OGH 15Os53/95

OGH15Os53/9511.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Mai 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Pointner als Schriftführerin, im Verfahren zur Unterbringung des Guntram E* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 (mit Bezug auf § 75) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 10.Februar 1995, GZ 15 Vr 768/94‑56, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0150OS00053.9500000.0511.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Guntram E* gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er am 5.Juli 1994 in Bludenz unter dem Einfluß einer schizophrenen Psychose, sohin eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes, der auf einer geistig‑seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, vorsätzlich seine Gattin Ingeborg E* durch zahlreiche Messerstiche in die obere Brustkorbregion sowie in die obere Rücken‑ und untere Nackengegend getötet, mithin eine mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Tat begangen hat, die ihm außerhalb dieses Zustandes als Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB zugerechnet würde.

Der Betroffene bekämpft diese Entscheidung mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf die Gründe der Z 5, 11 lit a und 13 des § 345 Abs 1 StPO gestützt wird, sowie mit Berufung.

Die Verfahrensrüge (Z 5) wendet sich gegen die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 10.Februar 1995 gestellten Antrages auf Einholung eines Gutachtens aus dem Bereiche der Toxikologie, der zum Beweise dafür dienen sollte, daß

1.) die mit Angaben vom 7.April 1994 verordnete Medikamente Trittico und Deanxit im Hinblick auf das vorliegende Krankeitsbild (des Betroffenen) kontraindiziert waren,

2.) die beiden Medikamente Deanxit und Trittico mit einer für das Strafverfahren notwendigen Wahrscheinlichkeit das Zustandsbild des Betroffenen in der Weise verschlimmert haben, daß es zu der Tat gekommen ist, wobei der die Zurechnungsfähigkeit ausschließende Zustand durch die Medikamente Deanxit und Trittico herbeigeführt wurde, sowie

3.) zwischen den Medikamenten Deanxit und Trittico Wechselwirkungen bestehen, welche bei einer gemeinsamen Einnahme dieser Medikamente zu einer erheblichen Steigerung der Inhaltsstoffe führen (S 47/II);

die Ablehnung dieses Beweisantrages habe den Betroffenen deswegen in seinen Verteidigungsrechten verletzt, weil durch diese Beweisführung erwiesen worden wäre, daß der die Zurechnungsfähigkeit ausschließende Zustand durch die gemeinsame Einnahme der Medikamente Deanxit und Trittico herbeigeführt worden sei und "dies in einem wesentlichen Zusammenhang mit der bisher von den Sachverständigen angenommenen negativen Zukunftsprognose" stehe.

 

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge ist nicht im Recht.

Angesichts der ohnedies bejahten Zurechnungsunfähigkeit des Betroffenen geht sie mangels Beschwer ins Leere, soweit sie augenscheinlich andere Ursachen für diesen Zustand als die von den beiden Sachverständigen dargelegten zu erweisen trachtet.

Soweit sie jedoch auf die "negative Zukunftsprognose" abstellt, zielt sie auf die Bekämpfung einer Ermessensentscheidung. Nach stRspr ist jedoch die Gefährlichkeitsprognose ausschließlich mit Berufung bekämpfbar (SSt 57/23 = JBl 1986, 737 = RZ 1987/5 uvam); lediglich jenes Element der Gefährlichkeitsprognose, das die Rechtsfrage der Qualifikation der zu befürchtenden strafbedrohten Handlung mit schweren Folgen betrifft, wäre mit Nichtigkeitsbeschwerde aus dem Grund des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall oder des § 345 Abs 1 Z 13 zweiter Fall StPO anfechtbar (12 Os 181/94, 11 Os 13/92, 16 Os 57/91). Hinsichtlich aller weiteren Prognoseelemente können demnach Einwendungen gegen die Ablehnung von Beweisanträgen ‑ ebenso wie formelle Begründungsmängel schöffengerichtlicher Urteile ‑ nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden, sondern allein mit Berufung (11 Os 13/92, 12 Os 114/92, 16 Os 59/91, 15 Os 133/87, Mayerhofer/Rieder StPO3 § 433 E 5, Bertel Grundriß4 Rz 831, SSt 57/23).

Angesichts der eindeutigen Depositionen der psychiatrisch‑neurologischen Sachverständigen Dr.H* und Dr.P* wäre es außerdem schon bei der Stellung des Beweisantrages zur Dartuung seiner Relevanz erforderlich gewesen aufzuzeigen, aus welchen Gründen die dem Beweisthema entgegenstehenden Ausführungen zweier anerkannter, mit der Wirkung der genannten Medikamente gerade aus ihrer fachspezifischen Erfahrung vertrauter Sachverständiger unrichtig sein sollten, insbesondere, daß ‑ entgegen der Ansicht dieser Experten ‑ die bezeichneten Mittel und nicht die schizophrene Psychose Ursache für die Zurechnungsunfähigkeit des Betroffenen und somit für die von ihm verübte Tat gewesen seien. Da ein derartiges Vorbringen unterblieben ist, läuft der Beweisantrag der Sache nach auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinaus. Daß die Voraussetzungen des § 125 StPO für die Beiziehung anderer Sachverständiger vorlägen, wird im Beweisantrag und in der Beschwerde nicht einmal behauptet. Die Verfahrensrüge geht daher fehl.

Unter nomineller Anführung der Nichtigkeitsgründe der Z 11 lit a und 13 des § 345 Abs 1 StPO bekämpft der Betroffene die Anordnung der vorbeugenden Maßnahme des § 21 Abs 1 StGB; mit Beschluß des Bezirksgerichtes Bludenz vom 2.November 1994 sei für ihn ein Sachwalter bestellt worden, der "alle Angelegenheiten zu besorgen" habe. Der Maßnahmenvollzug des § 21 Abs 1 StGB sei als ultima ratio anzuordnen. Da Maßnahmen, die vom Sachwalter getroffen werden können und müssen, sehr wohl geeignet seien, allfällige krankheitsbedingte Gefahren zu verringern oder zu beseitigen, bedürfe es keines weiteren (strafrechtlichen) Verfahrens und sei die entsprechende Anordnung der Unterbringung überflüssig, zumal Sachwalter und Sachwaltergericht im Rahmen der Personensorge den Aufenthaltsort des Betroffenen bestimmen können.

Mit diesem Vorbringen bestreitet der Betroffene nicht, daß er eine im § 21 Abs 1 StGB genannte Anlaßtat unter dem Einfluß eines dort angeführten, die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen hat, sondern bemängelt die Urteilskonstatierung zum Sanktionenausspruch (US 4), es sei zu befürchten, daß er sonst, das ist ohne Anordnung der vorbeugenden Maßnahme, unter dem Einfluß seiner Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde. Damit aber werden der Sache nach keine Verfahrens‑ oder Rechtsmängel in bezug auf die rechtlichen Grundvoraussetzungen der Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt nach § 21 Abs 1 StGB behauptet, sondern das Beschwerdevorbringen wendet sich abermals ausschließlich gegen die im Ersturteil konstatierte ungünstige Prognose, daß nämlich nach der Person des Betroffenen dringend zu befürchten sei, daß er, sollte er nicht in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher untergebracht werden, unter dem Einfluß einer geistig‑seelischen Abartigkeit auch in Hinkunft eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen, ähnlich der Anlaßtat, begehen werde. Die Gefährlichkeitsprognose als Ermessensentscheidung ist ‑ wie schon erwähnt ‑ nach ständiger Rechtsprechung lediglich mit Berufung bekämpfbar.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als offenbar unbegründet gemäß §§ 344, 285 d Abs 1 Z 2 StPO schon in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Gemäß §§ 344, 285 i StPO ist zur Entscheidung über die Berufung des Betroffenen der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig, der dabei auch über das Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde zu den mit Z 11 lit a und 13 bezeichneten Nichtigkeitsgründen zu entscheiden haben wird.

 

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