OGH 1Ob160/08y

OGH1Ob160/08y28.1.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Spitzauer & Backhausen Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Christian M*****, und 2. Margareta M*****, vertreten durch Knirsch, Gschaider & Cerha Rechtsanwälte KG in Wien, wegen Abgabe einer Erklärung (Streitwert 36.000 EUR) sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 21. Mai 2008, GZ 38 R 1/08s-51, womit das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 8. August 2007, GZ 16 C 671/05v-45, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Mieterin von Geschäftsräumen im Haus der Beklagten, in welchen sie eine Krankenanstalt betreibt. Im Mietvertrag wurde als Verwendungszweck der Betrieb einer Krankenanstalt für medizinische Diagnostik mittels digitaler Bildgebung vereinbart, und die Mieterin erhielt das Recht, alle baulichen Veränderungen, die für die vereinbarte Verwendung der Bestandobjekte erforderlich sind, auf ihre Gefahr und Kosten durchzuführen. Die beiden Geschäftsführer und Gesellschafter der Klägerin betreiben als Untermieter dieser Räumlichkeiten im Rahmen einer weiteren Gesellschaft - unter der Bezeichnung „MR-Zentrum H*****" - eine Magnetresonanz-Anlage.

Die Klägerin begehrte von den Beklagten die Unterfertigung des Einreichplans für die Anbringung eines Entlüftungsrohrs der Magnetresonanz-(MR-)Anlage durch die Mauer in den Innenhof des angrenzenden Hauses.

Die Beklagten bestritten die Aktivlegitimation der Klägerin, da diese selbst keine MR-Anlage betreibe. Das Klagebegehren sei unschlüssig, weil der Bewilligungsbescheid für diese Anlage nicht an die Klägerin ausgestellt sei. Im Übrigen sei es den Beklagten unmöglich, die Zustimmung zur gewünschten Baumaßnahme zu erteilen, weil die Eigentümer der Nachbarliegenschaft die Zustimmung zur Öffnung der Feuermauer widerrufen hätten. Diese hätten erklärt, dass keine Einwände bestünden, solange der Betrieb und die Benützung gefahrlos seien. Da keine gefahrlose Benützung möglich sei, könne auch von keiner Zustimmung der Nachbarn ausgegangen werden.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Das allfällige Austreten des Kühlmittels Helium aus dem „Quenchrohr" stelle ein gewisses Gefahrenpotential dar. So bestünde durch Kälteeinwirkung auf ungeschützte Haut (Hände, Gesicht, Augen) in unmittelbarer Nähe des Austrittsrohrs bis zu 3 m - vorübergehend während der Dauer von Fassadenarbeiten - eine Gefahr von Verletzungen. Aufgrund dieser vorübergehenden Gefahr könnten die Beklagten nicht zur Unterfertigung des Einreichplans verhalten werden.

Das Berufungsgericht gab der Klage statt; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Parteien hätten ausdrücklich vereinbart, dass der Klägerin zur Ausübung des Bestandzwecks erforderliche bauliche Veränderungen zu gestatten seien. Darüber hinaus ermögliche auch § 1098 ABGB dem Mieter, gegen den Willen des Vermieters bauliche Veränderungen am Bestandobjekt vorzunehmen, wenn diese durch die vertragsmäßige Benützung der Bestandsache erforderlich würden und die Substanz des Hauses nicht verletzt werde „bzw leicht wieder zu beseitigen seien", und wichtige Interessen des Vermieters nicht beeinträchtigt würden. Es habe sich schon ursprünglich eine MR-Anlage in den gemieteten Räumlichkeiten befunden und sei deren Betrieb durch den vereinbarten Bestandzweck und die behördlichen Bewilligungen gedeckt gewesen. Das Quenchrohr als Bestandteil des neuen MR-Geräts als Notfallauslassrohr müsse ins Freie führen. Es handle sich dabei um eine zwingend vorgeschriebene Notfalleinrichtung, die den Betrieb gegenüber früher wesentlich sicherer gemacht habe. Eine (sonst allenfalls zu befürchtende) Explosion der gesamten MR-Anlage mit weitreichenden Folgen werde dadurch verhindert. Somit könnten wichtige Interessen der Vermieter durch die begehrte Baumaßnahme nicht gefährdet werden. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die Frage, ob wichtige Interessen der Vermieter im Sinne des § 1098 ABGB die Verweigerung der Unterfertigung eines Einreichplans rechtfertigten, nur von den Umständen des Einzelfalls abhänge und keine darüber hinaus bedeutsame Rechtsfrage vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die von den Beklagten dagegen erhobene außerordentliche Revision ist nicht zulässig.

1. Die von den Revisionswerbern behauptete Abweichung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist nicht gegeben:

In der Entscheidung 6 Ob 743/88 wurde dargelegt, dass die eigenmächtige Herstellung und Aufrechterhaltung einer Öffnung der Feuermauer zum Nachbarhaus durch den Mieter als erheblich nachteiliger Gebrauch des Bestandgegenstands zu werten sei, der den Kündigungsgrund nach dem 1. Fall des § 30 Abs 2 Z 3 MRG erfülle.

Zu 5 Ob 46/99x führte der Oberste Gerichtshof aus, dass im Anwendungsbereich des § 13 WEG der Durchbruch einer Decke zwischen zwei Wohngeschoßen wegen der gravierenden Bedeutung der Öffnung der Geschoßdecke, möglicher Haftungsfolgen und einer allfälligen Wertminderung, als nicht mehr verkehrsüblich beurteilt werden könne.

Anders als bei den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten kann im vorliegenden Fall einerseits von massiven Veränderungen an der Struktur und Substanz des Hauses nicht die Rede sein, handelt es sich doch nicht um einen Mauerdurchgang, sondern um ein Notfallauslassrohr von (bloß) 15 cm Durchmesser, und findet andererseits die bauliche Veränderung im vertraglichen Benützungsrecht der Bestandnehmer Deckung.

2. Ein Änderungsanspruch besteht jedenfalls, wenn ein Geschäftslokal für eine bestimmte Betriebsart vermietet wurde und gesetzliche Vorschriften/behördliche Anordnungen eine Änderung vorschreiben oder die Adaption zur Aufrechterhaltung - nicht: Ausweitung - des Betriebsumfangs notwendig ist (Binder in Schwimann, ABGB3 § 1098 Rz 60; Würth in Rummel3, § 1098 ABGB Rz 6 mwN).

Im gegebenen Fall ist die Installation des Quenchrohrs gemäß dem neuen Stand der Technik zwingend erforderlich, um eine MR-Anlage betreiben zu können. Die Einrichtung derselben fällt in die vereinbarte Verwendung des Bestandobjekts (Betrieb einer Krankenanstalt für medizinische Diagnostik mittels digitaler Bildgebung) und stellt keine Erweiterung des Betriebsumfangs dar, zumal schon bisher in den gemieteten Räumlichkeiten eine MR-Anlage betrieben worden war. Das durch die Installation des Notfallauslassrohrs - vorübergehend - geschaffene geringe Gefahrenpotential ist im Verhältnis zu der dadurch erzielten Verbesserung der Sicherheitssituation in der Krankenanstalt zu vernachlässigen und von den Vermietern (Beklagten) hinzunehmen.

3. Die Bezeichnung des Antragstellers auf dem Einreichplan ist unerheblich, weil sich aus dem Gesamtzusammenhang des festgestellten Sachverhalts ergibt, dass die MR-Anlage von den Untermietern der Klägerin - die in verschiedenen Rechtsformen unter der Bezeichnung „MR-Zentrum H*****" auftraten - im Rahmen der von der Klägerin geführten Krankenanstalt betrieben wird.

Unerheblich ist auch, dass die in Frage stehende bauliche Änderung bereits hergestellt wurde, da dies auf die Frage der Zulässigkeit der zu beantragenden baubehördlichen Maßnahme keinen Einfluss hat.

4. Dem Argument der Beklagten, sie seien zur Gestattung des gewünschten Durchbruchs gar nicht in der Lage, weil sie diesbezüglich gemäß § 101 Abs 3 der Wiener Bauordnung von der Zustimmung des Eigentümers der Nachbarliegenschaft abhängig seien, ist entgegen zu halten, dass kein Zusammenhang zwischen der bezogenen Gesetzesstelle und der hier relevanten Rechtsfrage erkennbar ist. § 101 Abs 3 Wiener Bauordnung regelt nämlich - unter dem Titel „Abgase von Feuerstätten" -, dass die Verschlüsse der Reinigungsöffnungen feuerhemmend ausgeführt sein müssen. Im Übrigen ist die Rechtsposition des Grundstücksnachbarn - der im vorliegenden Fall ohnehin seine (bedingte) Zustimmung erteilte - für die Beurteilung des Änderungsanspruchs des Mieters gegen den Vermieter ohne Belang.

Auf das - erstmals in der Revision erstattete - Vorbringen, dass die Planverfasserin nicht Ziviltechnikerin oder planende Baumeisterin sei, ist wegen des im Rechtsmittelverfahren herrschenden Neuerungsverbots nicht einzugehen.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist aus den dargestellten Gründen jedenfalls vertretbar und stellt keine (grobe) Fehlbeurteilung dar, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wäre. Die Revision ist daher mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne von § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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