OGH 15Os6/17x

OGH15Os6/17x5.4.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. April 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Horst G***** und weitere Angeklagte wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Horst G***** und Christian G***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21. April 2016, GZ 124 Hv 9/14y‑84, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00006.17X.0405.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten Horst G***** und Christian G***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant – Horst G***** (zu A./) und Christian G***** (zu A./ und B./) jeweils des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach haben in Wien mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und durch Vortäuschung ihrer Rückzahlungsfähigkeit und ‑willigkeit Kerstin H***** zu Handlungen verleitet, wodurch die Genannte in einem insgesamt 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurde, und zwar

A./ Horst G***** und Christian G***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einer weiteren Person als Mittäter

I./ am 18. März 2010 zur Übergabe von insgesamt 25.000 Euro;

II./ am 26. oder 27. September 2010 zur Übergabe von insgesamt 18.500 Euro;

B./ Christian G***** zwischen Anfang September und 24. September 2009 zur Übergabe von insgesamt 15.872 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Den dagegen erhobenen, gemeinsam ausgeführten und auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Horst G***** und Christian G***** kommt keine Berechtigung zu.

Der Erledigung der Mängelrüge (Z 5) ist voranzustellen, dass ihr Bezugspunkt der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen ist, also solche, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage maßgebend sind und entweder auf die Unterstellung der Tat dem Gesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss üben (RIS‑Justiz RS0106268). Davon ausgehend nennt das Gesetz fünf Kategorien von Begründungsfehlern, die Nichtigkeit aus Z 5 nach sich ziehen, wobei in allen Fällen die Mängelrüge nur dann gesetzmäßig ausgeführt ist, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS‑Justiz RS0119370).

Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) liegt vor, wenn für den Beschwerdeführer und das Rechtsmittelgericht nicht unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden ist oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (RIS‑Justiz RS0117995).

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS‑Justiz RS0118316).

Widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) sind zwei Urteilsaussagen, wenn sie nach den Kriterien logischen Denkens oder nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht nebeneinander bestehen können. In diesem Sinn können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen, sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander im Widerspruch stehen (RIS‑Justiz RS0119089; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 437 f).

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS‑Justiz

RS0116732, RS0118317).

Aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099547).

Indem die auf „§ 281 Abs 1 Z 5 erster, zweiter und vierter Fall StPO“ gestützte Mängelrüge behauptet, aus den Feststellungen zu den Kontogestionen sowie den Vermögens- und Einkommensverhältnissen der Angeklagten sei „der inkriminierte schwere Betrug nicht darstellbar“, spricht sie keine zu entscheidenden Tatsachen getroffenen Konstatierungen an und zeigt keinen Begründungsfehler im dargelegten Sinn auf.

Entgegen der Beschwerde (nominell Z 5 erster, zweiter und vierter Fall) hat das Erstgericht die leugnende Verantwortung der Angeklagten diesen nicht „absonderlicher Weise (…) zur Last gelegt“, sondern – mit ausführlicher Begründung – der für glaubwürdig befundenen Aussage der Zeugin Kerstin H***** gegenübergestellt und als unglaubwürdige Schutzbehauptung gewertet (US 13). Die eigenständigen Überlegungen der Beschwerdeführer zu ihrem Aussageverhalten richten sich bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung gegen die Beweiswürdigung des Schöffengerichts.

Dass Kerstin H***** im sie betreffenden Schuldenregulierungsverfahren ihre Forderungen gegen die Angeklagten angegeben hat, wurde ohnehin festgestellt (US 25), sodass die weiteren Überlegungen zur Glaubwürdigkeit der Zeugin von vornherein ins Leere gehen.

Mit Erwägungen zu Differenzen zwischen den von der Zeugin H***** angezeigten Schadensbeträgen und jenen der Schuldsprüche wird kein Begründungsdefizit im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (nominell Z 5 erster, zweiter, dritter und vierter Fall) aufgezeigt, sondern neuerlich in unzulässiger Form die tatrichterliche Beweiswürdigung zur Glaubwürdigkeit der Zeugin kritisiert.

Ob der Angeklagte Christian G***** die „alleinige und führende Verantwortung“ für den Autokauf hatte, der Anlass für die dem Schuldspruch B./ zugrunde liegende Kreditgewährung gewesen ist,

und ob die Mittel für den Autokauf „ausschließlich von H***** stammen“, betrifft keine Tatsachen, die auf die Schuld‑ oder Subsumtionsfrage Einfluss üben. Im Übrigen hat sich das Schöffengericht mit den von H***** erstellten Notizen auf den Kaufunterlagen befasst, daraus aber nicht die von den Beschwerdeführern gewünschten Schlüsse gezogen (US 18), und missachtet die Beschwerde mit der Behauptung, die Erwägungen des Gerichts zur Finanzierung des Autokaufs durch H*****– und nicht durch die Mitangeklagte Ingrid L***** (US 19 f) – seien „reine Spekulation“ sowie nicht durch die Beweisergebnisse gedeckt, neuerlich den vom Nichtigkeitsgrund vorgegebenen Anfechtungsrahmen.

Soweit die Beschwerdeführer die Urteilserwägungen wegen des Nichtvorhandenseins von Belegen für die inkriminierten Geldübergaben als unvollständig, offenbar unzureichend begründet und aktenwidrig rügen (Z 5 zweiter, vierter und fünfter Fall), zeigen sie kein aus Z 5 beachtliches Begründungsdefizit auf, sondern geben bloß zu erkennen, dass sie die tatrichterliche Beweiswürdigung nicht überzeugt und aus ihrer Sicht aus den Verfahrensergebnissen für sie günstigere Schlüsse denkbar gewesen wären.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) lässt mit dem Hinweis auf das Fehlen von die Angaben der Zeugin H***** stützenden Urkunden den unter dem Aspekt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes gebotenen Aktenbezug vermissen (RIS‑Justiz RS0128874, RS0119310). Mit den Behauptungen, die Tatrichter hätten sich mit dem Fehlen von Belegen für die tatgegenständlichen Geldübergaben auseinandersetzen und das kaufmännische Verständnis des Opfers bei der Beweiswürdigung berücksichtigen müssen, wird Nichtigkeit aus Z 5a ebenfalls nicht geltend gemacht (RIS‑Justiz

RS0100555).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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