Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manfred S***** - soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung - des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 4. November 2009 in Linz als Beamter seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er als Polizeibeamter ohne dienstliche Notwendigkeit im BAKS (Büro-, Automatisations- und Kommunikationssystem) des BM.I (PAD) die von seinem Vorgesetzten Klaus Sch***** am 9. Juni 2009 verfasste, verwaltungsstrafrechtliche Anzeige gegen Tina J*****, GZ *****, einsah, wobei er mit dem Vorsatz handelte, dadurch die Angezeigte in ihrem Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 Abs 1 DSG) und die Republik Österreich in ihrem Recht „auf Abfrage von elektronischen Daten ausschließlich bei vorliegender Berechtigung und dienstlicher Notwendigkeit“ durchzuführen, zu schädigen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5a sowie 9 lit a und b StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.
Die Behauptung (nominell Z 3), die schriftlich ausgefertigten Entscheidungsgründe wichen von der mündlichen Entscheidungsbegründung (§ 268 StPO) ab, spricht keinen Nichtigkeitsgrund an (15 Os 79/01; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 280; Danek, WK-StPO § 268 Rz 8 und § 270 Rz 56; vgl RIS-Justiz RS0123342).
Der Einwand (inhaltlich Z 5 vierter Fall), die Feststellungen zur Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs seien offenbar unzureichend begründet, weil aus dem Urteil nicht eindeutig hervorgehe, ob der Beschwerdeführer tatsächlich Kenntnis von der am 1. März 2007 in Kraft getretenen Integrierten Datensicherheitsvorschrift des Landespolizeikommandos Oberösterreich (vgl ON 5 S 553 ff) erlangt habe, nimmt nicht auf die Gesamtheit der Entscheidungsgründe Bezug (RIS-Justiz RS0119370). Das Erstgericht ging nämlich davon aus, dass der Beschwerdeführer ausreichend über die einschlägigen Datenschutzvorschriften informiert war, um zu wissen, dass „persönliche Daten von Parteien aus hoheitlichen Verfahren einen besonderen Schutz genießen und dieser Schutz nur für dienstliche Zwecke durchbrochen werden darf“ (US 5), was es unter anderem aktenkonform auf den Umstand stützte, dass die einschlägigen Vorschriften den Polizeibeamten, darunter auch dem Beschwerdeführer, per E-Mail übermittelt wurden (US 6 iVm ON 19 S 1 und 7). Dass diese Begründung gegen Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungssätze verstößt (RIS-Justiz RS0118317), vermag die Beschwerde (Z 5 vierter Fall) nicht aufzuzeigen. Ob die genannte Datensicherheitsvorschrift (vgl ON 5 S 545 und 573) dem Beschwerdeführer tatsächlich ein zweites Mal - nämlich mittels Befehls des Landespolizeikommandanten vom 13. Jänner 2009 - zur Kenntnis gebracht wurde, ist ohne Bedeutung, weshalb auf die behauptete Abweichung (Z 5 fünfter Fall) der Entscheidungsgründe von der referierten Urkunde (ON 5 S 545 ff) schon mangels Erheblichkeit nicht einzugehen war (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 466). Der Hinweis auf den Inhalt eines erst nach dem Urteil von einem Kollegen des Beschwerdeführers verschickten E-Mails verstößt gegen das aus dem Wesen dieses Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot.
Den Feststellungen zufolge regelte die erwähnte Datensicherheitsvorschrift mit Bezug auf die Zulässigkeit von Abfragen ausdrücklich, dass Daten nur verwendet werden dürften, „soweit dies zur Besorgung einer gesetzlichen Aufgabe“ erforderlich ist (US 3 f iVm ON 5 S 555 ff). Weshalb diese Formulierung Zweifel im Sinn der Z 5 erster Fall über die Zulässigkeit einer Abfrage von Daten „zu eigenen“ (gemeint ersichtlich: nicht dienstlich veranlassten) „Zwecken, ohne diese weitergeben zu wollen“, aufkommen lassen soll, wird nicht klar. Der Einwand übergeht zudem die Feststellung, nach welcher der Beschwerdeführer bei der Abfrage (auch) mit dem Ziel gehandelt habe, allenfalls seinen Vorgesetzten „diskreditierende Informationen zu erhalten, und diese weiterzuleiten“ (US 5), demnach eine Weitergabe von Daten sehr wohl in seinem Tatplan gelegen sei.
Die Urteilsannahmen, der Beschwerdeführer habe einerseits zwar keine „genaue Kenntnis vom Umfang des Datenschutzes“ gehabt, andererseits aber „dennoch“ gewusst, dass „persönliche Informationen von Parteien durch gesetzliche und andere Verfahrensvorschriften geschützt waren und die Parteien geschädigt werden, wenn derartige Informationen unbefugt erlangt, verwendet oder abgefragt werden“ (US 5), schließen einander - entgegen der weiteren Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) - nach Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung (RIS-Justiz RS0117402) keineswegs aus.
Mit der aus Beweisergebnissen gezogenen Schlussfolgerung, es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer an „Schulungen auch zum Datenschutz“ teilgenommen habe (US 7), referieren die Tatrichter ebenso wenig den Inhalt einer Urkunde oder Aussage wie mit der Passage, er habe die inkriminierte Abfrage „trotz Kenntnis der Protokollierung“ in der Hoffnung vorgenommen, „nicht entdeckt“ zu werden (US 8), weshalb in beiden Fällen Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) von vornherein ausscheidet (RIS-Justiz RS0099431).
Tatsachen, die (nur) für die Strafbemessung entscheidend sind - wie vorliegend das als mildernd angenommene Vorliegen eines „Rechtsirrtums, der die Schuld nicht ausschloss“ (US 11) - bilden nicht den Gegenstand einer Mängelrüge (hier Z 5 dritter Fall, Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399 f und 437).
Indem der Beschwerdeführer im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5a) aus - vom Erstgericht übrigens ohnehin gewürdigten (vgl US 6 f zu seiner Verantwortung und US 9 f zu den Aussagen der Zeugen Daniel F*****, Oliver P***** und Gerhard St*****) - Beweisergebnissen für ihn günstigere Schlüsse zieht als das Erstgericht, begründet er keine erheblichen Bedenken im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0099674).
Soweit in diesem Zusammenhang abermals bezweifelt wird, dass dem Beschwerdeführer die Datensicherheitsvorschrift des Landespolizeikommandos Oberösterreich zur Kenntnis gelangte, wird auf die Ausführungen zur Mängelrüge verwiesen.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) stellt Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs in Abrede und bekämpft damit die entgegengesetzten Feststellungen (US 4 f) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung. Gleiches gilt für die Geltendmachung eines Feststellungsmangels mit dem Ziel der Annahme eines Irrtums des Beschwerdeführers darüber, „dass sein Verhalten mit den einschlägigen Vorschriften zum damaligen Zeitpunkt vereinbar war“.
Weshalb das gezielte Beschaffen personenbezogener Daten durch Abfragen in für die Erfüllung dienstlicher Aufgaben eingerichteten Datenbanken im Rahmen (zumindest abstrakt) zukommender Befugnis kein Amtsgeschäft sein soll, legt die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht dar. Gegen die dem Beschwerdestandpunkt entgegenstehende oberstgerichtliche Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0095301; in deren Sinn auch Marek/Jerabek, Korruption und Amtsmissbrauch4 § 302 Rz 24 f; Kienapfel/Schmoller BT III2 § 302 Rz 29) werden bloß ohne methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz „nicht unerhebliche Bedenken“ geäußert.
Die Forderung (nominell Z 9 lit b, der Sache nach Z 9 lit a) nach weiteren Feststellungen als Grundlage der Annahme eines „Rechtsirrtums“ (gemeint: eines Tatbildirrtums in Form eines Irrtums über das normative Tatbestandsmerkmal der Grenzen dem Beschwerdeführer zustehender Befugnis [vgl RIS-Justiz RS0088950]) scheitert abermals an den gegenteiligen Urteilsfeststellungen zur Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs (US 4 f).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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