OGH 15Os87/18k

OGH15Os87/18k25.7.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Juli 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ertl, LL.M., als Schriftführer in der Strafsache gegen Murat E***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2 und Abs 4 erster Fall FPG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Naci E***** sowie die Berufung des Angeklagten Cemil S***** gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 19. April 2018, GZ 25 Hv 94/17y‑72, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00087.18K.0725.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Naci E***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – Cemil S***** (zu A./I./ bis A./V./) und Naci E***** (zu A./II./ und A./V./) jeweils mehrerer Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und Z 2, Abs 4 erster Fall FPG, Letzterer überdies nach § 114 Abs 2 FPG, schuldig erkannt.

Danach hat Naci E***** in G***** und andernorts

A./ als Mitglied einer kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Ein‑ und Durchreise von zumeist unbekannt gebliebenen Fremden überwiegend türkischer Staatsangehörigkeit, die über keine gültigen Reisedokumente für die Einreise oder den Aufenthalt in einen/m Mitgliedstaat der Europäischen Union oder den/m Schengenraum verfügten, in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs gewerbsmäßig mit dem Vorsatz gefördert, sich und Dritte durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, wobei er die Taten jeweils (US 9) in Bezug auf mindestens drei Fremde beging und am 25. März 2015 vom Amtsgericht München zu AZ 823 Ds 383 Js 103368/15 schon einmal „wegen Einschleusens von Ausländern“ verurteilt worden war, und zwar

A./II./ am 15. September 2016 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit Cemil S***** und Duran T*****, indem sie zwölf Fremde von G***** nach Deutschland brachten;

V./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit Cemil S*****, indem sie

1./ von 21. bis 22. September 2016 acht Fremde von G***** nach Deutschland transportierten;

2./ bis 5./ am 17. und 31. Oktober sowie am 4. und 11. November 2016 jeweils acht Fremde von W***** nach Deutschland transportierten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Naci E***** ist nicht im Recht.

Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider steht die Aussage des Angeklagten Cemil S*****, wonach die Strecke von Wien nach Braunau 322 Kilometer betrage und 1,80 Euro pro Kilometer „offiziell verrechnet“ würden (ON 71 S 17), den Feststellungen, dass der Angeklagte Naci E***** nicht „im Rahmen eines Taxigewerbes tätig“ wurde und „sich oder Dritte“ durch ein für die Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Durchreise von Fremden geleistetes Entgelt unrechtmäßig bereichern wollte (US 9), nicht erörterungsbedürftig entgegen. Die Angaben eines Mitangeklagten über das tarifmäßige Taxientgelt für eine bestimmte Strecke sind für die Beantwortung der Frage, ob der Beschwerdeführer die tatgegenständlichen Beförderungen als Taxifahrer getätigt hat, unerheblich (RIS‑Justiz RS0116877; siehe in diesem Zusammenhang auch RIS‑Justiz RS0130267 [T1]).

Das Erstgericht stellte fest, Cemil S***** sei spätestens im Mai 2016 Teil einer „Gruppierung von mehr als zwei Personen“ geworden, „die es sich zum Ziel gemacht hatte, über einen längeren Zeitraum von zumindest einem Jahr Schleppungen aus Serbien, Kroatien, Slowenien, Ungarn bis nach Österreich und weiter nach Deutschland durchzuführen“, er habe „darüber hinaus für weitere Schlepperfahrten auch den Erst-, Dritt und Viertangeklagten“ angeworben (US 8), und alle Angeklagten „wussten, dass sie als Mitglied eines Zusammenschlusses von mehr als zwei Personen agierten, der es sich zum Ziel gemacht hatte, über mindestens ein Jahr hinweg entgeltlich Schleppungen von Fremden nach oder durch Länder des Schengenraums durchzuführen und dadurch Geld für den Lebensunterhalt ihrer Mitglieder zu lukrieren“ (US 9). Die Subsumtionsrüge (Z 10) legt nicht dar, warum das Erstgericht durch diese Konstatierungen nicht unmissverständlich seinen Willen zur Feststellung der Begehung der Taten auch durch den Beschwerdeführer als Mitglied dieser kriminellen Vereinigung zum Ausdruck gebracht haben soll (RIS‑Justiz RS0117228; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Bleibt anzumerken, dass das Erstgericht bei den Angeklagten Cemil S***** und Naci E***** die Annahme gewerbsmäßiger Begehung der Schleppungen ersichtlich auf § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB gestützt, aber auch die chronologisch jeweils ersten beiden Taten § 114 Abs 3 Z 1 FPG unterstellt hat (US 5, 10, 13). Für eine Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO bestand kein Anlass, weil die (ungerügt gebliebene) rechtlich verfehlte Subsumtion zu A./IV./1./ und A./IV./2./ bei Cemil S***** und zu A./II./ und A./V./1./ bei Naci E***** jeweils (auch) nach § 114 Abs 3 Z 1 FPG im Hinblick auf die gleichzeitig verwirklichte Qualifikation nach § 114 Abs 4 erster Fall FPG nicht den anzuwendenden Strafrahmen betrifft und Auswirkungen dieses Subsumtionsfehlers (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) auf den Bestand von Strafzumessungsgründen in Erledigung der Berufungen korrigierbar sind (RIS‑Justiz RS0090885). Bei der Entscheidung über die Berufungen besteht insoweit keine den Berufungswerbern zum Nachteil gereichende Bindung an den Ausspruch über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO (RIS‑Justiz RS0118870).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte