OGH 15Os79/03

OGH15Os79/0321.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Dachsberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Werner L***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 17. Februar 2003, GZ 39 Hv 188/02z-39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem im zweiten Rechtsgang ergangenen angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthält, wurde Werner L***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (A.I./) und der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A.III./) sowie der Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (A.II./), des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (A.IV./) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wattens seine am 17. Februar 1985 geborene Tochter

Eveline

A./ in der Zeit zwischen 1995 und dem 16. Februar 1999 I./ vor dem 1. Oktober 1998 "durch die Äußerung mit dem Niederschlagen", sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich zur Durchführung eines Oralverkehrs, genötigt;

II./ außer den Fällen des § 201 StGB "durch die Erklärungen mit dem Zusammenschlagen und dem Fertigmachen", sohin durch gefährliche Drohung, zu einer geschlechtlichen Handlung, nämlich dazu, an seinem Glied bis zum Samenerguss zu reiben, genötigt;

III./ durch die zu I./ und II./ beschriebenen Handlungen sowie dadurch, dass er in weiteren Fällen ihre Scheide betastet, den Oralverkehr durchgeführt und sie angehalten hat, sein Glied auf und ab zu reiben, eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht;

IV./ durch die zu III./ bezeichneten Handlungen sein minderjähriges Kind zur Unzucht missbraucht;

B./ im Sommer 2000 dadurch, dass er ihr ein Messer an den Hals gehalten hatte, gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 1, 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl.

Mit Bezug auf den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 1 StPO behauptet die Beschwerde eine nicht gehörige Besetzung des Gerichtes durch den Umstand, dass sich die Schöffin J***** vor der Verhandlung "ausgedehnt und angeregt" mit der Zeugin P***** unterhalten habe. Eine mangelnde Befähigung der Schöffin (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 98) wird damit jedoch ebenso wenig dargetan wie das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes iSd §§ 67, 68 StPO; eine der Sache nach behauptete (jedoch aus dem tatsächlichen Vorbringen nicht ableitbare) Befangenheit ist im Übrigen aus Z 1 unbeachtlich (Ratz aaO Rz 132). Die Verfahrensrüge (Z 4) wider das Zwischenerkenntnis des Schöffengerichtes (S 367), mit dem ein in der Hauptverhandlung am 23. Dezember 2002 gestellter Antrag des Verteidigers auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zur Frage, ob die Zeugin Eveline L***** die Vorfälle verdrängte und aus bestimmten Motiven die Vorfälle so schildere, abgelehnt wurde, ist verfehlt. Denn eine solche - wenn auch an sich nicht ausgeschlossene - Exploration ist grundsätzlich an die Zustimmung des Zeugen gebunden (Mayerhofer StPO4 § 150 E 39, 41; SSt 58/36; 15 Os 82/95 = ÖJZ-LSK 1996/106 bis 108 = JUS-Extra OGH-St 1985; 15 Os 121/98; 15 Os 64/02). Weder wurde die Zeugin nach einer derartigen Zustimmung befragt, noch sonst ein Antragsvorbringen zu dieser Beweisvoraussetzung erstattet (15 Os 9/03). Es wurde im Beweisantrag nicht einmal behauptet, dass das Opfer einer psychiatrischen Untersuchung zugestimmt habe (Mayerhofer StPO4 § 150 E 56, 58).

Dem weiteren vom Erstgericht abgelehnten Antrag auf Vernehmung des Hausarztes der Familie zuwider ist die Frage, ob der Angeklagte gegen seine Gattin gewalttätig war, nicht Gegenstand dieses Strafverfahrens. Weshalb der Arzt bei seiner täglichen ärztlichen Aufsicht über Bebina L***** Beobachtungen über allfällige Gewalttätigkeiten des Angeklagten gegenüber Eveline L***** machen hätte müssen, wurde nicht dargetan.

Zum Antrag auf Vernehmung der Theresia L***** übersieht die Beschwerde, dass es im Sommer 2000 zwei verschiedene Vorfälle mit einem Messer gegeben hat (S 121, 175 f), weshalb der Erzählung des Thomas L***** gegenüber seiner Großmutter keine Bedeutung für die Beweiswürdigung zukommt.

Auch der Antrag auf Vernehmung mehrerer - bei den Taten nicht anwesender - Zeugen zum Beweis dafür, dass Eveline L***** "ständig die Unwahrheit sagt und sich Vorteile mit ihren falschen Aussagen schafft" durfte zu Recht abgelehnt werden, vermochte er doch mangels Konkretisierung keinen Bezug zu den Vorwürfen des Schuldspruchs aufzuzeigen. Inwieweit diese Zeugen etwas dazu aussagen könnten, ob die Zeugin Eveline L***** tatsächlich sexuell missbraucht worden sei, wird nicht dargetan. Welche eigenen Wahrnehmungen sie gemacht hätten, denen zufolge die Vorwürfe "von Monat zu Monat immer drastischer und belastender" wurden, stellen weder Antrag noch Beschwerde dar. Der Antrag auf Vernehmung von Lehrern der Eveline L***** zum Beweis dafür, dass sie kein wehrloses, kein verstörtes aber ruhiges Mädchen sei, das nur eine Leistungsschwäche habe, sowie das im Tatzeitraum ihre schulischen Leistungen nicht beeinträchtigt gewesen seien, zeigt keine Relevanz des Beweisthemas für die Sachentscheidung auf. Der Mängelrüge (Z 5) zuwider bedurfte es keiner Erörterung der unterschiedlichen Angaben zum Zeitpunkt des Auszugs der Bebina L***** aus dem ehelichen Schlafzimmer ins Wohnzimmer (siehe dazu auch Angeklagter S 191), weil dies keinen für die Beweiswürdigung erheblichen Umstand betrifft. Denn es ist ebenso denkmöglich, dass die Gattin des Angeklagten gerade nur in der Tatnacht in einem anderen Zimmer schlief, wie dass sie (im Ehebett) so tief schlief, dass sie die Tat nicht wahrgenommen hat.

Mit der Behauptung, die Angaben des Zeugen Andreas L***** über seine Wiederholung der Unzuchtshandlungen würden nicht von anderen Zeugen bestätigt und könnten daher nicht Grundlage für Feststellungen sei, bekämpft die Beschwerde lediglich in unzulässiger Form die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Die unterschiedlichen Angaben der Verfahrensbeteiligten zu den Tatzeiten blieben nicht unerörtert, sondern wurden vom Erstgericht berücksichtigt und mit einer nicht den Grundsätzen der Logik und empirischen Erkenntnissen zuwider laufenden Begründung als nicht ausschlaggebend gewertet (US 12).

Auch die differenzierenden Aussagen der Eveline L***** über den Vorfall mit dem Messer wurden der Beschwerde zuwider vom Schöffengericht erörtert (US 17).

Mit ihren Ausführungen zu hypothetischen Motiven der Bebina L***** für Falschaussagen bekämpft die Beschwerde wiederum nur die Beweiswürdigung; eine detaillierten Erörterung der gerügten Umstände erübrigte sich im Hinblick auf das Gebot einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO).

Die Wiedergaben der Beweisergebnisse betreffend den Vorfall im Bad (US 12) erfolgte aktenkonform; einer detaillierten Erörterung bedurften sie somit nicht.

Die Aussage der Sabrina G***** (US 12) hat das Schöffengericht nicht aktenwidrig wiedergegeben (arg ... im Wesentlichen so erzählt ...), weil nach dieser Diktion Details durchaus differieren können. Mit der Behauptung, es sei unglaubwürdig, dass Bebina L***** den Vorfall mit dem Polster vergessen habe, sowie mit der Wiederholung aller Aussagedetails dazu wird neuerlich in unzulässiger Form die tatrichterliche Beweiswürdigung bekämpft.

Die Erörterung von Zeugenaussagen über Übergriffe im WC und im Kinderzimmer konnte schon deshalb unterbleiben, weil solche nicht von den Urteilsfeststellungen umfasst sind und dem Angeklagten daher nicht zur Last liegen.

Mit ihrem Vorbringen zu den Zeitpunkten, zu denen Eveline L***** den Zeuginnen R***** und D***** von den Vorfällen erzählt habe, kritisiert die Beschwerde erneut die Beweiswürdigung. Eine Bedrohung der Bebina L***** durch den Angeklagten am 12. Mai 2001 ist nicht Urteilsgegenstand weshalb dazu vorliegende Beweisergebnisse keiner Erwägung bedurften. Im Übrigen hat die Zeugin D***** nicht von einem im Mai 2001 angezeigten Vorfall gesprochen, vielmehr ausgesagt, keinen Zeitpunkt nennen zu können. Ob die Zeugin Eveline L***** vom Angeklagten ins Schlafzimmer gerufen oder getragen wurde, betrifft keinen entscheidungswesentlichen Umstand.

Schließlich bekämpft die Beschwerde auch mit der Behauptung, die Annahme des Erstgerichtes, es könne zwei verschiedene Vorfälle mit einem Handy gegeben haben, stelle eine "unzulässige Vermutung ohne jegliches Beweisergebnis" dar, ausschließlich die Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit Hinweisen auf die angeblich von der schriftlichen abweichende mündliche Urteilsbegründung, auf die Einschätzung der Richter im ersten Rechtsgang, auf die Anwesenheit der Kinder des Angeklagten bei den Hauptverhandlungen, auf behauptete Emotionen und Unkorrektheiten der Tatrichter, sowie mit Wiederholung der Ausführung zur Mängelrüge und eigenen beweiswürdigenden Erörterungen keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofes gegen die Richtigkeit der für den Ausspruch über die Schuld entscheidenden Tatsachen zu erzeugen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der - wiederum nur die Beweiswürdigung kritisierenden - Äußerung des Verteidigers gemäß § 35 Abs 2 StGB als offenbar unbegründet bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

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