OGH 1Ob25/93

OGH1Ob25/9319.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*****, vertreten durch Dr. Othmar Taferner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Stadtgemeinde S*****, vertreten durch Dr. Michael Wonisch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 31.990,60 s.A. und Feststellung (Streitwert S 150.000,- -) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 21. Jänner 1992, GZ 12 R 59/91-42, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 17. Mai 1991, GZ 8a Cg 6/90-35, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben und die Rechtssache an dieses Gericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Am 25.1.1988 stürzte ein Gast in einer Imbißstube in Salzburg über die zur Herrentoilette hinabführende Treppe, wurde dabei schwer verletzt und starb am 28.1.1988 an den Folgen dieses Unfalls. Seit 1.2.1988 bezieht die Witwe des Verstorbenen von der klagenden Partei eine Witwenpension. Der durch den Tod ihres Mannes ausgelöste Einkommensverlust wurde durch Pensionsleistungen der klagenden Partei in Höhe von S 15.278,20 für das Jahr 1988 und von S 16.712,40 für das Jahr 1989 ausgeglichen; dieser Deckungsrechnung sind die eigene Pension der Witwe und ein Mitverschulden des Verstorbenen im Ausmaß von 50 % zugrundegelegt.

Die klagende Partei begehrte im Wege der Amtshaftung die Verurteilung des beklagten Rechtsträgers zum Ersatz ihrer Pensionsleistungen im Gesamtbetrag von S 31.990,60 sowie die Feststellung, daß ihr die beklagte Partei alle Pflichtleistungen zu ersetzen schuldig sei, die sie aufgrund des tödlichen Unfalls ihres Versicherten dessen Witwe in Zukunft zu erbringen hat, soweit diese Leistungen in deren zivilrechtlichen Ersatzansprüchen Deckung finden, die sie selbst ohne die im § 332 Abs. 1 ASVG normierte Legalzession unter Berücksichtigung eines 50 %igen Mitverschuldens zu stellen berechtigt wäre. Sie brachte vor, die Organe der beklagten Partei wären verpflichtet gewesen, durch behördliche Anordnung für die Anbringung der nach § 14 Abs. 6 Sbg. BauTG vorgeschriebenen Handläufe für die sichere Benützbarkeit der Treppe zu sorgen.

Die beklagte Partei wendete dagegen ein, sie treffe keine Schadenersatzpflicht, weil im Zuge des bisher noch nicht beendeten Baubewilligungsverfahrens keine Möglichkeit für eine entsprechende Anordnung bestanden und die Gewerbebehörde die Änderung der Betriebsanlage ohnedies mit der Auflage genehmigt habe, daß im Treppenhaus Handläufe anzubringen seien. Im übrigen sei das Fehlen der Handläufe für das Zustandekommen des Unfalls nicht ursächlich gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte fest, das Haus, in dem die Gaststätte betrieben wird, sei aufgrund einer am 15.4.1911 erteilten Baubewilligung errichtet worden. Das Kellergeschoß sei nach Planung und Ausführung nicht nur für Toiletten oder gar ein Gastlokal vorgesehen gewesen; die Baubehörde habe auch späterhin den Ausbau des Kellers für Zwecke einer Fleischerei nicht bewilligt. Nach den bei Erteilung der Baubewilligung maßgeblichen Bauvorschriften sei die Anbringung eines Handlaufs für die in den Keller führende Stiege noch nicht vorgeschrieben gewesen. „Vermutlich“ 1969 seien im Erdgeschoß zwei Räume - bisher Küche und Zimmer - ohne behördliche Bewilligung in eine Gaststätte umgewidmet worden. Die Herrentoilette sei im Keller untergebracht und zu diesem Zweck sei eine Hausmauer zum Stiegenhaus durchgebrochen worden. Von dort führten zunächst drei Stufen zu einem Podest und von diesem neun weitere Stufen in einer Rechtswendung in den Keller. Zur Unfallszeit sei in diesem Stiegenhaus kein Handlauf angebracht gewesen; ob früher dort ein solcher vorhanden war, könne nicht festgestellt werden. Am 7.2.1986 habe der Magistrat der beklagten Stadt von Amts wegen eine bau- und feuerpolizeiliche Überprüfung des Hauses durchgeführt; dabei sei das gesamte Haus begangen und in bezug auf das Lokal festgestellt worden:

„In den beiden übrigen Räumen (top.1...) ehemals Küche mit Zimmer, wurde ein Gaststättenbetrieb eingerichtet...

Stiegenhausseitig befindet sich eine zum Lokal gehörige Toiletteanlage. Im Kellergeschoß wurde unmittelbar beim Stiegenhausabgang eine WC-Anlage (Waschraum und Toilette) errichtet. Dabei wurden bauliche Maßnahmen dahingehend betrieben, daß ein Durchgang vom Stiegenhaus aus durch die 75 cm starke Mittelmauer erfolgte und zu den übrigen Kellerräumen eine Abmauerung hergestellt worden ist. Es kann mangels der Aktenvorlage nicht festgestellt werden, ob hiefür eine Baubewilligung erteilt worden ist.

Bei der Begehung seien mehrere Gebrechen, nicht aber auch das Fehlen des Handlaufs bei der Kellerstiege festgestellt worden. Mit Schreiben vom 22.5.1986 habe der Magistrat dem Liegenschaftseigentümer mitgeteilt, daß die Einrichtung einer Gaststätte sowie der Einbau von WC und Abstellraum im Keller nicht bewilligte bauliche Maßnahmen darstellten. Mit Bescheid vom 10.7.1986 habe die Baubehörde dem Liegenschaftseigentümer aufgetragen, entweder binnen vier Wochen ab Rechtskraft um nachträgliche Bewilligung anzusuchen oder die baulichen Anlagen zu beseitigen. Dieser habe am 12.8.1986 ein entsprechendes Ansuchen gestellt. Da die Einreichunterlagen nicht ausgereicht hätten, sei der Gesuchsteller am 26.2.1987 aufgefordert worden, die Planunterlagen zu ergänzen. Bis zum Unfall sei der Hauseigentümer dem Verbesserungsauftrag nicht nachgekommen.

Am 14.11.1983 habe der Pächter der Gaststätte die Betriebsanlagengenehmigung beantragt. Bei der Verhandlung am 12.1.1984 an Ort und Stelle habe der Magistrat der beklagten Partei - als Gewerbebehörde - festgestellt, daß für den Betrieb die Konzession für die Betriebsform eines Espressos vorliege. Am 2.5.1986 habe die Gewerbebehörde gegen den Pächter wegen des Betriebs einer genehmigungspflichtigen Gaststätte ohne Betriebsanlagengenehmigung ein Straferkenntnis erlassen. Bei einer weiteren gewerbebehördlichen Verhandlung am 4.6.1987 an Ort und Stelle hätten die beiden Sachverständigen festgestellt, daß gegen die Erteilung der begehrten Betriebsanlagengenehmigung keine Bedenken bestünden, sofern der Pächter verschiedene Bedingungen erfülle, unter anderem auch die Kellerstiege wenigstens an einer Seite mit einem durchgehenden Handlauf versehe. Bei dieser Verhandlung sei die gewerbebehördliche Bewilligung der Änderung der Betriebsanlage unter den von den Sachverständigen für nötig erachteten Auflagen erteilt worden; der Bescheid sei nach Rechtsmittelverzicht sogleich in Rechtskraft erwachsen.

Am 25.1.1988 abends habe der später Verunglückte das Lokal betreten. Er sei schwer alkoholisiert (3 %o Blutalkoholwert) gewesen und habe nach einem alkoholischen Getränk verlangt. Ob ihm der Kellner noch ein Getränk ausgefolgt habe, sei nicht mehr feststellbar. Während seines Aufenthalts an der Theke sei der Betrunkene ohne fremde Einwirkung zumindest zweimal zu Boden gestürzt. Schließlich habe er den Kellner nach dem Weg zum WC gefragt; er sei in der Folge wegen seiner Alkoholisierung auf der Treppe gestürzt und an deren Ende bewußtlos liegen geblieben. Wegen seiner schweren Kopfverletzung sei er in ein Krankenhaus eingeliefert worden, sei aber dort am 28.1.1988 an den Folgen seiner Verletzung gestorben. Der Sturz wäre auch bei Vorhandensein eines Handlaufs nicht zu verhindern gewesen.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht die Amtshaftung schon wegen des mißglückten Kausalitätsbeweises: Die klagende Partei habe nicht nachweisen können, daß das Fehlen des Handlaufs für das Zustandekommen des Unfalls ursächlich gewesen sei. Außerdem sei kein Organverschulden erkennbar. Die Baubehörde hätte erst in der Entscheidung über das nach dem Ortsaugenschein vom 7.2.1986 eingeleitete Baubewilligungsverfahren entsprechende Vorkehrungen anordnen können, dieses Verfahren sei aber noch nicht abgeschlossen gewesen. Unabhängig davon habe jedoch die Gewerbebehörde bereits am 4.6.1987 dem Betreiber des Lokals aufgetragen, die Kellerstiege mit einem Handlauf auszustatten, sodaß die Behörde ihrer Verpflichtung zur Erteilung der erforderlichen Aufträge zum Schutz der Gäste ohnehin nachgekommen sei.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es stellte ergänzend fest, im Zuge einer baupolizeilichen Überprüfung und Feuerbeschau des Hauses habe die Baubehörde dem Eigentümer der Liegenschaft mit Bescheid vom 14.3.1988 gemäß § 20 Abs. 4 Sbg BauTG den Auftrag erteilt, die in der Verhandlungsniederschrift unter Abschnitt A von den Amtssachverständigen als notwendig befundenen Sicherheitsmaßnahmen (Anbringung von Handläufen im Bereich der vom Erdgeschoß in das Kellergeschoß führenden Stiegenanlage) binnen zwei Wochen ab Rechtskraft des Bescheids durchführen zu lassen; sie habe diese Anordnung damit begründet, daß die fehlenden Handläufe im Bereich der Stiegenanlage ein Baugebrechen darstellten, das dringend behoben werden müsse, weil „eine Gefährdung von Personen zu gewärtigen“ sei.

In Erledigung der Rechtsrüge führte das Gericht zweiter Instanz aus, mit der von der klagenden Partei ins Treffen geführten Verschiebung der Beweislast für den Kausalablauf sei für sie nichts gewonnen, weil nicht feststehe, daß die Organe der beklagten Partei eine Schutznorm übertreten hätten. Wohl hätte die Baubehörde das Fehlen der Handläufe bereits anläßlich der Überprüfung des Objekts im Jahre 1986 feststellen und entsprechende Aufträge erteilen müssen, doch habe nicht festgestellt werden können, ob die Handläufe schon zu diesem Zeitpunkt gefehlt haben. Daher komme auch der bekämpften Feststellung des Erstgerichts, der Unfall wäre auch bei Vorhandensein von Handläufen nicht verhindert worden, keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Soweit die klagende Partei behaupte, die Gewerbebehörde habe die Befolgung ihrer Aufträge zur Anbringung von Handläufen nicht überwacht, sei zunächst zu prüfen, ob die beklagte Partei für das Verhalten der Gewerbebehörde als mittelbare Bundesverwaltung überhaupt haftbar gemacht werden könne. Nach dem durch die Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1989 dem § 1 AHG angefügten Abs. 3 reiche es für die Mithaftung des Rechtsträgers - abgesehen von der funktionellen Zuständigkeit - aus, daß das handelnde Organ von dem in Anspruch genommenen Rechtsträger bestellt wurde. Da dies hier zutreffe, sei die beklagte Partei auch für das Handeln der Gewerbebehörde passiv legitimiert. Der der Gewerbebehörde gemachte Vorwurf sei aber nicht berechtigt. Die Gewerbeordnung sehe eine Überprüfung der Befolgung von Auflagen nicht generell vor, die Behörde sei vielmehr, abgesehen von den hier nicht zutreffenden Ausnahmen bei gefährlichen Anlagen, nur dann zum amtswegigen Einschreiten verpflichtet, wenn sie davon Kenntnis erlange, daß der Gewerbetreibende den behördlichen Aufträgen zuwiderhandelt. Da der Gewerbetreibende von der unter einer Auflage erteilten Genehmigung nur Gebrauch machen dürfe, wenn er die behördlichen Anordnungen erfülle, habe die Behörde durch die Erteilung der Auflage ausreichend Vorsorge dafür getroffen, daß der Betrieb den Sicherheitsvorschriften entspricht. Aus der Tatsache, daß sich die Behörde nach dem Unfall zur baupolizeilichen Anordnung vom 14.3.1988 veranlaßt gesehen habe, dürfe noch nicht zwingend gefolgert werden, daß eine solche Maßnahme schon bei Erteilung der durch die Erfüllung der Auflage bedingten Betriebsanlagengenehmigung zu ergreifen gewesen wäre: Bei Erlassung des Bescheids vom 14.3.1988 sei die Nichterfüllung der Auflage bereits dokumentiert und außerdem die Einschätzung der Gefährlichkeit im wesentlichen durch das tatsächliche Unfallgeschehen bestimmt gewesen. Aus einer solchen Betrachtungsweise könne jedoch nicht geschlossen werden, daß sich die Gewerbebehörde mit der Erteilung einer Auflage nicht hätte begnügen dürfen.

Die gegen das berufungsgerichtliche Urteil von der klagenden Partei erhobene Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die klagende Partei beanstandet in ihrem Rechtsmittel, der Magistrat der beklagten Stadt habe als Gewerbebehörde und Organ des beklagten Rechtsträgers die Einhaltung der von ihm in die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung - unter anderem - aufgenommene Auflage zur Anbringung eines Handlaufs im Stiegenhaus zum Keller in der Folge nicht überwacht. Damit zeigt die Revisionswerberin in der Tat eine Unterlassung pflichtgemäßen Organverhaltens auf:

Der Pächter des Gastlokals hatte die Genehmigung der Betriebsanlage beantragt, um den Umbau der von ihm betriebenen Imbißstube auf eine einwandfreie gewerberechtliche Grundlage zu stellen. Bei einer von der Gewerbebehörde - als Abteilung des Magistrats der beklagten Landeshauptstadt - über diesen Antrag am 4.6.1987 an Ort und Stelle abgeführten Verhandlung erstatteten die von der Behörde beigezogenen Amtssachverständigen ein Gutachten, wonach gegen den Umbau aus ihrer Sicht keine Bedenken bestünden, sofern der Gesuchsteller bestimmte näher bezeichnete Auflagen - darunter auch die Ausstattung der Kellerstiege mit zumindest einem durchgehenden Handlauf - erfüllen sollte. Nachdem der Pächter gegen dieses Gutachten keine Einwände erhoben hatte, erteilte die Gewerbebehörde dem Gesuchsteller die begehrte Betriebsanlagengenehmigung nach Maßgabe der vorgelegten Planunterlagen gegen Erfüllung bzw. Einhaltung der im Gutachten der beiden Amtssachverständigen als notwendig erachteten Auflagen. Die Gewerbebehörde unterließ es jedoch in der Folge, die Einhaltung der Auflagen zu überwachen. Tatsächlich war am Unfallstag - nahezu acht Monate nach Bescheiderteilung - noch immer kein Handlauf im Stiegenhaus angebracht gewesen.

Gemäß § 74 Abs. 2 Z 1 GewO dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie - unter anderem - wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, das Leben oder die Gesundheit der in dieser Bestimmung genannten Personen - unter anderem auch der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebs gemäß aufsuchen - zu gefährden. Gemäß § 77 Abs. 1 GewO (idF vor, im übrigen aber auch idF nach Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1988, durch die diese Bestimmung teilweise geändert wurde) war (und ist) die Betriebsanlage erforderlichenfalls unter Vorschreibung bestimmter geeigneter Auflagen zu genehmigen, wenn überhaupt oder bei Einhaltung der Auflagen zu erwarten war (bzw ist), daß - unter anderem - eine Gefährdung von Personen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 GewO ausgeschlossen ist. Die Vorschreibung des Handlaufs durch die Gewerbebehörde war eine solche Auflage; Zweck dieser behördlichen Anordnung konnte es nur sein, eine Gefährdung des Personals und der Gäste bei der Benützung der Treppe auszuschalten. Demnach war die Behörde - zu Recht (man denke bloß an alkoholisierte Gäste!) - selbst davon ausgegangen, daß eine - nach den Umständen des konkreten Falls voraussehbare (vgl Mache-Kinscher, GewO § 77 Anm.23) - Gefährdung von Personen nur durch Einhaltung einer solchen Auflage ausgeschlossen werden konnte. Gewähr für die Befolgung der Auflagen konnte der Behörde aber einzig und allein deren wirksame Überwachung bieten. Im übrigen könnten auch die für den Fall der Nichtbeachtung der mit der Auflage angeordneten Verpflichtung des Bescheidadressaten (vgl hiezu Machek-Kinscher aaO § 77 Anm. 5, 5a) im Gesetz vorgesehenen Rechtsfolgen - die Verhängung von Verwaltungsstrafen (§ 367 Z. 26 GewO), die Anordnung von einstweiligen Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen (§ 360 Abs. 1 GewO) bzw die Vollstreckung der Auflagen durch Ersatzvornahme (VwSlg. 10.973/A, 6400/A ua; vgl. auch Mache-Kinscher aaO Anm. 19) - keine Abhilfe schaffen, wäre es mangels gezielter behördlicher Überwachung dem Zufall anheimgestellt, ob die Behörde von der Nichtbefolgung der Auflagen überhaupt Kenntnis erlangt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl die Nachweise bei Mache-Kinscher aaO § 77 Anm. 17) darf selbst die Befürchtung, daß die vorgeschriebenen Auflagen nicht beachtet werden, nicht zum Anlaß genommen werden, der Betriebsanlage die Genehmigung zu versagen. Diese Befürchtung lag für die Gewerbebehörde im vorliegenden Fall schon deshalb nahe, weil der Gesuchsteller die Gaststätte jahrelang ohne Betriebsanlagengenehmigung geführt hatte und deshalb auch bestraft wurde. Auch bleibt das durch den Hauptinhalt des Spruchs gestaltete Rechtsverhältnis selbst bei Nichtbeachtung der Auflage aufrecht; bei Inanspruchnahme der erteilten Genehmigung werden nur die Auflagen zu unbedingten Aufträgen (vgl die Nachweise aus der verwaltungsgerichtlichen Judikatur bei Mache-Kinscher aaO § 77 Anm. 5a). Umso mehr bedarf es dann aber einer wirksamen Überwachung der Befolgung der Auflagen durch die Behörde, durch die im übrigen auch entsprechender Druck auf den Bescheidadressaten ausgeübt wird, muß er doch dann mit gezielten Kontrollen rechnen, durch die jeder Ungehorsam aufgedeckt würde.

Soweit die beklagte Partei gegen die Überwachungspflicht einwendet, die Behörde sei zur amtswegigen Überprüfung gewerblicher Betriebsanlagen zwar berechtigt, aber - jedenfalls mangels konkreter Hinweise - nicht auch verpflichtet, übersieht sie, daß es im vorliegenden Fall nicht etwa um eine periodische oder aus gegebenem Anlaß für erforderlich erachtete - Überprüfung bereits genehmigter und daher schon vorher geprüfter Betriebsanlagen, sondern um die Überwachung der Einhaltung von Auflagen geht, deren Befolgung zur Vermeidung von Personengefährdungen erforderlich ist, deren Einhaltung aber - anders als die Betriebsanlage selbst - bisher eben noch nicht überprüft wurde.

Hat die Gewerbebehörde demnach zwar die Betriebsanlage genehmigt, gleichzeitig aber Auflagen angeordnet, so hat sie deren Befolgung - jedenfalls aber so weit, als diese Auflagen, wie im vorliegenden Fall, zur Vermeidung der Gefährdung der körperlichen Sicherheit von Personen angeordnet wurden (§ 74 Abs. 2 Z 1 GewO) - auf geeignete Weise zu überwachen bzw., wenn sie dabei Anstände wahrnimmt, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß die Behörde den Gewerbebetrieb (in bezug auf eine durch die Betriebsanlagengenehmigung nicht gedeckte Tätigkeit und) in bezug auf die vorgeschriebenen Auflagen zu überwachen hat (E. vom 9.10.1981, 04/1744/80, teilweise, aber nicht in dem hier bedeutsamen Teil, in ZfV 1982/6/2204 veröffentlicht; vgl auch Wendl in Stolzlechner/Wendl/Zitta, Die gewerbliche Betriebsanlage2 (1991) Rz 296). Dagegen überzeugen die zum Teil kritischen Anmerkungen Rebhahns in seiner Glosse zum Beschluß 1 Ob 16/92 in JBl. 1993, 324 ff nicht. Soweit der Autor Darlegungen darüber vermißt, ob die Handlungspflicht allein aus § 77 Abs. 1 GewO, aus § 360 GewO oder aus dem Zusammenhalt dieser beiden Vorschriften abzuleiten sei, ist seinen Ausführungen entgegenzuhalten, daß die Anordnung von Auflagen zur Abwendung von Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen die Überwachung ihrer Befolgung und - naturgemäß - deren Erzwingung bei Wahrnehmung von Anständen impliziert, bliebe es doch sonst dem Zufall überantwortet, ob die - positiv erkannten - Gefahrenquellen ausgeschaltet werden oder nicht; der von Rebhan selbst (aaO 325) angestellte Vergleich mit dem Ingerenzprinzip (Verpflichtung zur Beseitigung selbst geschaffter Gefahrenquellen) hat so betrachtet viel für sich. Die Ermächtigung zu bestimmten Vorkehrungen (§ 360 GewO) zeigt jene Mittel auf, die je nach Lage des Falles zur Anwendung gebracht werden müssen (vgl hiezu auch Kerschner in Anm zu JBl 1993, 532). Auf den mit der Überwachung solcher Auflagen verbundenen Aufwand kann es primär angesichts der Gefahren, die es zu vermeiden gilt, nicht ankommen; im übrigen ist es auch höchst zweifelhaft, ob mit sinnvollen Überwachungsmaßnahmen ein unzumutbarer Verwaltungsaufwand verbunden sein muß. Der beklagte Rechtsträger hat derartiges im Verfahren erster Instanz auch nicht eingewendet.

Da die Gewerbebehörde die Überwachung ihrer Auflagen unbestrittenermaßen unterlassen hat, fällt dem dafür verantwortlichen Rechtsträger somit rechtswidriges Organverhalten zur Last. Die klagende Partei hat ihren Ersatzanspruch nicht etwa auf eine rechtswidrige Anordnung mit Bescheidcharakter, sondern auf die rechtswidrige Unterlassung der Überwachung einer rechtlich einwandfreien Verfügung gestützt, sodaß sie den von ihr behaupteten Schaden durch Rechtsbehelfe im Sinne des § 2 Abs. 2 AHG nicht hätte abwenden können. Mangels Bescheidcharakters des beanstandeten Organverhaltens ist auch § 11 Abs. 1 AHG nicht anzuwenden (JBl. 1991, 526 ua).

Im übrigen hat die beklagte Partei nicht einmal behauptet, das ihr zur Last fallende rechtswidrige Organverhalten beruhe auf vertretbarer Rechtsauffassung der Behörde oder ihr Organ sei aus anderem Grund außerstande gewesen, ihrer Verpflichtung zur Überwachung der Auflagen nachzukommen. Die Behauptungs- und Beweislast für mangelndes Verschulden trifft aber - jedenfalls bei der Verletzung von Schutzgesetzen - den Rechtsträger, sodaß die Haftung für die Schadensfolgen aus dem rechtswidrigen Organverhalten ohneweiteres anzunehmen ist (Schragel, AHG2 Rz 149).

Das Erstgericht hat allerdings festgestellt, daß der Sturz des tödlich Verunglückten „auch durch einen vorhandenen Handlauf nicht verhindert worden“ wäre. Damit wäre die beklagte Partei ihrer Haftung entbunden, weil der Schaden danach auch bei rechtlich einwandfreiem Verhalten des Organs eingetreten wäre (ZVR 1989/129 ua). Die klagende Partei hat diese Feststellung allerdings mit ihrer Berufung ausdrücklich bekämpft; das Gericht zweiter Instanz hat die Beweisrüge indes in diesem Umfang nicht erledigt, weil es schon die Rechtswidrigkeit des Organverhaltens verneinte.

Dem entgegen trifft jedoch nach richtiger Ansicht den Magistrat der beklagten Partei als deren Organ in seiner Funktion als Gewerbebehörde (nicht auch als Baubehörde, deren von der klagenden Partei behauptete Sorglosigkeit nach dem Ergebnis des erstinstanzlichen Verfahrens nicht feststeht und deren Verhalten die klagende Partei in ihrer Revision auch nicht mehr weiter beanstandet) ein rechtswidriges und schuldhaftes Organverhalten; deshalb kommt der erstgerichtlichen, von der klagenden Partei mit ihrer Berufung allerdings bekämpften Feststellung, das Fehlen des Handlaufs sei nicht unfallsursächlich gewesen, ausschlaggebende Bedeutung zu. Da das Gericht zweiter Instanz die Beweisrüge in diesem Punkt unerledigt ließ, ist sein Verfahren in diesem Umfang zu ergänzen, das angefochtene Urteil somit aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung zurückzuverweisen.

Wie schon erwähnt, stützt die klagende Partei ihr Amtshaftungsbegehren im Revisionsverfahren nur mehr auf ein rechtswidriges Verhalten des Magistrats des beklagten Rechtsträgers als Gewerbebehörde; Angelegenheiten des Gewerbes sind aber gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 8 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache, sodaß das Organ des beklagten Rechtsträgers, dem auch in dritter Instanz noch rechtswidriges Verhalten vorgeworfen wird, als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung (im vom Bund übertragenen Wirkungsbereich) eingeschritten ist (Art. 102 und 119 B-VG).

Die Passivlegitimation der beklagten Stadt kann daher nur auf den mit Art. XXII Z 1 WGN 1989 dem § 1 AHG angefügten Abs. 3 gestützt werden, der mit Rücksicht auf den Schluß der Verhandlung erster Instanz (4.4.1991) auf den vorliegenden Rechtsstreit bereits anzuwenden ist (Art. XLI Z 10 WGN 1989). Nach dieser Bestimmung haftet nicht nur der Rechtsträger für den Schaden, den die als seine Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben (§ 1 Abs. 1 AHG), sondern zur ungeteilten Hand mit diesem auch derjenige (sc. Rechtsträger), als dessen Organ die handelnde Person gewählt, ernannt oder sonstwie bestellt worden ist.

Da der erkennende Senat Bedenken gegen § 1 Abs. 3 AHG unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten hegte, stellte er mit Beschluß vom 9.6.1992, 1 Ob 16/92, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, die Bestimmung des § 1 Abs. 3 AHG als verfassungswidrig aufzuheben. Der Verfassungsgerichtshof teilte jedoch diese Bedenken nicht und wies den Antrag mit Erkenntnis vom 24.6.1993 ab.

Demnach ist die Passivlegitimation des beklagten Rechtsträgers zu bejahen; das Gericht zweiter Instanz wird daher die Beweisrüge in der Berufung im aufgezeigten Sinn zu erledigen haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.

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