OGH 1Ob118/15g

OGH1Ob118/15g22.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** GmbH (vormals: B***** GmbH), *****, vertreten durch die Emberger Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Wien, wegen 1.391,14 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. August 2014, GZ 1 R 128/14s‑22, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 29. April 2014, GZ 8 C 728/13m‑18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

I. den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00118.15G.1022.000

 

Spruch:

Die Bezeichnung der beklagten Partei wird von „B***** GmbH“ auf „S***** GmbH“ berichtigt.

 

II. zu Recht erkannt:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass es lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 69,96 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 3. 2012 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 1.321,18 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 3. 2012 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.731,87 EUR (darin enthalten 276,01 EUR USt und 75,80 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit 447,98 EUR (darin enthalten 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung

und

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

Die Parteienbezeichnung der beklagten Partei war wegen einer Änderung ihrer eingetragenen Firma (FN *****) wie im Spruch zu berichtigen (§ 235 Abs 5 ZPO).

Zu II.:

Die Beklagte vermittelte ihrer Kundin, einer Konsumentin, eine am 3. 1. 2011 bei einem in Luxemburg ansässigen Versicherer abgeschlossene fondsgebundene Lebens‑ und Rentenversicherung, die eine Prämienzahlungsdauer von 35 Jahren vorsah. Versicherungsbeginn war der 15. 1. 2011. Vereinbart war eine Zahlung von 138,11 EUR ab dem ersten Vertragsmonat, die ab dem 61. Monat zur Gänze als Versicherungsrate gewidmet werden sollte. Zugleich traf die Konsumentin mit der Beklagten eine Vereinbarung, in der sie sich zur Zahlung einer in 60 monatlichen Raten zu entrichtenden Vermittlungsgebühr an die Beklagte verpflichtete. Durch die Wahl der Teilzahlung (mtl 94,37 EUR) erhöhte sich die Vermittlungsgebühr von 5.226,96 EUR auf 5.662,22 EUR.

Die Kundin der Beklagten betrachtete sich als fehlberaten, weil sie eine Veranlagungsform wollte, die einem Bausparen entsprach und es ihr ermöglichen sollte, nach drei bis sechs Jahren über den angesparten Betrag zu verfügen, und kündigte im März 2012 den Versicherungsvertrag. Der Versicherer akzeptierte die Kündigung; der Konsumentin wurde jedoch mitgeteilt, dass sie die monatlichen Raten für den Vermittlungsvertrag weiter zu leisten habe. Mit Schreiben vom 19. 2. 2013 erklärte sie gegenüber der Beklagten, von der Vermittlungsgebührenvereinbarung zurückzutreten, und forderte die Rückzahlung des darauf geleisteten Betrags sowie den Rückkaufswert aus der Versicherung. Die Beklagte akzeptierte den Rücktritt, lehnte jedoch eine Rückzahlung der geleisteten Zahlungen auf die Vermittlungsgebühr ab.

Die Kundin der Beklagten hat ihre Ansprüche im Zusammenhang mit der Vermittlungsgebührenvereinbarung an den klagenden Verein abgetreten.

Der Kläger begehrt die Rückzahlung der teilweise bereits bezahlten Vermittlungsgebühr von 1.321,18 EUR sowie den Rückkaufswert aus der Lebens‑ und Rentenversicherung (69,96 EUR). Die Beklagte habe ihre Kundin nicht darauf hingewiesen, dass es sich beim Versicherungsvertrag um eine sogenannte Nettopolizze gehandelt habe, bei der eine separate Vermittlungsgebührenvereinbarung geschlossen worden sei. Dieser sei auch nicht bewusst gewesen, dass der überwiegende Teil der ersten 60 Monatsraten dazu dienen sollte, die Vermittlungsgebühr zu zahlen. Auch sei sie unrichtig dahingehend beraten worden, dass der Versicherungsvertrag für sie vorteilhafter wäre als der bestehende Bausparvertrag, den sie deswegen gekündigt habe. Da sie erst nach Kündigung des Versicherungsvertrags erfahren habe, dass sie die Teilzahlungen zur Vermittlungsgebühr weiter leisten müsse, habe sie mit Schreiben vom 19. 2. 2013 gemäß § 12 Verbraucherkreditgesetz (VKrG) den Rücktritt von der Vermittlungsgebührenvereinbarung erklärt.

Die Beklagte bestritt eine Fehlberatung und wandte ein, der Kundin sei mitgeteilt worden, dass sie die Versicherungsgebühr zahlen müsse, auch wenn sie den Versicherungsvertrag auflöse. Unzutreffend sei daher, dass ihr das System der Nettopolizze nicht erklärt worden wäre. Richtig sei hingegen, dass sie die Rücktrittserklärung vom 19. 2. 2013 akzeptiert habe. Der Rücktritt unterliege § 25 VKrG und beziehe sich daher nur auf den entgeltlichen Zahlungsaufschub und nicht auch auf die gesamte Vermittlungsgebührenvereinbarung. Darüber hinaus sei die Vermittlung erfolgreich zustande gekommen, weswegen sie jedenfalls Anspruch auf die ortsübliche bzw angemessene Provision habe, selbst wenn man von der Auflösung der gesamten Provisionsvereinbarung ausgehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es ging davon aus, dass die Kundin der Beklagten hinreichend aufgeklärt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs begründe ein Vermerk zur Unabhängigkeit der Vermittlungsgebühr von dem zu vermittelnden Versicherungsvertrag einen klaren Hinweis auf die rechtliche Selbständigkeit der Vermittlungsgebührenvereinbarung, weswegen der Versicherungsnehmer auch nach Auflösung des Versicherungsvertrags zur Zahlung der Provision verpflichtet bleibe. Die Rechtswirksamkeit des vermittelten Geschäfts sei nach § 30 Abs 2 MaklerG mit der Bezahlung der Prämie gegeben gewesen. Damit sei auch der Anspruch der Beklagten auf die vereinbarte Vermittlungsgebühr entstanden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Der Gegenwert für eine Vermittlungsleistung bestehe grundsätzlich in der Zahlung einer ortsüblichen angemessenen Provision. Der nachträgliche Wegfall des Nutzens hindere nach allgemeinem Bereicherungsrecht den Bereicherungsanspruch gegen den redlichen Empfänger nicht, sofern dem Empfänger zuvor ein Nutzen verschafft worden sei. Auch § 1041 ABGB bestimme, dass es für den Wert des Nutzens auf den Zeitpunkt der Verwendung ankomme und das Risiko des Fortbestandes des Nutzens allein den Benützer treffe. Dies gelte auch für die vorliegende Vermittlungsleistung. Die Konsumentin habe die Vermittlungsleistung in Anspruch genommen. Die nachträgliche Kündigung des abgeschlossenen Versicherungsvertrags ändere an dem durch die Vermittlung einmal verschafften Nutzen bereicherungsrechtlich nichts. Der Kläger sei dem Vorbringen, dass die ortsübliche bzw angemessene Provision für diese Vermittlung zumindest den eingeklagten Betrag erreiche, nicht subtantiiert entgegengetreten.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil zur Auslegung der §§ 12 und 13 VKrG iVm § 25 VKrG (Zahlungsaufschub) keine oberstgerichtliche Judikatur vorliege.

Die dagegen vom Kläger erhobene Revision ist aus den vom Berufungsgericht dargelegten Gründen zulässig; sie ist zu einem geringen Teil auch berechtigt.

1.1 Die Möglichkeit, dass nicht der Versicherer der Versicherungsmaklerin die Provision bezahlt, sondern der Versicherungskunde, eröffnet § 30 Abs 1 erster Satz MaklerG, wenn die Vereinbarung mit dem Versicherungsnehmer ausdrücklich und schriftlich getroffen wird (dazu Griss in Straube, UGB4 I § 30 MaklerG Rz 3; Fromherz, Kommentar zum MaklerG [1997] § 30 Rz 8; Noss, Maklerrecht3 [2008] 118; und Maklerrecht4 [2014] 124 f). Eine solche Vereinbarung lag hier vor.

1.2 Die Konsumentin kündigte im März 2012 den wirksam zustande gekommenen Lebens‑ und Rentenversicherungsvertrag, was vom Versicherer akzeptiert wurde. Zwar entfällt der Provisionsanspruch nach § 7 Abs 2 MaklerG, wenn und soweit feststeht, dass der Vertrag zwischen dem Lebensversicherer und dem Auftraggeber (der Konsumentin) aus nicht vom Auftraggeber zu vertretenden Gründen nicht ausgeführt wird. Das gilt selbst für eine einvernehmliche Vertragsauflösung, sofern sie aus nicht vom Auftraggeber zu vertretenden objektiv wichtigen Gründen erfolgt (RIS‑Justiz RS0062829 [T8]; zuletzt 7 Ob 54/13m). Auf einen von der Versicherungsnehmerin nicht zu vertretenden objektiv wichtigen Grund für die Kündigung im Sinn des § 7 Abs 2 erster Satz MaklerG kommt der Kläger in der Revision aber nicht mehr zurück. Die Voraussetzungen für den Entfall des Provisionsanspruchs der Beklagten nach dieser Gesetzesstelle müssen daher nicht geprüft werden.

1.3 Das Versicherungsunternehmen hat die von der Konsumentin erklärte Kündigung der Lebens‑ und Rentenversicherung akzeptiert. Mit Wirksamkeit der Kündigung wurde das Vertragsverhältnis daher ex nunc aufgelöst. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass das von ihr vermittelte Vertragsverhältnis über eine bestimmte Zeit Bestand hatte und die Konsumentin während dieser Zeit Versicherungsschutz genoss.

2.1 Die Beklagte hat ihrer Kundin eine Vermittlungsleistung erbracht und mit ihr die Entrichtung der Provision in Raten vereinbart, wobei auch offengelegt wurde, in welchem Ausmaß die Gesamtkostenbelastung bei Ratenzahlung höher ist als bei sofortiger Einmalzahlung. Diese Vertragsgestaltung ist ‑ wovon auch die Streitparteien ausgehen ‑ als entgeltlicher Zahlungsaufschub im Sinn des § 25 VKrG zu beurteilen (vgl Heinrich/Pendl in Schwimann/Kodek , ABGB 4 Va § 25 VKrG Rz 2, 4, 7 mwN). Die Bestimmungen des 2. Abschnitts des VKrG (§§ 4 bis 17) sind darauf ‑ mit hier nicht relevanten Ausnahmen ‑ anzuwenden.

2.2 Nach § 12 Abs 1 VKrG kann der Verbraucher innerhalb von 14 Tagen vom Kreditvertrag ohne Angabe von Gründen zurücktreten. Die Frist für die Ausübung des Rücktrittsrechts beginnt mit dem Tag, an dem der Vertrag, (hier:) mit dem der entgeltliche Zahlungsaufschub (§ 25 Abs 1 VKrG) gewährt wird, abgeschlossen wurde. Erhält der Verbraucher die Vertragsbedingungen und die Informationen gemäß § 9 VKrG erst später, mit diesem Tag. Die Rechtzeitigkeit des auf § 12 VKrG gestützten Rücktritts von der Vermittlungsgebührenvereinbarung mit Erklärung vom 19. 2. 2013 und die Erfüllung aller formalen Voraussetzungen nach § 25 Abs 1 iVm § 12 Abs 1 VKrG sind unbestritten („die Beklagte hat den Rücktritt akzeptiert“). Strittig sind im Revisionsverfahren ausschließlich die Folgen des von der Konsumentin unter Berufung auf diese Bestimmung erklärten Rücktritts.

3.1 Die Anwendung des Rechts auf Rücktritt von Kreditverträgen nach § 12 VKrG auf den Fall des ursprünglich vereinbarten entgeltlichen Zahlungsaufschubs nach § 25 VKrG stößt speziell in jenen Fällen auf Probleme, in denen der Unternehmer seine vertraglich bedungene Leistung bereits erbracht hat und diese ihrer Natur nach nicht zurückgestellt werden kann.

3.2 Das Rücktrittsrecht nach dem 2. Abschnitt des VKrG ist vom Prinzip einer Rückabwicklung der beiderseitigen vertraglichen Leistungen geprägt (vgl etwa Wendehorst in Wendehorst/Zöchling‑Jud, Verbraucherkredit-recht § 12 VKrG Rz 29 f [Leistung Zug um Zug]). Konkret geregelt wird aber nur die Rückabwicklung von Kreditgeschäften, ohne nähere Aussagen dazu zu treffen, welche Auswirkungen der Rücktritt auf einen verbundenen Kauf‑ oder Dienstleistungsvertrag (§ 13 Abs 3 und 4 VKrG) oder ein Abzahlungsgeschäft (§ 25 VKrG) hat. Ein Rücktritt nach §§ 12, 13 bzw 25 VKrG wirkt nach überwiegender Auffassung ex tunc ( Dehn in Apathy/Iro/Koziol , Bankvertragsrecht² IV Rz 2/134; Pendl in Schwimann/Kodek , ABGB 4 Va § 12 VKrG Rz 24; vgl auch Lukas , Verbundene Kreditverträge nach dem neuen VerbraucherkreditG, Reischauer‑FS [2012] 313, 340; im Ergebnis wohl auch Wendehorst , aaO Rz 54; allgemein zu Rücktrittsrechten: Kalss/Lurger , Rücktrittsrechte [2001] insbesondere 103; aA Pesek , Der Verbraucherkreditvertrag [2012] 244 ff).

3.3 Besteht ein Rücktrittsrecht nach dem VKrG, verdrängt dieses gemäß dessen § 12 Abs 5 allfällige Rücktrittsrechte nach § 8 FernFinG oder § 3 Abs 1 bis 3 KSchG. Eine Verschlechterung der Rechtsposition des Verbrauchers ist mit dieser Regelung offenkundig nicht beabsichtigt. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die Annahme einer Rücktrittswirkung ex tunc mit einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung der Vorzug zu geben.

4. Im Gegensatz zum Finanzierungskreditvertrag besteht bei einem ursprünglichen Ratengeschäft (Zahlungsaufschub) nur ein einziger Vertrag; die Vereinbarung eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs zur Abstattung der Gegenleistung des Verbrauchers ist dann aber ein Bestandteil der beiderseitigen vertraglichen Hauptleistungspflichten. Nur wenn der Vertrag infolge eines Rücktritts grundsätzlich als Ganzes rückabzuwickeln ist, wird der „effet utile“ des gemeinschaftsrechtlich abgesicherten Rücktrittsrechts nicht konterkariert ( Wendehorst aaO § 12 Rz 52). Der vorliegende Sachverhalt bietet keinen Anhaltspunkt für einen allenfalls von diesem Grundsatz abweichenden Erklärungswillen der Kundin der Beklagten. Daher bedarf es hier keiner Auseinandersetzung mit der abweichenden Ansicht Apathys (in Fenyves‑FS 3, 9 ff). Im Übrigen steht die Möglichkeit, nur von der vereinbarten Ratenzahlung abzustehen und den abgezinsten Gesamtbetrag sofort zu bezahlen, dem Verbraucher nach § 16 Abs 1 iVm § 25 Abs 1 VKrG ohnehin jederzeit offen ( Pendl aaO § 12 VKrG Rz 39). Für ein zeitlich befristet zustehendes Rücktrittsrecht, mit dem der Verbraucher nichts anderes bewirken könnte als mit der jederzeit möglichen vorzeitigen Rückzahlung, besteht kein sinnvoller Anwendungsbereich.

Der Ansicht der Beklagten, ein Rücktritt des Verbrauchers nach § 25 VKrG könne sich stets nur auf den Zahlungsaufschub selbst beziehen, ist daher nicht begründet.

5. Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, für die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung sei eine analoge Anwendung des § 4 Abs 2 KSchG geboten, mit dem Ergebnis, dass der Verbraucher den Wert der Leistung nur dann und insoweit zu vergüten hätte, als sie ihm zum klaren und überwiegenden Vorteil gereicht habe, was hier zum gänzlichen Entfall von Ansprüchen der Beklagten führen müsse. Demgegenüber verweist diese auf ihren Vermittlungserfolg und macht dazu geltend, dass dieser durch die vorzeitige Auflösung des Lebensversicherungsvertrags allein aus von der Konsumentin zu vertretenden Gründen nicht nachträglich beseitigt worden sei.

6.1 Wird durch einen Rücktritt der gesamte Vertrag aufgelöst, passen die auf den Rücktritt vom Kreditvertrag zugeschnittenen Anordnungen des § 12 Abs 3 VKrG nicht. Zur Auslotung der Rechtsfolgen kann aber auf die Bestimmung des § 13 VKrG zurückgegriffen werden, der die Folgen des Rücktritts bei einem Zusammentreffen von Kreditvertrag und finanziertem Vertrag regelt und den Verbraucher vor den Folgen einer Aufspaltung des einheitlichen Zahlungsaufschubs in zwei Verträge schützen soll ( Pendl aaO § 12 VKrG Rz 39). Für die in § 13 VKrG geregelten verbundenen Verträge halten die ErläutRV zum VKrG fest, dass das finanzierte Geschäft nach allgemeinen vertragsrechtlichen Regeln rückabzuwickeln sein werde, wenn bereits Waren geliefert oder Dienstleistungen erbracht worden sind. Bei Dienstleistungen habe der Verbraucher für deren Inanspruchnahme danach nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen ein angemessenes Entgelt zu bezahlen (650 BlgNR 24. GP  26). Da die verbundenen Verträge wirtschaftlich dieselbe Funktion erfüllen wie ein Zahlungsaufschub, ist eine Gleichbehandlung sachlich geboten. Bei der Rückabwicklung erscheint jedoch eine Orientierung an verbraucherspezifischen Vorschriften angezeigt ( Pendl aaO § 12 VKrG Rz 39).

6.2 Unter dem Gesichtspunkt eines kohärenten Verbraucherschutzes ( Wendehorst aaO Rz 55) bietet sich für die Rückabwicklung eines finanzierten Vertrags über Waren und Dienstleistungen eine Analogie zu den Regelungen der §§ 4 und 5g KSchG an. In allen Fällen geht es um die Rechtsfolgen der Ausübung gesetzlich gewährleisteter einseitiger Rücktrittsrechte, die dem Schutz der Verbraucher vor den Folgen unüberlegter Entscheidungen dienen, die in bestimmten, typischerweise mit verdünnter Willensfreiheit einhergehenden Situationen getroffen wurden.

6.3 Für eine andere Beurteilung lässt sich auch nicht überzeugend damit argumentieren, dass das Rücktrittsrecht nach dem 2. Abschnitt des VKrG keinen typisierten Wurzelmangel des Rechtsgeschäfts voraussetze (so Pesek aaO 245 f). Die einem Ratengeschäft grundsätzlich innewohnende Verlockung des Verbrauchers zur Anschaffung von Waren oder Dienstleistungen, die er sich bei vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtung eigentlich nicht leisten kann, ist einer Überrumpelungssituation im Sinne der §§ 3, 3a KSchG eng verwandt. Gerade die in einer solchen Situation unüberlegt getroffene Entscheidung begründet im Regelfall das Interesse des Verbrauchers an der Auflösung des Vertrags. Niemand tritt ohne Notwendigkeit von einem Geschäft, das er auch nach der vierzehntägigen „Abkühlphase“ für sinnvoll und wirtschaftlich zweckmäßig hält, zurück.

6.4 Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass bei Rücktritt von einem unter entgeltlichem Zahlungsaufschub geschlossenen Rechtsgeschäft nach § 12 Abs 1 iVm § 25 Abs 1 VKrG die Rückabwicklung in Anlehnung an die Bestimmungen des § 4 KSchG vorzunehmen ist, wenn der Verbraucher vor seinem Rücktritt eine Dienstleistung bereits in Anspruch genommen hat.

7.1 Ist eine Rückstellung der vom Unternehmer erbrachten Leistungen unmöglich oder untunlich, hat der Verbraucher nach § 4 Abs 2 KSchG deren Wert zu vergüten, soweit sie ihm zum klaren und überwiegenden Vorteil gereichen. Ein Ersatz gebührt danach nicht schon dann, wenn das Geleistete einen objektiven Wert hatte, sondern nach Maßgabe des subjektiven Nutzens für den Konsumenten. Der Unternehmer soll nicht durch möglichst rasche Leistung das Rücktrittsrecht des überrumpelten Konsumenten aushöhlen können ( Apathy in Schwimann/Kodek , ABGB 4 Va § 4 KSchG Rz 11).

7.2 Der vorliegende Fall ist von der Besonderheit geprägt, dass die Konsumentin die am 3. 1. 2011 abgeschlossene fondsgebundene Lebens‑ und Rentenversicherung im März 2012 aufkündigte. Damit war ihr Versicherungsschutz bis dahin über mehr als ein Jahr aufrecht. Jedenfalls in diesem Umfang war die Tätigkeit der Beklagten auch zu ihrem klaren und überwiegenden Vorteil, weil sie für eine gewisse Zeit Versicherungsschutz hatte, wie der Kläger selbst zugesteht. Damit stellt sich die Frage nach der Höhe der Vergütung, die sie der Beklagten dafür zu leisten hat.

8.1 Tritt ein Verbraucher von einem Fernabsatzvertrag über Finanzdienstleistungen zurück, kann der Unternehmer von ihm gemäß § 12 Abs 1 Fern‑Finanzdienstleistungs‑Gesetz (FernFinG) lediglich die unverzügliche Zahlung des Entgelts für die vertragsgemäß tatsächlich bereits erbrachte Dienstleistung verlangen. Dabei gilt, dass der zu zahlende Betrag nicht höher sein darf als es dem Anteil der bereits erbrachten Dienstleistung im Verhältnis zum Gesamtumfang der vertraglich vereinbarten Dienstleistungen entspricht. Daraus ergibt sich eine Entgeltpflicht des Verbrauchers für die vom Unternehmer bis zum Rücktritt vertragskonform erbrachten Leistungen nach dem Prinzip der Proportionalität.

8.2 Ist Gegenstand des Vertrags, der den entgeltlichen Zahlungsaufschub enthält ‑ wie hier ‑ die Vermittlung einer Lebensversicherung, kann die Beurteilung der Folgen eines Rücktritts gemäß § 12 Abs 1 VKrG nicht gänzlich losgelöst vom vermittelten Geschäft erfolgen, hätte es doch sonst der Verbraucher in einem solchen Fall in der Hand, von der Vermittlungsgebührenvereinbarung unter Berufung auf diese Bestimmung ohne Angabe von Gründen zurückzutreten, ohne dass sich der ihm aus der Tätigkeit des Maklers zugewachsene Vorteil beurteilen ließe. Auf ein solches Ergebnis zielt der Kläger aber offenbar ab, wenn er meint, der Beklagten gebühre schon deshalb keine Vergütung, weil die Konsumentin über ihr Rücktrittsrecht nicht aufgeklärt worden sei. Dieser Umstand hat ihr die Ausübung des Rücktrittsrechts über die Frist des § 12 Abs 1 VKrG hinaus gewahrt, führt aber nicht dazu, dass die Beklagte ihren Provisonsanspruch unabhängig davon verliert, ob und gegebenenfalls wie lange der von ihr vermittelte Lebensversicherungsvertrag aufrecht war und ihrer Kundin einen entsprechenden Versicherungsschutz verschaffte.

9.1 Die in der Verbraucherschutzbestimmmung des § 12 Abs 1 FernFinG festgelegte Verpflichtung des Kunden zur Abgeltung von bereits erbrachten Dienstleistungen nach dem Prinzip der Proportionalität findet sich auch in § 176 VersVG.

9.2 Für das Modell der Bruttopolizze hat der Gesetzgeber bereits mit dem VersRÄG 2006, BGBl I 2006/95, wie aus den Materialien hervorgeht (ErläutRV 1428 BlgNR 22. GP  1), Probleme mit der Verrechnung der einmaligen Verwaltungs- und Vertriebskosten in der Lebensversicherung durch eine klare gesetzliche Regelung zu entschärfen versucht, wobei ein ausgewogener Interessenausgleich aller Beteiligten angestrebt wurde. Durch eine Verteilung der einmaligen Verwaltungs- und Vertriebskosten auf einen Zeitraum von zumindest fünf Jahren sollte eine Erhöhung des Rückkaufswerts im Fall der frühzeitigen Beendigung des Vertrags erreicht werden. Entsprechend dazu sollte auch der Provisionsanspruch von Vermittlern bei vorzeitiger Beendigung des Vertragsverhältnisses gemindert werden. Wird eine kapitalbildende Lebensversicherung vor dem Ablauf von fünf Jahren oder einer vereinbarten kürzeren Laufzeit beendet, so sieht § 176 Abs 6 VersVG vor, dass der Vermittler nur Anspruch auf jenen Teil der Provision samt Nebengebühren hat, der dem Verhältnis zwischen der tatsächlichen Laufzeit (Prämienzahlungsdauer) und dem Zeitraum von fünf Jahren oder der vereinbarten kürzeren Laufzeit (Prämienzahlungsdauer) entspricht. Eine Vereinbarung, wonach dem Vermittler ein höherer Provisionsanspruch zusteht, ist unwirksam.

9.3 Mit dem VersRÄG 2012, BGBl I 2012/34, wurde § 176 Abs 6 VersVG folgender Satz angefügt: „Die voranstehenden Bestimmungen sind auf Vereinbarungen, nach denen der Versicherungsnehmer die Provision unmittelbar dem Vermittler zu leisten hat, sinngemäß anzuwenden.“ Diese Bestimmung ist gemäß § 191c Abs 11 VersVG zwar erst auf Vereinbarungen anzuwenden, die nach dem 1. 7. 2012 abgeschlossen wurden, sie gibt aber einen deutlichen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber das im Verhältnis zwischen Versicherer und Makler gefundene System des Interessenausgleichs generell, also auch bei der Nettopolizze, als geeigneten Weg ansieht, um im Fall einer vorzeitigen Auflösung des Versicherungsvertrags den unterschiedlichen Interessen auch in Bezug auf die Höhe der Provision Rechnung zu tragen. Zur Begründung der Ausdehnung der Regelung des § 176 Abs 6 VersVG auf das System der Nettopolizze werden in den Erläuterungen ausdrücklich auch Aspekte des Verbraucherschutzes angeführt (ErläutRV 1632 BlgNR 24. GP  15).

9.4 Die aus der Bestimmung des § 176 Abs 6 VersVG idgF ableitbare Wertung des Gesetzgebers, wonach sich die Höhe des Provisionsanspruchs des Versicherungsvermittlers in „Frühstornofällen“, also bei einer Stornierung des Versicherungsvertrags innerhalb der ersten fünf Jahre (soweit keine kürzere Laufzeit vereinbart wurde) generell entsprechend dem Verhältnis der tatsächlichen Laufzeit und dem Zeitraum von fünf Jahren (oder der vereinbarten kürzeren Prämienzahlungsdauer) mindert, entspricht dem Gedanken der Proportionalität, wie er auch der Verbraucherschutzbestimmung des § 12 FernFinG zugrunde liegt und kann auch für den hier vorliegenden Fall fruchtbar gemacht werden. Ein Abstellen auf einen Zeitraum von fünf Jahren erscheint auch unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes als sachgerecht.

10. Zusammenfassend ergibt sich damit, dass sich auch dann, wenn der Verbraucher unter Berufung auf § 12 VKrG von der mit dem Makler abgeschlossenen Vermittlungsgebührenvereinbarung für die Vermittlung einer Lebens‑ und Rentenversicherung zurücktritt, die Höhe des Entgelts das dem Makler aus seiner Tätigkeit zu vergüten ist, nach der Dauer der Wirksamkeit des vermittelten Geschäfts richtet. In diesem Umfang war seine Tätigkeit zum klaren und überwiegenden Vorteil der Verbraucherin, sodass dem Makler der Wert seiner Leistung in dem Ausmaß zu vergüten ist, der dem Verhältnis zwischen der tatsächlichen Laufzeit (Prämienzahlungsdauer) und dem Zeitraum von fünf Jahren oder der vereinbarten kürzeren Laufzeit (Prämienzahlungsdauer) entspricht. Aufgrund der Wirkung ex tunc des Rücktritts gemäß § 12 Abs 1 VKrG ist auf die ortsübliche bzw angemessene Provision abzustellen (vgl § 8 Abs 1 MaklerG).

11. Aus dem eingeklagten Teilbetrag von 1.321,18 EUR und der vereinbarten monatlichen Rate für die Provision kann unter Bedachtnahme auf das Vorbringen des Klägers, dass die Konsumentin ihre Zahlungen mit Beendigung des Versicherungsvertrags einstellte, errechnet werden, dass die Prämienzahlungsdauer im vorliegenden Fall 14 Monate betrug. Anhaltspunkte dafür, dass die der Vermittlungsgebührenvereinbarung zugrunde gelegte Provision der Höhe nach nicht ortsüblich bzw angemessen im Sinne des § 8 Abs 1 MaklerG gewesen wäre, fehlen. Dem in diese Richtung erstatteten Vorbringen der Beklagten ist der Kläger auch nicht entgegengetreten. Zur Ermittlung des Entgelts, das der Beklagten zur Abgeltung des der Konsumentin aus der Dienstleistung vermittelten subjektiven Nutzens gebührt, kann daher auf die vereinbarte Provision zurückgegriffen werden, sodass sich entsprechend dem Prinzip der Proportionalität nach den dargestellten Grundsätzen ein Entgelt von 1.321,18 EUR errechnet. In diesem Umfang erweist sich die Revision des Klägers als nicht berechtigt.

Demgegenüber fehlt es an einer rechtlichen Grundlage für den unstrittigen Einbehalt des Rückkaufswerts aus der vermittelten Versicherung im Betrag von 69,90 EUR durch die Beklagte, den diese dem Kläger daher auszufolgen hat (§ 1009 ABGB), sodass das Klagebegehren insoweit berechtigt ist. In teilweiser Stattgebung der Revision ist das durch das Berufungsgericht bestätigte Urteil somit in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang abzuändern.

12. Die Kostenentscheidung beruht für alle drei Instanzen auf § 43 Abs 2 1. Fall ZPO, für das Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger ist lediglich mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil der gegen die Beklagte erhobenen Ansprüche durchgedrungen und hat dieser daher die gesamten Verfahrenskosten zu ersetzen.

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