OGH 6Ob743/88

OGH6Ob743/8812.1.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Melber, Dr.Schlosser und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Gregor K***, Angestellter, Wien 23., Haselbrunnerstraße 8, vertreten durch Dr.Manfred Melzer und Dr.Erich Kafka, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Hermann A***, Pensionist, und

2.) Maria A***, im Haushalt, beide wohnhaft in Wien 4., Gußhausstraße 15/8, beide vertreten durch Dr.Ernst Kojer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung der Miete von Atelier- und Büroräumen, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 7. September 1988, GZ 41 R 377/88-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 6.April 1988, GZ 44 C 334/87-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird stattgegeben. Das angefochtene Urteil wird abgeändert, so daß es in Abänderung des Urteiles erster Instanz zu lauten hat:

"Die Aufkündigung vom 15.April 1987 ist rechtswirksam. Die Beklagten sind schuldig, das im Dachgeschoß des Hauses Wien 4., Gußhausstraße 15 gelegene Atelier mit der topographischen Bezeichnung Nr 9 samt Nebenräumen dem Kläger binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben."

Die Beklagten sind ferner zur ungeteilte Hand schuldig, dem Kläger die mit 19.747,21 S bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin enthalten an Barauslagen 2.602 S und an Umsatzsteuer 1.558,65 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger kündigte den Beklagten die Miete der mit top Nr.9 bezeichneten Atelier- und Büroräume zum 30.September 1987 auf und führte dabei als Kündigungsgründe aus, daß der Bestandgegenstand von den Beklagten nicht mehr zur geschäftlichen Betätigung genützt werde, sondern zur Gänze gegen ein überhöhtes Entgelt untervermietet worden wäre, der Untermieter ohne Zustimmung der Hausinhabung am Bestandgegenstand Bauarbeiten durchgeführt, insbesondere eine Feuermauer zum Nachbarhaus durchgebrochen und trotz Aufforderung nicht wieder geschlossen habe und die Beklagten diesen nachteiligen Gebrauch nicht verhindert hätten.

Der über diese Aufkündigung ergangene Gerichtsbeschluß wurde beiden Beklagten am 23.April 1987 zugestellt.

Die Beklagten erhoben Einwendungen. Sie bestritten das Vorliegen der geltend gemachten Kündigungsgründe. Zum Durchbruch der Feuermauer zum Nachbarhaus stellten sie zwar außer Streit, daß ihr Untermieter ohne Genehmigung des Klägers einen Durchbruch durch die das Haus des Klägers zum Nachbarhaus abgrenzende Mauer geschaffen hat, machten aber geltend, daß dies außerhalb des Mietgegenstandes in einem als Trockenboden benützten Raum vom Nachbarhaus aus erfolgt wäre, in dem der Untermieter eine Wohnung innehabe. Zur Verwendung des Bestandgegenstandes behaupteten die Beklagten, der Erstbeklagte benütze einen Teil des Bestandgegenstandes nach wie vor persönlich für seine beruflichen Zwecke.

Die teilweise Weitergabe der mietweise erworbenen Nutzungsrechte an einen Untermieter (§ 30 Abs 2 Z 4 MRG) ist nicht mehr Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens. Gegen die Nichtannahme dieses Kündigungsgrundes durch das Prozeßgericht erster Instanz unterließ der Kläger bereits jede Ausführung in seiner Berufung. Das Prozeßgericht erster Instanz hob die Aufkündigung unter Abweisung des darauf gegründeten Räumungsbegehrens auf. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Das Berufungsgericht legte seiner Beurteilung die erstinstanzlichen Feststellungen zugrunde. Aus diesen ist hervorzuheben:

Der Kläger ist seit 1986 Eigentümer einer städtischen Liegenschaft mit einem mehrgeschoßigen Wohnhaus. Die Beklagten sind seit dem Jahre 1956 Mieter des im Dachgeschoß dieses Hauses gelegenen Objektes, das aus zwei Atelierräumen (im Ausmaß von 44,63 m2 und 25,08 m2), einem Büroraum (25,8 m2), zwei Lagerräumen (im Ausmaß von 16,83 m2 und 8,67 m2), zwei Vorräume (im Ausmaß von 7,53 m2 und 21,52 m2), zwei Abstellräumen (im Ausmaß von 6,39 m2 und 2,36 m2), einem Waschraum (5,04 m2) und einem WC (1,4 m2) besteht und damit eine Gesamtnutzfläche von 165,25 m2 besitzt. Der damalige Hausverwalter erteilte den Beklagten am 12.Juli 1956 die unwiderrufliche, bedingungslose und unbegrenzte Zustimmung zur Untervermietung einzelner Räume und zur Verwendung einzelner Räume zu anderen Zwecken. In eine mit 11.Juni 1957 datierte Mietvertragsurkunde wurde die eingeräumte Befugnis zur Untervermietung nicht unmittelbar aufgenommen, aber festgehalten, daß der mündliche Mietvertrag bereits in derselben Fassung am 12. Juli 1956 abgeschlossen worden sei. Die Beklagten haben große Teile des Mietgegenstandes seit dem Jahre 1959 untervermietet. Seit dem Jahre 1983 ist ein Architekt Untermieter der beiden Atelierräume, des Waschraumes sowie des größeren der beiden Lagerräume mit dem Recht, die beiden Vorräume, das WC und einen der beiden Abstellräume mitzubenützen. Der Erstbeklagte hat sich den Büroraum zur alleinigen Benützung vorbehalten. Er verwendet die beiden Vorräume, das WC und einen der beiden Abstellräume, an denen dem Untermieter das Benützungsrecht eingeräumt wurde, gemeinsam mit diesem.

Der Erstbeklagte war Baumeister. Er arbeitet schon seit mehr als 20 Jahren nur noch als Bausachverständiger. Im Herbst 1983 legte er seine Gewerbeberechtigung zurück. Den nicht untervermieteten Büroraum verwendet er etwa dreimal wöchentlich abends. An drei Vormittagen in der Woche verrichtet eine Sekretärin für ihn Schreib- und Buchhaltungsarbeiten.

Der derzeitige Untermieter der Beklagten ist Hauptmieter einer im Nachbarhaus gelegenen Wohnung. In dieser befindet sich ein Teil seines Architektenateliers. Das Nachbarhaus ist im Gegensatz zum Haus des Klägers nicht mit einem Aufzug ausgestattet. Die Ehefrau des Untermieters betreibt im Haus des Klägers eine Tanzschule. Der derzeitige Untermieter der Beklagten interessierte sich bereits vor dem Abschluß des Untermietvertrages für eine unmittelbare Verbindung zwischen den beiden Nachbarhäusern, um von der Tanzschule im einen Haus unter Dach in die im anderen Haus gelegene Mietwohnung gelangen und diese Wohnung mit Hilfe eines Aufzuges erreichen zu können. Er beabsichtigte zu diesem Zweck, im Dachgeschoß in dem an den Bestandgegenstand der Beklagten angrenzenden Trockenraum die gemeinsame Feuermauer der Nachbarhäuser zu durchbrechen. Er suchte im Jahre 1980 in London die damalige Hauseigentümerin auf, um deren Zustimmung zum beabsichtigten Durchbruch der Feuermauer zu erhalten. Dazu hielt das Erstgericht fest, es habe nicht geklärt werden können, ob der Architekt bei seinem Besuch in London eine eindeutige Zustimmung der Hauseigentümerin erhalten habe. Er holte in der Folge die schriftliche Zustimmung aller Mieter in dem nun dem Kläger gehörenden Haus ein und stellte den beabsichtigten Durchbruch in der Feuermauer her. Überdies stellte er einen weiteren Durchbruch in der Trennmauer zwischen dem Trockenboden und den untergemieteten Räumen im Bestandgegenstand der Beklagten her. Die Erlangung der baubehördlichen Genehmigung scheiterte am Fehlen der Unterschrift der damaligen Hauseigentümerin auf den Bauplänen. Der Untermieter der Beklagten wurde 1985 durch den Hausverwalter aufgefordert, die Durchbrüche wieder zu schließen. Dieser Aufforderung entsprach der Untermieter lediglich in Ansehung des Durchbruches der Trennmauer zwischen Trockenboden und Bestandgegenstand, nicht auch in Ansehung der Öffnung der Feuermauer. Diese Öffnung benützte der Untermieter allerdings nicht mehr, weil ihm auch der Eigentümer des Nachbarhauses die Benützung wegen Fehlens der baubehördlichen Bewilligung untersagt hat.

Aus diesem Sachverhalt hatte das Erstgericht in rechtlicher Würdigung gefolgert, daß der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 7 MRG nicht erfüllt sei, weil der aufgekündigte Mietgegenstand nach wie vor als Atelier Verwendung fände und daher keine Nichtbenützung vorläge. Der Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauches nach § 30 Abs 2 Z 3 MRG sei deshalb nicht gegeben, weil dazu eine Gefährdung der Substanz des Hauses erforderlich wäre, eine solche vom Kläger aber nicht behauptet worden sei. Überdies habe der Untermieter die bauliche Veränderung nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem von ihm teilweise in Unterbestand genommenen Mietgegenstand vorgenommen, die bauordnungswidrige Maßnahme könne deshalb den Beklagten nicht als ein von ihnen zu vertretender sachwidriger Gebrauch des Mietgegenstandes zugerechnet werden. Das Berufungsgericht teilte die erstrichterliche Beurteilung, daß der Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauches nach dem ersten Fall des § 30 Abs 2 Z 3 MRG eine wenigstens drohende Substanzgefährdung voraussetzte. Der Kläger habe es aber verabsäumt, bereits in erster Instanz darzulegen, welche Substanzgefährdung aus der Öffnung der Feuermauern und der Unterlassung der geforderten Wiederverschließung drohe. Die bloße Tatsache der Öffnung der Feuermauer reiche zur Ableitung einer Substanzgefährdung noch nicht hin. Daß der Durchbruch etwa unsachgemäß ausgeführt oder durch ihn die Gefahr der leichteren Ausbreitung eines Brandes heraufbeschworen worden wäre, habe der Kläger in erster Instanz nicht behauptet. Auch zum Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 7 MRG trat das Berufungsgericht der erstrichterlichen Beurteilung bei. Die untergemieteten Räume würden (vom Untermieter) als Architektenbüro regelmäßig verwendet, wie sie der Art nach seit Begründung des Mietverhältnisses vom Erstbeklagten im Rahmen seiner Berufstätigkeit verwendet worden seien. Den nicht untervermieteten Büroraum benütze der Erstbeklagte nach wie vor im Rahmen seiner Tätigkeit als Bausachverständiger, wenn auch gegenüber früher in einem eingeschränkten Ausmaß, aber doch regelmäßig.

Der Kläger ficht das bestätigende Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit einem auf Wirksamerklärung der Aufkündigung zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Die Beklagten streben die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Kläger hat unter anderem als Kündigungsgrund im Sinne des § 30 Abs 2 Z 3 MRG geltend gemacht, daß der Untermieter der Beklagten eigenmächtig Bauarbeiten im Bestandgegenstand durchgeführt habe und vor allem die Feuermauer zum Nachbarhaus durchbrochen und trotz Aufforderung nicht wieder verschlossen habe, wobei die Beklagten gegen dieses Verhalten ihres Untermieters nichts unternommen hätten. Im Zuge des Verfahrens stellten die Parteien außer Streit, daß der Untermieter der Beklagten ohne Genehmigung des Klägers einen Durchbruch durch die Feuermauer zum Nachbarhaus, in dem der Untermieter eine Wohnung innehat, hergestellt hat. Das Fehlen einer baubehördlichen Zustimmung dazu steht fest. Daß der bauordnungswidrige Zustand wieder behoben worden wäre oder daß aus besonderen Gründen aus dem bauordnungswidrigen Zustand keine Vergrößerung der Gefahr einer Brandausbreitung anzunehmen wäre, haben die Beklagten ebensowenig geltend gemacht, als sie ihrerseits Schritte gegen das bauordnungswidrige Verhalten ihres Untermieters behaupteten.

Ein bis an die Grundgrenze heranreichendes Gebäude muß an dieser Grenze grundsätzlich mit einer öffnunglosen Feuermauer ausgestattet sein (§ 101 Abs 1 WrBO). Die Herstellung von Öffnungen in Feuermauern ist mit Zustimmung der Eigentümer der Nachbarliegenschaft nur gegen jederzeitigen Widerruf zulässig, sofern keine öffentlichen Rücksichten entgegenstehen (§ 101 Abs 3 WrBO). Türen in Brandmauern sind feuerhemmend und selbstzufallend auszuführen (§ 101 Abs 7 WrBO). Der Zweck dieser Regelungen liegt in der Verminderung der Gefahr einer Ausbreitung von Bränden. Ein Verstoß gegen diese Brandschutzbestimmungen indiziert eine Vergrößerung der Gefahren, denen durch Einhaltung der Bestimmungen vorgebeugt werden soll. Macht der Bestandgeber eine bauordnungswidrige Öffnung einer Feuermauer seines Hauses gegen ein in geschlossener Bauweise angrenzendes Nachbarhaus als Kündigungs- oder Vertragsaufhebungsgrund geltend, ist auch ohne diesbezügliche ausdrückliche Behauptung davon auszugehen, daß der Bestandgeber in der Aufrechterhaltung des feuerpolizeiwidrigen Zustandes eine erhöhte Gefährdung seines Gebäudes im Falle eines im Nachbarhaus ausbrechenden Brandes erblickt. Dies ist auch augenscheinlich der Fall.

Daß der Untermieter den von ihm hergestellten Durchbruch der Feuermauer nicht vom Haus des Klägers, sondern vom Nachbarhaus in Angriff genommen habe, ist für die außer Streit stehende Tatsache der eigenmächtigen Öffnung der Feuermauer bedeutungslos. Daß der Durchbruch der Feuermauer nicht in den Bestandgegenstand, sondern in einen allgemein benützten Teil des Hauses führt, schließt die Annahme eines erheblich nachteiligen Gebrauches der Bestandsache nicht aus, sondern verstärkt nur die für den Kläger bestehende Unzumutbarkeit einer weiteren Aufrechterhaltung des Bestandverhältnisses: Die festgestellte bauliche Eigenmacht des Untermieters der Beklagten dient ausschließlich diesem als einem Benützer eines im Nachbarhaus gelegenen Objektes zur Beförderung seiner persönlichen Bequemlichkeit. Weder der Untermieter der Beklagten noch diese selbst durften annehmen, daß die Maßnahme im mietvertraglichen Benützungsrecht am Bestandgegenstand eine Deckung finden könnte. Das verstärkt den Hinweis darauf, daß sowohl dem Untermieter als auch den Beklagten die Eigenmacht voll bewußt gewesen sein muß, woran nach dem vom Erstbeklagten ausgeübten Beruf eines Baumeisters und dem vom Untermieter ausgeübten Beruf eines Architekten in baurechtlicher Hinsicht nicht zu zweifeln ist.

Der vom Untermieter der Beklagten herbeigeführte bauordnungswidrige Zustand löst eine verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit des Klägers aus. Nichtsdestoweniger blieb der bauordnungswidrige Zustand auch noch nach der Aufkündigung aufrecht. Das erlaubt Rückschlüsse auf die Absicht der Beklagten und ihres Untermieters, sich in bewußter Eigenmacht über vertragliche und gesetzliche Grenzen der Hausbenützung hinwegzusetzen. Die Herstellung und Aufrechterhaltung einer Öffnung der Feuermauer zum Nachbarhaus durch den Untermieter der Beklagten ist als erheblich nachteiliger Gebrauch des Bestandgegenstandes zu werten. Die Beklagten haben nicht vorgebracht, daß sie Abhilfe versucht hätten oder ihnen eine solche unmöglich gewesen wäre. Entgegen der Beurteilung durch die Vorinstanzen ist der Kündigungsgrund nach dem ersten Fall des § 30 Abs 2 Z 3 MRG erfüllt. Erörterungen über weitere Kündigungsgründe sind daher entbehrlich. In Stattgebung der Revision war in Abänderung der vorinstanzlichen Urteile die Aufkündigung für rechtswirksam zu erklären und die Beklagten waren zur Übergabe des Bestandgegenstandes an den Kläger zu verpflichten.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 41 ZPO, in Ansehung der Kosten des Rechtsmittelverfahrens im Zusammenhang mit § 50 ZPO.

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