OGH 15Os7/24d

OGH15Os7/24d15.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Mai 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin FI Jäger in der Strafsache gegen * Z* und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 letzter Fall, Abs 2 Z 1 und Z 2, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der genannten Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 7. Juni 2023, GZ 35 Hv 66/22g‑74.3, weiters über die Beschwerde der Genannten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00007.24D.0515.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I./C./ und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Krems an der Donau verwiesen.

Die Berufung wegen Schuld wird zurückgewiesen.

Mit ihrer gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung und mit ihrer Beschwerde wird die Angeklagte auf die aufhebende Entscheidung verwiesen.

Über deren Berufung gegen den Ausspruch über den Verfall hat das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden.

Der Angeklagten * Z* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * Z* des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB (I./A./), des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 letzter Fall, Abs 2 Z 1 und Z 2, 15 StGB (I./B./) und des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 15, 156 Abs 1 StGB (I./C./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat sie – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz – in K* und an anderen Orten

I./B./ * R* zwischen Mai und 30. August 2022 in zahlreichen Angriffen gewerbsmäßig, gegen dieselbe Person eine längere Zeit hindurch sowie durch gefährliche Drohung mit der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung und wirtschaftlichen Existenz zu Handlungen, nämlich zur Zahlung bzw Überweisung von insgesamt 71.000 Euro genötigt und zur Zahlung von weiteren 100.000 Euro zu nötigen versucht, die diesen am Vermögen schädigten bzw schädigen sollten, indem sie ihm nahezu täglich per WhatsApp damit drohte, sie werde ihn anzeigen und unter Vorlage intimer Bilder behaupten, er habe sie belästigt, und alles mit einem Rechtsanwalt an seinem Arbeitsplatz und bei seinen Eltern bekannt machen;

I./C./ zumindest zwischen Juli 2020 und August 2022 Bestandteile ihres Vermögens, nämlich alle zu I./A./ und I./B./ von R* übergebenen bzw überwiesenen Geldbeträge (in der Höhe von insgesamt 109.500 Euro), verheimlicht und dadurch die Befriedigung ihrer zahlreichen Gläubiger in den gegen sie beim Bezirksgericht Krems geführten Exekutionsverfahren und dem ab 15. Juli 2022 geführten Insolvenzverfahren zu vereiteln versucht.

Rechtliche Beurteilung

[3] Ausschließlich gegen den Schuldspruch I./C./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – Berechtigung zukommt.

[4] Nach den erstgerichtlichen Feststellungen verschwieg die Angeklagte die zu I./A./ und I./B./ erlangten Geldbeträge ihren Gläubigern und verwendete diese zur Deckung ihres „übertrieben hohen Lebensbedarfs“, unter anderem für ausschweifenden Konsum [...] und im Urteil wiedergegebene „übertrieben hohe Ausgaben“. Dabei hielt sie es „insgesamt jeweils ernstlich für möglich und fand sich auch damit ab, einen Bestandteil ihres Vermögens gegenüber ihren vielen Gläubigern zu verheimlichen und dadurch deren Befriedigung zu vereiteln oder zumindest deutlich zu schmälern“ (US 12 f).

[5] Die Rechtsrüge zeigt zutreffend auf, dass das konstatierte (passive) Verschweigen der durch die Straftaten erlangten Geldbeträge gegenüber Gläubigern mangels Annahmen zu einer konkreten Rechtspflicht zur Offenbarung keine Tathandlung im Sinn des § 156 Abs 1 StGB (RIS‑Justiz RS0094828 [T2]; Kirchbacher in WK2 StGB § 156 Rz 14) darstellt.

[6] Angemerkt sei, dass der Erwerb von Gegenständen (ua von Möbeln und Fahrzeugen [US 13]) nur dann eine Tathandlung im Sinn des § 156 Abs 1 StGB umschreibt, wenn der Schuldner dadurch nicht einen entsprechenden wirtschaftlichen Gegenwert erhält (vgl Kirchbacher in WK2 StGB § 156 Rz 10; Fabrizy/Michel‑Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 156 Rz 4).

[7] Wie die Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, vermögen die vom Erstgericht getroffenen Sachverhaltskonstatierungen somit einen Schuldspruch nach § 156 Abs 1 StGB nicht zu tragen, womit sich ein Eingehen auf das ausschließlich gegen diesen Schuldspruch gerichtete weitere Vorbringen erübrigt.

[8] Für den zweiten Rechtsgang sei – ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – hinzugefügt, dass der Schuldspruch I./B./ mit nicht geltend gemachter Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO behaftet ist.

[9] Neben der in § 70 Abs 1 StGB umschriebenen Absicht setzt die rechtliche Annahme gewerbsmäßiger Begehung (hier: nach § 145 Abs 2 Z 1 StGB) voraus, dass der Täter bei der Tatbegehung entweder unter Einsatz besonderer Fähigkeiten oder Mittel handelt, die eine wiederkehrende Begehung nahelegen (§ 70 Abs 1 Z 1 StGB), zwei weitere „solche Taten“ (dazu RIS‑Justiz RS0130965) schon im Einzelnen geplant (§ 70 Abs 1 Z 2 StGB) oder bereits zwei solche Taten begangen hat oder einmal wegen einer solchen Tat verurteilt worden ist (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB).

[10] Den festgestellten Tatsachen zufolge handelte es sich zu I./B./ um ein gegen dieselbe Person längere Zeit hindurch fortgesetztes, ersichtlich von einem einheitlichen Erpressungsvorsatz (US 12; vgl auch US 18 f) getragenes Tatgeschehen, weshalb von einer tatbestandlichen Handlungseinheit auszugehen ist, die nur eine Tat darstellt (RIS‑Justiz RS0094062 [T1], RS0120233; Eder‑Rieder in WK2 StGB § 145 Rz 14; Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 70 Rz 13/6). Dementsprechend vermögen die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen, wonach die Angeklagte, die keine Vorverurteilung wegen Erpressung aufweist (US 5), in der Absicht handelte, sich über einen unbestimmten – jedenfalls mehrere Monate umfassenden – Zeitraum ein nicht bloß geringfügiges Einkommen von durchschnittlich über 400 Euro im Monat in Form zahlreicher, jedenfalls mehr als drei Droh‑Angriffshandlungen gegenüber ihrem Opfer zu verschaffen (US 12), weder die Annahme der Voraussetzungen der Z 2 noch jener der Z 3 des § 70 Abs 1 StGB zu tragen (jüngst 13 Os 108/23s; vgl aber 15 Os 106/11v zu § 70 StGB aF; siehe auch Eder‑Rieder in WK2 StGB § 145 Rz 15).

[11] Eine amtswegige Wahrnehmung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) dieses Subsumtionsfehlers (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO), der keinen Einfluss auf den Strafrahmen hat und aus dem (angesichts der [mehrfachen] Qualifikation nach § 145 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 2 StGB) keine unrichtigen (nachteiligen) Strafzumessungstatsachen (US 25; § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO) resultieren, ist mangels erkennbaren konkreten Nachteils nicht erforderlich (Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 22 ff). Das Erstgericht ist im weiteren Rechtsgang an die insoweit fehlerhafte Subsumtion nicht gebunden (RIS‑Justiz RS0129614 [T1]).

[12] Das angefochtene Urteil war daher im im Spruch ersichtlichen Umfang bereits bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Krems an der Donau zu verweisen (§ 285e StPO).

[13] Die – angemeldete (ON 75) – Berufung wegen Schuld war zurückzuweisen, weil eine solche im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen ist (vgl § 283 Abs 1 StPO).

[14] Mit ihrer gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung und der (impliziten) Beschwerde gegen den Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe (§ 498 Abs 3 StPO) war die Angeklagte auf die Kassation zu verweisen.

[15] Über deren Berufung gegen den Ausspruch des Verfalls, der im rechtskräftig gewordenen Teil des Schuldspruchs Deckung findet, hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO).

[16] Die Kostenersatzpflicht gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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