OGH 15Os88/12y

OGH15Os88/12y12.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krausam als Schriftführerin in der Strafsache gegen Avdija S***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Avdija S***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 17. April 2012, GZ 12 Hv 24/12s-358, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Avdija S***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB (A) und des Vergehens der organisierten Schwarzarbeit nach § 153e Abs 1 Z 2 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach hat er in Graz

A. durch Vortäuschung des Umstands, dass die F***** GmbH Dienstgeberin der zur Anmeldung gebrachten Dienstnehmer wäre, während diese Dienstnehmer bloß zum Schein für das genannte Unternehmen angemeldet wurden, in Wahrheit jedoch in einer auf eigene Rechnung tätigen Arbeiterpartie des Avdija S***** organisiert und beschäftigt waren, mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Verantwortliche der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse als berechtigtem Sozialversicherungsträger sowie der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse zur Anmeldung dieser Dienstnehmer und zur Abstandnahme der Geltendmachung der aus den Anmeldungen resultierenden Beiträge zur Sozialversicherung und der Zuschläge nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz bei Avdija S***** als dem tatsächlichen Dienstgeber verleitet, wodurch diese Institutionen in einem insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Betrag geschädigt wurden, und zwar

I. im Zeitraum von 3. Juli bis 15. Oktober 2006 in mehreren Angriffen Verantwortliche der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse durch die Anmeldung von insgesamt 25 Dienstnehmern bei der F***** GmbH unter Herbeiführung eines Vermögensschadens von 55.441,84 Euro und

II. im Zeitraum von 3. Juli bis 11. September 2006 in mehreren Angriffen Verantwortliche der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse durch die Anmeldung von zwölf Dienstnehmern bei der F***** GmbH unter Herbeiführung eines Vermögensschadens von 21.151,95 Euro.

B. im Zeitraum von Juli bis November 2006 in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, eine größere Zahl illegaler erwerbstätiger Personen, nämlich insgesamt 24 Bauarbeiter einer von ihm geführten, auf eigene Rechnung tätigen Arbeiterpartie ohne die erforderliche Anmeldung zur Sozialversicherung beschäftigt.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 4 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; diese verfehlt ihr Ziel.

Der Angeklagte stellte in der Hauptverhandlung am 17. April 2012 den Antrag auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet des Schriftwesens zum Beweis dafür, dass „die dem Angeklagten in der Anklageschrift vorgeworfenen 25 Anmeldungen, welche offensichtlich schriftlich und nicht elektronisch erfolgt sind, nicht aus der Hand des Angeklagten stammen“ (ON 357 S 3). Dadurch sollten die Aussagen von Amir H***** und Rijad Z*****, sie hätten dem Avdija S***** Blankoanmeldeformulare zur Verfügung gestellt, widerlegt werden.

Da weder die Tatrichter davon ausgingen, dass der Angeklagte die Anmeldeformulare selbst ausgefüllt hat (US 15: „... selbst oder … über einen von ihm beauftragten Mittelsmann“), noch eine eigenhändige Unterschrift zur Erfüllung des Tatbestands erforderlich ist, hätte es eines Hinweises im Antrag bedurft, weshalb das Beweismittel geeignet sein sollte, eine erhebliche Tatsache zu beweisen (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO). Der Beweisantrag konnte daher ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden.

Die in der Beschwerde nachgetragenen Gründe als Versuch einer Fundierung des Antrags sind angesichts der auf Nachprüfung der erstgerichtlichen Vorgangsweise angelegten Konzeption des Nichtigkeitsverfahrens prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).

Der formelle Nichtigkeitsgrund nach Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht (RIS-Justiz RS0119583). Der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen aufgrund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher ist einer Anfechtung aus Z 5a ebenfalls entzogen (RIS-Justiz RS0099649).

Insofern sind die Ausführungen der Rüge zur Glaubwürdigkeit der Zeugen M***** und L***** nicht geeignet, erhebliche Bedenken im Sinn des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes zu erwecken (zur Auseinandersetzung des Erstgerichts mit diesen Aussagen s US 24 f). Gleiches gilt für die Erwägungen der Beschwerde zum allfälligen Motiv der Zeugen H***** und Z*****, ihre Verantwortung zu ändern, die Spekulationen darüber, dass es sich bei der von einem Zeugen genannten „Zlata“ „offensichtlich um die Ex-Gattin des H*****“ gehandelt habe, und die selektive Hervorhebung einzelner Passagen der Aussagen des Zeugen E*****.

Die Angaben der Zeugin Sida B*****, die Rechnungen für die Ho***** GmbH und die F***** GmbH nur nach Anweisung von H***** und Z***** geschrieben zu haben und den Angeklagten überhaupt nicht zu kennen, bedurften keiner gesonderten Erörterung (der Sache nach Z 5 zweiter Fall), stehen sie doch in keinem Widerspruch zur Verantwortung des Angeklagten, niemals bei der F***** GmbH gearbeitet zu haben (US 20; ON 352 S 9). Zudem gingen die Tatrichter ja davon aus, dass H***** und Z***** die faktischen Geschäftsführer der F***** GmbH waren (US 8).

Schließlich wurde - der Beschwerde zuwider - das noch nicht abgeschlossene Ermittlungsverfahren hinsichtlich der Ho***** GmbH von den Tatrichtern nicht als Beweis für die Schuld des Angeklagten herangezogen, sondern bloß aus der vom Angeklagten selbst zugestandenen Finanzierung der Scheinanmeldung des Samir Zi***** bei der Ho***** GmbH auf einen Charaktermangel des Angeklagten, „sich und Dritte im Zusammenhang mit Scheinanmeldungen zu Sozialversicherungen auf Kosten der öffentlichen Hand planmäßig unrechtmäßig zu bereichern“, geschlossen (US 22).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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