European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0170OS00011.14T.0121.000
Spruch:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 1 und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.
Auf diese Entscheidung werden der Angeklagte mit dem den Schuldspruch 1 betreffenden Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andreas M***** der Verbrechen der Bestechlichkeit nach § 304 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (1) und des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.
Danach hat er in M***** als Vizebürgermeister dieser Gemeinde, sohin als Amtsträger (1) und als Beamter (2)
(1) (zu ergänzen, vgl US 4:) am 6. August 2012 für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts einen Vorteil in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert für sich gefordert, indem er zu Prof. DI Dr. Harald Me***** und DI Markus W***** sagte, die Me***** GmbH „werde in Zukunft laufend Aufträge der Gemeinde M***** erhalten, wenn“ die Gesellschaft die gegen ihn im Verfahren AZ 24 Cg 25/12a des Landesgerichts Klagenfurt „geltend gemachte Forderung von 68.400 Euro auf 20.000 Euro reduziere“;
(2) im April 2012 mit dem Vorsatz, dadurch die Gemeinde M***** an „ihrem Recht auf ordnungsgemäße Verwendung der gemeindeeigenen Mittel“ zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er den Amtssachverständigen Ferdinand S***** im Namen der Gemeinde M***** ohne dienstliche Notwendigkeit veranlasste, einen Planungsentwurf betreffend ein in seinem Dritteleigentum stehendes Grundstück zu erstellen.
Die dagegen aus Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist ‑ soweit auf sie einzugehen ist ‑ nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zum Schuldspruch 1:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde
überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass diesem Schuldspruch ein nicht geltend gemachter Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 10) zum Nachteil des Angeklagten anhaftet, der von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
Die Entscheidungsgründe lassen nämlich nicht erkennen, warum die (selbst nach Maßgabe des Erkenntnisses [§ 260 Abs 1 Z 1 StPO], welches zur Verdeutlichung der Entscheidungsgründe herangezogen werden darf [RIS‑Justiz RS0114639]) vom Angeklagten Prof. DI Dr. Me***** und DI Markus W***** in Aussicht gestellte „laufende“ Auftragsvergabe an die Me***** GmbH auch nur ein einziges pflichtwidriges Amtsgeschäft betroffen haben soll. Denn neben ‑ amtswegiger Kontrolle (§ 290 Abs 1 zweiter Satz [erster Fall] StPO) mangels Beschwer des Angeklagten entrückter ( Ratz , WK‑StPO § 290 Rz 32) ‑ Erpressung (§ 144 StGB) kommt die Forderung als Vorteil sowohl für pflichtgemäßes wie pflichtwidriges Handeln des Angeklagten (Stimmverhalten einerseits und Einflussnahme auf das Stimmverhalten anderer Mitglieder des Gemeindevorstands) bei der Auftragsvergabe an Vermessungsbüros in Betracht. Pflichtwidrig wären Stimmverhalten oder Einfluss nur, wenn der Angeklagte dem (Vermögens-)Vorteil von 48.400 Euro (also dem in der Differenz zwischen 68.400 und 20.000 Euro bestehenden Preisnachlass) ‑ im Zeitpunkt der Forderung zumindest bedingt vorsätzlich (§ 5 Abs 1 StGB) ‑ Einfluss auf seine Entscheidung, in welcher Richtung abzustimmen oder auf das Stimmverhalten andere Einfluss zu nehmen (mag auch das jeweilige Stimmverhalten innerhalb des dem Gemeinderat gelegenen Ermessensspielraums gelegen sein; vgl 17 Os 20/13i, EvBl 2014/28, 181), eingeräumt hätte (vgl dazu US 5 erster Absatz: „auch in Zukunft mit Aufträgen versorgt“, und dritter Absatz: „ansonsten … keine Aufträge mehr erhalten“). Hätte der Angeklagte mit der (der rechtlichen Annahme von Bestechlichkeit nach § 304 Abs 1 und 2 StGB zugrunde gelegten) Bemerkung (gegenüber Prof. DI Dr. Me***** und DI Markus W*****) nicht bloß ungefährlich (§ 74 Abs 1 Z 5 StGB), sondern gar nicht gedroht, mit anderen Worten kein Übel für den Fall der Nichtgewährung des Preisnachlasses angekündigt, den Vorteil also für sein davon unbeeinflusstes Verhalten bei Auftragsvergaben an Vermessungsbüros gefordert (vgl US 6, wonach seit 2010 [gemeint offenbar:] die Gemeinde „ausschließlich“ die Me***** GmbH für größere Aufträge herangezogen hatte), wäre mangels Pflichtwidrigkeit des damit verknüpften Amtsgeschäfts nicht Bestechlichkeit nach § 304 StGB, sondern Vorteilsannahme nach § 305 Abs 1 und 3 erster Fall StGB in Betracht zu ziehen (zur kumulativen Kausalität vgl Kienapfel/Höpfel/Kert AT 14 Z 10 Rz 11 f).
Mit Blick auf die demnach erforderliche Urteilskassation (§ 285e StPO) erübrigt sich ein Eingehen auf die diesen Schuldspruch betreffende Beschwerdeargumentation.
Zum Schuldspruch 2:
Mit dem Einwand fehlender Begründung der Festellung wissentlichen Handelns (US 7) ist die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) auf die Urteilsannahmen betreffend die mehrjährige Tätigkeit des Angeklagten als Vizebürgermeister und als Mitglied des Gemeindevorstands (US 10 letzter Absatz) zu verweisen.
Das Vorbringen, es hätte nur der Gemeindevorstand ‑ nicht jedoch der Angeklagte alleine ‑ Aufträge an Ferdinand S***** erteilen können (der Sache nach Z 9 lit a), geht zunächst an den Konstatierungen vorbei, wonach Ferdinand S***** der Verwaltungsgemeinschaft Klagenfurt dienstzugeteilt und in dieser Funktion für die Gemeinden des Bezirks Klagenfurt‑Land als Amtssachverständiger tätig war (US 6). Demgemäß erklärt die Rüge auch nicht, weshalb dem Angeklagten als Vizebürgermeister der Gemeinde M***** nicht einmal die abstrakte Befugnis (zur Vertretung des Bürgermeisters vgl § 75 K‑AGO; zur abstrakten Befugnis vgl RIS-Justiz RS0096134, RS0096112) zu einer diesbezüglichen Auftragserteilung zugekommen sein sollte.
Soweit die Beschwerde auf Basis eigenständiger Beweiswerterwägungen in der Skizzenerstellung durch den Zeugen S***** einen bloßen Gefälligkeitsdienst für den als Privatperson agierenden Angeklagten erblickt, stellt sie bloß die gegenteiligen Urteilsannahmen (US 7, 10) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in Frage.
Gleiches gilt, soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) im Wesentlichen unter Wiederholung der Argumentation zur Mängelrüge die Annahme befugnismissbräuchlichen Handelns mit dem Argument bestreitet, Ferdinand S***** habe den Planungsentwurf außerhalb der Dienstzeit in seinem Privatbüro erstellt und diese Tätigkeit gegenüber der Gemeinde auch nicht abgerechnet.
Weshalb die Einleitung eines Vorprüfungsverfahrens zur Änderung des Flächenwidmungsplanes nach § 15 Abs 6 K‑GplG 1995 nur auf Antrag eines Grundstückseigentümers in Betracht kommen soll, erklärt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht. Im Übrigen entfernt sich die Beschwerde mit der erneuten Behauptung der Verrichtung eines bloßen Gefälligkeitsdienstes für den als Privatperson agierenden Angeklagten vom festgestellten Sachverhalt (US 7, 10).
Insoweit war die Nichtigkeitsbeschwerde daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Bleibt mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO anzumerken, dass vorliegend Fehlgebrauch der Befugnis in zweifacher Weise in Betracht kommt: einerseits durch die Beauftragung eines Sachverständigen auf Kosten der Gemeinde, wobei der Angeklagte ohne Vertretungsfall die Organstellung Bürgermeister in einem Vorprüfungsverfahren zur Änderung des Flächenwidmungsplanes nach § 15 Abs 6 K‑GplG 1995 in Anspruch nahm; andererseits, indem er ohne dienstlichen Anlass (allein, um sich selbst zu nützen) als Organwalter der Gemeinde ein Vorprüfungsverfahren zur Änderung des Flächenwidmungsplanes nach § 15 Abs 6 K‑GplG 1995 abführte.
Was das vom Schädigungsvorsatz erfasste Recht anlangt, ist tatbestandsmäßiges Handeln schon deshalb erfüllt, weil durch gültige (der Angeklagte war „in abstracto“ dafür zuständig) Auftragserteilung an Ferdinand S***** ein Honoraranspruch der Gemeinde gegenüber entstand (ohne dass es darauf ankäme, ob dieser in weiterer Folge realisiert wurde).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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