OGH 1Ob166/04z

OGH1Ob166/04z12.8.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Maximilian L*****, infolge ordentlichen Revisionsrekurses des Minderjährigen, vertreten durch Hule & Heinke Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 25. Mai 2004, GZ 16 R 156/04m-17, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom 9. März 2004, GZ 2 P 2292/95d-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die in der Zurückweisung des Antrags des Vaters bereits in Rechtskraft erwachsen sind, werden im Übrigen aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung - allenfalls nach Verfahrensergänzung - aufgetragen.

Text

Begründung

Die mit der alleinigen Obsorge betraute Mutter des Minderjährigen beantragte die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der mit 3. 12. 2003 erfolgten Änderungen der Stiftungserklärung und Stiftungszusatzerklärung der L***** Privatstiftung in Ansehung des Minderjährigen. Die Privatstiftung war am 1. 2. 1996 vom Vater, vom Minderjährigen und von dessen Großmutter als Stifter errichtet worden; der Vater hatte die Stiftungserklärung auch im Namen des Minderjährigen unterfertigt. Dazu hatte weder die Mutter als alleinige gesetzliche Vertreterin ihre Zustimmung erklärt, noch war in Ansehung des Minderjährigen eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung beantragt worden. Von den Stiftern war ein Barvermögen von 1 Mio ATS gewidmet worden, wobei sich der Minderjährige ausdrücklich zu keiner Vermögensleistung verpflichtet hatte. In der Stiftungserklärung hatte sich der Vater das von ihm allein ausübbare Recht vorbehalten, Änderungen der Stiftungserklärung, gleichgültig, ob sie in der Stiftungsurkunde oder in der Stiftungszusatzurkunde beurkundet sind, auch nach Eintragung der Privatstiftung in das Firmenbuch vorzunehmen. Vorgesehen wurde in der Stiftungserklärung auch, dass jeder Stifter jederzeit auf alle Rechte, die ihm aufgrund seiner Rechtsstellung als Stifter zustehen, verzichten kann. Die Privatstiftung wurde am 13. 4. 1996 im Firmenbuch eingetragen. Die in mehreren Punkten nicht mit der ursprünglichen Fassung übereinstimmenden Änderungen der Stiftungserklärung und Stiftungszusatzerklärung vom 3. 12. 2003 unterfertigte die Mutter im Namen des Minderjährigen. Dabei wurden auch der Verzicht der Großmutter des Minderjährigen auf ihre Rechte und deren Ausscheiden als Mitstifterin aus der Privatstiftung festgelegt.

Der Antrag auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der geänderten Erklärungen wurde damit begründet, dass die Stiftungserklärung und die Stiftungszusatzerklärung vom 1. 2. 1996 in Ansehung des Minderjährigen mit einem heilbaren Vertretungs- und Genehmigungsmangel behaftet seien. Aufgrund der Tatsache, dass die Privatstiftung mehrere Stifter habe, liege eine bloße Teilnichtigkeit vor. Es sei daher eine - nun pflegschaftsgerichtlich zu genehmigende - Änderung der Stiftungserklärung und der Stiftungszusatzerklärung vorgenommen worden. Das Stiftungsvermögen sei vollständig aufgebracht und sämtliche Gründungskosten berichtigt worden. Die Mitwirkung als Stifter gereiche dem Minderjährigen sowohl wegen seiner Bestimmung zum Begünstigten als auch wegen der ihm subsidiär zukommenden Stifterrechte zum Vorteil. Sollte eine nachträgliche pflegschaftsgerichtliche Genehmigung nicht erlangt werden können, müsste der Minderjährige aus der Stiftung ausscheiden, was für diesen nachteilig wäre.

Das Erstgericht wies den Antrag mit der Begründung ab, dass ein zwar heilbarer Mangel der fehlenden gesetzlichen Vertretung und pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung vorliege, eine Änderung der Stiftungserklärung und Stiftungszusatzerklärung vor Sanierung dieser Mängel jedoch nicht genehmigt werden könne.

Das Rekursgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, bestätigte dessen Entscheidung und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es liege eine teilnichtige Stiftungserklärung und Stiftungszusatzerklärung vor. Mit dem Antrag werde aber nicht auf die (nachträgliche) Erteilung der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung dieser Erklärungen abgezielt, sondern auf die Genehmigung der erfolgten Änderungen. Damit könne der ursprünglich bestehende Vertretungsmangel nicht saniert werden. Erst nach Sanierung der Mängel der schon errichteten, teilnichtigen Stiftung könne sich der Frage der begehrten Änderungen stellen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei wegen fehlender höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu dieser Fallkonstellation zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne des im Abänderungsantrag implizit enthaltenen Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung bedarf die einseitige Stiftungserklärung eines minderjährigen Stifters selbst dann der Vertretungshandlung der obsorgeberechtigten Elternteile und der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung nach § 154 Abs 3 ABGB, wenn der Stifter in der Stiftungserklärung nach § 9 PSG kein eigenes Vermögen widmet (vgl RIS-Justiz RS0111376; 6 Ob 332/98m und 6 Ob 331/98i unter ausdrücklicher Ablehnung der Lehrmeinung Arturos in RdW 1997, 442).

Zutreffend geht das Rekursgericht daher in Ansehung des Minderjährigen von einer teilnichtigen bzw schwebend unwirksamen Stiftung aus. Die mangelnde Geschäftsfähigkeit eines Stifters oder die fehlende Vollmacht eines Vertreters kann auch noch nach Eintragung der Privatstiftung in das Firmenbuch geltend gemacht werden. Hat die Privatstiftung mehrere Stifter, so ist bloß die Errichtung und Widmung durch den betroffenen Stifter nicht wirksam (vgl Doralt/Nowotny/Kalss, PSG, § 3 Rz 11). Der Mangel wird durch die Eintragung der Privatstiftung in das Firmenbuch nicht geheilt (vgl Johler in Doralt/Kalss, Aktuelle Fragen des Privatstiftungsrechts, 141 mwN; N. Arnold, PSG, § 3 Rz 34).

Richtig erkennen die Vorinstanzen auch, dass in einem Fall wie dem vorliegenden die angestrebten Änderungen der Stiftungserklärungen die - vorherige oder gleichzeitige - Genehmigung der ursprünglichen Stiftungserklärung voraussetzen, weil ein nachträglicher "Beitritt" als Stifter nicht in Betracht kommt (vgl nur N. Arnold, PSG, § 3 Rz 13 mwN).

Die Vorinstanzen haben jedoch übersehen, dass mit dem vorliegenden Antrag nicht nur (isoliert) die pflegschaftsgerichtliche Bewilligung der Änderungen der Stiftungserklärung, sondern zugleich auch jene der Mitwirkung des Minderjährigen an der seinerzeitigen Errichtung der Privatstiftung angestrebt wird. Dies ergibt sich unmissverständlich aus den Präambeln der zur Genehmigung vorgelegten Urkunden. Darin wird in Punkt A)a) ausdrücklich erklärt, dass der Minderjährige vorbehaltlich der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung die Stiftungserklärung vom 1. 2. 1996 genehmigt. Eine gesonderte, zeitlich vorangehende Genehmigung der seinerzeitigen Stiftungserklärung des Minderjährigen ist daher weder erforderlich, noch wird sie von seiner gesetzlichen Vertreterin überhaupt angestrebt. Durch die Bezugnahme auf die Urkunden vom 3. 12. 2003 wurde klar zum Ausdruck gebracht, dass deren Inhalt Gegenstand der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung sein soll, soweit er die namens des Minderjährigen abgegebenen rechtsgeschäftlichen Erklärungen betrifft.

Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren daher unter Abstandnahme vom bisher angenommenen Abweisungsgrund zu prüfen haben, ob die Genehmigung der Erklärungen des Minderjährigen vom 3. 12. 2003 einschließlich der seinerzeitigen Stiftungserklärung dessen Wohl entspricht. Ist dies der Fall, wird der Antrag zu bewilligen, andernfalls (zur Gänze) abzuweisen sein. Das Erstgericht wird auch zu beurteilen haben, ob vor Erledigung des Antrags über die Einsicht in die vorgelegten Urkunden hinausgehende Erhebungen erforderlich sind.

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