OGH 15Os57/08h (15Os58/08f)

OGH15Os57/08h (15Os58/08f)5.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Juni 2008 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Mag. Helmut R***** und andere wegen des Vergehens der Bandenbildung nach § 278 Abs 1 StGB aF, AZ 13 Hv 96/06f des Landesgerichts Wels, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Landesgerichts Wels vom 7. Februar 2007 und des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. Mai 2007, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Knibbe, der Angeklagten Mag. Helmut R*****, Leopold H***** und Johann K***** sowie ihres Verteidigers Dr. Wolfgang Moringer, jedoch in Abwesenheit der übrigen Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Urteile des Landesgerichts Wels vom 7. Februar 2007, GZ 13 Hv 96/06f-21, und des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. Mai 2007, AZ 8 Bs 103/07i (ON 25 des Hv-Akts), verletzen § 278 Abs 1 StGB aF.

Diese Urteile werden aufgehoben, und es wird in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Mag. Helmut R*****, Johannes K*****, Matthias R*****, Johann K*****, Leopold H*****, Ferdinand P***** und Wilhelm K***** werden von der wider sie erhobenen Anklage, es hätten Mag. Helmut R***** und Johannes K***** als Geschäftsleiter der R*****bank I***** sowie die Bankstellenleiter Johann K*****, Matthias R*****, Leopold H*****, Michael K***** und Ferdinand P***** sich als Mitglieder des „Führungskreises" der R*****bank I***** zumindest ab 9. Juli 1992 bis 1. Juli 2001 in Bad Ischl und an anderen Orten mit dem Vorsatz verbunden, dass von ihnen und den ihnen unterstellten Bankangestellten der R*****bank I***** als weiteren, abgesondert verfolgten Mitgliedern dieser Verbindung fortgesetzt nicht nur geringfügige Betrügereien, nämlich die in der Folge durch verdeckte Verrechnung und kumulierte Anlastung von vertraglich nicht oder nicht in der entsprechenden Höhe vereinbarten Kreditrahmenprovisionen, den Sollzinssatz erhöhenden Kreditprovisionen und Überziehungszinsen bewirkte Schädigung von 405 Kreditkunden im Gesamtausmaß von 597.217,39 Euro ausgeführt werden, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 7. Februar 2007, GZ 13 Hv 96/06f-21, wurden Mag. Helmut R*****, Johannes K*****, Matthias R*****, Johann K*****, Leopold H*****, Ferdinand P***** und Wilhelm K***** - dem schweren Betrug (§§ 146, 147 Abs 3 StGB) wegen Verwirklichung des Strafaufhebungsgrunds der tätigen Reue nach § 167 Abs 4 StGB nicht inkriminierenden Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wels (ON 14) folgend - jeweils des Vergehens der Bandenbildung nach § 278 Abs 1 StGB aF schuldig erkannt und zu einer nach § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von einem Jahr bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.

Danach haben Mag. Helmut R***** und Johannes K***** als Geschäftsleiter der R*****bank I***** sowie die Bankstellenleiter Johann K*****, Matthias R*****, Leopold H*****, Wilhelm K***** und Ferdinand P***** sich als Mitglieder des „Führungskreises" der R*****bank I***** zumindest ab 9. Juli 1992 bis 1. Juli 2001 in Bad Ischl und an anderen Orten mit dem Vorsatz verbunden, dass von ihnen und den ihnen unterstellten Bankangestellten der R*****bank I***** als weiteren, abgesondert verfolgten Mitgliedern dieser Verbindung fortgesetzt nicht nur geringfügige Betrügereien, nämlich die in der Folge durch verdeckte Verrechnung und kumulierte Anlastung von vertraglich nicht oder nicht in der entsprechenden Höhe vereinbarten Kreditrahmenprovision, den Sollzinssatz erhöhenden Kreditprovisionen und Überziehungszinsen bewirkte Schädigung von ca 200 Kreditkunden im Gesamtausmaß von rund 300.000 Euro, ausgeführt werden. Nach den hier wesentlichen Urteilsfeststellungen kamen die Angeklagten in ihren zuvor beschriebenen Führungsfunktionen der R*****bank I***** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung (spätestens) in der Geschäftsleitersitzung vom 9. Juli 1992 überein, zur Steigerung der Ertragslage des Bankinstituts „vermehrt mit Kreditprovisionen" zu arbeiten, was bedeutete, dass in Hinkunft - noch näher auszuwählenden - Kreditkunden vertraglich nicht vereinbarte Rahmenprovisionen, Kreditprovisionen und Überziehungszinsen verrechnet werden sollten. Solcherart kam es den Angeklagten darauf an, in einer Vielzahl von Fällen Kreditkunden darüber zu täuschen, dass - durch Darstellung in nur einzelnen Abschlussposten kaum nachvollziehbar - Entgeltsbestandteile in unzulässiger Höhe verrechnet werden, um dadurch die Kreditkunden zu deren Zahlung zu veranlassen bzw Rückzahlungsforderungen derselben hintanzuhalten, wobei die Angeklagten das Bankinstitut durch diese Verfügungen der jeweiligen Kreditkunden unrechtmäßig bereichern wollten. Die Angeklagten wussten weiters und fanden sich damit ab, dass sie sich für den gesamten Tatzeitraum verbanden, um die angeführten, nicht nur geringfügigen Betrügereien auszuführen. Aufgrund dieser Vereinbarung wurden durch die bis zum 1. Juli 2001 durchgeführten unzulässigen Entgeltsvorschreibungen ca 200 Kreditkunden mit einem Betrag von insgesamt rund 300.000 Euro am Vermögen geschädigt (US 5 ff).

Zur rechtlichen Begründung führte das Landesgericht Wels (ua) aus, dass nach der Lehre zu § 278 StGB (alte und geltende Fassung) die Ausführung von vereinigungsspezifischen Straftaten nicht nur nicht alleiniger, sondern auch nicht der Hauptzweck einer als Bande (kriminelle Vereinigung) zu qualifizierenden Gemeinschaft sein müsse. Eine Bande bzw kriminelle Vereinigung könne daher (wie vorliegend) auch „innerhalb bestehender legaler Organisationsstrukturen von Mitgliedern dieser Organisation innerhalb derselben" gebildet werden (US 10).

Den gegen dieses Urteil gerichteten Berufungen der Angeklagten wegen Nichtigkeit (und des Ausspruchs über die Strafe) gab das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht mit Urteil vom 21. Mai 2007, AZ 8 Bs 103/07i (ON 25 des Hv-Akts), nicht Folge. Dazu führte es - der Rechtsansicht des Erstgerichts beipflichtend - im hier interessierenden Zusammenhang zusätzlich aus, dass die Verfolgung auch anderer, legaler Ziele durch die Verbindung die Verwirklichung einer Bande (kriminellen Vereinigung) nicht ausschließe und es daher auf das Verhältnis von legaler zu illegaler Tätigkeit der Vereinigung nicht ankomme, zumal das einzige nach dem Gesetz vorgesehene „Bagatellkorrektiv" die (hier unstrittigerweise nicht vorgelegene) Geringfügigkeit der intendierten Betrügereien sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Urteile des Landesgerichts Wels und des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht stehen - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Den Tatbestand des Vergehens der Bandenbildung nach § 278 Abs 1 StGB aF (zur Frage des Günstigkeitsvergleichs nach § 61 StGB vgl RIS-Justiz RS0118097), der übrigens im hier relevanten Zusammenhang in Ansehung des Begriffsinhalts der „Bande" durch die Neuregelung des Vergehens der „kriminellen Vereinigung" in § 278 StGB gF im Wesentlichen keine inhaltliche Änderung erfahren hat (Plöchl in WK2 § 278 [2006] Rz 3; Schmoller in Putzer-FS, 978 f), verwirklicht, wer sich mit zwei oder mehreren anderen mit dem Vorsatz verbindet, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Verbindung fortgesetzt in der genannten Bestimmung näher bezeichnete strafbare Handlungen ausgeführt werden. Unter Verbindung ist - gleichbedeutend mit der Legaldefinition der kriminellen Vereinigung in § 278 Abs 2 StGB gF - der Zusammenschluss zu einer Gemeinschaft zu verstehen, die auf die Erreichung des verpönten Zwecks ausgerichtet ist (EBRV zum StGB, 30 BlgNR 13. GP , 420; Leukauf/Steininger StGB3 § 278 RN 2; Steininger in WK1 § 278 Rz 3; RIS-Justiz RS0087910). Wenn es hiezu auch keiner besonderen Organisation (keines besonderen Organisationsgrads) bedarf, so setzt eine solche Gemeinschaft doch voraus, dass sich die Täter ernsthaft dahin einigen, für eine gewisse Dauer zwecks zukünftiger deliktischer Betätigung zusammenzubleiben, sich der Einzelne insoweit dem Willen der Gemeinschaft unterwirft und alle Beteiligten durch ihre Zugehörigkeit zur Bande - zumal durch die dafür charakteristische Vereinbarung einer gegenseitigen Unterstützung der Bandenmitglieder (Hinterhofer BT II4 § 278 Rz 2; Bertel/Schwaighofer BT II7 § 278 Rz 1) - einen entsprechenden Rückhalt bei der Ausführung der ins Auge gefassten Straftaten finden (RIS-Justiz RS0095797, RS0087910).

Das für den Unrechtstypus der Bandenbildung nach dem Gesetz somit konstitutive Tatbestandselement der auf die Begehung von Straftaten ausgerichteten „Verbindung" bezeichnet solcherart ein mit der dargestellten Zielsetzung final verknüpftes sozietäres Strukturmerkmal, das über die bloße Verabredung künftiger (gemeinsamer) Delinquenz - etwa im Sinne eines verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB - weit hinausreicht. Eine auf die Erreichung des erwähnten verpönten Zwecks ausgerichtete Gemeinschaftsstrukur ist daher, wenngleich sie keiner besonderen Ausprägung bedarf (zur zum Bandenbegriff synonymen kriminellen Vereinigung: EBRV zum Strafrechtsänderungsgesetz 2002, 1166 BlgNR 21. GP , 36), essentielle Tatbestandsvoraussetzung des Delikts der Bandenbildung (der kriminellen Vereinigung) nach § 278 aF (gF) StGB, das sich von jenem der kriminellen Organisation nach § 278a StGB - auch in struktureller Hinsicht - somit nur graduell, nicht aber prinzipiell unterscheidet (Kienapfel, JBl 1995, 613 [617, 619]).

Daraus folgt: Die vom Landesgericht Wels und vom Oberlandesgericht Linz angeführte, zentrale Begründungserwägung, dass für die Deliktsverwirklichung der Bandenbildung (kriminellen Vereinigung) die (intendierte) Ausführung vereinigungsspezifischer Straftaten nicht der alleinige, der Hauptzweck oder das Endziel der „Vereinigung" zu sein braucht, diese vielmehr daneben auch auf die Verwirklichung anderer - legaler - Ziele gerichtet sein kann (Plöchl in WK2 § 278 Rz 12), trifft zwar zu. Sie vermag aber, was von den beiden Gerichten verkannt wurde, daran nichts zu ändern, dass der als Prämisse zugrunde gelegte Begriff der „Vereinigung" - wie dargelegt - die strukturelle Ausrichtung der Gemeinschaft auf die Begehung von (spezifischen) Straftaten (die das Erscheinungsbild der Organisation in nennenswerter Weise mitprägen) voraussetzt. Das Tatbestandsmerkmal der „Vereinigung" ist daher nicht erfüllt, wenn die Gemeinschaftsstrukur im Kern einer legalen Tätigkeit dient (vgl Fischer/Tröndle, Strafgesetzbuch und Nebengesetze55 § 129 Rz 15, 20 zur vergleichbaren Bestimmung des § 129 Abs 1 dStGB; zu den Erfordernissen bei Zusammenschlüssen von Wirtschaftsstraftätern s von Bubnoff in Leipziger Kommentar4 § 129 Rz 14). Somit setzt auch die - an sich mögliche (Fischer/Tröndle aaO § 129 Rz 15) - Bildung einer Bande (kriminellen Vereinigung) durch Zweckänderung einer mit legaler Zielsetzung begründeten Gemeinschaft voraus, dass deren genuin legale Zwecksetzung durch die kriminelle Ausrichtung beseitigt wird. Bei Anwendung dieser rechtlichen Erwägungen ergibt sich, dass der den Entscheidungen des Landesgerichts Wels und des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht zugrundegelegte, eingangs dargestellte Urteilssachverhalt die Annahme einer Tatbestandsverwirklichung des Vergehens der Bandenbildung nach § 278 Abs 1 StGB aF nicht zulässt. Die bloße Feststellung der gemeinsamen Verabredung der intendierten (und in der Folge auch bis Juli 2001 durchgeführten) Betrugsdelinquenz durch die Angeklagten in der Geschäftsleitersitzung vom 9. Juli 1992 sagt nichts darüber aus, dass sich die - nur durch ihre gemeinsame berufliche Tätigkeit für dasselbe Bankinstitut miteinander verbundenen - Angeklagten dadurch zu einer auf die ins Auge gefassten Straftaten ausgerichteten Gemeinschaft außerhalb jener legalen Verbindung zusammengeschlossen hätten. Dass die aus der Ausübung der gemeinsamen beruflichen Tätigkeiten entstandene Gemeinschaft hinwieder durch die bloße Verabredung der künftigen Begehung von Straftaten ihre genuin legale Zweckausrichtung verloren hätte, wurde gleichfalls nicht festgestellt.

Diese verfehlte Rechtsansicht hat sich zum Nachteil der Angeklagten ausgewirkt (§ 292 letzter Satz StPO). Nach der Aktenlage war nicht zu erwarten, dass die für einen Schuldspruch solcherart erforderlichen Feststellungen mit zureichender Begründung aufgrund eines neuen Rechtsgangs getroffen werden könnten (RIS-Justiz RS0100239), weshalb in der Sache selbst zu entscheiden war (§§ 288 Abs 2 Z 3, 292 letzter SatzStPO).

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