Spruch:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, nach öffentlicher Verhandlung am 11. April 2003 mündlich verkündeten Beschluss erklärte das Oberlandesgericht Linz die vom Ministerium der Justiz Rumäniens begehrte Auslieferung des bulgarischen Staatsangehörigen Venko Racev V*****, alias Simisa T*****, alias Iliev Vladimir I*****, zur Strafverfolgung an Rumänien wegen der im Haftbefehl der Staatsanwaltschaft des Gerichtes Timis, Rumänien, vom 28. Oktober 2002, Zl 245/P/2001, beschriebenen strafbaren Handlungen im Umfang der Ergänzung der Auslieferungsunterlagen vom 20. Februar 2002, vorgenommen von der selben Behörde unter den selben Geschäftszeichen, nicht für unzulässig. Die Übergabe des Genannten wurde gemäß Art 19 Abs 1 EuAlÜbk aufgeschoben, bis dem inländischen Strafvollstreckungsanspruch im Verfahren AZ 42 Hv 60/02i des Landesgerichtes Linz genüge getan ist.
Der Verteidiger meldete nach Verkündung dieser Entscheidung in der Auslieferungsverhandlung Beschwerde an, und führte diese - nach Zustellung der Entscheidung an ihn am 23. April 2003 - am 25. April 2003 aus.
Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 12. Dezember 2002, G 151, 152/02-15, auf Grund eines - nicht von Venko Racev V***** gestellten - Individualantrages (Art 140 Abs 1 letzter Satz B-VG) den ein Rechtsmittel gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes über die Zulässigkeit der Auslieferung (§ 33 ARHG) ausdrücklich ausschließenden zweiten Satz in § 33 Abs 5 ARHG als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten.
In den Entscheidungsgründen hielt der Verfassungsgerichtshof dazu fest:
"4. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum rechtsstaatlichen Prinzip (s insbesondere VfSlg 11.196/1986, 12.409/1990; überdies etwa VfSlg 8279/1978 mit Bezugnahme auf VfSlg 2929/1955; s auch VfSlg 2455/1952 sowie - aus jüngerer Zeit - etwa VfSlg 14.702/1996, 15.581/1999, 15.816/2000; zuletzt VfSlg 16.245/2001) gipfelt dessen Sinn darin, dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssen und ein System von Rechtsschutzeinrichtungen Gewähr dafür bietet, dass nur solche Akte in ihrer rechtlichen Existenz als dauernd gesichert erscheinen, die in Übereinstimmung mit den sie bedingenden Akten höherer Stufe erlassen wurden.
4.1. Ein dem rechtsstaatlichen Prinzip innewohnender Gesichtspunkt besteht insbesondere auch darin, dass die unabdingbar geforderten Rechtsschutzeinrichtungen ihrer Zweckbestimmung nach ein bestimmtes Maß an Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen müssen (vgl VfSlg 11.196/1986, S 909 f).
4.1.1. Das Oberlandesgericht hat im Verfahren nach § 33 ARHG die Zulässigkeit einer Auslieferung anhand der gesetzlich geregelten Zulässigkeitsschranken zu beurteilen. Diese sind in erster Linie einfachgesetzlicher Natur, auch wenn sie, wie sich aus § 19 Z 1 ARHG ergibt, ua die Grundsätze der Art 3 und6 EMRK einschließen. Auch die EMRK und ihre Zusatzprotokolle räumen dem einzelnen im allgemeinen kein subjektives Recht ein, nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen an einen anderen (nicht der EMRK beigetretenen) Staat ausgeliefert zu werden. Die Auslieferung wird lediglich in Art 5 Abs 1 lit f EMRK ausdrücklich erwähnt: Es wird darin für zulässig erklärt, eine Person festzunehmen oder in Haft zu halten, 'weil [sie] von einem gegen [sie] schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist'.
4.1.2. Wohl aber haben die Rechtsschutzorgane der EMRK entschieden, dass bei Vorliegen besonderer Umstände ('in exceptional circumstances'; s zB EKMR 28. Mai 1991, Nr 16.832/90 [Kozlov/Finnland], mwN) ein dem ausliefernden Staat anzulastender Verstoß gegen die EMRK anzunehmen ist, wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass dem Betroffenen im Empfangsstaat besonders schwerwiegende Grundrechtseingriffe drohen, insbesondere in Zusammenhang mit Art 3 EMRK (s dazu grundlegend EGMR 7. Juli 1989, Nr 14.038/88 [Soering/Vereinigtes Königreich], series A Nr 161) sowie Art 1 6. ZP-EMRK (s dazu zB EGMR 15. März 2001, Nr 58.128/2000 [Ismaili/Deutschland], mwN). Wird etwa dadurch, dass eine Person ausgeliefert wird, eine Familie getrennt, so ist auch ein Verstoß gegen Art 8 EMRK nicht auszuschließen (zB EKMR 4. September 1995, Nr 25.342/94 [Raidl/Österreich]; 8. Dezember 1997, Nr 27.279/95 [Launder/Vereinigtes Königreich]). Hat das im ersuchenden Staat durchgeführte Verfahren jenen Anforderungen nicht entsprochen, die an ein Strafverfahren nach Art 6 EMRK gestellt sind, oder ist anzunehmen, dass diesen Anforderungen nicht entsprochen werden wird, so kann sich auch daraus ein Auslieferungshindernis ergeben; der um die Auslieferung ersuchte Staat braucht jedoch bloß offenkundige Verstöße gegen Art 6 EMRK ('flagrant denial of justice') wahrzunehmen (s zB EGMR 16. Oktober 2001, Nr 71.555/01 [Einhorn/Frankreich], mwN).
4.2. Da somit die Entscheidung des Oberlandesgerichtes insofern auch verfassungsgesetzlich gewährleistete subjektive Rechte unmittelbar zu berühren vermag, die sich aus der EMRK im Sinne der dazu ergangenen Rechtsprechung des EGMR ergeben (vgl in diesem Zusammenhang auch Art 46 Abs 1 EMRK), muss dem solcherart (potentiell) Verletzten nicht nur gem Art 13 EMRK eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz eingeräumt sein: Auch aus dem Blickwinkel des Rechtsstaatsprinzips geht es in einer solchen Konstellation nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nicht an, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit den Folgen einer potentiell rechtswidrigen gerichtlichen Entscheidung zu belasten (s zuletzt insbesondere VfSlg 16.245/2001 mwN; vgl auch VfGH 1. März 2002, G 319/01). Der zweite Satz des § 33 Abs 5 ARHG erklärt indes ein Rechtsmittel gegen einen Beschluss des Oberlandesgerichtes, mit dem die Auslieferung für zulässig erklärt wird, in jedem Fall für unzulässig. Diese Bestimmung steht somit in Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip; sie war aus diesem Grund als verfassungswidrig aufzuheben."
Rechtliche Beurteilung
Ein vor der Aufhebung verwirklichter Tatbestand, auf den der ausdrückliche Ausschluss einer Rechtsmittelmöglichkeit weiter anzuwenden wäre (Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG), liegt bei einem ab dem Tag der Kundmachung der Gesetzesaufhebung (BGBl I 6/2003) gefassten Beschluss eines Oberlandesgerichtes nach § 33 ARHG nicht vor. § 33 Abs 5 zweiter Satz ARHG ist demnach auf ab dem 4. Februar 2003 gefasste Beschlüsse über die Zulässigkeit der Auslieferung nicht anzuwenden.
Infolge der Aufhebung besteht in Hinsicht auf die Frage nach der Möglichkeit einer Anfechtung von Beschlüssen des Oberlandesgerichtes über die Zulässigkeit der Auslieferung eine planwidrige Gesetzeslücke. Entgegen dem aus der nun aufgehobenen Bestimmung ersichtlichen Regelungsplan (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft6, 373 ff), die genannte Frage zu behandeln, findet sich dazu im anzuwendenden Gesetz seit der Aufhebung des zweiten Satzes in § 33 Abs 5 ARHG keine diesbezügliche Bestimmung. Die gemäß § 9 Abs 1 ARHG sinngemäß anzuwendende StPO weist keine sinngemäß anwendbare Regel über die Zulässigkeit einer Beschwerde gegen Beschlüsse des in erster Instanz entscheidenden Oberlandesgerichtes auf, sondern enthält lediglich zwei, zueinander konträre Vorschriften, nämlich § 63 Abs 2 StPO (Anfechtbarkeit des Beschlusses) einerseits und § 395 Abs 4 dritter Satz StPO (Unanfechtbarkeit des Beschlusses) andererseits.
Die planwidrige Gesetzeslücke lässt sich durch Rechtsanalogie schließen. Die Bestimmungen des GebAG 1975 und des StEG, die Beschwerden gegen erstinstanzliche Beschlüsse des Oberlandesgerichtes ermöglichen, kommen dafür schon deshalb nicht in Frage, weil sie zivilrechtliche Ansprüche betreffen. Auch die StPO lässt eine Analogie im gegebenen Zusammenhang nicht zu, weil aus den dort geregelten Fällen - wie angeführt - kein Grundsatz zur Lösung der bezeichneten Frage ableitbar ist.
Das Grundrechtsbeschwerdegesetz, BGBl 1992/864, ist jedoch im Hinblick auf seinen auch hier aktuellen Zweck, demjenigen, der durch eine strafgerichtliche Entscheidung (oder Verfügung) in einem Grundrecht (nämlich auf persönliche Freiheit) verletzt zu sein behauptet, eine wirksame Beschwerde zu gewähren (Art 13 EMRK; vgl JAB GRBG, abgedruckt in Hager/Holzweber, GRBG 4 f), für eine Analogie zur Sicherung des nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes erforderlichen Grundrechtsschutzes durch den Obersten Gerichtshof geeignet (vgl Larenz aaO 381 f).
Demnach kann ein - sogleich mit Verkündung rechtskräftiger - Beschluss des Oberlandesgerichtes, mit dem die Auslieferung nicht für unzulässig erklärt wurde, in analoger Anwendung des Grundrechtsbeschwerdegesetzes mit dem außerordentlichen Rechtsmittel einer an den Obersten Gerichtshof gerichteten Grundrechtsbeschwerde angefochten werden.
In der Beschwerde ist daher anzugeben und zu begründen, worin der Beschwerdeführer die Verletzung eines bestimmt zu bezeichnenden, als Auslieferungshindernis in Betracht kommenden Grundrechtes des Betroffenen - vgl § 19 Z 1 (Art 3 undArt 6 EMRK), § 20 ARHG (Art 1 6. ZP-EMRK) und § 22 ARHG (Art 8 EMRK) - erblickt. Die angefochtene Entscheidung ist genau zu bezeichnen. Die Beschwerde muss von einem Verteidiger unterschrieben sein (vgl § 3 GRBG).
Die Beschwerde ist binnen vierzehn Tagen ab Zustellung der (im Fall mündlicher Verkündung der Entscheidung als Grundlage des weiteren Auslieferungsverfahrens gebotenen, vgl § 33 Abs 6 ARHG) schriftlichen Beschlussausfertigung an den Betroffenen (falls er durch einen Verteidiger vertreten ist, an diesen - § 79 Abs 2 StPO) beim Gerichtshof zweiter Instanz einzubringen, der die zur Entscheidung über die Beschwerde erforderlichen Akten unverzüglich dem Obersten Gerichtshof vorzulegen hat. Die Frist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde rechtzeitig beim Obersten Gerichtshof eingebracht wird (vgl § 4 GRBG). Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung (vgl § 5 GRBG) und hindert daher die Entscheidung des Bundesministers für Justiz nach § 34 ARHG nicht, sodass der Gerichtshof zweiter Instanz ungeachtet einer allfälligen Beschwerde nach § 33 Abs 6 ARHG vorzugehen hat; zur Vermeidung von Verzögerungen ist jedoch gegebenenfalls ein Kopienakt anzulegen (§ 4 Abs 2 GRBG) und mit der Beschwerde dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.
Über die Beschwerde entscheidet der Oberste Gerichtshof nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung (meritorisch) durch Erkenntnis (vgl § 6 GRBG); verspätete oder sonst unzulässige Beschwerden sind beschlussmäßig zurückzuweisen (vgl Mayerhofer/ Steininger GRBG § 7 Rz 4). Zur Entscheidung ist jedoch gemäß § 6 OGHG ein Senat aus fünf Mitgliedern berufen, weil kein von § 7 Abs 1 Z 8 OGHG angesprochenes "Erkenntnis nach dem Grundrechtsbeschwerdegesetz, BGBl Nr 35/1993" vorliegt.
Im Grundrechtsbeschwerdeverfahren sind subsidiär die für den Obersten Gerichtshof und die für das gerichtliche Strafverfahren geltenden Vorschriften sinngemäß anzuwenden (vgl § 10 GRBG).
Im konkreten Fall erweist sich die Beschwerde im Sinne obiger Ausführungen als rechtzeitig.
Das Oberlandesgericht führt in seiner Begründung über die Zulässigkeit der Auslieferung, gestützt auf das von Rumänien ratifizierte Europäische Auslieferungsübereinkommen, unter anderem aus, dass dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen ein dem § 22 ARHG entsprechendes Auslieferungshindernis fremd sei, zwischenstaatliche Vereinbarungen nach § 1 ARHG Vorrang gegenüber den Bestimmungen dieses Gesetzes haben und vertragliche Auslieferungspflichten grundsätzlich zu erfüllen sind. Die Beschwerde wendet sich gegen obige Erwägungen zur Auslieferung an Rumänien mit dem Vorbringen, durch den Einfluss einer kriminellen Organisation auf die örtlichen Behörden sei der Auszuliefernde qualifiziert mit Anschlägen auf sein Leben und damit mit dem Tod bedroht, sodass er im Zug eines Haftverfahrens bzw eines Haftaufenthaltes nicht in den Genuss einer lebenssicheren Behandlung sowie eines fairen Verfahrens komme, wie dies die EMRK vorsehe. Damit ergebe sich entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichtes im vorliegenden Fall ein Auslieferungshinderniss, weil die gegenteilige Rechtsauffassung und Auslieferung an Rumänien den allgemeinen Grundsätzen des ordre public, der allgemein anerkannt und dem ARHG zueigen sei, sowie dem fairen Verfahren widersprächen. Diese Einwände bestreiten lediglich pauschal die Rechtsstaatlichkeit in Rumänien und behaupten spekulativ eine Gefahr für das Leben des Beschwerdeführers durch eine kriminelle Organisation. Konkrete Gründe für dieses Vorbringen sind dem Rechtsmittel ebensowenig zu entnehmen wie Hinweise auf aktenkundige Umstände, welche die angeführte Befürchtung untermauern könnten. Damit fehlt es aber an der deutlichen und bestimmten Bezeichnung jener Tatsachen, welche die Annahme rechtfertigen könnten, es liege eine Verletzung eines als Auslieferungshindernis in Betracht kommenden Grundrechtes vor. Gleiches gilt für die generell gehaltene Behauptung, dass er für den Fall des Todes seine Familie nicht mehr sehen könnte. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
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