Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wegen Strafe wird Folge gegeben, die bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe auf zwei Monate herabgesetzt und die Geldstrafe aus dem erstgerichtlichen Urteil ausgeschaltet.
Der Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 5.August 1979 geborene Bernhard Ke***** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er in der Zeit zwischen August 1994 und Ende 1994 in W*****, Gemeinde Kr*****, in mindestens zwei Fällen eine unmündige Person, nämlich die am 10.April 1990 geborene Jennifer G*****, durch Betasten am Geschlechtsteil auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht hat.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 5 a, 9 lit b und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.
Dem Einwand der Mängelrüge (Z 5), es fehlten konkrete Zeitangaben über die sexuellen Angriffe des Angeklagten auf die unmündige Jennifer G*****, ist zu erwidern, daß der behauptete formelle Begründungsmangel den Ausspruch über eine für die rechtliche Beurteilung entscheidende Tatsache betreffen muß, die genauere Abgrenzung der Begehungszeit im vorliegenden Fall jedoch weder auf die rechtliche Unterstellung der Tat noch auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluß üben könnte (vgl Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 18 und 26).
Bei Behauptung einer Aktenwidrigkeit läßt der Nichtigkeitswerber außer Betracht, daß dieser Nichtigkeits- grund nur dann vorliegt, wenn die Entscheidungsgründe den (eine entscheidende Tatsache betreffenden) Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels in wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben (Foregger/Kodek StPO6 S 398). Dies zeigt der Beschwerdeführer jedoch nicht auf, sondern unternimmt es, die Aussagen der beiden Tatzeugen Jennifer G***** und Patrick Kn***** einer Kritik zu unterziehen, indem er aus einzelnen Widersprüchen, die zum Teil - hinsichtlich der Anzahl der Angriffe - im Urteil ohnehin erörtert wurden (US 5 f), zum Teil - hinsichtlich der Art der Tatbegehung - in Anbetracht des Teilgeständnisses des Angeklagten nicht erörterungsbedürftig sind, auf die mangelnde Beweiskraft dieser Zeugenaussagen schließt. Damit bekämpft er jedoch nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die Beweiswürdigung der Tatrichter und führt den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht gesetzmäßig aus.
Soweit der Beschwerdeführer schließlich auf einen (angeblichen) Widerspruch der Urteilsfeststellungen über die Anzahl der Angriffe auf US 3 und US 5 (Anfang des letzten Absatzes) hinweist, übersieht er, daß die letztgenannte Stelle der Urteilsbegründung lediglich seine teilgeständige Verantwortung wiedergibt, die Tatsachenfeststellung des Gerichtes hingegen dahin geht, daß mindestens zwei Angriffe vorlagen.
Der Tatsachenrüge (Z 5 a) zuwider hat sich das Erstgericht sowohl mit den Zeugenaussagen als auch mit der Verantwortung des Angeklagten auseinandergesetzt und auf US 5 (knapp, aber) ausreichend dargelegt, weshalb es aus den Angaben des Opfers sowie der Zeugen Doris und Patrick Kn***** auf eine Mindestzahl von zwei Angriffen schloß. Einer gesonderten Erörterung der Glaubwürdigkeit des Zeugen Johann Ke***** (des ehemaligen Lebensgefährten der Mutter des Tatopfers) bedurfte es angesichts der im § 270 Abs 2 Z 5 StPO normierten Verpflichtung zur gedrängten Darstellung der Urteilsgründe schon deshalb nicht, weil dessen Angabe, der Behauptung der Zeugin Doris Kn***** (101 f) zuwider bis Anfang Mai 1996 nur von einem einzigen Vorfall erfahren zu haben, der entscheidenden Urteilsfeststellung über die Tatwiederholung keineswegs entgegensteht. Die zugegebenermaßen zur Zeugenaussage des Johann Ke***** in Widerspruch stehende Urteilsannahme, dieser habe auch eine von Jennifer G***** wenige Wochen nach dem ersten Vorfall erhobene gleichartige Bezichtigung "nicht geglaubt" (US 4 Mitte), betrifft hingegen keine für die rechtliche Unterstellung der Tat oder den darauf anzuwendenden Strafsatz maßgebliche Tatsachen.
Mit dem Einwand, es handle sich bei der Anzeigeerstattung (lediglich) um ein Druckmittel der Doris Kn***** gegen Johann Ke***** im Streit um die Ausübung seines Besuchsrechtes, hat sich das Gericht der Sache nach ohnehin (US 6 oben) auseinandergesetzt und die Anzeigeerstattung als verständliche Reaktion auf die anwaltliche Aufforderung, Verdächtigungen des Angeklagten in Ansehung sexueller Angriffe auf ihre Tochter zu unterlassen, erklärt. Aus den Akten hervorgehende Bedenken gegen die auf dieser nachvollziehbaren und lebensnahen Argumentation beruhenden Tatsachenfeststellungen vermag der Angeklagte nicht aufzuzeigen.
Zu Unrecht rügt der Beschwerdeführer - gestützt auf die Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO iVm § 32 Abs 1 JGG - die Nichtanwendung des § 9 JGG.
Zu den - kumulativ geforderten - Voraussetzungen einer vorläufigen Verfahrenseinstellung zählt unter anderem, daß die Schuld des Täters nicht als schwer anzusehen ist. Ob dies zutrifft, ist nach Strafzumessungsgrundsätzen (§ 32 StGB) zu beurteilen, wobei hiefür keineswegs ein Überwiegen der Erschwerungsumstände vorausgesetzt wird; vielmehr ist neben der Vorwerfbarkeit des begangenen Tatunrechts auch der gesamte in der Tat verwirklichte Handlungs- und Gesinnungsunwert miteinzubeziehen (15 Os 13/92; 14 Os 19/94; JBl 1992, 197, Jesionek JGG 1988 § 9 Anm 11 ff).
Im vorliegenden Fall fehlt es schon am Erfordernis einer nicht als schwer anzusehenden Schuld; weist doch die im § 207 Abs 1 StGB vorgesehene Strafdrohung darauf hin, daß der Gesetzgeber den Unwert des in Rede stehenden Verbrechens an sich hoch veranschlagt (15 Os 3/97). Hinzu kommt, daß der Angeklagte seinen sexuellen Übergriff gegen ein erst vierjähriges Mädchen gerichtet und diesen Angriff wiederholt hat. Demgegenüber vermögen das Alter von rund 15 Jahren zur Tatzeit und das Vorliegen des Milderungsgrundes nach § 34 Z 2 StGB nicht entscheidend ins Gewicht zu fallen.
Mit dem Einwand der Strafzumessungsrüge, anstelle des Ausspruchs einer Strafe hätte (lediglich) ein Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe nach § 13 JGG gefällt werden dürfen, wird keiner der Anwendungsfälle der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO geltend gemacht, zumal die Relevanz der Ermittlung des genauen Alters des Angeklagten zur weiteren Einengung des ohnehin nur fünfmonatigen Tatzeitraumes für die Strafzumessung nicht dargelegt wird. Die Entscheidung, ob es aus spezialpräventiven Erwägungen der Verhängung einer Strafe bedarf, ist eine Ausübung richterlichen Ermessens und demnach der Überprüfung im Berufungsverfahren vorbehalten.
Entgegen der weiteren Rüge verstößt der auf § 43 a Abs 2 StGB beruhende Strafausspruch weder gegen das Doppelbestrafungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) noch in unvertretbarer Weise gegen andere Bestimmungen über die Strafbemessung; insbesondere geht aus den Strafzumessungs- erwägungen keineswegs hervor, daß das Erstgericht den Vorrang spezialpräventiver Erwägungen im Jugendstrafrecht (§ 5 Z 1 JGG) mißachtet haben könnte.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß entgegen der Ansicht des Erstgerichtes (US 6) in den ersten beiden Deliktsfällen des § 207 Abs 1 StGB die Absicht des Täters, sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, zur Tatbestandsverwirklichung nicht erforderlich ist (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 207 RN 12).
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 207 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 5 JGG sowie des § 42 (gemeint: 43) a Abs 2 StGB eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 80 S, im Fall der Uneinbringlichkeit 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, sowie eine unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten. Weiters verurteilte es den Angeklagten gemäß § 369 StPO zur Zahlung eines Teilschadenersatzbetrages von 100 S an die Privatbeteiligte Jennifer G*****.
Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend die Tatwiederholung und den Umstand, daß es sich beim Opfer um ein vierjähriges Kind gehandelt hat, als mildernd den bisherigen ordentlichen Wandel und das Teilgeständnis.
Beim Zuspruch des "Teilschadensersatzbetrages" ging es davon aus, daß das vierjährige Kind einen Schaden erlitten hat, "zumal es über Schmerzen geklagt und auch mehrmals seinen Unmut über die Behandlung durch den Angeklagten zum Ausdruck gebracht hat".
Dagegen richtet sich die Berufung des Angeklagten sowohl hinsichtlich der Strafe, die auf die "vollständige Beseitigung der über den Angeklagten unbedingt verhängten Geldstrafe sowie auf die Reduzierung der bedingt verhängten Freiheitsstrafe auf maximal zwei Monate" abzielt, als auch wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche, mit der er eine Verweisung auf den Zivilrechtsweg anstrebt.
Als berechtigt erweist sich die Berufung wegen Strafe. Unter Berücksichtigung aller Strafzumessungskomponenten (§ 32 StGB) und richtiger Gewichtung der vom Erstgericht ansonsten im wesentlichen zutreffend dargelegten Strafzumessungsumstände und gebührender Wertung des Alters des Angeklagten von rund 15 Jahren zur Tatzeit erscheint nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs die Verhängung einer - dem Schuld- und Unrechtsgehalt adäquaten - zweimonatigen (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe ausreichend, um den Angeklagten künftighin von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten und ihm ausreichend Gelegenheit zur Bewährung zu bieten. Mit diesem Strafausmaß fällt auch die vom Erstgericht angenommene Voraussetzung des § 43 a Abs 2 StGB zur Verhängung einer (zusätzlichen) Geldstrafe.
Nicht berechtigt ist jedoch die Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche. Entgegen dem Vorbringen des Angeklagten konnte sich die Kindesmutter auch ohne Zustimmung des Kindesvaters und ohne Genehmigung des Gerichtes als Privatbeteiligte schon deshalb wirksam als Interessensvertreterin ihrer unmündigen Tochter dem Verfahren anschließen, weil die (symbolische) Teilschadenersatzforderung lediglich 100 S betrug, sodaß deren Durchsetzung im Adhäsionsverfahren als Bagatellklage anzusehen ist, die dem ordentlichen Wirtschaftsbetrieb (§ 154 Abs 3 ABGB) zugerechnet werden kann (Pichler in Rummel ABGB2 § 154 Rz 13). Soweit er sich gegen den Zuspruch mit dem Argument wendet, nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre sei immaterieller Schaden nur im Fall echter Notzuchtsdelikte ersatzfähig, übersieht er einerseits - bezogen auf das Alter des Opfers - die Besonderheit des Kindesmißbrauches (die vom Beschwerdeführer zitierte Entscheidung bezieht sich auf einen mündigen Minderjährigen und bietet daher zum gegenständlichen Sachverhalt keine Vergleichsgrundlage) zum anderen, daß das Erstgericht davon ausgegangen ist, daß das Tatopfer durch die strafbaren Handlungen Schmerzen erlitten hat und den Privatbeteiligtenzuspruch (auch) auf diese Schadenszufügung gestützt hat, sodaß sich der Zuspruch von (nur) 100 S fallbezogen insgesamt als gerechtfertigt erweist.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)