Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Ramazan G*****öksen fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch den rechtskräftigen Freispruch einer Mitangeklagten enthält, wurde Ramazan G***** (zu I.) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB sowie (zu II.) des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in Wien und an anderen Orten
I. gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch die Vorgabe, aufgrund des bestehenden Vertragsverhältnisses zum Kassieren bzw zum Einbehalten der unten angeführten Beträge berechtigt zu sein, mithin durch Täuschung über Tatsachen zur Bezahlung nachstehender
Beträge
A. verleitet, und zwar:
1. im Dezember 2004 Fahrettin T***** zur Bezahlung von insgesamt 16.800 Euro
2. im Februar 2005 Mahmut K***** zur Bezahlung von insgesamt 12.900 Euro
- 3. im März 2005 Hamdi Ki***** zur Bezahlung von insgesamt 4.150 Euro
- 4. Ende 2004/Anfang 2005 Hamdi D***** zur Bezahlung von insgesamt 19.000 Euro
5. im Jänner 2005 Gülseren O***** zur Bezahlung von insgesamt 15.000 Euro
- 6. Anfang 2005 Saban Tu***** zur Bezahlung von 6.000 Euro
- 7. Anfang 2005 Naci I***** zur Bezahlung von insgesamt 5.300 Euro
B. zu verleiten versucht, und zwar im Februar oder März 2005 Erhan Ka***** zur Bezahlung einer Vermittlungsprovision in Höhe von 2.000 bis 3.000 Euro;
II. im 1. Quartal 2005 ihm vom Versicherungsbüro Peter P***** anvertraute Güter, nämlich ein Mobiltelefon, zwei Laptops, einen Tintenstrahldrucker sowie ein Faxgerät im Wert von insgesamt 2.600 Euro, mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, sich zugeeignet, indem er diese nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses für sich behielt und trotz Aufforderung nicht zurückstellte.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 4, 5, 9 (lit) b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Diese schlägt fehl.
Mit der Verfahrensrüge (Z 4) bringt der Beschwerdeführer vor, das Schöffengericht habe die Hauptverhandlung durchgeführt, „obwohl der Angeklagte zur Zeit der Verhandlungen an geistigen Defekten litt, die seine Verhandlungsfähigkeit aufgehoben hatten".
Gesetzlich normierte Voraussetzung einer Anfechtung nach Z 4 ist es aber, dass während der Hauptverhandlung über einen Antrag des Beschwerdeführers nicht erkannt worden ist oder gegen seinen Antrag oder Widerspruch ein Beschluss gefasst wurde. Ein solcher, von der Verteidigung gestellter Antrag auf psychiatrische Begutachtung des Angeklagten war auch Gegenstand der vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 29. April 1970, AZ 12 Os 26/70 (SSt 41/23). Im vorliegenden Fall wurde aber weder vom Angeklagten noch von seiner Verteidigerin in der Hauptverhandlung ein in diese Richtung zielender Antrag gestellt, sodass die geltend gemachte Nichtigkeit schon aus diesem Grund nicht vorliegt. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang einen Verstoß des Erstgerichts gegen die Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung moniert (inhaltlich Z 5a), legt sie nicht dar, wodurch der anwaltlich vertretene Angeklagte an der Ausübung seines Rechtes, entsprechende Anträge in der Hauptverhandlung zu stellen, gehindert war (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).
Anzumerken bleibt, dass Verhandlungsunfähigkeit dann vorliegt, wenn der Angeklagte nicht in der Lage ist, dem Verlauf der Verhandlung zu folgen, sich verständig zu äußern und seine Rechte sinnvoll wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0098977). Eine Untersuchung des Geisteszustandes des Angeklagten ist (nur dann) geboten, wenn das Verfahren objektive Momente ergeben hat, die Zweifel über die Verhandlungs- oder Zurechnungsungsfähigkeit hervorrufen können. Bloße Behauptung eines (die Zurechnungsfähigkeit aufhebenden) geistigen Defekts reicht hiezu nicht aus (RIS-Justiz RS0097641). Solche objektiven Momente lassen sich aber weder aus den vom Beschwerdeführer angeführten - aus dem Zusammenhang gerissenen - Passagen des Hauptverhandlungsprotokolls noch aus dem übrigen Beweisverfahren ableiten. Der Angeklagte, der im Zuge der Hauptverhandlung auf zahlreiche Fragen zu einzelnen Fakten - teils detaillierte - Antworten gab, hat vielmehr über Befragen durch die Vorsitzende eine Verhandlungsunfähigkeit dezidiert verneint und in der Folge bloß behauptet, nervenkrank zu sein, „zu dem Zeitpunkt" (Tatzeitraum) psychologische Probleme gehabt und „1 bzw 1½ Jahre" eine - nicht näher spezifizierte - Therapie zu haben (S 323, 327). Die mit der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde vorgelegte nervenfachärztliche Stellungnahme war zufolge des im Nichtigkeitsverfahrens geltenden Neuerungsverbotes prozessual unbeachtlich. Auch ihr sind aber im Übrigen keine konkreten Hinweise auf eine Verhandlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung oder auf eine im Tatzeitraum gegebene Diskretions- oder Dispositionsunfähigkeit zu entnehmen.
Entgegen der eine Scheinbegründung der subjektiven Tatseite kritisierenden Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) haben die Tatrichter den Vorsatz nicht bloß - im Übrigen zulässigerweise (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452) - aus dem objektiven Tathergang abgeleitet, sondern unter Zugrundelegung der Verantwortung des Angeklagten auch seine Branchenerfahrenheit sowie die Angaben des Zeugen P***** in ihre Erwägungen einbezogen (US 8). Die gewerbsmäßige Ausrichtung gründeten sie überdies auf die Faktenvielzahl und den Umstand, „dass der Erstangeklagte die Betrügereien bei jedem von ihm vermittelten Kredit beging, und er zwecks Kreditvermittlung auch beschäftigt war" (US 9). Die Rechtsrüge (Z 9 lit b, nominell auch lit a) vermisst unter Bezugnahme auf die schon zur Z 4 ins Treffen geführten Angaben des Angeklagten, er sei „nervenkrank", könne nicht „verbalisieren" und habe psychologische Probleme, eine Feststellung, wonach der Beschwerdeführer (im Tatzeitraum) nicht zurechnungsfähig gewesen sei, vermag damit aber keine Beweisergebnisse zu bezeichnen, die eine entsprechende Konstatierung indiziert hätten.
Soweit die Beschwerde unter Zitierung von Zeugenaussagen behauptet, der Angeklagte habe die Geschädigten bei Übernahme des Kreditvermittlungsauftrags darüber aufgeklärt, dass diese zusätzliche Provisionen und Versicherungsprämien zu bezahlen hätten, übergeht sie die diesem Vorbringen entgegenstehenden Konstatierungen (US 5 ff) und verbleibt solcherart auf der Ebene einer Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld.
Auch der Einwand der Subsumtionsrüge (Z 10), der Schaden habe den Betrag von 50.000 Euro unterschritten, hält nicht an den gegenteiligen Urteilsannahmen fest und verfehlt somit die gebotene Orientierung an der Verfahrensordnung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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