OGH 15Os48/23g

OGH15Os48/23g29.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Juni 2023 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski als Vorsitzende sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Mann und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Mag. Eschenbacher als Schriftführerin in der Strafsache gegen * K* wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 9. März 2023, GZ 13 Hv 128/22a‑49, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wehofer, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Langeder zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00048.23G.0629.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Sexualdelikte

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch aufgehoben und insoweit in der Sache selbst erkannt:

* K* wird für die ihm zur Last liegenden Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1./), des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (2./a./ und b./) und nach § 206 Abs 1 und Abs 3 vierter Fall StGB sowie die Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (2./c./) unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 206 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von

sieben Jahren und sechs Monaten

verurteilt.

Die Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht überlassen.

Mit ihren Berufungen gegen den Ausspruch über die Strafe werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * K* der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1./), des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (2./a./ und b./) und nach § 206 Abs 1 und Abs 3 vierter Fall StGB (2./c./) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (3./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er im Zeitraum September 2018 bis Sommer 2022 in  S*

1./ seine am * 2012 geborene unmündige Stieftochter * K* in zwei Angriffen mit Gewalt, indem er sie jeweils am Handgelenk erfasste und gegen ihren Widerstand ins Schlafzimmer zog (US 4), zur Duldung dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen, nämlich zum Oral‑ und Analverkehr, genötigt,

2./ mit einer unmündigen Person, nämlich seiner am * 2012 geborenen Stieftochter * K*, dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen vorgenommen, und zwar mehrfach

a./ digitale Vaginalpenetration,

b./ Analpenetration mit dem Penis,

c./ Oralverkehr, wobei er in den Mund der * K* ejakulierte und diese zwang, das Ejakulat zu schlucken (US 4), wodurch sie in besonderer Weise erniedrigt wurde,

3./ durch die zu Punkt 1./ und 2./ genannten Tathandlungen mit seiner minderjährigen Stieftochter geschlechtliche Handlungen vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die ausschließlich auf Z 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Zu Recht kritisiert die Sanktionsrüge einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 StGB; Z 11 zweiter Fall), weil die Tatrichter bei der Strafbemessung den Umstand als erschwerend werteten, dass „die Tathandlungen zum Nachteil einer nahen Angehörigen begangen wurden“ (US 9). Denn die angesprochene Täter‑Opfer‑Relation zählt zu den Tatbestandselementen des § 212 Abs 1 Z 1 StGB und bestimmt solcherart bereits dessen Strafdrohung (vgl 15 Os 138/20p; 11 Os 156/21g).

[5] Diese Nichtigkeit (Z 11 zweiter Fall) erforderte die Aufhebung des Strafausspruchs des angefochten Urteils.

[6] Bei der dadurch notwendig gewordenen Strafneubemessung waren als erschwerend das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen, die Wiederholung der Tathandlungen, der lange Tatzeitraum von nahezu vier Jahren und der Umstand, dass der Angeklagte die Taten als Volljähriger gegen eine minderjährige Person beging (§ 33 Abs 2 Z 1 StGB; 15 Os 138/20p), zu werten, als mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel des Angeklagten.

[7] Anzumerken bleibt, dass entgegen der Berufung des Angeklagten die mit dem Strafverfahren selbst verbundenen Nachteile (Verlust des Arbeitsplatzes, Beeinträchtigung der Reputation, Belastung der Beziehung zur Mutter des Tatopfers) vom Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 19 StGB nicht umfasst sind (RIS-Justiz RS0130394). Auch kann die behauptete Beeinträchtigung der „Ehre und Reputation der Lebensgefährtin“ nicht zu Gunsten des Rechtsmittelwerbers ausschlagen.

[8] Unter Berücksichtigung der angeführten Strafzumessungsgründe sowie der allgemeinen Strafbemessungsregeln (§ 33 Abs 2 und 3 StGB) war ausgehend von einem Strafrahmen von fünf bis fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe die aus dem Spruch ersichtliche Freiheitsstrafe dem Unrecht der Tat und der Schuld des Angeklagten angemessen. Eine Erhöhung des Strafmaßes aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen – wie von der Staatsanwaltschaft beantragt – war hingegen nicht erforderlich.

[9] Mit ihren Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

[10] Das Erstgericht sprach der Privatbeteiligten einen Schadenersatzbetrag von 4.000 Euro (zuzüglich Zinsen) zu. Entgegen der Kritik der dagegen erhobenen Berufung ist die Höhe dieses vom Erstgericht in freier Überzeugung (§ 273 ZPO; vgl RIS-Justiz RS0031614) zuerkannten Betrags mit Blick auf die Vielzahl der Tathandlungen und den langen Deliktszeitraum nicht zu beanstanden.

[11] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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