OGH 1Ob142/07z

OGH1Ob142/07z14.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johannes D*****, vertreten durch Jarolim Flitsch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1.) Medizinische Universität Graz, Graz, Stiftingtalstraße 24, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, und 2.) Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Feststellung (Streitwert EUR 20.001,- -), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 9. März 2007, GZ 5 R 198/06m-14, mit dem das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 6. Juli 2006, GZ 18 Cg 48/06p-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit EUR 1.063,80 (darin EUR 177,30 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Studierender der Humanmedizin an der erstbeklagten Universität (im Folgenden Beklagte). Zur Erlangung des akademischen Grades eines „Dr.med.univ." ist er verpflichtet, das Studium im Sinne des Studienplans Humanmedizin zu absolvieren. Dazu gehört die Teilnahme an Lehrveranstaltungen mit immanentem Prüfungscharakter des Moduls „Biologische Kommunikationssysteme und Regelkreise", das dem zweiten Studienabschnitt zugeordnet ist. Bei Lehrveranstaltungen mit prüfungsimmanentem Charakter ist die Teilnehmerzahl im zweiten Abschnitt auf 264 Plätze beschränkt. Voraussetzung für die Zulassung zu dieser Lehrveranstaltung und damit zu diesem Modul des zweiten Studienabschnitts ist die positive Absolvierung des ersten Studienabschnitts. Bei Abschluss des ersten Studienabschnitts wird von der Beklagten eine Reihung vorgenommen, wobei zuerst darauf abgestellt wird, welche Studierenden zuerst die Aufnahmevoraussetzungen erfüllt haben. Bei gleichem Prüfungsergebnis entscheidet die Punktezahl. Die Abhaltung und Einrichtung dieser Lehrveranstaltung obliegt der Beklagten im Rahmen des universitären Lehrveranstaltungs- und Prüfungsbetriebs. Der Kläger wurde auf Grund seines Rangs in der Reihung von der Beklagten im Wintersemester 2005/2006 nicht zu den Lehrveranstaltungen mit begrenzter Teilnehmerzahl im zweiten Studienabschnitt zugelassen.

Der Kläger begehrte nun (auch) gegenüber der (Erst)Beklagten die Feststellung der Haftung für sämtliche aus dem Unterlassen des Anbots von Parallellehrveranstaltungen im Wintersemester 2005/2006 zukünftig entstehenden Schäden. Er brachte dazu im Wesentlichen vor, dass die Universitäten gemäß § 54 Abs 8 UG 2002 verpflichtet seien, im Falle der Einrichtung von Lehrveranstaltungen mit beschränkter Teilnehmerzahl darauf zu achten, dass den zurückgestellten Studierenden aus der Zurückstellung keine Verlängerung der Studienzeit erwachse. Die Beklagte habe gegen diese Verpflichtung verstoßen, wobei der Kläger eine Studienzeitverlängerung von zumindest einem Semester hinnehmen müsse, was Schäden durch Studiengebühren, Lebenshaltungskosten und verspäteten Verdienst nach sich ziehe. Zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehe ein privatrechtliches Rechtsverhältnis, was sich insbesondere daraus ergebe, dass er ein Entgelt in Form von Studienbeiträgen leiste.

Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, dass ein privatrechtliches Rechtsverhältnis nicht bestehe. Sie werde vielmehr in Vollziehung der Studienvorschriften im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig und sei damit nicht passiv klagslegitimiert. § 54 Abs 8 UG 2002 normiere kein subjektives Recht eines Studierenden auf einen Studienplatz in einer bestimmten Lehrveranstaltung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren - mit Teilurteil - ab. Gemäß § 49 Abs 2 UG 2002 hafte der Bund nach den Bestimmungen des AHG für den von Organen oder Arbeitnehmern der Universität in Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben schuldhaft zugefügten Schaden. § 51 Abs 1 UG 2002 verweise ausdrücklich darauf, dass die Universitäten in der Vollziehung der Studienvorschriften im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig würden. Der universitäre Prüfungs- bzw Lehrveranstaltungsbetrieb sei als hoheitlich anzusehen. Auch die Tatsache, dass Studienbeiträge als Zulassungsvoraussetzung für ein Studium eingehoben werden und diese bei der Universität verbleiben, vermöge nichts daran zu ändern, dass Universitäten vom Bund zu finanzieren seien und dass zwischen dem Bund und den Universitäten eine Leistungsvereinbarung in Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrages abzuschließen sei. Für den öffentlich-rechtlichen Charakter des Studiums spreche auch, dass die §§ 63 ff UG 2002 die Zulassungskriterien genau regeln und zudem im § 68 UG 2002 auch ein Erlöschen dieser Zulassung unter bestimmten Bedingungen vorgesehen sei, welches in Ausnahmefällen auch die bescheidmäßige Feststellung des Erlöschens der Zulassung vorsehe. Eine Haftung der Universität für das Verhalten der Universitätsorgane bei Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben werde durch § 49 Abs 2 letzter Satz UG 2002 ausdrücklich ausgeschlossen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Nach § 51 Abs 1 UG 2002 würden die Universitäten in Vollziehung der Studienvorschriften im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage werde damit klargestellt, dass das Studieren an der Universität nicht auf einem zivilrechtlichen Vertrag zwischen der Universität und den Studierenden beruhe. Ein privatrechtliches Rechtsverhältnis könne auch nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass die Studierenden Studiengebühren zu zahlen hätten. Die vom Kläger vergleichweise ins Treffen geführte privatrechtliche Qualifikation der „Vignettenmaut" für die Benützung von Autobahnen als Entgelt beruhe auf einer ganz anderen Rechtsgrundlage. Die in § 91 Abs 1 UG 2002 geregelte Verpflichtung der Studierenden zur Leistung eines Studienbeitrags werde nicht an das Recht zur Benützung bestimmter Einrichtungen der Universitäten geknüpft. Auch der Umstand, dass der Studienbeitrag bei der Universität verbleibe, ändere nichts daran, dass zwischen der Universität und dem Studierenden kein Vertragsverhältnis zustande komme. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Judikatur zur Frage fehle, ob durch die Bezahlung der Studiengebühr ein privatrechtlicher Vertrag zwischen dem Studierenden und der Universität begründet wird.

Die Revision des Klägers ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend haben bereits die Vorinstanzen auf die klare Bestimmung des § 51 Abs 1 UG 2002 verwiesen, wonach die Universitäten in Vollziehung der Studienvorschriften im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig werden, wobei bei schuldhafter Schadenszufügung in Wahrnehmung der hoheitlichen Aufgaben gemäß § 49 Abs 2 Satz 1 UG 2002 (nur) der Bund nach den Bestimmungen des AHG haftet, wogegen ausdrücklich angeordnet wird, dass die Universität und die schadensverursachende natürliche Person selbst dem Geschädigten nicht haftet (§ 49 Abs 2 letzter Satz UG 2002).

In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des UG 2002 (1134 BlgNR 21. GP , 89) zu § 51 wird ausdrücklich ausgeführt, mit Abs 1 werde klargestellt, dass das Studieren an der Universität nicht auf einen zivilrechtlichen Vertrag zwischen der Universität und der oder dem Studierenden beruht. Die hoheitliche Konstruktion biete gegenüber einer privatrechtlichen einen besseren Rechtsschutz für die Studierenden. Zur Durchsetzung subjektiver Rechte brauchten diese nicht den Klagsweg beschreiten und kein Prozessrisiko eingehen. Eine Aufsichtsbeschwerde beim Universitätsrat oder bei der zuständigen Bundesministerin oder beim zuständigen Bundesminister könne ohne Kosten eingebracht werden. Auch in den Erläuterungen zu § 95 UG 2002 (1134 BlgNR 21. GP , 95) wird das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses betont; ebenso zu § 9 UG 2002 (aaO 71).

Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers kann keinesfalls gesagt werden, dass die in den Gesetzesmaterialien geäußerte Auffassung, mit § 51 Abs 1 UG 2002 werde klargestellt, dass ein zivilrechtlicher Vertrag nicht bestehe, aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht ableitbar wäre. Dieser bestimmt vielmehr ganz ausdrücklich, dass die Universitäten „in Vollziehung der Studienvorschriften" im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig werden (vgl nur Krejci, Haftungsfragen zum Universitätsgesetz 2002, 17), was zweifellos das (parallele) Bestehen eines privatrechtlichen Vertragsverhältnisses ausschließt.

Eine nähere Auseinandersetzung mit der vom Revisionswerber weiters aufgeworfenen Frage, was denn genau unter den in § 51 Abs 1 UG 2002 genannten „Studienvorschriften" zu verstehen sei, erübrigt sich, weil kein Zweifel daran bestehen kann, dass jedenfalls die Organisation des Lehr- und Prüfungsbetriebs, die Erstellung der Studienpläne und die Regelung der Zulassung zu einzelnen Lehrveranstaltungen zu den „Studienvorschriften" gehören. Angesichts dieser klaren Zuordnung der hier in Betracht kommenden Regelungsbereiche zu den „Studienvorschriften" - und damit zur Hoheitsverwaltung - ist auch nicht entscheidend, ob den weiteren Ausführungen der Gesetzesmaterialien zu folgen ist, die die Auffassung vertreten, diese Zuordnung biete einen besseren Rechtsschutz für die Studierenden als dies bei einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis der Fall wäre.

Sind aber nun sowohl der Wortlaut des Gesetzes als auch der damit im Einklang stehende Wille des historischen Gesetzgebers - nämlich die Zuordnung von Studienangelegenheiten zur Hoheitsverwaltung - nicht zweifelhaft, so kann es auch nicht darauf ankommen, ob sämtliche Regelungen des UG 2002, die das Verhältnis zwischen der Universität und den Studierenden regeln, in jedem Detail typischerweise dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Rechtsverhältnissen entsprechen. Damit erübrigt sich auch ein näheres Eingehen auf die Einhebungsform und die Widmung der von den Studierenden zu leistenden Studienbeiträge. Zutreffend haben die Vorinstanzen im Übrigen bereits darauf hingewiesen, dass diese Beiträge mit der vom Kläger als vermeintlichem Vergleichsfall angeführten „Autobahnmaut" schon deshalb nicht vergleichbar sind, weil diese schon im Gesetz ausdrücklich als „Entgelt" für die Benützung bestimmter Straßen qualifiziert wird (Art 20 § 1 Abs 1 Satz 1 BStFG 1996).

Unverständlich sind die Ausführungen des Revisionswerbers, soweit er meint, die Qualifikation der Studienbeiträge als öffentlich-rechtliche Abgaben würde dazu führen, dass es der Universität einfach frei stünde, gewisse Lehrveranstaltungen nicht anzubieten. Dabei wird einerseits die gesetzliche Anordnung des § 54 Abs 8 UG 2002, andererseits aber auch der Umstand übersehen, dass bei schuldhafter Verletzung von Studienvorschriften durch die Universität Amtshaftungsansprüche gegen die Republik Österreich in Betracht kommen (§ 49 Abs 2 Satz 1 UG 2002), die ihrerseits Regressansprüche erheben kann (vgl § 49 Abs 3 UG 2002).

Ob die vom Kläger zu entrichtenden Studienbeiträge allenfalls „unverhältnismäßig teuer" sind, ist für die Beurteilung der (fehlenden) Passivlegitimation der Beklagten ohne Bedeutung, sodass auch kein Anlass zur Anrufung des VfGH besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.

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