OGH 15Os57/13s

OGH15Os57/13s26.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bitsakos als Schriftführer in der Strafsache gegen Mag. Susanne K***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14. November 2012, GZ 42 Hv 79/12m-43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung auch unter § 148 zweiter Fall StGB, demzufolge im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht für Strafsachen Wien zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft werden mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. Susanne K***** des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie - gekürzt wiedergegeben - in Wien und anderen Orten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig andere durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese um einen insgesamt 3.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar

I./ zwischen Oktober und Dezember 2009 durch die Veröffentlichung der Projekte „S*****“ und „S*****“ unter dem nickname „C*****“ auf der Internetplattform www.b *****.at und unter gleichzeitiger Vorgabe, zahlungswillige und -fähige Darlehensnehmerin zu sein, zur Gewährung von Darlehen für die Errichtung eines Tierhospizes und Überweisung nachgenannter Geldbeträge, und zwar

a./ Peter Ko***** von 500 Euro;

b./ Martin N***** von 1.000 Euro;

c./ Gerald L***** von 500 Euro;

d./ Michael V***** von 2.000 Euro;

e./ Valentin B***** von 6.000 Euro;

f./ Robert Sa***** von 16.500 Euro;

g./ Arndt R***** von 500 Euro;

h./ Bernhard O*****

1./ von 1.000 Euro und

2./ von 500 Euro;

i./ Bernhard F***** von 1.500 Euro;

j./ Michael A***** von 750 Euro;

k./ Markus Sch***** von 250 Euro und

l./ Thomas Ne***** von 1.500 Euro;

II./ zwischen 15. September und 23. Dezember 2010 Christa G***** durch die Vorgabe, zahlungswillige und -fähige Vertragspartnerin zu sein, zur Übernahme von sieben Hunden in Obhut und Pflege in deren Tierpension, wodurch der Genannten ein Schaden in der Höhe von 4.882 Euro entstand;

III./ am 22. November 2010 Armin H***** durch die Vorgabe, zahlungswillige und -fähige Vertragspartnerin zu sein, zur Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Erstellung eines Businessplans für die Errichtung einer Hundepension im Wert von ihr in Rechnung gestellten 532,22 Euro, wodurch der Genannte mit diesem Betrag am Vermögen geschädigt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Mag. Susanne K*****, der keine Berechtigung zukommt.

In ihrer Verfahrensrüge (Z 4) erachtet die Beschwerdeführerin durch die Abweisung (ON 42 S 15) ihres Antrags auf Vernehmung zweier namentlich nicht genannter Zeugen zum Beweis dafür, dass ihr Kosten des Betriebs eines Tierasyls entstanden seien (ON 42 S 11), ihre Verteidigungsrechte verletzt. Der Antrag wurde jedoch zu Recht abgewiesen, weil zum einen die Zeugen gar nicht namhaft gemacht wurden, sodass die Beweisaufnahme unmöglich war (§ 55 Abs 2 erster Satz dritter Fall StPO), und zum anderen das Beweisthema für die Beurteilung des Tatverdachts ohne Bedeutung ist (§ 55 Abs 2 Z 1 StPO). Der Beschwerdeführerin liegt nämlich zur Last, ihre Rückzahlungswilligkeit und -fähigkeit vorgetäuscht zu haben, weswegen der Verwendungszweck der Geldbeträge für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage ohne Belang ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 319).

Ebenso verfiel der Antrag auf Beischaffung eines psychiatrischen Gutachtens mit dem Ziel, bei der Strafausmessung Bedacht auf den psychischen Zustand der Beschwerdeführerin zu nehmen (ON 42 S 11), zu Recht der Abweisung, weil er sich bloß auf die Ermessensentscheidung bei der Sanktionsfindung bezieht (§ 55 Abs 2 Z 1 StPO; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 322). Im Übrigen wurde die „psychische Situation der Angeklagten“ ohnehin als mildernd gewertet (US 10).

Die Mängelrüge (Z 5) verfehlt mit der Kritik an der Begründung der gewerbsmäßigen Intention das Anfechtungsziel dieses Nichtigkeitsgrundes, weil sie lediglich in der Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die vom Erstgericht aus den Angaben der Beschwerdeführerin gezogenen Schlüsse unter spekulativen Erwägungen zukünftig zu erwartender Gelder und unter Außerachtlassung der Annahme der Verwendung der lukrierten Einnahmen für darlehenszweckwidrige Zahlungen, insbesondere zur Deckung von Verwaltungsstrafbeträgen und von Kosten ihrer persönlichen Umzüge und für Makler (US 6) bzw zur Abdeckung von Schulden und des Lebensunterhalts der Beschwerdeführerin (US 8), bekämpft. Unter dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit ist die Beweiswürdigung des Erstgerichts, mag sie der Beschwerdeführerin, die nicht - wie geboten - Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe nimmt (RIS-Justiz RS0116504, RS0119370), auch nicht ausreichend erscheinen, jedenfalls nicht zu beanstanden (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394).

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten war daher zurückzuweisen.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon, dass durch die rechtliche Annahme gewerbsmäßig schwerer Tatbegehung (§ 148 zweiter Fall StGB) das Gesetz zum Nachteil der Angeklagten unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Das Erstgericht stellte fest, dass die Angeklagte unter Vorspiegelung jedenfalls ihrer Rückzahlungsfähigkeit betrügerisch Darlehensbeträge zwischen 250 Euro und 16.500 Euro, insgesamt jedenfalls einen 3.000 Euro übersteigenden Betrag herauslockte und für sich lukrierte (US 6 ff), und konstatierte, dass vom Vorsatz der Angeklagten ein 3.000 Euro übersteigender Betrugsschaden umfasst war (US 9) und es ihr auch darauf ankam, sich „durch die diversen und regelmäßigen Betrügereien eine laufende Einnahmequelle zur Abdeckung ihrer Schulden und ihres Lebensunterhalts zu erwirtschaften“ (US 8).

Gewerbsmäßiger schwerer Betrug verlangt jedoch die Absicht des Täters, sich durch wiederkehrende Begehung von jeweils schweren Betrugshandlungen (§ 147 StGB) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Nur wer einen schweren Betrug in der Absicht begeht, sich durch wiederkehrende Begehung von (erneut) schwerem Betrug eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, kommt als Täter des nach § 148 zweiter Fall StGB qualifizierten Verbrechens in Betracht (RIS-Justiz RS0101356; Kirchbacher in WK² § 148 Rz 6).

Zwar genügt für die genannte Qualifikation eines Betrugs als „gewerbsmäßig schwer“, dass unter mehreren Tathandlungen auch nur eine diese Qualifikation aufweist; wenn der gewerbsmäßig handelnde Betrüger aber bloß ausnahmsweise und ohne Absicht, schwere Betrugshandlungen wiederholt zu begehen, (auch) vereinzelte schwere Betrugshandlungen setzt, kommt (lediglich) der erste Fall des § 148 StGB zur Anwendung (RIS-Justiz RS0091990 [T3]).

Der Angeklagten liegen zwar Betrugsschäden großteils unter 3.000 Euro, teilweise jedoch auch über diesem Betrag zur Last. Nach dem Akteninhalt jedenfalls nicht von vorne herein ausschließbare Feststellungen, wonach die Angeklagte in der Absicht gehandelt hat, sich (auch) durch wiederkehrende Begehung von schweren Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, fehlen. Die Subsumtion unter § 148 zweiter Fall StGB ist daher mit Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO behaftet.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde war daher das Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in der rechtlichen Unterstellung der Taten auch unter § 148 zweiter Fall StGB und demzufolge im Strafausspruch - nicht aber in den hievon nicht berührten Privatbeteiligtenzusprüchen - aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien zu verweisen.

Ergänzend ist anzumerken, dass das Erstgericht - wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Berufung ausführt - gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 23. November 2010, AZ 503 Hv 123/10h, Bedacht genommen hat. Im weiteren Rechtsgang wird zu prüfen sein, ob sämtliche Taten vor dem Vor-Urteil erster Instanz begangen worden sind (Schuldspruch II./: „bis 23. Dezember 2010“; US 7), sodass eine gemeinsame Verfahrensführung möglich gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO; sie umfasst die amtswegige Maßnahme nicht (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12).

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