OGH 1Ob2184/96z

OGH1Ob2184/96z28.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adolf G*****, vertreten durch Dr.Walter Riedl, Dr.Peter Ringhofer, Dr.Martin Riedl und Dr.Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen S 400.000 sA und Feststellung (Streitwert S 100.000) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teil-Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichts vom 25.März 1996, GZ 14 R 225/95-38, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 6.Juni 1995, GZ 31 Cg 3/93-31, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

In einem Zubau eines Bundesamtsgebäudes der Bundespolizidirektion Wien befinden sich drei Schießanlagen, eine 50 m-Gewehrfunktionsschießanlage (im folgenden 50m-Schießanlage), eine 25m-Mechanische Raumschießanlage (im nachstehenden 25 m-Schießanlage) und eine 10m-Optische Raumschießanlage (in der Folge 10 m-Schießanlage), von welchen die beiden letzteren der normalen polizeilichen Schießausbildung dienen.

Die örtliche Situation stellt sich wie folgt dar: Aus einem etwa in Nord-Süd-Richtung gelegenen länglichen Vorraum gelangt man nach rechts (Richtung Süden) in die 25m-Schießanlage mit vier Bahnen und nach links in die 10m-Schießanlage mit einer Bahn. In die westlich gelegene Wand sind drei Türen eingelassen, durch die man ein WC, einen etwa 6 m2 großen Abstellraum zur Verwahrung der Reinigungsgeräte, in dem zum Unfallszeitpunkt Reinigungsmaterial, der explosionsgeschützte Industriebodenstaubsauger und vier übereinander gestapelte Staubwannen aus Kunststoff aufbewahrt wurden, sowie das Stiegenhaus der Stiege 10 als Zugang zu den beiden erstgenannten Schießanlagen betreten kann. Vom Vorraum gelangt man durch den Abstellraum in die - an sich durch das Stiegenhaus der Stiege 7 zugängliche - 50m-Schießanlage. Der Abstellraum war "grundsätzlich" abgesperrt, um zu verhindern, daß jemand während des Schießbetriebs die 50 m-Schießanlage betritt und daß Unbefugte Zugriff zu den Pulverresten in den Staubwannen haben. Zutritt zum Abstellraum hatten nur das "Funktionspersonal" und die Offiziere.

Am 11.Dezember 1990 fanden auf Initiative des Arbeitsinspektorats und des Dienststellenausschusses für die sonstigen Bediensteten beim Büro für ökonomische Angelegenheiten durch einen Sachverständigen zunächst in der 25 m- und anschließend in der 50 m-Schießanlage Messungen des Bleigehalts der Luft nach Schießübungen statt. Der Sachverständige ist Arbeitnehmer eines Vereins, zu dessen ordentlichen Mitgliedern unter anderem die beklagte Partei gehört. Vereinszweck sind die Aufklärung der Mitglieder über die Gefahr der Staubentwicklung und die Unterstützung bei der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen. Die danach erstellten Gutachten werden gemäß § 8 Abs 1 BSG 1977 an die Bundespolizeidirektion Wien übermittelt. Zur Durchführung der Messungen mußten die Meßgeräte (aus dem Stiegenhaus der Stiege 10) durch den Vorraum und dann durch den Abstellraum in die 50 m-Schießanlage transportiert werden. Ein Offizier, der Leiter des Waffenreferats der Bundespolizeidirektion Wien, sperrte mit einem Zentralschlüssel, den nur Offiziere besitzen, die versperrte Tür zwischen Vor- und Abstellraum auf. Um den Transport der Meßgeräte durch den Abstellraum zu erleichtern, schob ein anderer Polizeibeamter, ein Schießausbilder, vier mit explosivem Staub gefüllte Staubwannen zur Seite, deren oberste mit dem dafür vorgesehenen Klebeverschluß versehen war. Beim Verschieben verrutschte diese Abdeckung, so daß das Sauggut nun freilag. Nach dem Transport der Meßgeräte durch den Abstellraum wurde die Tür zwischen Vor- und Abstellraum wieder versperrt, nicht indessen die Tür zwischen Abstellraum und 50 m-Schießanlage. Während die Messungen in dieser Schießanlage fortgesetzt wurden, warteten etwa zehn Polizeibeamte im Vorraum auf den Aufruf zu Schießübungen in der 25 m- und der 10 m-Schießanlage. Im Vorraum war das Rauchen gestattet, dort befand sich auch ein großer Standaschenbecher. In den Schießanlagen und im Abstellraum herrschte absolutes Rauchverbot. Auf der Tür vom Vor- zum Abstellraum ist ein Schild mit der Aufschrift "Feuer, offenes Licht und Rauchen verboten" angebracht.

Der Sachverständige zündete sich in der 50 m-Schießanlage eine Zigarette an und machte aus dieser etwa drei Züge, um mit Hilfe des Zigarettenrauchs die Richtung der Luftströmung feststellen zu können. Der Leiter des Waffenreferats, der ihm aufgesperrt hatte, machte sogleich auf das absolute Rauchverbot aufmerksam. Darauf ging der Sachverständige einige Schritte zurück und dämpfte die Zigarette ab. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, auf welche Weise er dies machte. Danach kehrte der Sachverständige zu seinen Meßgeräten zurück und setzte seine Versuche fort.

Etwa zu dieser Zeit holte der Kläger, der als Schießausbilder in der 25 m-Schießanlage eingeteilt war, von einem Polizeibeamten, der sich in der 10 m-Schießanlage aufhielt, einen Schlüsselbund, um mit dem - mit Ausnahme der Zentralschlüssel im Besitz der Offiziere - einzigen vorhandenen Schlüssel die Tür zwischen Vor- und Abstellraum aufzusperren. Danach ging er kurz vor 14.30 Uhr durch den Abstellraum in die 50 m-Schießanlage, um jenen Polizeibeamten, der im Abstellraum beim Verschieben der Staubwannen deren Abdeckung freigelegt hatte und in dieser Schießanlage mit Messungen beschäftigt war, zu fragen, wann er Dienstschluß habe. Gemeinsam gingen der Kläger und dieser Polizeibeamte durch den Abstellraum in den Vorraum zurück, um von dort aus den dienstführenden Beamten fernmündlich um Verlängerung der Dienstzeit des anderen Polizeibeamten bis zum Dienstschluß des Klägers zu ersuchen. Der Telefonanschluß war einige Zeit lang besetzt. Der Kläger wartete auf das Freiwerden der Leitung, wogegen der andere Polizeibeamte wieder in die 50 m-Schießanlage zurückging.

Als der Kläger das Telefongespräch beendet hatte, wollte er dem anderen Polizeibeamten das Ergebnis mitteilen. Daß der Kläger im Vorraum geraucht hätte, war nicht festzustellen. Er betrat aus dem Vorraum den Abstellraum, um in die 50 m-Schießanlage zu gelangen. Nachdem er die Tür zum Vorraum geschlossen hatte, explodierten im Abstellraum die Staubwannen, wodurch er Verbrennungen im Gesicht, an beiden Händen und an den Beinen sowie Pulvereinsprengungen im rechten Auge erlitt; das Feuer breitete sich aus, entwickelte beträchtlichen Rauch und konnte erst von der Feuerwehr gelöscht werden. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, wodurch die Explosion ausgelöst wurde, insbesondere nicht, ob sich ein glimmender Zigarettenrest in der obersten der übereinandergestapelten vollen Staubwannen befunden hatte bzw wie ein solcher dort hingekommen war. Um schwere Munitionstransporte bzw am Unfalltag den Durchtransport der Meßgeräte zu ermöglichen, wurde der Abstellraum kurzfristig aufgeschlossen und dann wieder versperrt, weshalb sich der Kläger den Schlüssel von jenem Polizeibeamten hatte holen müssen, der in der 10 m-Schießanlage Dienst versah.

Der Sachverständige wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 31.Jänner 1992 von dem gegen ihn erhobenen Strafantrag, er habe am 11.Dezember 1990 durch Rauchen und mangelhaftes Ablöschen einer Zigarette im Bereich des Schießkanals des Bundesamtsgebäudes ... an fremden Sachen fahrlässig eine Feuersbrunst verursacht (§ 170 Abs 1 StGB), im zweiten Rechtsgang rechtskräftig freigesprochen.

Der Kläger begehrte die Verurteilung des beklagten Rechtsträgers zum Ersatz seines insgesamt mit S 400.000 (darin S 300.000 Schmerzengeld und S 100.000 Pflegekosten) bezifferten Schadens sowie ferner die Feststellung, die beklagte Partei sei verpflichtet, ihm jedweden weiteren künftigen Schaden aus dem Unfall vom 11.Dezember 1990 zu ersetzen. Er brachte vor, das Entstehen der Explosion sei dem Sachverständigen anzulasten, der im unmittelbaren Nahebereich einer Staubwanne eine Zigarette geraucht und diese noch glühend in die Staubwanne geworfen habe. Eine chemische Selbstentzündung und dynamisch-elektrische Vorgänge seien als Brandursache auszuschließen. Überdies sei der beklagten Partei vorzuwerfen, nicht für eine geeignete Lagerung des "schießpulverhältigen gefährlichen Materials" gesorgt zu haben, somit nicht die erforderlichen Verhütungsmaßnahmen gegen eine solche Möglichkeit (Einwerfen einer schlecht abgedämpften Zigarette in eine Staubwanne) ergriffen, die Staubwannen ungesichert aufgestellt bzw entsprechende Sicherheitsvorschriften nicht erlassen zu haben; allfällige Vorschriften seien von den Organen der beklagten Partei nicht eingehalten worden. Weitere Unfallfolgen, insbesondere im Bereich des linken Zeigefingers, könnten noch eintreten.

Die beklagte Partei wendete - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - ein, die Verwahrung der Staubwannen mit Pulverrückständen im Abstellraum könne zu keinem Amtshaftungsanspruch führen, weil die Verwaltung öffentlicher Gebäude im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung des Rechtsträgers, der Eigentümer des Gebäudes sei, erfolge. Seien Schäden auf die Verletzung von Pflichten der Gebäudeverwaltung zurückzuführen, sei das Amtshaftungsgesetz unanwendbar. Der Sachverständige sei im Strafverfahren freigesprochen worden, auch der Kläger komme als Verursacher der Explosion in Betracht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mangels Nachweises eines schuldhaft rechtswidrigen Organverhaltens ab. Gemäß § 2 Abs 1 AHG iVm § 1296 ABGB genüge bei Amtshaftungsansprüchen der Nachweis, daß der Schaden nur durch das Verhalten eines Organs entstanden sein konnte, das dem Rechtsträger zuzurechnen sei. Dieses Organ müsse weder benannt noch individualisiert werden. Es müsse nur seine Amtspflicht entgegen den verkehrsnotwendigen Sorgfaltsanforderungen ausgeübt haben. Der Kläger habe nicht nachweisen können, daß irgendein Organ der beklagten Partei den Brand ausgelöst habe, weshalb die Frage dahingestellt bleiben könne, ob dem Sachverständigen überhaupt Organstellung im Sinne des § 1 AHG zugekommen sei. Auch die Art der Verwahrung der Staubwannen mit den Pulverrückständen im Abstellraum könne zu keinem Amtshaftungsanspruch führen. Wohl sei der Arbeitgeber dem Kläger als öffentlich-rechtlich Bedienstetem zur Fürsorge verpflichtet und die schuldhafte Verletzung dieser Verpflichtung durch Organe des zuständigen Rechtsträgers löse auch dessen Schadenersatzpflicht nach dem Amtshaftungsgesetz aus. Gemäß der Schieß- und Sprengmittelmonopolverordnung, Anlagen zu Art III BGBl 1935/205, dürfe Pulver jedoch bis zu einer Menge von maximal 5 kg möglichst entfernt von Öfen, Feuerstellen und feuergefährlichen Gegenständen - wie hier - unter sicherem Verschluß aufbewahrt werden. Da sich die Staubwannen vorübergehend in einem für das schießende und auszubildende Personal nicht zugänglichen, üblicherweise versperrten Abstellraum, in dem keine feuergefährlichen Quellen vorhanden gewesen seien, befunden hätten, hätten Organe des beklagten Rechtsträgers diese Bestimmungen nicht verletzt. Gemäß Punkt 2 der Benützungsbestimmungen für die Raumschießanlage (25 m-Schießanlage) sei das Rauchen wohl in der Schießanlage selbst, nicht aber auch im Vorraum verboten gewesen. Auf der Tür zum Abstellraum sei ein auffälliges Rauchverbotsschild angebracht. Eine besondere Kennzeichnung des explosiven Staubs sei daher nicht erforderlich gewesen, zumal dem Funktionspersonal dessen Gefährlichkeit bewußt gewesen sei, weil ein spezieller explosionsgeschützter Staubsauger zur Raumpflege erforderlich sei.

Das Gericht zweiter Instanz änderte das klagsabweisende Urteil im Ausspruch über das Zahlungsbegehren in ein klagsstattgebendes Teil-Zwischenurteil dahin ab, daß das Zahlungsbegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe, hob es im Ausspruch über das Feststellungsbegehren auf und sprach aus, daß die ordentliche Revision und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig seien. Es führte aus, die beklagte Partei habe ihre gesetzliche Fürsorgepflicht verletzt. Der Vorraum könne nicht als Raum zur Verwahrung unter sicherem Verschluß angesehen werden. Die Schießanlagen würden von einer Vielzahl von Personen benützt, die sich naturgemäß erst in Ausbildung befänden, wobei die Gefährlichkeit des Saugguts von Dritten nicht erkannt werden könne. Wenn sich der Deckel der Staubwannen schon bei deren bloßem Verschieben lösen könne, sei der Verschluß nicht als sicher zu bezeichnen. Auch das Verhalten des Klägers zeige, daß die Tür zum Vorraum, in dem geraucht werden dürfe, in den Abstellraum, in dem Rauchverbot herrsche, nicht ständig versperrt sei. Gerade ein erst in Ausbildung begriffener Kursteilnehmer könne im Bewußtsein, hier nicht rauchen zu dürfen, beim Betreten oder Durchschreiten des Abstellraums seine noch brennende Zigarette im scheinbar gefahrlosen Abfall deponieren und dadurch in einem Zeitraum bis zu 90 Minuten danach eine Explosion auslösen. Zum Versperrthalten dieser Tür sei auf die Aussage jenes Polizeibeamten, der in der 10 m-Schießanlage Dienst versah, im Strafverfahren zu verweisen, die Tür zwischen Vor- und Abstellraum sei deshalb versperrt gewesen, weil die Tür von diesem in die 50 m-Schießanlage geöffnet gewesen sei. Daraus könne abgeleitet werden, daß die Tür vom Vor- in den Abstellraum dann nicht versperrt gehalten werden müsse, wenn die Tür vom Abstellraum in die 50 m-Schießanlage versperrt sei. Im übrigen bleibe auch unklar, wer nach dem Transport der Geräte in diese Schießanlage die Tür zwischen Vor- und Abstellraum versperrt habe bzw wann sie versperrt worden sei, weil zwar der Leiter des Waffenreferats einen Schlüssel gehabt und möglicherweise aufgesperrt, sicher aber nicht zugesperrt habe. Dadurch sei illustriert, daß das explosive Sauggut durch die bloße unkontrollierte Anordnung, die Türen versperrt zu halten, nicht ausreichend gesichert worden sei und die Dienstnehmer durch mangelhafte, nicht einmal in der gewünschten Art eingehaltene Sicherheitsanordnungen gefährdet worden seien. Durch die Ansammlung von 800 bis 1.000 Liter explosiver Staubstoffe - es seien vier Wannen a 250 Liter und ein Staubsack mit 110 Litern Staubgut vorhanden gewesen - habe die beklagte Partei in diesem Raum eine Gefahrenlage für ihren Dienstnehmer und auch für jeden Dritten geschaffen, ohne in ausreichender Weise schon aufgrund allgemein erkennbarer Gefährlichkeit dafür zu sorgen, daß diese Gefährdung zu keinem Schaden führe. Dazu wäre es notwendig gewesen, die Staubwannen so zu kennzeichnen, daß die Explosivität ihres Inhalts jedermann erkennbar sei, sie so zu verschließen, daß nicht schon bei bloßem Verrücken der Verschluß gelöst werde, und sie letztlich in einem Raum zu versperren, der den genannten Vorschriften entspreche. Durch die Unterlassung dieser zum Schutz der Dienstnehmer, aber auch zum Schutz Dritter gebotenen Vorsichtsmaßnahmen habe es geschehen können, daß eine Zündquelle mit dem explosiven Staubgut in Berührung gekommen sei, was letztlich die Explosion ausgelöst habe. Daß der Kläger selbst diese Zündquelle eingeführt habe, hätte die beklagte Partei beweisen müssen, so daß sie ihm für den gesamten durch die Explosion verursachten Schaden einzustehen habe. Da zur Höhe des Anspruchs Feststellungen nicht getroffen worden seien, könne über das Leistungsbegehren nur mit einem Teil-Zwischenurteil entschieden werden. Im Ausspruch über das Feststellungsbegehren sei das Ersturteil aufzuheben, weil nicht feststehe, ob der Kläger infolge des Unfalls auch in Zukunft noch weitere Schäden erleiden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei, die den zweitinstanzlichen Aufhebungsbeschluß nicht bekämpfte, ist zulässig und berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß die Frage nach der Organstellung des Sachverständigen schon deshalb keiner weiteren Prüfung bedarf, weil weder im Straf- noch in diesem Verfahren festgestellt werden konnte, ob jemand und bejahendenfalls, wer - ob also der Sachverständige, der Kläger oder ein Dritter - die Explosion des pulverhältigen Staubs in den Wannen durch eine weggeworfene, noch glimmende Zigarette ausgelöst hatte. Steht aber nicht fest, daß irgend ein Organ des beklagten Rechtsträgers die Explosion dadurch fahrlässig herbeiführte, kommt Amtshaftung aus diesem Grund nicht in Betracht.

Dem Bundesminister für Inneres ist zur Besorgung des öffentlichen Sicherheitsdiensts unter anderem die Bundespolizei zugeordnet. Der Kläger ist als Polizeibeamter öffentlich Bediensteter. Die im Arbeitsvertragsrecht einerseits im § 1157 ABGB und andererseits in zahlreichen sondergesetzlichen Vorschriften zugunsten des Dienstnehmers angeordnete Fürsorgepflicht trifft auch den öffentlichen Dienstgeber, und zwar nicht nur bei vertraglicher Gestaltung des Dienstverhältnisses (1 Ob 2192/96a; SZ 60/236; Arb 8418 = ZAS 1968, 105 [Dittrich]), sondern auch dann, wenn das Dienstverhältnis durch Ernennungsakt begründet wurde (1 Ob 2192/96a; SZ 60/236 mwN; SZ 59/68 ua). In besonderer Weise wurde diese Fürsorgepflicht des Bundes gegenüber allen seinen Bediensteten im Bundesgesetz vom 23.März 1977 über den Schutz des Lebens und der Gesundheit der in Dienststellen des Bundes beschäftigten Bediensteten (Bundesbediensteten-Schutzgesetz 1977, BGBl 1977/164 idF der hier nicht relevanten Novellen BGBl 1977/323 und BGBl 1994/631 - im folgenden kurz BSG 1977) ausgestaltet. Gemäß § 3 Abs 1 BSG 1977 - der § 2 ArbeitnehmerschutzG 1972 (neugefaßt durch das ArbeitnehmerInnenschutzG 1994, BGBl 1994/450 [ASchG 1994]) entspricht - obliegt dem Bund die Vorsorge für den Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Sittlichkeit seiner Bediensteten. Diese Vorsorge umfaßt alle Maßnahmen, die der Verhütung von beruflich bedingten Unfällen und Erkrankungen der Bediensteten dienen und sich sonst aus den durch die Berufsausübung bedingten hygienischen Erfordernissen ergeben oder die durch Alter und Geschlecht des Bediensteten gebotenen Rücksichten auf die Sittlichkeit betreffen. Dieser Vorsorge entsprechend müssen die Dienststellen eingerichtet sein sowie erhalten werden. Gemäß Abs 2 dieser Gesetzesstelle muß durch Maßnahmen, die der Verhütung von Unfällen, Erkrankungen oder den sonstigen hygienischen Erfordernissen iSd Abs 1 dienen, für eine dem allgemeinen Stand der Technik und der Medizin entsprechende Gestaltung der Arbeitsvorgänge und der Arbeitsbedingungen Sorge getragen und dadurch ein unter Berücksichtigung aller Umstände bei umsichtiger Verrichtung der dienstlichen Tätigkeit möglichst wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Bediensteten erreicht werden. Der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Bediensteten während ihrer beruflichen Tätigkeit liegt in jedem Fall im Interesse des einzelnen Bediensteten, des Dienstgebers und im öffentlichen Interesse (RV, 408 BlgNR 14.GP, 4). Eine schuldhafte Verletzung der den Dienstgeber des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses treffenden Fürsorgepflicht durch Organe des zuständigen Rechtsträgers löst Schadenersatzpflichten nach dem Amthaftungsrecht aus (1 Ob 2192/96a; SZ 59/68 ua). Nach herrschender Auffassung kann ein schuldhaft rechtswidriges Organhandeln in Vollziehung der Gesetze, das den Rechtsträger gemäß § 1 AHG zum Schadenersatz verpflichtet, auch in einer Unterlassung bestehen, wenn eine Pflicht des Organs zum Tätigwerden bestand und pflichtgemäßes Handeln den Schadenseintritt verhindert hätte (SZ 67/39 mwN; SZ 63/166; SZ 62/73 = JBl 1991, 172 [Rebhahn] uva; Schragel, AHG2 Rz 131).

Das BSG 1977 enthält selbst keine Vorschriften zum Brand- und Explosionsschutz. Nach § 4 Abs 1 BSG 1977 finden aber die Bestimmungen des Abschnitts 2 und des § 19 des ArbeitnehmerschutzG, BGBl 1972/234, nach Maßgabe des § 12 BSG 1977 für die in dessen § 1 genannten Dienststellen des Bundes - zu welchen die des Klägers zählt - sinngemäß Anwendung. Nach § 12 ArbeitnehmerschutzG 1972 - der Unfall ereignete sich vor Inkrafttreten des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes 1994 - wurden aber unter der Randschrift "Brandschutzmaßnahmen" jene Maßnahmen festgelegt, durch die dem Entstehen eines Brandes entgegengewirkt und bei einem solchen die Gefährdung von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer soweit wie möglich vermieden werden kann. Maßnahmen der Brandverhütung sind beispielsweise das Verbot des Rauchens und der Verwendung von Feuer und offenem Licht an brand- oder explosionsgefährdeten Orten und die gesicherte Verwahrung brand- oder explosionsgefährdeter Abfälle (Felix/Merkl, Arbeitnehmerschutzgesetz, § 12 Erl 1). Während der Begriff "Stand der Technik" durch § 2 Abs 8 ASchG 1994 weitgehend in Übereinstimmung mit § 71a GewO 1994 bestimmt ist, fehlte im BSG 1977 ebenso wie im ArbeitnehmerschutzG 1972 eine ausdrückliche gesetzliche Determinierung. Nach dem Willen des Gesetzgebers (RV aaO 7) sollte aber nach dem jeweiligen Stand der Technik und Medizin ein möglichst wirksamer Schutz der Bediensteten gewährleistet sein; diese Vorsorge sollte sich nicht nur im Schutz vor und in der Verhütung von Gefahren, die sich unmittelbar aus der Beschäftigung ergeben, erschöpfen, sondern sollte darüber hinaus zu einer menschengerechten Gestaltung der dienstlichen Tätigkeiten und des Dienstablaufs führen.

Unter diesen Gesichtspunkten ist die Berechtigung des Amtshaftungsbegehrens zu prüfen. Der Kläger kann, da nicht festgestellt werden konnte, ob ein insofern dem beklagten Rechtsträger zuzurechnendes Organ die Explosion durch eine weggeworfene Zigarette ausgelöst hatte, nur dann mit seinem Begehren durchdringen, wenn schon die Art der Verwahrung des pulverhältigen Staubs in leicht abdeckbaren Wannen im Abstellraum zu mehreren Schießanlagen insoweit rechtswidrig war, als der Dienstgeber dadurch die weiter oben näher umschriebene Fürsorgepflicht seinen Dienstnehmern gegenüber vernachlässigte. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl nur die Nachweise bei Pirker/Kleewein, Amtshaftung wegen unterbliebener Gefahrenabwehr, ÖJZ 1995, 521, 522 mwN in FN 8 und 9) gelten die Beweiserleichterungen für den Geschädigten dahin, daß er zwar den Eintritt des behaupteten Schadens und die Gesetzesübertretung durch Organe des Rechtsträgers streng beweisen müsse, jedoch zu keinem strikten Nachweis des Kausalzusammenhangs genötigt sei, weil die Kausalität der Pflichtwidrigkeit vermutet werde, nur bei Verletzung einer Schutznorm. Besteht die Schadensursache in Unterlassungen, ist es Sache des beklagten Rechtsträgers zu beweisen, daß die für ihn handelnden Organe die nach den Umständen erforderlichen Vorkehrungen zur Verhütung des Schadens getroffen haben. Ist dementgegen die Übertretung eines Schutzgesetzes anzunehmen, ist der Rechtsträger seiner Haftung nur dann enthoben, wenn er mangelndes Verschulden seiner Organe nachweist oder die Kausalität der Pflichtwidrigkeit ernsthaft zweifelhaft macht (SZ 60/33 uva) Die §§ 3 und 4 BSG 1977 sind zwar Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB zugunsten der öffentlich Bediensteten (vgl dazu 1 Ob 2192/96a), doch läßt sich deren Übertretung noch nicht abschließend beurteilen, weil die vorliegenden Feststellungen nicht ausreichen, um relevante Verstöße von Organen der beklagten Partei gegen diese Bestimmungen verläßlich annehmen oder ausschließen zu können.

So wurde nicht festgestellt, ob der in den Wannen aufbewahrte pulverhältige Staub nur durch externe Zündquellen entzündet werden oder ob er auch anders zur Entzündung gebracht werden kann; in letzterem Fall sind fraglos ganz besondere Sicherheitsvorkehrungen (und nicht bloß Gefahrenhinweise) geboten, doch ist die Fürsorgepflicht - wie das Berufungsgericht in der Sache zutreffend ausführte - bei der Verwahrung explosionsgefährlicher Stoffe in Räumen, in denen die Schießausbildung von Polizeibeamten abgewickelt wird, geht es dabei doch vor allem um den Schutz von Leben und Gesundheit, auch sonst äußerst strengen Anforderungen ausgesetzt. Demgemäß ist bei der Umschreibung der Fürsorgepflicht des Bundes die Rechtsprechung zu § 1157 ABGB und zu den sonst zur Regelung der Füsorgepflicht des Dienstgebers ergangenen arbeitsrechtlichen Vorschriften Bedacht zu nehmen, weil es nicht anginge, die Grenzen dieser Rechtspflicht unterschiedlich abzustecken. Das gilt namentlich auch für die Rechtsprechung, daß Anweisungen oder gar nur bloße Gefahrenhinweise technische Einrichtungen (und Vorkehrungen), die die Sicherheit des Dienstnehmers gewährleisten, ganz allgemein nicht ersetzen können (1 Ob 2192/96a unter Berufung auf Arb 9835). Dazu kommt, daß das Verschulden der Organe von Rechtsträgern am § 1299 ABGB zu messen ist; auch müssen, je größer die - erkannte oder doch bei gebotener Aufmerksamkeit erkennbare - potentielle Gefahr für Leib und Leben ist, um so rascher und energischer die zur Gefahrenabwehr erforderlichen Vorkehrungen von den zuständigen Organen des Rechtsträgers ergriffen werden und umso geringer ist dann auch das Gewicht, das der Zumutbarkeit von Abwehrmaßnahmen zukommt (1 Ob 2192/96a).

Selbst wenn der pulverhältige Staub auch nur bei Kontakt mit externen Zündquellen explosionsgefährlich gewesen sein sollte, so wäre doch vor dem Hintergrund der Fürsorgepflicht des Bundes nicht bloß die Verwahrung in einem Abstellraum, durch den die Verbindung zwischen drei der Ausbildung von Polizeibeamten dienenden Schießanlagen hergestellt wird, in Frage zu stellen, sondern müßte ferner auch geprüft werden, ob die damit betrauten Organe des beklagten Rechtsträgers für eine in jeder Hinsicht sichere Abschirmung der gefährlichen Abfälle sorgten, wogegen die Möglichkeit des Klägers, sich die Schlüssel zum Abstellraum ohne weiteres besorgen zu können, sprechen könnte, aber auch, ob die Warnhinweise auf der Tür vom Vorraum zum Abstellraum ausreichend waren, mit welchen wohl auf die Feuer-, nicht aber - jedenfalls nicht deutlich genug - auch auf die Explosionsgefahr des pulverhältigen Staubs in den Wannen hingewiesen wurde. Treffend bemerkt dazu das Gericht zweiter Instanz, gerade ein erst in seiner Ausbildung begriffener Kursteilnehmer könne angesichts des wahrgenommenen Rauchverbots beim Betreten oder Durchqueren des Abstellraums seine noch brennende Zigarette - im Vorraum war Rauchen nicht untersagt - in dem scheinbar harmlosen Abfall in der Wanne abdämpfen oder einfach zurücklassen, wodurch er noch bis zu 90 Minuten später eine Explosion auslösen konnte (ON 38, S.12).

In der chemischen Laboruntersuchung kam der damit befaßte Sachverständige (AS 153 ff des Strafakts) zum Ergebnis, daß es sich beim Inhalt der Staubwannen um eine äußerst inhomogene Mischung aus Geschoßresten, Holzsplittern sowie Staub- und Pulverrückständen gehandelt habe, die mit Sicherheit bei Raumtemperatur nicht selbst entzündlich sei, so daß nur externe Zündquellen in Frage kämen. Die erforderlichen Feststellungen über die Zusammensetzung des Staubs müssen jedoch ebenso nachgetragen werden wie Feststellungen darüber, wieviel pulverhältiger Staub üblicherweise in den Schießanlagen anfiel. Der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige führte in seinem Gutachten aus, bei der durch die Polizei verschossenen Patronenmunition komme es im Bereich der Waffenmündung zu Ablagerungen von unverbranntem Pulver im Ausmaß von 5 bis 10 % der Pulverladung der Patrone. Dazu wurden von den Tatsacheninstanzen ebensowenig Feststellungen getroffen wie zur Frage, ob dieser Prozentanteil auch für Sturmgewehr-Munition gilt, wie sie offenbar in der 50 m-Schießanlage verschossen wird. Weiters wird festzustellen sein, wie oft der Staubsauger verwendet wurde, was mit dem pulverhältigen Staub bis zu seiner endgültigen Entsorgung geschah und wie oft, wo sowie durch wen die Staubwannen entleert wurden. Erst aufgrund der nach entsprechendem Beweisverfahren getroffenen Feststellungen über die hier aufgezeigten wesentlichen Belange wird beurteilt werden können, ob die Aufbewahrung des pulverhältigen Staubs in diesem Abstellraum angesichts der dort entfalteten Tätigkeiten (Schießausbildung) und der tatsächlich getroffenen Sicherheitsvorkehrungen rechtswidrig war oder nicht.

Auch die Funktion des Abstellraums im Gebäude muß nach den vorher angestellten Erwägungen noch näher festgestellt werden. Erkennbar diente dieser Raum der Aufbewahrung des Staubsaugers samt den dazugehörigen Staubwannen. Er mußte deshalb Zugänge zu allen drei Schießanlagen aufweisen, damit vom Personal die dort erforderlichen Reinigungsarbeiten vorgenommen werden konnten. Im besonderen wird festzustellen sein, wie oft und üblicherweise zu welchem Zweck der Abstellraum aufgesperrt und betreten wurde und ob er neben dem Abstellen der Reinigungsgeräte noch weiteren Zwecken diente, die das Aufsperren der Türen erforderte. Nach dem nicht festgestellten Inhalt des Ersuchens des Dienststellenausschusses vom 15.Juni 1990 wurden zwei Schießanlagen täglich von weiblichem Personal und eine Schießanlage bei Bedarf (einschließlich des Entfernens der Patronenhülsen und des Munitionsstaubs) gereinigt. Auch die Feststellung, daß nur die Offiziere und das Funktionspersonal den Abstellraum aufschließen konnten, muß dahin ergänzt werden, wieviele Offiziere in welcher Funktion Schlüssel hatten und ob mit "Funktionspersonal" ausschließlich das Reinigungspersonal, somit auch das Bedienungspersonal für den Staubsauger oder auch anderes Personal gemeint war. Verfügte nur Personal, das mit der erst näher festzustellenden Explosionsgefährlichkeit des in den Wannen aufbewahrten pulverhältigen Staubs vertraut war, über Schlüssel und konnte sich damit nur dieses Zutritt zum Abstellraum verschaffen, so sind die Anforderungen an die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen und Gefahrenhinweise des Dienstgebers - wie schon weiter oben ausgeführt - nicht so umfassend anzusetzen als dann, wenn der Raum auch anderem Personal - denkbar wäre etwa das generelle Zurollen der in der 50 m-Schießanlage benötigten Munition über die Stiege 10, den Vorraum und den Abstellraum - immer wieder zugänglich gemacht werden mußte. Die Schlüssel standen jenem Polizeibeamten, von dem sie sich der Kläger - offenbar ohne weiteres - besorgen konnte, im Unfallszeitpunkt jedenfalls zur Verfügung.

Festzustellen ist ferner, in welcher Menge explosive Staubstoffe im konkreten Fall zum Unfallszeitpunkt in den Wannen aufbewahrt wurden. Für die Urteilsannahme der zweiten Instanz, es seien 800 bis 1.000 Liter explosiver Staubstoffe (vier Wannen a 250 Liter und ein Staubsack mit 110 Litern) angesammelt gewesen, fehlen sowohl Feststellungen wie auch Beweisergebnisse. Im kriminaltechnischen Bericht (AS 91 ff des Strafakts) ist von 0,25 m3 Sauggut die Rede, wovon sich zwar "erhebliche Volumsanteile" von Schießpulverrückständen, die von verfeuerten Treibladungen der Pistolenmunition stammten, sowie Rückstände von Munition für das AUG 77 (Bezeichnung für Sturmgewehr) nachweisen ließen, doch waren dem dort gelagerten Müll aber auch Holzspäne und brennfähige Staubanteile mit undefinierbarer Zusammensetzung beigemengt. Zu all diesen Fragen sind entsprechende Feststellungen nachzutragen. Erst danach wird den dargelegten Grundsätzen zufolge verläßlich beurteilt werden können, ob und in welchem Ausmaß die beklagte Partei dem Kläger Ersatz zu leisten hat.

Der Ausspruch über die Verfahrenskosten beruht auf § 52 ZPO.

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