OGH 1Ob144/00h

OGH1Ob144/00h6.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** KG, ***** vertreten durch Dr. Bernd Fritsch, Dr. Klaus Kollmann, Dr. Günter Folk, Dr. Werner Stegmüller und Mag. Franz Doppelhofer, Rechtsanwälte in Graz, und der Nebenintervenientin G***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr. Helmut Klement und Dr. Annemarie Stipanitz-Schreiner, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagten Parteien 1.) S***** GmbH, ***** und 2.) Ing. Walter K*****, beide vertreten durch Dr. Helwig Keber, Rechtsanwalt in Graz, und den Nebenintervenienten Dipl.Ing. Werner T*****, vertreten durch Dr. Helmut Thomich, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 3,060.907,10 sA, infolge Revision der beklagten Parteien (Revisionsstreitwert S 3,049.644,43) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 23. Februar 2000, GZ 4 R 205/99w-86, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 23. Mai 1999, GZ 21 Cg 186/95k-79, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei binnen vierzehn Tagen die mit S 31.118,38 (darin S 5.186,39 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu bezahlen.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Rechtsvorgängerin der erstbeklagten Partei beauftragte die klagende Partei mit der Durchführung von Aus- und Umbauarbeiten an einem in ihrem Eigentum stehenden Objekt. Der Zweitbeklagte war Komplementär der Rechtsvorgängerin der erstbeklagten Partei. Für die Verrichtung der Arbeiten wurde bisher von der Beklagtenseite ein Betrag von S 3,804.000 bezahlt.

Die klagende Partei begehrte ursprünglich an aushaftendem Werklohn S 1,813.822,22. Sie sei vom - nahezu erfüllten - Werkvertrag zurückgetreten, weil sich die erstbeklagte Partei geweigert habe, die achte Teilrechnung vom 31.1.1995 zu bezahlen. Am 5.3.1998 dehnte sie die Werklohnforderung auf S 1,918.358,30 aus, weil ihr ein Rechenfehler unterlaufen sei, und machte weiters eine Forderung von S 1,142.933,32 aus dem Titel der von ihr gelegten Umsatzsteuerrechnung vom 2.3.1998, also insgesamt letztlich S 3,060.907,10 sA geltend.

Die beklagten Parteien wendeten die Mangelhaftigkeit der Leistungen der klagenden Partei ein. Auf Grund einer zu geringen Breite des Stiegenhauses müsse mit einer Versagung der beantragten Benützungsbewilligung gerechnet werden; die hiefür erforderlichen Sanierungskosten beliefen sich auf 2,000.000 S. Dieser Betrag werde aufrechnungsweise aus dem Titel des Schadenersatzes und der Gewährleistung eingewendet. Die klagende Partei sei verpflichtet gewesen, alle zur Ausführung des Werks beigestellte Unterlagen auf deren technische und rechtliche Richtigkeit zu überprüfen. Dieser Pflicht sei sie nicht nachgekommen. Die "Mehrwertsteuerrechnung" sei verjährt, weil diese Forderung bereits mit der letzten Teilrechnung hätte abgerechnet werden können.

Das Erstgericht verurteilte die beklagten Parteien zur Bezahlung von S 3,049.644,43 sA und wies das Mehrbegehren von S 11.262,67 sA ab. Die klagende Partei habe ihre Arbeiten - mit Ausnahme geringfügiger unbehebbarer Mängel, die einen Abzug im Ausmaß der Klagsabweisung rechtfertigten - mängelfrei erbracht, sodass die Werklohnforderung fällig sei. Die Mehrwertsteuer sei rechtzeitig, nämlich innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist in Rechnung gestellt und eingeklagt worden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung in der Hauptsache und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die klagende Partei habe das vertraglich geschuldete Werk errichtet, eine Warnpflichtverletzung sei ihr nicht anzulasten. Sie sei berechtigt gewesen, Teilrechnungen zu legen, und die Umsatzsteuer wäre erst mit der Schlussrechnung einforderbar gewesen. Vor Legung der Schlussrechnung habe die klagende Partei berechtigter Weise der Rücktritt vom Vertrag erklärt; erst mit diesem Rücktritt bzw zum Zeitpunkt der nach dem Rücktritt frühestmöglichen Rechnungslegung sei die Forderung der klagenden Partei auf Zahlung der Umsatzsteuer fällig geworden.

Die Revision der beklagten Partei ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die beklagten Parteien vertreten die Ansicht, die klagende Partei habe nicht ohne weiteres und ungeprüft davon ausgehen dürfen, dass die geplante Stiegenhausbreite dem Steiermärkischen Baugesetz entspreche, weil diese die Verpflichtung übernommen habe, alle zur Ausführung des Werks beigestellten Unterlagen auf deren technische und rechtliche Richtigkeit zu überprüfen. Es sei für sie vorhersehbar gewesen, dass in den Stiegenhäusern ein Verputz aufgebracht und Handläufe montiert werden, sodass von "offenbar unrichtigen Anweisungen" des Bestellers im Sinne des § 1168a ABGB auszugehen sei. Die schließlich eingetretene Unterschreitung der vorgeschriebenen Mindestbreite des Stiegenhauses und damit ein baugesetzwidriger Zustand sei der klagenden Partei anzulasten; sie habe dafür einzustehen, dass die Benützungsbewilligung für das Objekt versagt geblieben sei, so dass die beklagten Parteien zu Recht die Zahlung der achten Teilrechnung verweigert hätten, weshalb kein Verzug eingetreten und der Teilrücktritt der klagenden Partei zu Unrecht erfolgt sei.

Hiezu ist auszuführen:

Der Werkunternehmer darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die für die bestellte Leistung erforderlichen Voraussetzungen auf Seite des Werkbestellers vorliegen. Die Verantwortung für die Tauglichkeit der dem Werkunternehmer zur Verfügung gestellten Pläne und sonstigen Anweisungen trifft primär den Werkbesteller, es sei denn, dass eine Prüfpflicht des Werkunternehmers vereinbart wurde (RdW 1999, 70). Im vorliegenden Fall oblag die Verantwortung für die ordnungsgemäße Bauabwicklung dem Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Parteien (S 5 des Ersturteils). Allerdings hatte die klagende Partei die Verpflichtung übernommen, alle zur Ausführung beigestellten Unterlagen auf deren technische und rechtliche Richtigkeit zu überprüfen (S 16 des Berufungsurteils). Das Rohbaumaß der Stiegenarme war in dem von den beklagten Parteien zur Verfügung gestellten und von der Behörde genehmigten Einreichplan mit 1,22 bis 1,25 m eingetragen. Die klagende Partei hat nach den Feststellungen dem Plan entsprechend gebaut. Der Verputz, der die Rohbaumaße um die aufzubringende Putzstärke verringerte, wurde nicht von ihr aufgetragen, und auch die Handläufe wurden nicht von ihr montiert. Aus den Plänen war nicht ersichtlich, ob die Handläufe wurden allenfalls in Mauerschlitzen montiert werden sollten, wobei eine derartige Montage keine Verringerung der Durchgangsbreiten im Stiegenhaus nach sich gezogen hätte. Erst durch das Aufbringen des Verputzes ist die Mindestinnenlichte des Stiegenhauses (1,2 m) minimal unterschritten worden (S 8 f des Ersturteils).

Geht man von diesen Feststellungen aus, so ist - wenngleich nicht jedes blinde Vertrauen des Werkunternehmers in die Planungen und Anweisungen des Werkbestellers geschützt ist (RdW 1999, 70) - eine Warnpflichtverletzung der klagenden Partei zu verneinen. Zwar besteht die Warnpflicht des Unternehmers grundsätzlich auch gegenüber einem sachkundigen und sachverständig beratenen Besteller (SZ 58/7; 1 Ob 278/98h), doch darf die Prüfpflicht gemäß § 1168a ABGB nicht überspannt werden. Der Werkunternehmer hat den Besteller nur zu warnen, wenn er bei gehöriger, von ihm zu erwartender Sachkenntnis in Ansehung konkreter Gefahrenquellen die Untauglichkeit des ihm zur Verfügung gestellten Stoffs bzw unrichtige Anweisungen erkennen musste (vgl ecolex 1998, 126; vgl ecolex 1994, 675; SZ 63/20; SZ 57/18). Hat die klagende Partei die Stiegenhäuser plangemäß hergestellt und wäre bei einer solchen Herstellung die Einhaltung der baupolizeilichen Vorschriften durch Aufbringung einer entsprechend geringen Verputzstärke bzw versenkter Montage der Handläufe möglich gewesen, dann ist eine Verletzung der der klagenden Partei obliegenden und von ihr vertraglich übernommenen Warnpflicht nicht zu erkennen. Diese von den Vorinstanzen vertretene Rechtsansicht steht im Einklang mit der herrschenden, zuvor zitierten Judikatur des Obersten Gerichtshofs.

Die beklagten Parteien machen weiters geltend, dass das Teilbegehren auf Bezahlung von Umsatzsteuer im Betrag von S 1,142.933,32 verjährt sei. Auch diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden:

Gewiss ist die klagende Partei - und sind die Vorinstanzen - davon ausgegangen, dass der Klagsteilbetrag der aushaftenden Werklohnforderung spätestens bereits zum 1. 3. 1995, also kurze Zeit nach Legung der achten Teilrechnung, fällig geworden sei. Dies bedeutet aber nicht, dass auch die zu entrichtende Umsatzsteuer derselben Fälligkeit unterlag, weil die klagende Partei erst wegen Nichtzahlung der achten Teilrechnung gemäß § 918 Abs 2 ABGB vom Vertrag (teilweise) zurücktrat und sie erst dieser Vertragsrücktritt zur Geltendmachung der Umsatzsteuer berechtigte: Die klagende Partei legte stets Teilrechnungen, ohne die Umsatzsteuer zu verzeichnen und die beklagten Parteien haben dies nicht beanstandet. Aus diesem übereinstimmenden Verhalten der Streitteile schlossen die Vorinstanzen auf eine (stillschweigende) Vereinbarung dahin, dass die Umsatzsteuer erst mit der Schlussrechnung in Rechnung zu stellen gewesen wäre (S 23 des Berufungsurteils). Noch ausständige Gegenleistungen der beklagten Parteien (die Umsatzsteuer), die mit der Schlussrechnung geltend zu machen waren, waren - da infolge des (Teil-)Rücktritts keine weiteren Werkleistungen mehr zu erbringen waren - erst nun einforderbar. Da die klagendc Partei im April 1995 vom Vertrag - teilweise - zurückgetreten war, wurde die Umsatzsteuer-Forderung durch Klagserweiterung bei der Verhandlungstagsatzung vom 5. 3. 1998, noch innerhalb der dreijährigen Verjährungszeit gerichtlich geltend gemacht. Auch in diesem Punkt ist die Rechtsansicht des Gerichts zweiter Instanz von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung gedeckt (SZ 71/69; HS 27601; HS 27742; 2 Ob 2375/96w; SZ 61/233; 5 Ob 639/82; Schubert in Rummel ABGB2 Rz 3 zu § 1478).

Die beklagten Parteien vermochten keine erheblichen Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen; die Revision ist demnach zurückzuweisen. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a ZPO nicht gebunden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 41 und 50 ZPO. Während die Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei auf die Unzulässigkeit der Revision hinwies und damit der Zuspruch von Kosten der Revisionsbeantwortung gerechtfertigt ist, unterließ die klagende Partei einen entsprechenden Hinweis, weshalb sie die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen hat. Allerdings gebührt der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei nur ein 10 %-iger Streitgenossenzuschlag, weil nur zwei beklagte Parteien streitverfangen sind und sich der Nebenintervenient auf Seiten der beklagten Parteien am Revisionsverfahren nicht beteiligte (5 Ob 22/88 mwN; 3 Ob 607/85).

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