagsabweisung zu einer Bekämpfung der Feststellung über die Schadenshöhe nicht genötigt war.
In Stattgebung der Revision sind die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens aufzuheben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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