European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00046.22M.0727.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 20. Jänner 2021, GZ 15 Hv 16/20d‑21, wurde * F* (im ersten Rechtsgang) mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./), mehrerer Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 erster Satz [zweiter Fall] StGB und nach § 207a Abs 3 zweiter Satz [zweiter Fall] StGB (II./) und mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (III./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er – soweit gegenständlich relevant – in S* und an anderen Orten
I./ von zumindest Herbst 2016 bis 4. Jänner 2018 mit der am * 2004 geborenen * W*, sohin einer unmündigen Person, in zahlreichen Angriffen, nämlich im Schnitt drei Mal pro Woche, dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er seinen Finger in ihre Vagina einführte, sowie ab 2017 bis zum 4. Jänner 2018 auch wiederholt den Beischlaf unternommen;
II./ (...)
III./ von zumindest Herbst 2016 bis April 2020 mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, nämlich der am * 2004 geborenen * W*, unter Ausnützung seiner Stellung als „faktischer Onkel“ (gemeint: als Aufsichtsperson), nämlich als Lebensgefährte der Schwester der Mutter der * W*, gegenüber dieser Person in mehrfachen Angriffen, nämlich im Schnitt etwa drei Mal wöchentlich, eine geschlechtliche Handlung vorgenommen, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, nämlich durch die zu I./ beschriebenen Handlungen des Einführens der Finger in die Vagina und ab 2017 auch durch Vollzug des Beischlafs.
[3] Soweit im gegenständlichen Verfahren von Bedeutung hob der Oberste Gerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Dezember 2021, AZ 15 Os 83/21a, dieses Urteil – das er im Schuldspruch zu I./ und III./ unberührt ließ – im Schuldspruch zu II./, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich eines Konfiskationsausspruchs und der Vorhaftanrechnung) auf und ordnete eine neue Hauptverhandlung an.
[4] Über die gegen einen (von der Kassation unberührt gebliebenen) Zuspruch an die Privatbeteiligte gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Oberlandesgericht Wien bislang noch nicht entschieden.
[5] Mit dem nunmehr angefochtenen, im zweiten Rechtsgang ergangenen Urteil wurde F* – unter (verfehlter [RIS‑Justiz RS0100041 {T4, T7, T9, T10, T11}, RS0098685 und Danek/Mann, WK‑StPO § 270 Rz 20/3]) Wiederholung des im ersten Rechtsgang rechtskräftig gewordenen Schuldspruchs – zu I./ und III./ zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und es wurde neuerlich über die privatrechtlichen Ansprüche der * W* entschieden.
[6] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
[7] Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) verstößt die erschwerende Wertung des Umstands, „dass es sich bei dem Angeklagten um eine Vertrauensperson“ des minderjährigen Opfers gehandelt hat „und dieses Vertrauen vom Angeklagten bewusst missbraucht wurde“ (US 11), nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 StGB). Letzteres verbietet nämlich nur die Heranziehung von Strafbemessungsgründen, die bereits „die Strafdrohung“ (im Sinn von Strafsatz) bestimmen (RIS‑Justiz RS0130193; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 711). Vorliegend ist aber der Umstand, dass zwischen dem Angeklagten und dem Opfer ein Vertrauensverhältnis bestand, welches durch die Taten missbraucht wurde, für die von der Beschwerde ins Treffen geführte Subsumtion nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB nicht maßgeblich, stellt doch der genannte Tatbestand lediglich auf ein zwischen dem Täter und der minderjährigen Person bestehendes faktisches Verhältnis der Über- und Unterordnung oder eine faktische Aufsichtspflicht ab (RIS‑Justiz RS0095273, RS0095216; Philipp in WK2 StGB § 212 Rz 4 f).
[8] Der von der Rüge angesprochenen Entscheidung 15 Os 138/20p lag demgegenüber eine Verurteilung nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB zugrunde, weshalb der Umstand, dass die Tatbegehung durch den Stiefvater gegenüber seiner Stieftochter erfolgte, nicht zusätzlich erschwerend gewertet werden durfte, zählte doch die angesprochene Täter-Opfer-Beziehung zu den Tatbestandselementen und bestimmte damit bereits die Strafdrohung.
[9] Soweit sich die Beschwerde gegen die Feststellungen zu den durch die Tat erlittenen psychischen Schäden des Opfers (US 5) richtet und eine unvollständige sowie offenbar unzureichende Begründung reklamiert, wird Nichtigkeit aus Z 11 – schon mangels Bezugnahme auf die gegenständliche Strafbemessung (US 10 f) – nicht zur Darstellung gebracht.
[10] Mit der Behauptung, es liege „Nichtigkeit wegen Verstoß gegen § 285i StPO“ vor, weil dem Schöffengericht keine Kompetenz zur Entscheidung über die offene, gegen den Privatbeteiligtenzuspruch gerichtete Berufung zugekommen sei, es aber neuerlich über die privatrechtlichen Ansprüche entschieden habe, wird keiner der in §§ 281, 281a StPO abschließend geregelten Nichtigkeitsgründe angesprochen, sondern bloß ein Berufungsvorbringen erstattet (vgl § 283 Abs 1 StPO).
[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – wie die Generalprokuratur zutreffend ausführt – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung resultiert (§ 285i StPO).
[12] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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