Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern der beiden Kinder wurde am 16. 12. 1996 einvernehmlich geschieden. Dieser Ehe entstammt ein weiteres bereits volljähriges Kind. Anlässlich der Scheidung verpflichtete sich der Vater, der als Zahnarzt berufstätig ist, zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von S 8.000,-- je Kind. Im Jahre 1998 zogen die Kinder zum Vater. Daraufhin schlossen die Eltern am 11. 6. 1999 eine vom Pflegschaftsgericht genehmigte Vereinbarung, mit der sich die Mutter verpflichtete, für die Zeit vom 1. 4. 1999 bis 31. 3. 2001 einen monatlichen Unterhalt von S 2.000,-- je Kind und zur pauschalen Abgeltung des Individualbedarfs der drei Kinder jährlich S 10.000,-- zu zahlen. Außerdem wurde vereinbart, dass für den genannten Zeitraum die "Umstandsklausel" nicht gelte.
Am 10. 4. 2001 beantragte der Vater, die Mutter zur Leistung eines monatlichen Unterhalts von S 6.500,-- für Marie-Theres und von S 6.000,-- für Michael zu verpflichten. Er behauptete ein monatliches Nettoeinkommen der Mutter von etwa S 38.000,- -; er selbst verfüge über ein Monatseinkommen von ungefähr S 42.000,- -.
Die Mutter gestand ein durchschnittliches Monatsnettoeinkommen von etwa S 37.000,-- zu, verwies aber darauf, dass der Vater monatlich etwa S 80.000,-- verdiene. Sie forderte ausdrücklich die Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vaters, der ihrer Meinung nach auch zum Teil für den Unterhalt der Kinder aufzukommen habe. Infolge "fälliger Renovierungen" müsse sie Aufwendungen für das ihr gehörige Wohnhaus tragen. Für den Fall einer einvernehmlichen Lösung erklärte sie sich zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von S 3.000,-- je Kind bereit.
Das Erstgericht verpflichtete die Mutter antragsgemäß zur Zahlung der geforderten Unterhaltsbeiträge ab 1. 4. 2001. Aus ihrer Berufstätigkeit in einem Krankenhaus und der Vermietung "unbeweglichen Vermögens" erziele die Mutter ein monatliches Nettoeinkommen von S 38.000,- -. Der Vater verfüge über ein Monatseinkommen von etwa S 42.000,- -. Die Mutter sei außerdem für den Sohn Johannes sorgepflichtig. Der Vater erfülle seine Unterhaltspflicht durch die Pflege und Erziehung der Kinder, weshalb er nicht zur Leistung von Geldunterhalt verpflichtet werden könne. Auf Grund ihres Einkommens sei die Mutter in der Lage, den geforderten Unterhaltsbeitrag zu leisten. Seit der letzten Unterhaltsfestsetzung hätten sich die Bedürfnisse der Kinder und die Lebenshaltungskosten wesentlich erhöht.
Das Rekursgericht hob diese Entscheidung auf und verwies die Pflegschaftssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück; es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das rechtliche Gehör der Mutter sei gewahrt worden. Es sei nicht nötig gewesen, die Einkommensverhältnisse des Vaters zu erheben. Eine anteilige Geldunterhaltspflicht des betreuenden Elternteils käme nämlich nicht in Frage, soweit die Leistungsfähigkeit des anderen Elternteils bejaht werden könne. Das Gesetz ordne unmissverständlich eine primäre Geldunterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils - im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit - an, und die erhöhte Leistungsfähigkeit des betreuenden Elternteils dürfe nicht zu einer Verminderung des vom anderen Elternteil zu leistenden Geldunterhalts führen. Grundsätzlich sei die Neubemessung des Unterhalts wegen einer Änderung der Verhältnisse nicht völlig losgelöst von einer vergleichsweise getroffenen Regelung vorzunehmen, doch seien der Unterhaltsvereinbarung vom 11. 6. 1999 keine Bemessungskriterien zugrundegelegt und sei vor allem die Regelung nur für die Zeit vom 1. 4. 1999 bis 31. 3. 2001 getroffen worden, woraus zu schließen sei, dass nach dem 31. 3. 2001 geänderte Verhältnisse geltend gemacht werden könnten. Demnach sei der Unterhalt neu zu bemessen.
Das erstinstanzliche Verfahren sei aber dennoch ergänzungsbedürftig, weil die Mutter geltend gemacht habe, sie müsse täglich berufsbedingt mit dem Auto den Ort ihrer Berufsausübung anfahren, diese Fahrtkosten daher allenfalls als abzugsfähige Aufwendungen zu beurteilen seien, und insofern keine Verfahrensergebnisse vorlägen. Es sei - trotz des Eingeständnisses der Mutter - auch nicht ganz klar, ob sie tatsächlich über ein monatliches Durchschnittsnetto- einkommen von S 37.000,-- verfüge, weil sich ein solches aus der von ihr vorgelegten Einkommenssteuererklärung nicht eindeutig nachvollziehen lasse. Es stehe weiters nicht fest, ob und inwieweit für den bereits großjährigen Sohn Geld- oder Betreuungsleistungen erbracht würden. Der von der Mutter behauptete Aufwand für ihre Wohnung stelle hingegen eine nicht abzugsfähige Belastung des täglichen Lebens dar.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Mutter ist zulässig, aber nicht berechtigt.
§ 140 Abs 1 ABGB verpflichtet die Eltern, nach ihren Kräften anteilig zur Deckung der Bedürfnisse ihrer Kinder beizutragen. Gemäß § 140 Abs 2 ABGB leistet der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem das Kind betreut wird, dadurch seinen Beitrag. Nur wenn die Kinder von keinem Elternteil betreut werden, sind beide Elternteile zur Geldunterhaltsleistung verpflichtet. Die Verpflichtung des betreuenden Elternteils zur Leistung von Geldunterhalt ist subsidiär, sie besteht somit nur dann, wenn der andere Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht imstande ist oder mehr leisten müsste, als seinen eigenen Lebensbedürfnissen angemessen wäre. Die erhöhte Leistungsfähigkeit des betreuenden Elternteils darf nicht zu einer Verminderung des vom anderen Elternteil zu leistenden Geldunterhalts führen.
Zu diesem Schluss gelangte der 6. Senat des Obersten Gerichtshofs in der ausführlich begründeten Entscheidung 6 Ob 211/00y, in der die in den Entscheidungen 10 Ob 502/96 (= JBl 1996, 651) und 7 Ob 526/93 vertretene Ansicht, bei einem im Vergleich zum anderen Elternteil beträchtlich höheren Einkommen sei auch von dem das Kind betreuenden Elternteil Geldunterhalt zu leisten bzw falle die Alimentationspflicht des grundsätzlich geldunterhalts- pflichtigen Elternteils zur Gänze oder wenigstens teilweise weg, abgelehnt wurde.
Dieser Ansicht tritt der erkennende Senat bei:
Die der Entscheidung des 8. Senats (8 Ob 651/90 = EFSlg 64.966) nachfolgenden Unterhaltsentscheidungen des 7. und des 10. Senats dehnten den Anwendungsbereich der auf den der Vorentscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt - nach dem das Einkommen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils nahe dem Existenzminimum lag - durchaus zutreffenden Begründung, eine teilweise oder sogar gänzliche Befreiung eines solchen Unterhaltspflichtigen sei dann denkbar, wenn der betreuende Elternteil über ein beträchtlich höheres Einkommen verfüge, sodass die dem anderen Teil zumutbare Alimentierung im Vergleich dazu bei lebensnaher Würdigung der Umstände nicht mehr ins Gewicht falle, über Gebühr dahin aus, dass sich ein auch durchaus leistungsfähiger Unterhaltsschuldner - wie hier die Mutter - auf eine Reduzierung seiner Unterhaltspflicht wegen des beträchtlichen Unterschieds zwischen seinem und dem Einkommen des anderen Elternteils berufen dürften. Für eine derartige Billigkeitserwägung, die ihren wahren Grund im Verhältnis der Eltern zueinander hat, besteht aber keine gesetzliche Handhabe, würde doch damit in solchen Fällen die aus § 140 Abs 2 ABGB abzuleitende subsidiäre Unterhaltspflicht des betreuenden Elternteils in eine primäre verwandelt werden (in diesem Sinne auch EvBl 2000/114; EFSlg 70.661). Im vorliegenden Fall träten die Konsequenzen der hier abgelehnten Judikatur besonders drastisch zu Tage, verfügt doch die Mutter über ein beträchtliches, weit über dem österreichischen Einkommensdurchschnitt liegendes Einkommen, das sich keineswegs in der Nähe zum Existenzminimum bewegt, sondern sich im Gegenteil dem Einkommen des betreuenden Vaters annähert, sodass keine Rede davon sein kann, der Vater sei - gleichfalls - zum Geldunterhalt verpflichtet.
Das Einkommen des Vaters ist im fortgesetzten Verfahren auch bei Bewahrheitung der Behauptung, die Tochter Marie-Theres halte sich seit Herbst 2001 in den Vereinigten Staaten auf, nicht von Bedeutung:
Wird ein Kind nicht von einem Elternteil betreut, dann findet § 140 Abs 2 ABGB nicht Anwendung und ist die Festsetzung des Unterhalts nach § 140 Abs 1 ABGB anteilig vorzunehmen (JBl 1996, 651 uva). Die Vorinstanzen gingen aufgrund der Behauptungen der Eltern richtiger Weise davon aus, dass sich die beiden Kinder in der Obsorge des Vaters befinden, er also die Kinder betreut. Erstmals in dem gegen die Entscheidung des Rekursgerichts erhobenen Rechtsmittel wird behauptet, die Tochter Marie-Theres halte sich seit Herbst 2001 in den Vereinigten Staaten auf und werde vom Vater überhaupt nicht betreut. Wenngleich diese Ausführungen unzulässige Neuerungen darstellen, weil sie sich auf erst nach Fassung des erstinstanzlichen Beschlusses eingetretene Umstände beziehen (EFSlg 94.987) und auch nicht im Interesse des Kindeswohls zu berücksichtigen wären (EFSlg 94.991), ist darauf Bedacht zu nehmen, dass das Verfahren auf Grund der Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung wieder in das Stadium vor Fassung des Beschlusses durch das Erstgericht zurücktritt, weshalb die von der Mutter aufgestellte Behauptung, sollte sie aufrecht erhalten werden, letztlich doch beachtet werden müsste. Dann wäre zu prüfen, ob der Vater seiner Tochter auch jetzt noch Betreuungsleistungen iSd § 140 Abs 2 ABGB erbringt, leistete er doch nur dadurch seinen Beitrag zur Deckung ihrer Bedürfnisse. Als Betreuungsleistungen gelten indes nicht nur die Zubereitung der Nahrung, die Instandhaltung der Kleidung und Wäsche sowie die Pflege im Krankheitsfall, der Begriff der Betreuung ist vielmehr viel weiter zu fassen und umfasst vor allem auch die geistig-seelischen Erziehungsmaßnahmen, die sich in Geld nicht ausdrücken lassen (JBl 1996, 651; ÖA 1993, 102; SZ 65/114). Es muss aber vor allem Berücksichtigung finden, dass mit dem Auslandsaufenthalt des Kindes erheblich höhere finanzielle Aufwendungen verbunden sind, die Sonderbedarf sind, und der Vater trägt offensichtlich ohnehin diese Mehrkosten. Er erbringt damit Unterhaltsleistungen, die seine Entlastung in Form des Entfalls der unmittelbaren Betreuungstätigkeit aufwiegen (vgl EFSlg 89.442; 89.449; 61.853). Daraus folgt, dass die Einkommensverhältnisse des Vaters in jedem Fall für den Ausgang dieses Verfahrens ohne Bedeutung sind, zumal er für die beiden Kinder Sonderunterhaltsleistungen der Mutter zur Bestreitung des Sonderbedarfs gar nicht geltend gemacht hat.
Zur Vereinbarung der Eltern vom 11. 6. 1999, aus der die Mutter ableitet, sie könne zu einer höheren als dort festgelegten Unterhaltsleistung nicht herangezogen werden, ist wie folgt Stellung zu nehmen:
Die genannte - pflegschaftsgerichtlich genehmigte - Vereinbarung betraf lediglich den Zeitraum vom 1. 4. 1999 bis 31. 3. 2001. Für diesen Zeitraum sollte die von der Mutter zu erbringende Unterhaltsleistung unverändert bleiben. Diese Vereinbarung kann nur so verstanden werden, dass sich der Vater - aus welchem Grund immer - namens der Kinder für die Zeit bis zum 31. 3. 2001 damit abfand, Geldunterhalt für die beiden Kinder nur in geringem, den Lebensverhältnissen der Mutter - allenfalls - nicht entsprechendem Ausmaß zu erhalten und die primäre (Geld-)Unterhaltspflicht zum Teil selbst zu übernehmen. Dass der Vater auch über den Endzeitpunkt (31. 3. 2001) hinaus den den Kindern gesetzlich gebührenden Unterhalt zum Teil primär selbst und anstelle der Mutter leisten wollte, kann weder der Vereinbarung vom 11. 6. 1999 noch der vom selben Tag stammenden pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung entnommen werden; solches wurde auch von der Mutter nicht behauptet. Eine derartige Vereinbarung hätte auch der - hier nicht vorliegenden - gerichtlichen Genehmigung bedurft (EFSlg 83.179; 79.955; SZ 68/146). Die Vereinbarung vom 11. 6. 1999 ist infolge der in ihr enthaltenen zeitlichen Befristung bei der Neubemessung des von der Mutter zu zahlenden Geldunterhalts nicht zu berücksichtigen.
Dass das Verfahren ergänzungsbedürftig ist, wird von der Mutter im Übrigen gar nicht in Zweifel gezogen; es werden sogar Abklärungen dahin gefordert, was "Grundlage der Vereinbarung vom 11. 6. 1999" gewesen sei und welches Einkommen der Vater erziele. Der Rekurs erweist sich demnach insgesamt als nicht berechtigt.
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