OGH 15Os88/18g

OGH15Os88/18g26.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. September 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ertl, LL.M., als Schriftführer in der Strafsache gegen DI Wolfgang F***** wegen Verbrechen nach § 3h VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Geschworenengericht vom 26. März 2018, GZ 24 Hv 12/17b‑94, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00088.18G.0926.000

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden der Wahrspruch der Geschworenen soweit er die Zusatzfrage betrifft und das darauf beruhende Urteil aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Krems an der Donau als Geschworenengericht verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde DI Wolfgang F***** – abweichend von der in der Hauptverhandlung (ON 93 S 12) von der Staatsanwaltschaft beantragten Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB – mehrerer Verbrechen nach § 3h VerbotsG schuldig erkannt.

Danach hat er in K***** von Oktober 2016 bis Juli 2017 öffentlich auf eine Weise, dass es vielen Menschen zugänglich wird, den nationalsozialistischen Völkermord oder andere nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit geleugnet, gröblich verharmlost, gut geheißen oder zu rechtfertigen gesucht, indem er in dreißig im Urteil konkret dargestellten Angriffen, jeweils näher beschriebene Schriftstücke an einzeln angeführte Personen und Institutionen versandte und zu versenden versuchte, wodurch er diesen und weiteren Personen, die die Schriftstücke lasen und hätten lesen sollen, sohin einer möglichst großen Öffentlichkeit, seine aus im Urteil angeführten Zitaten ersichtlichen Behauptungen, wonach er „zusammengefasst den Bestand von Zyklon B Gaskammern während der NS-Zeit leugne und es unmöglich sei, dass das NS-Regime sechs Millionen Juden ermordet habe, untermauert durch sein selbstverfasstes Elaborat ‘Zyklon-B-Menschenvernichtungs-Gaskammern‘ mit dem Titel: ‘Naturgesetze versus Gaskammern‘“ bekannt machen wollte.

Die Geschworenen bejahten die Hauptfrage in Richtung § 3h VerbotsG und verneinten die Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB).

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Z 8, 9, 10a und 11 lit a des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des DI Wolfgang F*****.

Ein Nichtigkeit begründender Mangel der schriftlichen Rechtsbelehrung liegt nur dann vor, wenn sie eine erhebliche sachliche Unrichtigkeit enthält oder hinsichtlich wesentlicher rechtlicher Begriffe unvollständig oder so undeutlich und widerspruchsvoll ist, dass die Geschworenen bei Lösung wesentlicher Rechtsbegriffe irregeleitet werden konnten (RIS‑Justiz RS0100949).

Indem die Belehrungen zur Öffentlichkeit eines Verhaltens vermissende Instruktionsrüge (Z 8) die Darlegung der Rechtsbelehrung zur Nicht-Tatbestandsmäßigkeit von Gesprächen, die in einem im Wesentlichen privaten Kreis oder in einer kleinen Gruppe geführt werden (S 19 in Beilage ./C zu ON 93), übergeht, wird sie mangels gebotener Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Rechtsbelehrung nicht prozessförmig zur Darstellung gebracht (RIS‑Justiz RS0100695 [T7]).

Die von der Beschwerde unter Bezugnahme auf die Verantwortung des DI F***** geforderte Erklärung des Begriffs „ernsthafter wissenschaftlicher Befassung“ verkennt, dass Gegenstand der Rechtsbelehrung nach § 321 Abs 2 StPO nur abstrakte rechtliche Umstände, nicht aber solche, die sich in concreto aus dem Beweisverfahren ergeben, sein können (RIS‑Justiz RS0109476). Für die Erörterung sonstiger Fachausdrücke sowie die Verdeutlichung relevanter Umstände kommt lediglich die gemäß § 323 Abs 2 StPO abzuhaltende Besprechung in Betracht (RIS‑Justiz RS0100715).

Die Rechtsrüge (Z 11 lit a) erschöpft sich in der Behauptung, die Briefsendungen seien nur an einen „ausgesuchten Kreis von Entscheidungsträgern des öffentlichen Lebens versandt worden“, wodurch es den „Tathandlungen am Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit“ fehle. Indem die Beschwerde nicht erklärt, weshalb bei Aussendungen an teils sogar zur Anzeigeerstattung verpflichtete Personen und Institutionen nicht die konkrete Gefahr bestanden haben soll, dass die Äußerungen (wenigstens) rund 30 Menschen zugänglich werden (vgl Lässig in WK² VerbotsG § 3h Rz 3; 12 Os 119/05z), verfehlt sie mangels Ableitung aus dem Gesetz die gebotene Orientierung an der Verfahrensordnung (RIS‑Justiz RS0116569).

Insoweit war die Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen.

Zutreffend aber zeigt die Tatsachenrüge (Z 10a) aktenkundige Umstände auf, die erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen zur Zusatzfrage festgestellten – zur Annahme der Zurechnungsfähigkeit des DI F***** führenden – entscheidenden Tatsachen begründen.

Die Geschworenen haben durch die Verneinung der Zusatzfrage die Feststellung getroffen, dass DI F***** imstande gewesen sei, das Unrecht seiner Taten einzusehen (Diskretionsfähigkeit) und nach dieser Einsicht zu handeln (Dispositionsfähigkeit). Demgegenüber gelangte der beigezogene psychiatrische Sachverständige in der Hauptverhandlung ausdrücklich zum gegenteiligen Ergebnis (ON 93 S 9, vgl auch ON 80 S 14: „… nicht in der Lage, den Unrechtsgehalt seines Handelns in objektiver Weise zu erkennen und dieser Einsicht entsprechend sein Handeln zu steuern“).

In der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse, die die Einschätzung des Sachverständigen in Frage stellen und die Annahme der Laienrichter stützen, sind nicht ersichtlich. Damit haben die Geschworenen aber das ihnen nach § 258 Abs 2 StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in einer Weise gebraucht, die aus Sicht des Obersten Gerichtshofs als erheblich bedenklich anzusehen ist (vgl RIS‑Justiz RS0101032). Urteilsnichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 10a StPO ist somit gegeben.

Das angefochtene Urteil einschließlich des diesem zugrundeliegenden Wahrspruchs der Geschworenen soweit er die Zusatzfrage betrifft war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung aufzuheben (§§ 285e, 344 StPO) und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen. Es wird dabei den unberührt bleibenden Wahrspruch zur Hauptfrage der Entscheidung zugrunde zu legen haben.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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