Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian D***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1.) und des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (2.) schuldig erkannt. Danach hat er zwischen Oktober und Dezember 1999 in Klagenfurt
1. mit der am 19. Dezember 1995 geborenen, sohin Unmündigen, Saskia S***** eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung dadurch unternommen, dass er sie aufforderte, sein Glied in den Mund zu nehmen, und sich dabei bis zum Samenerguss befriedigte;
2. durch die zu 1. geschilderte Tat unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber der seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Saskia S***** diese zur Unzucht missbraucht, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen und zu befriedigen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht. Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch das Zwischenerkenntnis des Gerichtshofs (S 192 f), mit dem der Antrag des Verteidigers (auf "eine neuerliche psychologische Untersuchung der Saskia S***** speziell auf den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs hin, weil die Sachverständige Dr. Sankl dargelegt [hat], dass bisher noch keine spezielle Untersuchung dahingehend vorgenommen wurde, insbesondere bleibt die Frage offen, ob nicht schon vor Oktober 1999 ein sexueller Missbrauch stattgefunden hat. Dies alles zum Beweis dafür, dass der Angeklagte die Taten nicht begangen hat", S 191) abgewiesen wurde, Grundsätze des Verfahrens nicht hintangesetzt, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist.
Zur zutreffenden Begründung des Tatgerichts ist lediglich zu ergänzen, dass der Antrag bereits formell fehlerhaft gestellt wurde, weil er kein konkretes Beweisthema enthält, sondern den Anklagevorwurf nur pauschal bestreitet und nach seinem Inhalt auf die Aufnahme eines unzulässigen Erkundungsbeiweises zielt (vgl dazu Mayrhofer StPO4 § 281 Z 4 E 88 ff). Überdies fehlt es an einem entsprechenden Vorbringen in erster Instanz, dass die unmündige Zeugin - entgegen ihrer und ihrer Mutter im Aktenvermerk vom 4. März 2002 (S 3 e verso) festgehaltenen Weigerung, an einer weiteren Exploration mitzuwirken - ihre Meinung ändern werde. Im Übrigen behauptet die Beschwerde aktenwidrig, der Anklagevertreter habe den Beweisantrag gestellt und die Vorgangsweise des Erstgerichts gerügt (vgl S 191 bis 193).
Die Mängelrüge (Z 5) versagt gleichfalls.
Gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO ist das Erstgericht nämlich nicht verpflichtet, alle Äußerungen des Angeklagten sowie der Zeugen und Sachverständigen im Urteil wiederzugeben und einzeln zu erörtern. Es genügt vielmehr, wenn es in gedrängter Form die entscheidenden (also entweder für die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Gesetz oder für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes maßgebenden) Tatsachen feststellt und die Gründe anführt, die zu ihrer Überzeugung von der Richtigkeit dieser Annahme geführt haben (Mayerhofer aaO § 281 Z 5 E 7 f mwN).
Diesem Gebot folgend, haben die Tatrichter nach den Vorschriften der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nicht nur alle erhobenen Beweise einzeln und in ihrem Zusammenhang - gerade die belastende Geschehensdarstellung der Zeugin Saskia S***** - besonders ausführlich, sorgfältig und kritisch hinterfragt, sondern auch zureichend und in Übereinstimmung mit den Grundsätzen logischen Denkens sowie der Lebenserfahrung begründet, warum sie die leugnenden Einlassungen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig beurteilten, hingegen der einzigen Tatzeugin (der sechsjährigen Saskia S*****) die entscheidende Tatsache glaubten, dass sie über Aufforderung des sie beaufsichtigenden Angeklagten "seinen Penis in den Mund genommen hatte" und er durch längere Manipulationen im Mund des Mädchens zum Samenerguss kam (US 4 bis 9).
Soweit die Beschwerde aus isoliert, demnach Sinn entstellend, hervorgehobenen Beweisdetails aus der Verantwortung des Nichtigkeitswerbers, den Aussagen der Zeugen Saskia und Sonja S*****, Michael R***** und Richard S***** sowie aus der Expertise der pschologischen Sachverständigen Dr. Isabella Sankl und der Krankengeschichte des LKH Klagenfurt in Verbindung mit einem vom Rechtsmittel negativ gezeichneten Charakterbild der Sonja S***** (weil sie in einschlägigen Lokalen und Sex-Shops gearbeitet, eine "dementsprechende Sprache" ua die Bezeichnung "Pimperl" verwendete, zahlreiche, für die unmündige Saskia nachteilige Männerbeziehungen unterhalten, daheim Sex-Videos verwahrt und Pornofilme angesehen habe), die allesamt keine entscheidenden Umstände betreffen, urteilskonträre, für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse abzuleiten trachtet, ficht sie lediglich nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile verwehrten Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung an.
Im Übrigen wurde die Krankengeschichte des LKH Klagenfurt (ON 21) nicht übergangen (US 55). Der vermeintliche Widerspruch in den Aussagen der Zeugin Irene M***** liegt nicht vor (vgl S 180 f und ON 10). Inwiefern die Sachverständige Dr. Sankl mit der Deposition des Zeugen Richard S***** in Widerspruch stehen soll, ist nicht nachvollziehbar.
Die behaupteten formellen Begründungsmängel haften daher dem bekämpften Urteil nicht an, weshalb von einer unstatthaften Vermutung zu Lasten des Angeklagten und einer Scheinbegründung keine Rede sein kann.
In der Tatsachenrüge (Z 5a) werden bloß bereits unter Z 5 erfolglos ins Treffen geführte Einwände wiederholt und resümiert, bei lebensnaher Beurteilung dieser Verfahrensergebnisse hätte das Erstgericht zu dem Schluss kommen müssen, dass die Minderjährige den von ihr behaupteten Vorfall nicht erlebt, sondern im Haushalt der Mutter derartige Beobachtungen gemacht und diese "Erfahrungswerte" und "Kenntnisse" in der gegenständlichen Strafsache wider den Angeklagten "verwendet" hat. Nach Prüfung der Aktenlage durch den Obersten Gerichtshof vermag der Beschwerdeführer jedoch weder schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen, noch auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung, also intersubjektiv, erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen (vgl Mayerhofer aaO § 281 Z 5a E 2 f). Auch dieser unter die formellen Nichtigkeitsgründe eingreihte Anfechtungstatbestand gestattet nicht die Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung (Mayerhofer aaO E 1, 3 ff).
Somit war die Nichtigkeitsbeschwerde in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen einer dazu gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung, welche im Wesentlichen die Argumente des Rechtsmittels wiederholt, gemäß § 285d Abs 1 Z 2 StPO als offenbar unbegründet bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten gegen den Ausspruch über die Strafe und gegen den Privatbeteiligtenzuspruch folgt (§ 285i StPO).
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