Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 31. Jänner 2002, GZ 091 Hv 1356/01z-19, wurde Andreas M***** von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, den Privatankläger Karl P***** in einem im Februar 2001 an alle Abonnenten der periodischen Druckschrift „Z*****" gerichteten Brief eines unehrenhaften und gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Unter einem wurden die gegen die Antragsgegnerin W*****gesellschaft mbH & Co KG gerichteten Anträge auf Zuerkennnung einer Entschädigung nach § 6 Abs 1 MedienG und Anordnung der Veröffentlichung des Urteils nach § 34 MedienG abgewiesen. Der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung des Privatanklägers und Antragstellers gab das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht mit Urteil vom 1. August 2002, AZ 18 Bs 184/02 (ON 26 des Hv-Aktes), nicht Folge.
Mit Urteil vom 15. November 2007, P***** gegen Österreich, Nr 12556/03, stellte der EGMR fest, dass durch die angeführten Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichts Wien der Privatankläger und Antragsteller Karl P***** in dem in Art 8 MRK statuierten Recht auf Achtung seines Privatlebens, nämlich des darin enthaltenen Rechts auf Unverletzlichkeit der Ehre, verletzt worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Gestützt auf § 363a Abs 1 StPO begehrt der Privatankläger und Antragsteller Karl P***** nunmehr die Erneuerung des Strafverfahrens.
Er ist aus folgenden Erwägungen nicht antragslegitimiert:
Im selbstständigen Entschädigungsverfahren (§ 8a MedienG) hat gemäß § 41 Abs 6 MedienG der Antragsgegner (Medieninhaber) die Rechte des Angeklagten, demgemäß aber der Antragsteller die Rechte des Privatanklägers (Rami in WK2 MedienG § 8a Rz 3; Brandstetter/Schmid MedienG² § 8a Rz 8f; Berka/Höhne/Noll/Polley MedienG² § 8 Rz 6 f). Ein Recht des Privatanklägers oder des diesem gleichgestellten Antragstellers im selbstständigen Entschädigungsverfahren (§ 8a MedienG) auf - stets kassatorische (§§ 363b Abs 3 erster Satz, 363c Abs 2 StPO), damit für den außer Verfolgung gesetzten Angeklagten (Antragsgegner) nachteilige - Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO (iVm § 41 Abs 1 MedienG) entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers und der diesem Rechtsbehelf zugrunde liegenden legistischen Zielsetzung:
Das ergibt sich aus der Vorschrift des § 363b Abs 3 letzter Satz StPO, die - ohne die nach dem System der Strafprozessordnung bei sowohl zugunsten als auch zum Nachteil des Angeklagten eingeräumten Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen übliche differenzierende Anordnung des Verbots der reformatio in peius (§§ 290 Abs 2, 292 letzter Satz, 295 Abs 2, 358 Abs 5, 362 Abs 4 StPO) - für das erneuerte Verfahren die uneingeschränkte Geltung des - zwar explizit nur eine strengere Strafe, der Sache nach damit aber umso mehr auch einen Schuldspruch anstelle eines rechtskräftigen Freispruchs oder einer rechtskräftigen gerichtlichen Verfahrenseinstellung verbietenden - Verschlechterungsverbots bestimmt.
Wenngleich der Wortlaut des § 363a Abs 2 StPO zwar mit der insoweit weit gefassten Bezeichnung („der von der festgestellten Verletzung Betroffene") Privatankläger oder Antragsteller vom Kreis der - neben dem Generalprokurator - zu einem Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens Legitimierten nicht explizit ausnimmt, ist der Begriff des „Betroffenen" infolge des Verbots einer Schlechterstellung rechtskräftig Freigesprochener oder durch das Gericht außer Verfolgung Gesetzter in der Weise teleologisch dahin zu reduzieren, dass Privatankläger (Antragsteller nach § 8a MedienG) nicht darunter fallen.
Dies ist auch bereits aus den Gesetzesmaterialien zum Strafrechtsänderungsgesetz 1996 (EBRV 33 BlgNR 20. GP , 64 ff) abzuleiten, wonach mit dem in Rede stehenden, in Umsetzung der sich aus Art 46 Abs 1 (früher Art 53) MRK ergebenden Befolgungspflicht zur Transformation von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in die innerstaatliche Rechtsordnung geschaffenen Rechtsinstitut strafgerichtlich Verurteilten sowie „von einer sonstigen Verfügung Betroffenen" (gemeint: in ihren Grundrechten verletzten dritten Personen), demnach nicht aber Privatanklägern (oder Antragstellern im selbstständigen Entschädigungsverfahren nach § 8a MedienG), im Sinne der intendierten spezifischen Erweiterung des Rechtsschutzes die Möglichkeit einer restitutio in integrum eingeräumt werden soll (in diesem Sinn auch Reindl, WK-StPO § 363a Rz 15; vgl auch die § 363a StPO entsprechende Bestimmung des § 359 Z 6 dStPO, die eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens aus dem hier in Rede stehenden Grund ausdrücklich nur zugunsten des Verurteilten [nicht aber zu dessen Ungunsten, § 362 dStPO] vorsieht). Privatankläger und Antragsteller im selbstständigen Entschädigungsverfahren nach § 8a MedienG sind daher zu einem Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO nicht legitimiert (RIS-Justiz RS0123644).
Da somit dem Privatankläger und Antragsteller ein Antragsrecht gemäß § 363a StPO nicht zukommt, war der Antrag - in Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur und der hiezu erstatteten Äußerung der Antragsgegnerin - schon bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 363b Abs 2 Z 2 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG zurückzuweisen.
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