Spruch:
Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Erstbeklagte war als Kellner im Gasthaus der Zweitbeklagten beschäftigt. Im Dezember 2001 weigerte sich der dort als Gast befindliche und betrunkene Kläger im Zuge einer verbalen Auseinandersetzung über Rechnungshöhe und Bestellung, die Rechnung zu bezahlen. Der Kläger wollte mittels Mobiltelefon die Polizei rufen, woran er vom Erstbeklagten durch Rempeln gehindert wurde. Aus Angst, die Situation könnte eskalieren, verließ der Kläger das Lokal, ohne die Rechnung zu begleichen. Der Erstbeklagte folgte ihm und wollte, dass die Rechnung beglichen wird. Vor dem Lokal versetzte der Erstbeklagte dem Kläger einen Tritt ins Knie sowie Faustschläge ins Gesicht, wodurch dieser ein Hämatom am linken Nasenrücken, eine Prellung der Nase, eine Fraktur der rechten Kniescheibe und eine Kantenfraktur eines Schneidezahns samt Lockerung dieses und eines weiteren Zahns erlitt. Der Erstbeklagte wurde wegen dieser Tat strafgerichtlich wegen Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1 und 84 Abs 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.
Der Kläger begehrte von den Beklagten zur ungeteilten Hand Schadenersatz, insbesondere Schmerzengeld, und die Feststellung der Haftung für sämtliche aus der Körperverletzung resultierende Schäden. Das Erstgericht verurteilte den Erstbeklagten (unter Abweisung eines Mehrbegehrens) zur Zahlung von EUR 34.268,06 und traf gegenüber dem Erstbeklagten die begehrte Feststellung; hinsichtlich der Zweitbeklagten wies es die Klage ab.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen des Klägers und des Erstbeklagten jeweils nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Hinsichtlich der Zweitbeklagten verneinte es den inneren Sachzusammenhang zwischen der Vertragserfüllung und der Tat. In der generellen Anweisung an den Erstbeklagten, bei betrunkenen Gästen sofort zu kassieren, liege kein haftungsbegründendes Verhalten der Zweitbeklagten. Diese Anordnung könne nicht dahin verstanden werden, einen Gast in seiner körperlichen Integrität zu beeinträchtigen. Eine Haftung der Zweitbeklagten nach § 1313a ABGB scheide daher aus. Auch eine Haftung nach § 1315 ABGB sei nicht gegeben, da keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Zweitbeklagte von einer möglichen Gefährlichkeit des Erstbeklagten gewusst habe. In seiner - gegen die Abweisung der gegen die Zweitbeklagte gerichteten Klage - außerordentlichen Revision argumentiert der Kläger, dass die Vorgangsweise des Erstbeklagten sehr wohl in einem inneren Sachzusammenhang mit der Vertragserfüllung der Zweitbeklagten gestanden habe und er somit deren Erfüllungsgehilfe gewesen sei, was die Haftung der Zweitbeklagten gemäß § 1313a ABGB begründe. Diese ergebe sich insbesondere aus dem Auftrag der Zweitbeklagten an den Erstbeklagten, bei alkoholisierten Personen sofort zu kassieren, sowie aus dem Umstand, dass der Erstbeklagte dem Kläger vor das Gastlokal gefolgt sei, um zu kassieren.
Rechtliche Beurteilung
Dem ist Folgendes entgegen zu halten:
Vorauszuschicken ist, dass die Antwort auf die mitunter schwierigen Abgrenzungsfragen, ob der Gehilfe „bei der Erfüllung" der Pflichten des Geschäftsherrn oder bloß „gelegentlich" der Erfüllung handelte, immer von den Umständen des Einzelfalls abhängt, sodass auch hier über die außerordentliche Revision wegen der schon vorliegenden umfangreichen oberstgerichtlichen Vorjudikatur nur dann meritorisch abzusprechen wäre, wenn aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit eine krasse Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts korrigiert werden müsste (vgl jüngst 3 Ob 283/06y). Dies ist hier nicht der Fall. Der Schuldner haftet nicht für ein Verhalten der Hilfspersonen, das mit dem Schuldverhältnis in keinem inneren Zusammenhang mehr steht, sondern in den Bereich der allgemeinen Lebensführung des Gehilfen gehört, in deren Rahmen er seine eigenen Interessen verfolgt (3 Ob 296/98w mwN).
Im vorliegenden Fall wurden die Verletzungshandlungen des Erstbeklagten nicht (vorrangig) mit dem Ziel gesetzt, die Zeche für den Gastwirt zu kassieren, denn dazu hätte es weder eines - die Fraktur bewirkenden - Tritts gegen das Knie, noch mehrerer Faustschläge (oder gar Fußtritte - wie vom Strafgericht festgestellt) ins Gesicht bedurft, sondern höchstens eines Festhaltens im Sinne eines aus den §§ 19, 344 ABGB abgeleiteten Selbsthilferechts. Die vom Erstbeklagen gewählte Vorgangsweise steht auch nicht mit der generellen Anweisung der Zweitbeklagten an den Erstbeklagten, bei Betrunkenen sofort zu kassieren, im Einklang. Die einzige Verknüpfung zwischen Körperverletzung und Zahlung bzw Nichtzahlung liegt darin, dass die Zahlungsverweigerung des Klägers den Streit und schließlich die Aggressionshandlungen des Erstbeklagten auslöste. Der Angriff selbst erfolgte aber nicht mehr in Verfolgung der Interessen der Zweitbeklagten, wie bereits aus der Art des Angriffs unzweideutig zu entnehmen ist. Von einem „offensichtlichen Erzwingenwollen" der Zahlung durch die Tätlichkeiten - wie der Revisionswerber vermeint - kann daher nicht die Rede sein.
Der gegenständliche Sachverhalt weist auch wesentliche Unterschiede zu jenem der Entscheidung SZ 51/55 zu Grunde liegenden auf. Dort wurde dem Gehilfen implizit aufgetragen, zu bewirken, dass der Gast das Lokal verlasse. Die Haftung der Wirtin für die Verletzung des Gasts durch das gewaltsame Vorgehen ihres Gehilfen wurde bejaht, weil die Handlung des Gehilfen und die sich daraus ergebende Gefahr für sie vorauszusehen war. Hier kann aus der bloßen Erteilung des Auftrags, bei betrunkenen Gästen gleich zu kassieren, keine Vorhersehbarkeit von Straftaten gegen Leib und Leben durch den Gehilfen abgeleitet werden. Die unerlaubte Handlung des Gehilfen betraf im vorliegenden Fall nicht (mehr) seinen Aufgabenbereich, sondern stellt sich als Verletzung der allgemeinen Pflicht dar, die Integrität fremder Rechtsgüter zu wahren (vgl Krüger in Münchener Kommentar5, Rz 47 zu § 278 BGB).
Die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach die Schädigung des Klägers durch den Erstbeklagten nur gelegentlich (anlässlich) der Erfüllung erfolgt und einer eigenständigen unerlaubten Handlung entsprungen sei, sodass kein der Zweitbeklagten zurechenbares Verhalten vorliege, ist jedenfalls vertretbar.
Der Revisionswerber hat keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt. Dies führt zur Zurückweisung der außerordentlichen Revision als unzulässig.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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